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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.08.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190808099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19080809
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19080809
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-09
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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Bez>r-».Prei» p>r L«U>jia und <Uo«r«« »mnd »«(«r, trüger un» ^vrditru« ml Ha»« gebracht: Su«gabe l lvur m»raen1) »mrtrllthrlich S M.. nmnaklich I Vi.; rlulaad« S (morgen« und abend«) viertel, lihrlich 4.S0 monatlich l.SV M. Lurch dir Voft ,u be,tebe«! (2 mal täglich) innerhalb leutlchlavd« und der deutlchen Kolonien vierielithrlich d,!S M., monatlich I,7S M. autlchl. Poft- beftellgeld, ür Oesterreich U L 88 d, Ungarn 8 st vierielithrlich ferner in Veh> aien. Dtnemarl, den Donaustaaien, Italien, Luxemburg, Niederlande »ionogen. Rust, land Schwede^ Schwmg unt Spanien. I» allen übriaen Eraateo anr direkt durch di« i!r»«d.». >Ül. erhältlich «donnemeni-lstnnadmei Dugustulplatz 8, bei unleren Lrägern. Iilia.en, Lpedlieureu und Annahmestellen loime Postämtern und Brielnägern. Di« »tnjeln, Rümmer kostet It» DsM Rebaktlo» »nd ErvedMont IohannilgasI« st. DÄe-do« Nr. IE. Nr. lEl. Nr. I4SSL Morgen-Ausgabe v. UtWMr.TagMaü HandelszeUung. Amtsblatt des Mates im- des Nalizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lazeigen-Preis Mr Anierat, «n« L«w»>a und Umgebung Üö ««ivalten, Prtttgttle L Pi., ftnangielle Anjmgen stö Pi.» Reklamen INL; von ««wärt« » PI.. Reklamen 1.20 M.; »»« «ulland St)«., stnan». «neigen 7SPs.. Reklame» 1^0 Ist. Injeratev.vehärdenir amUichevlelläoPi. Beilagegebstbr SM.», lautend exkl. Dost. gebühr. «eichäitta-deigen an bevormlgter Stelle im Preit« erhöht. Rabatt nach Dari' Fest erteilte SuitrSa« können nicht »urück- a«»ogen werden. Für da« Lricheinen an bestimmten Dagen und Plätzen wird kein« Barantte übernommen Antigen-Annahme, Augnstutzplatz 8, bei lämtluhen Filialen u. allen Annonce», lttzpeditionen de« Jo» und Ausland««. Haupt-Filiale Merkt», L»rl Duniker, Herzogl. Bahr. Hosbuch- handlung, Lützowstraste 10. (Telephon VI, Nr. 460S). Haupt-Filiale Dresden: Seeftraste < 1 (Telephon 4821). Nr. 219. Sonntag 9. August 1908. 102. Jahrgang. Dar Wichtigste. * Der Kaiser hat dem Deutschen Reichskomitee zum Dau eines neuen Luftschiffes für den Grafen Zeppelin 10000 überwiesen. Auch der König von Sachsen sandte gestern ein Beileidstelegramm an Zeppelin. sS. d. des. Art.). * Der Verband der Haus- und Grundbesitzer vereine beschloß in Königsberg in einer nichtöffentlichen Sitzung, eine eigene Haftpflichtversicherung einzurichten. sS. Lpzg. Ang.) * Der bedeutende Kunstgewerbler Professor Olbrich ist gestern in Darmstadt gestorben. sS. Feuill.) * Zur Ermordung des Buchhändlers Giegler in Leipzig sind neue Recherchen im Gange. sS. Lpzg. Ang.) * Der italienische Minister Tittoni wird auf seiner Automobil reise nach Oesterreich Karlsbad und Marienbad besuchen. In Karls bad soll er mit Iswolsky und Clemenceau und in Marienbad mit König Eduard zusammentreffen. * Die russische Regierung hat in einem Zirkular an ihre Vertreter im Auslande ihren Standpunkt zur Frage der Reformen in Mazedonien dargelegt. sS. Ausl.) * Wie verlautet, hat der Schah von Persien einen Staatsrat ernannt, der das Parlament ersetzen soll. sS. Letzte Dep.) Mädchenhandel. Vor kurzem ist ein Buch erschienen, das in Form einer Er-äblung die Aufmerksamkeit auf den Mädchenhandel