Bernstein machte sich im Frühjahr 1965 in seiner Wohnung in Manhattan an die Arbeit. Er wählte Psalmtexte aus, die er in hebräischer Sprache zu vertonen be schloß. Anfang Mai beschrieb er dem Dekan in einem Brief das fertige Werk: „ Von der... Grundstimmung her ist es recht volkstümlich..., und es hat neben den grelleren Momenten einen altmo dischen Charme.... Das Werk umfaßt drei Sätze und dauert etwa achtzehn einhalb Minuten; jeder Satz besteht aus einem kompletten Psalm sowie einem oder mehreren Versen eines weiteren Psalms, als Kontrast oder Ergänzung. “ In einem längeren Gedicht, das Bernstein am Ende seines Urlaubsjahres als Rück blick verfaßte, bezeichnete er die Psal men als „bescheidene Lieder, tonal und melodisch, beinahe bieder". Diese Be schreibung täuscht jedoch in doppelter Hinsicht - einmal weil die oft schwelgeri schen melodischen Bögen immer wieder aufgerauht, geschärft und gebrochen werden, zum anderen weil die zahlrei chen irregulären Metren sich bei der Ein studierung als äußerst schwierig ausführ bar erweisen. In allen drei Sätzen verwendete Bernstein melodisches Material aus dem geschei terten Musical, das er in diesem Jahr hatte schreiben wollen. Der dramatische Einsatz des Männerchores im Mittelsatz ist die Umarbeitung eines Chores, der ursprünglich für den Prolog der „West Side Story“ gedacht war, aber dann ge strichen wurde. So erklärt es sich, daß man zuweilen Broadway-Klänge zu hören glaubt; Bernstein hat dem Wunsch des Dekans nach Anklängen an die „West Side Story“ auf sehr subtile Weise ent sprochen. Die Aufführung der Psalmen am 31- Juli 1965 in Chichester, die in der Originalfas sung für reinen Knaben- und Männerchor erfolgte, war nicht die Uraufführung; Bernstein hatte darum gebeten, das Werk bereits am 15. Juli in einem Konzert der New Yorker Philharmoniker unter seiner Leitung aufführen zu dürfen. Dort waren die Psalmen von einem gemischten Er wachsenenchor gesungen worden.