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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.08.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080824024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908082402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908082402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-24
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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«r. 234. 102. Jahr«. auffordert, auch ihrerseits Muley Hafid zum Sultan -u proklamieren. Ueber die schon kurz gemeldete Proklamierung Muley Hafid» zum Sultan in Tanger wird weiter berichtet: Tanger, 24. August. (Telegramm.) Unter dem Drängen der Tanger benachbarten Stämme, weleste die Stadt bedrohten, wenn Muley Hafid nicht zum Sultan ausgerufrn würde, versammelten sich die marokkanischen Notabeln Tangers iu der Moschee, um über den Wortlaut der Proklamation zu beraten. El Menebi, der Vertreter Muley Hafids, dem bereits die Geschäfte des Ministers des Auswär tigen anvertraut waren, bat auf Anraten der englischen Gesandtschaft, mit der Proklamation einige Tagezu warten, da mit Abdul Äziz Zeit habe, dem Thron zu entsagen. Die Marokko- nischen Würdenträger wünschten sedoch, das; eine sofortige Proklama tion erfolge. Man kam darin überein, daß El Menebi und El Gebbas sich zu dem französischen Gesandten Negnault begeben und die Geneh migung für die sofortige Proklamation Mulen Hafids nachsuchen sollten. Reanault überbrachte zugleich den Wunsch allen früheren Be amten Abdul Aziz.—Im Verlaus der Versammlung in der Moschee kam man überein, erstens den Versuchen Unrube zu stiften, entgegenzu treten, zweitens keine Repressalien gegen die früheren Gegner anzu wenden, drittens den Agenten des Sultans ihre Funktionen zu lassen. Der spanische Geschäftsträger Padillo wohnte der Unterredung der Delegierten mit Regnault bei. Dieser dankte den Delegierten für ihr Vorgehen und erklärte, daß er sich nickt cinmischen könne in dnnastischc Fragen bezüglich der inneren Politik des Landes, und nahm Kenntnis von den Versicherungen der Delegierten betreffend die Sicherheit der fremden Kolonien und der Aufreckterbaltung der Ordnung. Der spa nische Geschäftsträger dankte gleichfalls den Delegierten und schloß sich vollständig der Erklärung Regnaults an. Nach der Zusammen kunft kehrten Gebbas und Menebi nach der Moschee, wo dieProkla- mation unter dem enthusiastischen Zuruf aller Anwesenden stattfand, zurück. Die Freude der Bewohner ist allgemein. Ueber den Hergang der Niederlage Abdul Aziz ver lauten bisher nur Gerüchte. Madrid, 23. August. (Telegramm.) Nach Mitteilung des spanischen Gesandten in Tanger laufen dort über die Niederlage Abdul Aziz drei Versionen um. Mch der einen wäre sie einem Verrat der Schaujas zuzuschreiben: nach der anderen einem plötzlichen und stürmischen- A-ngrifs der bafidistischen Streitkräfte unter dem Befehl des Kaids BeNkebu, eines SohneS des azizischen Ehgouverneurs von Azemmur: nach der dritten endlich der Kavallerie Muley Hafids, die sich die mangelhafte Sorg falt Abdul Aziz' während des Marsches auf Marrakesch zunutze machte. General d'Am ade streut dem gefallenen Abdul Aziz noch tröstenden Weihrauch. Paris, 23. August. Ein Telegramm des Generals d'Amade aus Casablanca von gestern abend 7^ Uhr be sagt, daß d'Amade den Oberst Noinier beauftragte, die nötigen Maß regeln zu ergreifen, um im Lchaujagebiet die Ordnung aufrechtzuer halten. Abdul Äziz habe km Laufe des Kampfes sehr große per sönliche Tapferkeit an den Tag gelegt, sein Beispiel habe aber nichts ausrichten können inmitten einer Masse ohne Zu'ammenhang, ohne Organisation und fast ohne Waffen. Die Pariser Blätter geben sich weiter alle Mühe, die wei- teren Pläne der französischem Negierung zu erraten. Paris, 23. August. (Telegramm.) „Petit Republique" er klärt, mitteilen zu können, welche Absichten die französische Regierung angesichts der marokkanischen Ereignisse verfolgen werde. Die Niederlage Abdul Aziz' gelte als eine endgültige und die Mächte hätten sich bereits vor einiger Zeit über diese Even tualität verständigt. Es sei vereinbart w-orden, daß eine Prolla- mierung Muley Hafids zum Sultan und seine Anerkennung davon abhängig gemacht werden müsse, daß er zuvor die Algccirasakte als bindend anerkenne. Frankreich und Spanien würden als die Mandateure Europas mit dem