richten und die Frauen welt vor den Gefahren, die ihr durch gewissenlose Madchenhändler und -Händlerinnen drohen, warnen will. Eine Norwegerin, Elisabeth Schöben, hat sich daran gemacht, einen Roman „Die weiße Sklavin" zu verfassen, der mit dem Untertitel „Des zwanzigsten Jahrhunderts Schmach" von Thea Sternberg ins Deutsche übertragen und im Verlag Eontinent (Berlin) erschienen ist. Für den Inhalt ihrer Erzählung ist natürlich die Norwegerin in erster Linie verantwortlich. Aber ihr Werk hat eine ganz erhebliche Be glaubigung durch deutsche Persönlichkeiten und Amtsstellen erfahren. Die deutsche Ausgabe des Buches ist auf Anregung des preußischen Ministeriums des Innern erfolgt, nachdem der Roman in französischer Uebertragung dem Deutschen Kaiser voraelegen batte. Ferner haben das Deutsche Nationalkomitee, unterzeichnet i. A. Major a. D. Wagener, und die Schriftführerin des Bundes deutscher Frauen vereine, Anna Pappritz, dem Buch Geleitworte gewidmet. Major Wage- ner bezeugt, daß die Schilderungen in bezug auf die Manipulationen der Mädchenhändler in keiner Weise übertrieben seien, sondern durchaus den Erfahrungen entsprächen. Nur e i n Einwand wird gegen die Dar stellung erhoben: Es sei zu bezweifeln, daß die Mädchenhändler durch ein gemeinsames Abzeichen sich zu erkennen gäben; Elisabeth Schöyen hat nämlich als gemeinsames Abzeichen den im Buche vorkommenden Mäd chenhändlern und Mädchenhändlerinnen ein Schmuckstück in Gestalt einer Brosche, einer Schlipsnadel oder eines Manschettenknopfes mit dem Brustbild einer Frau in weißem Elfenbein zugeschrieben. Der Rat des Nationalkomitees ist berechtigt, die jungen Mädchen sollten sich nicht in Sicherheit wiegen, wenn sie dieses Schmuckstück bei einer Persönlich, leit nicht bemerken. Das Nationalkomitee hofft weiter, daß durch die Herausgabe des Buches breite Massen des Volkes über den Mädchen handel aufgeklärt werden, und die Zahl der bedauernswerten Geschöpfe, die ahnungslos dem Geschick der tiefsten Erniedrigung anheimfallen, ver, ringert werde. Anna Pappritz erinnert an die soziale Entwicklung, die es mit sich bringt, daß immer mehr junge Mädchen das Elternhaus ver lassen müssen, um einen eigenen Broterwerb zu suchen. In der Tat knüpfen ja hieran die Mädchenhändler an. Es werden Bonnen, Er zieherinnen, Gesellschafterinnen, Lehrerinnen nach Belgien, Frankreich, England, nach Argentinien oder anderen Ländern verlangt, und statt der erwarteten Stellung öffnet sich den Bewerberinnen die Schande. DaS Vorgehen der Händler ist ungefähr folgendes: Nachdem irgend welche Engagementsaussichten vorgespiegelt worden sind, wird von dem Händler oder seinem Agenten oder seiner Agentin, die da vorschüken, irgendwie in Beziehung zu der neuen Stellung zu stehen oder die gleiche Reise zu machen, die Fahrt mit den Opfern angetreten. Die vorgesehene Route wird eingehalten oder auch nicht, jedenfalls wird das Opfer statt in eine anständige Familie in ein öffentliches Haus verschleppt, wo «S durch Hunger und Peitsche gefügig gemacht wird. Die Verbindung mit der Außenwelt wird möglichst abgeschnitten. Beim Verlassen des Zuges wird, wenn das Opfer schon argwöhnisch geworden ist und sich sträubt, eine Zwangsjacke angelegt und gegenüber dem etwa aufmerksam werden den oder zu Hilfe gerufenen Publikum der Anschein erweckt, man habe es mit einer Geisteskranken zu tun. Man stelle sich vor, daß man auf einem Bahnhofe in Hamburg oder Köln einen solchen Auftritt erlebt; man ist vielleicht von Mitleid für das Mädchen erfüllt, aber ein am Transport beteiligter, durch Kleidung und Auftreten Vertrauen er weckender Herr weist mit dem Finger auf die Stirn und erklärt: „Es ist eine Kranke" — wer von uns würde sich die Mühe geben loder hätte es wenigstens bisher getan, ehe er auf die Machenschaften der Mädchen händler aufmerksam gemacht worden war), der Sache auf den Grund zu gehen? Dazu kommt der Umstand, daß die Mädchen, nachdem einmal daS Unglück geschehen ist, Scheu haben, ihren Verwandten den richtigen Tatbestand mitzuteilen. Die Gesetzgebung verschiedener Länder er- leichtert die Internierung und erschwert die Befreiung. Durch häufigen Wechsel deS Aufenthaltsortes werden di« Spuren immer mehr verwischt; die Mädchen werden an immer tiefer stehende Häuser weiter verschachert und enden durch Krankheit irgendwo im Hospital, oder schleppen ihr Leben noch einige Zeit fort, vielleicht im Orient oder in Südamerika, wenn sie nicht den freiwilligen Tod vorgezogen haben. Das Schicksal der Opfer, die in jugendlicher Unschuld, eine glück liche Zukunft erhoffend, grausam von ihrem Lebenswege gerissen und dem schlimmsten Schicksal, das man denken kann, überantwortet werden, ist so ergreifend, daß es verwunderlich wäre, wenn nicht auch die nor wegische Verfasserin Töne gefunden hätte, die zu Herzen gehen. Tas ist auch der Fall. Ihre Erzählung, die eine moderne Seclenmalerei gar nicht versucht, erschüttert durch die Tatsachen, die ungefähr so ge- schildert werden, wie oben angegeben. In unseren Tagen gebührt dem Abschnitte über die Erlebnisse des Opfers in Konstantinopel und im Harem des Sultans ein be sonderes Interesse. Es kann nicht ausbleiben, daß man die Beglaubi gung, die dem Buch durch das Nationalkomitee, durch das preußische Ministerium und selbst den Deutschen Kaiser gegeben wird, auf die Schilderung der Verhältnisse in Konstantinopel überträgt. Es ergibt sich die Frage: Sind die Verhältnisse wirklich so? Läßt wirklich Abdul Hamid, dessen Charakter und Lebensweise geschildert wird, sich Frauen für seinen Harem auf diese Weise zuführen? Elisabeth Schützen läßt nicht nur ihn, sondern auch Izzet Pascha, den aus den letzten Ereignissen den Zeitungslesern bekannten, ehemals gefürchteten Günstling des Sultans, und andere Paschas austreten. Im Charakterbilde des Sul- tans fehlen nicht mildere Züge, aber cs bleibt doch die Tatsache bestehen, daß ohne des Sultans Willen die schändliche Tatsache der Vergewal tigung, wie sie in dem Buche geschildert wird, nicht denkbar ist. Da Deutschland als der beste Freund des Sultans gilt, haben diese Fragen auch eine politische Seite. Es kann nicht ausbleiben, daß in den ausländischen Leserkreisen, die das Buch der Norwegerin kennen lernen — es ist. wie schon bemerkt, u. a. ins Französische übersetzt worden —, sich eine tiefe Empörung über dieses zum Himmel schreiende Unrecht ansammelt und auch auf diejenigen abfärbt, die man als die Freunde Abdul Hamids betrachtet. Tie ganze humane Welt wird mit Abscheu von denen denken, die ein derartiges Treiben dulden oder decken. Es ist bekannt, daß die Engländer sehr gut die humanen Ideen in der Politik zu verwerten wissen, und es wäre sonderbar, wenn sie nicht daS natürliche Gefühl der englischen Frauen- und Männerwelt gegen solche Dinge aufstcichcln würden. Nebenbei würde dann sicherlich Deutschland seinen Teil abbekommen. Zuerst müßte aoer entschieden werden, ob denn die Schilderung des norwegischen Buches auch in diesem Punkte zutrifft. Zu den Reformen, die der Sultan in den letzten Tagen einführte, gehörte nach einer Zeitungsmeldung die Abschaffung eines Mädchenopsers, das ihm in der „Nacht der Empfängnis des Propheten" bisher dargebracht wurde. Ist damit der schlimmste Miß stand beseitigt, oder besteht das Schändliche, was in dem Buche der Norwegerin dem Leser angedeutet wird, in der Hauptsache weiter? Am erfreulichsten wäre es, wenn der Wahrheit gemäß erklärt werden könnte, daß solche Vorgänge niemals zu den Zeilen Abdul Hamids möglich waren. Leider muß man fürchten, daß eine solche Ableugnung nicht möglich ist. Jedenfalls wäre zu wünschen, daß von kundiger Seite eine zuverlässige Aufklärung erfolgt. Durch die bemerkenswerte Be glaubigung des Buches der Norwegerin sind ohne Zweifel auch die amtlichen deutschen Stellen in diese Frage hineingezogen und haben ein Interesse an der Klarstellung. Der Neubau der spanischen Flotte. Die spanische Regierung hat kürzlich die Bedingungen für den Wettbewerb um den Neubau der vom Parlament bewilligten 3 Linien- schiffe, 3 Zerstörer, 24 Torpedoboote und 4 Kanonenboote bekannt ge geben und dazu den Termin für die Vorlage der Angebote auf den 21. August d. I. festgesetzt. Zunächst geht aus dem Austreiben hervor, was von besonderer Wichtigkeit ist und im Widerspruch steht mit mancherlei Angaben, die in der ausländischen Presse verbreitet worden sind, daß für die Konkurrenz nur ein engerer Kreis inländischer und englischer Firmen in Betracht kommen könne. Im Gegenteil läßt der Artikel 54 ausdrücklich die Möglichkeit zu, daß z. B. auch deutsche Häuser sich in erheblichem Umfange um Lieferungen mitbewerbcn kön nen. Sämtliche Schiffe sollen auf spanischen Staatswerften gebaut werden, und zwar die Linienschiffe in Ferrol, die übrigen in Cartagena, hierzu werden die Bauhöfe den Unternehmern zeitweise zur Verfügung gestellt. Hinsichtlich der Fertigstellung der einzelnen Schifssklassen be stimmt der Regierungserlaß, daß das erste Linienschiff in 4, das zweite in 5*/2, das dritte in 7 Jahren abgeliefert werden müsse, von den Zer störern der erste in 3HH, die übrigen vor Ablauf von 6 Jahren, von den Torpedobooten 3 in IV2 Jahren und von den übrigen wenigstens 3 in ledem folgenden Jahre und von den Kanonenbooten das erste in 22 Monaten und die 3 anderen so verteilt, daß die Probefahrten des letzten innerhalb von 40 Monaten beginnen. Sehr hoch sind in dem Ausschreiben die Konventionalstrafen bemessen, die die Bauunter nehmer, die den Zuschlag erhalten haben, für Nichtinnehalten obiger Baufristen zu zahlen haben. Sie belaufen sich auf 5—10 000 Pesetas monatlich bei Verzögerung jn der Ablieferung der Linienschiffe und auf 3—5000 Pesetas bei jedem der anderen Schiffe. Von sonstigen Einzelheiten aus dem Wettbewerbsschreiben der Re gierung interessieren besonders die näheren Bedingungen bezüglich der Schlachtschiffe. Es heißt darin u. a.: Für Bestimmung der normalen Wasserverdrängung von etwa 15 000 Tonnen, mit einer Fahrtgeschwin digkeit von 19 Knoten muß die mögliche Aufnahme der Schüfe in die Trockendocks zu Kadiz und Cartagena ohne große Aenderungen an ihnen berücksichtigt werden. Die erforderlichen Aenderungen sollen von den Konstrukteuren der Schiffe vorgeschlagen werden und ihre Ausführung soll Gegenstand einer Vereinbarung mit der Regie- run« sein. Die Bestückung soll aus 8 3GZentimeter-Kanonen, die paarweise in Barbettetürmen aufgestellt und so ongeordnct sind, daß dos größte Schußfeld, das mit derselben Armierung auf ähnlichen Schissen er reicht worden ist, besonders für das Breitseitenfeuer gewonnen wird, und aus 20 10-Zentimeter-Kanonen bestehen, die zum großen Teil auf dem Batteriedeck stehen sollen. Die Feuerleitung für alle Geschütze muß von einem Punkte aus erfolgen können, wie dies auf den Kriegs- schiffen der wichtigsten Marinen bereits eingeführt ist. Der Antrieb soll durch Turbinen geschehen. Wilhelm II. und di« Franzosen. „An dem Tag, an dem die Rot- Hosen und die Pickelhauben zusammen marschieren, an dem Tag fällt Karthago!" Der junge Wilhelm H. Fr. Sporleder, ein Metzer Schriftfsteller, hat ein interessantes Buch geschrieben sDie Legende über Wilhelm II., Verlag von P. Müller, Metz). May auch nicht alles verbürgt sein, was darin steht. Auf solche Prä tention war der Legenden-Erzähler auch nicht aus. Aber es schildert überzeugend, wie das Bild des Kaisers sich in den Köpfen des Volkes malt. Und speziell das Kapitel „Wilhelm II. und die französische Marianne" enthält sehr instruktives Material, weshalb hier einige Ab schnitte aus den uns vom Verlage zur Verfügung gestellten Aushänge- bogen sdas Buch erscheint Mitte August) abgedruckt seien. Le Käser. Es war im Jahre 1905, als ich mich wie alljährlich zu der fron- zösischcn Gedenkfeier in Mars-la-Tour begab; nach der Parade von Longchamp Wohl das intere santeste Bild französischer Eigenart. Zu beiden Feiern entsendet die französische Armee Abordnungen der Regi menter. Und so entwickelt sich hier hart an der deutschen Grenze ein französisches Armeetreiben, es zeigt sich eine Musterkarte französischer Uniformen, wie man sie sonst nicht zu sehen bekommt. Wer für den un parteiischen Beobachter ist hier jährlich die interessante Tatsache festzu stellen, wie sich beide Armeen immer ähnlicher werden in der Ausbil dung und im Armeegeist. Dort und hier profitiert man von den Lehren des anderen und beherzigt seine Mißerfolge. Ich hatte im genannten Jahre meinen zweiten Sohn zu der Mars- la-Tour-Feier mitgenommen. Er trug hierzu die schwarze, silberbesetztt Schülermütze der Metzer Mittelschule. Wir befanden uns bei der Feier, welche am Denkmal abgehalten wird, im inneren Raume des kleinen Friedhofes. Eine Anzahl Pioupious sperrte hier das Publikum ab. Es mochten etwa zwei Züge Infanterie sein, die unter dem Befehl von vier Offizieren standen. Da man auf den aus der Kirche zurückkehrenden Zug der Veteranenvereine warten mußte, so lagerten sich die Soldaten am Boden und mein Junge, der zum ersten Male französische Soldaten sah, trat neugierig an sie heran. Ein Offizier fragte den Kleinen: „Was hast du für eine schöne Mütze auf dem Kopfe?" „Die Mittelschülermütze!" >»„AH, du bist ein Deutscher! Lasse mal sehen!" Bei diesen Worten nahm er dem Jungen die Mütze ab. Nun gebraucht die Firma in Metz, bei welcher diese Mütze gekauft wurde, ein Mützenfutter, auf dem ein tadelloses Lichtbild Wilhelms II. in einem gekrönten und mit militärischen Emblemen verzierten Medaillon gedruckt ist. Als der Franzose einen Blick in die Mütze warf, rief er mit ehr fürchtigem Staunen: „Seht, seht, hier ist „le KAer!" Er gab tue Mütze weiter und sie wanderte von Hand zu Hand Durch etwa dreihundert französische Soldatenhände wanderte sie und jeder schaute fasziniert das schmucklose Bild an. Ein ehrfürchtiges Raunen ging dabei von Mund zu Mund: „Ix> Xöser"; die Nähe eines Großen machte die Herzen der kleinen französischen Pioupious stocken und beben: angesichts eines Denkmals, an dem der Haß gepredigt, die Fackel des Revanchekrieges geschwungen wird; auf den Feldern, wo vor sicbenunddreißig Jahren die Fahnen und Trikoloren der braven fran zösischen Armee unter den wechselnden Chancen des Kriegsglücks zu Boden sanken. „Höre mal, Kleiner!" sagte darauf der Offizier zu meinem Jungen, als die Mütze in seine Hände zurückgelangte, „etwas finde ich seltsam: man soll seinen Kaiser nicht aus dem Kopfe, sondern im Herzen traaen!" „Das tut jeder deutsche Junge!" antwortete schlagfertig der Wicht. „Freut mich!" erwiderte jetzt der Offizier und streichelte meinem Jungen die Backe. Aber dessen Zunge und verfluchte Fragen kannte der französischen Kolonel nicht. Ich wartete interessiert und schon lange auf eine Spezialfrage meines Jungen, die er eigentümlicherweise immer an zubringen pflegt und die den anderen stets in Verlegenheit setzt. Die klugen Aeuglein des kleinen Herrn wurden jetzt größer und er fragte den französischen Offizier in tadellosem Französisch: „Mein Herr, Sie haben keinen Kaiser?" „Nein!" kam es von den Lippen des Offiziers. „Aber, wen tragen Sie dann im Herzen?' Der Offizier schaute den kleinen Frager an, ohne jeden Unmut über seine ebenso seltsame, wie ungehörige Frage, und alles horchte interessiert auf die Antwort, welche erteilt werden würde. „Wir haben keinen Kaiser, sondern einen Präsidenten!" umging der Offizier die Beantwortung der Frage. „Na, einen Lohgerber oder einen Advokaten kann mau doch nicht ün Herzen tragen!" sagte keck der Kleine. „Warum nicht?" fragte jetzt gespannt der Offizier. „Weil sie die Geschäfte anderer Leute für Geld besorgt haben. . . ." „Da hielt ich es an der Heit, meinem Jungen das lose Mundwerk zu stopfen und rief ihm Stillschweigen gebietend, zu mir heran. Der Kolonel trat auf mich zu, stellte sich vor und sagte: „Es war mir eine Freude, Ihren kleinen herrlichen Jungen kennen zu lernen. Was er gesagt hat, ist die Meinung eines großen Teils des französischen Volkes. Aber", und ich sah, wie ihm die Tränen aufstiegeu, „es ist stumpf geworden. Auf Wiedersehen, nächstes Jahr!" Das Wiedersehen, das wir allerdings suchen wollten, war nicht möglich. Am folgenden Jahrestage trat bei der Feier am Denkmal einer der vier Offiziere des Vorjahres auf uns zu und teilte uns mit, daß der Kolonel in Afrika am Fieber gestorben sei. Er überreichte meinem Jungen ein Bild mit der Unterschrift: „Vivo Io Xäser!" als Andenken Des Kaisers Französisch. Ter Kaiser beehrte mich, so erzählt Jules Simon, mit einer Ein ladung zu einer seiner Privatgesellschaften. Ich stieg wiederum, dieses Mal in Begleitung des HandelSministers Herrn Berlepsch, unseres liebenswürdigen und gewandten Präsidenten, die Treppe empor, die zu den Galaräumen führt; aber wir machten schon in der darunter befind lichen Etage Halt, wo ich in einem Raume mehrere Offiziere entdeckte, unter die sich mein Begleiter mischte. Ich sah mich plötzlich allein und war etwas beunruhigt für meine Person, da ich nicht wußte, wer uns hier eigentlich empfing. Es war gegen Abend, der Raum nicht allzu hell, und das Licht des schwindenden Tages kämpfte mit der Beleuchtung der Kerzen. Das ganze Meublement bestand aus einer Anzahl von Sesseln und einem großen Tisch, der mit einem grünen Tuch be deckt war. Ich glaubte in einem Wartesaal zu sein, als ein Offizier sich von einer Gruppe loslöste, auf mich zukam und mich fragte, ob ich mit meinem Besuch in Sanssouci zufrieden sei. Ich erkannte augenblicklich den Kaiser. Man nahm Platz um den grünen Tisch, und cs wurde mir mit geteilt, daß ich mich zur Rechten des Kaisers niederzulassen hätte. Man begann zu trinken und zu rauchen. Diesmal hatte ich mit dem Kaiser eine lange Unterredung; die Sitzung hat sich weit über Mitternacht hinaus erstreckt. Bevor ich über diese Unterhaltung berichte, muß ich etwas über die Sprache des Kaisers uutteile«.
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