neuen Herrscher in Verbindung treten. Abdul Aziz, der sich zu den französischen Truppen geflüchtet habe, er klärte, daß er diese nicht mehr verlassen wolle, um in das Innere zurückzukehren, was einer Thronentsagung aleichkomme. Auch in Spanian hat der Sieg Muley Hafids alles in Aufregung versetzt. Madrid, 24. August- (Telegramm.) M i n i st e r p r L s i - dentMaura ist aus Santander in Bild ar cingetroffcn und hatte mit dem König und dem Minister des Aeußern eine längere Be sprechung über die Ereignisse in Marokko. Dringende neue Instruktionen sind an die spanischen Kriegsschiffe in den Marokko- nischen Gewästern abgegangen. Deutsches Reich. Leipzig, 24. August. * Titteni in Dentschland. Der italienische Minister des Aeußeren, Tittoni, ist, wie aus Dtünster telegraphiert wird, gestern nachmittag auf Schloß Haimhauien eingetrosfen, um dem hier auf Urlaub befindlichen deutschen Botschafter in Rom, Grafen Monts, einen Be such abzustatten. Leipziger ra,«bleit. »outeg, 24. August 1-08. * Inkrafttreten de» neuen «agelschuhgesetze». Am 1. September tritt das vom Reichstage am 7. Mai d. I. genehmigte Vogelschutzgesetz in Kraft, da» den Reichstag ein ganze» Jcchr lang beschäftigt hatte. Das Gesetz kommt vielfachen Wünschen aus dem Publikum entgegen und will dazu beitragen, uns die heimische Vogelwelt besser als bisher vor dem Unter- gange zu schützen. DciS Gesetz verbietet da» Zerstören und AuSnehmen von Vogelnestern, das AuSnehmen und Töten von Jungen, den Verkauf von Nestern. Eiern und Jungen, ferner den An. und Verkauf, die Ein-, AuS. und Durchfuhr der in Europa heimischen Vogelarten, ihrer Nester, Eier und Brut. Die wichtigste Bestimmung ist das Verbot de» Dohnen st ieges, der unter hohe Strafe gestellt wird. Die Liebhaber der Krammetsvügel werden auf diese Delikatesse nunmehr verzichten müssen. Auch das Fangen der übrigen Vögel mit Leim, Schlingen, Nestern, Käfigen usw. ist verboten, so daß unsere heimischen Singvögel bald aus den Vogelhandlungen verschwinden werden. — Das neue Vogelschutzgesetz tritt zum ersten Male auch in Helgoland in Kraft, da» zur Zeit des alten Gesetzes (1888s noch englisches Gebiet war. Während es dem Staate nicht weiter möglich ist, zum Schutze der heimischen Vogelwelt gesetzliche Vorschriften zu erlassen, versucht er cs mit Erfolg weiter, auf diplo matischem Wege und auf dem Wege der Belehrung für den Schutz der Vögel zu arbeiten. So ist Hoffnung vorhanden, daß Italien in Bälde ähnliche Bestimmungen erlagen wird und dcrPariserKonvention zumSchutzeder Vögel beitreten wird, um den Vogelmord in Italien zu inhibieren. Unsere Schwalben kommen alljährlich immer weniger nach Norddeutschland. Um im Jnlande unserer Vogelwelt die Existenzbedingun, gen zu erleichtern, hat das preußische Landwirtschaftsministerium An- leitungen zur Ausübung des Schutzes der heimischen Vogelwelt ausge. geben, in denen es die Landwirte anregt, bessere LebcnSbedingungen für die Vögel durch Anpflanzung von Strauchwerk, Erhaltung kleinerer Wasserflächen und alter Baumbestände zu schaffen. * Die Straßburger Prinzenpramotio». Entgegen der Behauptung der „Straßburger Correspondenz" ist, wie ans Straßburg tele graphiert wird, vorgestern den beiden Straßburger Parteileitungen die Eröffnung der Voruntersuchung wegen Beleidigung der Prüfungskommission des Prinzen August Wilhelm an gezeigt und die Vorladung zur Vernehmung zugestellt worben. * Der neue türkische Botschafter in Berlin. Der bisherige Bot schafter Tewfik Pascha verläßt bekanntlich seinen Berliner Posten. Als Nachfolger ist nun der stellvertretend« KriegSminister Osman Nisami als Botschafter am Berliner Hofe Vorschlägen worden. Chancen hat auch der Polizeiminister Sami, der als langjähriger Militärattache sich in Berlin große Sympathien erworben hat. Beide Kandidaten, besonders der letztere, sind außerordentlich befähigte Diplo maten und gelten als deutschfreundlich. * Fürst Eulenburg. Nach einem Gutachten, da» der Staatsanwalt, schäft dieser Tage ausgestellt wurde, ist im Befinden des Fürsten EulenburgkeineBesserungzu verzeichnen. Die Aussichten auf eine baldige Gerichtsverhandlung werden demnach immer geringer. — Neber den Zustand de» Fürsten wird weiter berichtet: Die Schwellung der Gliedmaßen ist zwar zurückgegangen, doch bestehen die Symptome der Neurose nach wie vor. Ein .Krankheitsbericht wird von Zeit zu Zeit auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft festgesetzt und durch ein besonderes Obergutachten beglaubigt. Den Besuchen der direkten Angehörigen deS Fürsten ist auch in letzter Zeit kein Hindernis entgegengestellt worden. Besonder» die Fürstin weilt oft am Krankenlager ihres Ge- mablS. * Llovd George in Hamburg. Der englische Schatzkanzler Lloyd George fo^te gestern abend einer Einladung zum Diner bei dem Reeder Kroogmann. Heute reiste er nach Bremen ab. * Sin internationaler Mittekstandskongreß wird vom 4 —8. Oktober in Wien tagen: es ist dies der zweite internationale Mittelstands kongreß. Man will sich mit der Pflege der lokalen Hausindustrien, dem Ausbau der landwirtschaftlichen und gewerblichen Kreditorganisation, mitrelständischer Wohnungspolitik der Baubandwerkerfrage beschäftigen. Selbstverständlich wird der Kongreß auch von Deutschland beschickt werden. Attskand. * Iswolskis Reise. Man schreibt uns: Stolypin ist nach Peters- bürg zurückgekehrt: trotz seines zweimaligen Llbstechers von Stettin nach Berlin bat er mit maßgebenden Persönlichkeiten hier nicht konferiert. Iswolski wird das nachholen: er wind mit dem Fürsten Bülow eine Zusammenkunft haben, wahrscheinlich in Norderney. Iswolski ist be kanntlich in Karlsbad angekommen, und die Zusammenkünfte mit Clemenceau und Baron Aehrenthal werden im großen und ganzen als durchaus friedliche und freundliche Symptome aufgefaßt werden. * Die Lage iu Ptersien ist immer noch sehr beunruhigend. London, 24. August. (Telegramm.) Eiu Morgenblatt meldet aus Teheran, die Lage in Täbris werde neuerdings drohend: die Bemühungen Ain ed Daulehs, zu einer friedlichen Lösung mit den Aufständischen zu kommen, hätten keinen Erfolg gehabt. Tie Vorhut der königlichen Truppen hätte große Verlnste erlitten: ein Regi ment sei von den Aufständischen entwaffnet worden. L-iprigev und sächsische Angelegenheiten, rvettarbericht -«r Röntgt. SSehf. zu Dresden, «areuesage für »e« 25. August 1-08. Südwestwtud, anfheiterud, wärmer, meist trvcku. Der Sturm. Die Verheerungen, die von dem Sturm, der in der Nacht vom Sonu- tag zum Montag in der Stadt und der Umgebung gewütet hat, angerich tet worden sind, stellen sich als ziemlich bedvutenv dar. Der meiste Schaden dürfte im Nosentale entstanden sein. Dort war heute in den Morgenstunden ein förmlicher Teppich von abgerissenen Zweigen und Blättern ausgebreitet. Eine Unmenge von Bäumen sind dem Sturme zum Opfer gefallen: es befinden sich darunter förmliche Riesen. Die ersten Elektrischen, die heute morgen durch das Rosental fuhren, konnten anfangs überhaupt nicht passieren: man muhte erst die Äufräu- mungsarbeiten vornehmen. In der Nähe deS Exerzierplatzes hat dar Unwetter eine ganze Reihe von Akazien umgeknickt. Nächst dem Rosen tale ist die Marienhöhe stark mitgenommen worden. Die Silber pappeln in der Ludolf-Colditz-Straße lagen zu einem Drittel am Boden. Glücklicherweise sind von ihnen nur wenige vernichtet: die meisten hat der Sturm nur gebogen. Auch in der Naunhofer, in der Wallwitz- und in der Schönbachstraße ist säst kaum ein Baum verschont geblieben. Eine Laube, die sich i» einer dortigen Villa befand, wurde weggerissen. Nur der Tisch, auf dem sich noch daS Kaffeegeschirr befand, blieb stehen. In dem Parke unterhalb des Völkerschlachtdenkmals sind gleichfalls die meisten Bäume unigebogen. Weiter hat das Wetter in der Nähe des Ostheims böse gewirtschaftet. In Neustadt am Markt sind die großen, schönen Lindenbänme direkt abgebrochen. An der nach Taucha führenden Allee, die mit Obstbäumen bepflanzt ist, lagen die Früchte in Massen: der Pächter dürfte ganz empfindlich geschädigt sein. In der Stadt bat der Sturm fast überall erheblichen Schaden verursacht. Von verschiedenen Dächern sind die Ziegel aus die Straße geschleudert, Fensterscheiben zertrümmert, Torpseiler umgeworien worden usw. An der Verkaufsstelle des Konsumvereins in der Zschocherschen Straße wurde eine große Schaufensterscheibe eingedrückt. Von den vier großen Pappeln am Georgiring ist ebenfalls eine umgelegt worden. Bretter planken und Gartenzäune sind vielfach umaeristen worden. In einem Grundstück der Niedeckst raße wurde die Esse umgeworsen: sie fiel auf bas Dach und schlug es zum Teile durch. Aus dem Meßplatze ist besonders dem Hippodrom von Wölbling durch den Sturm großer Schaden zuaesügt worden. Das Dach wurde zum Teil abgedeckt. Von anderen größeren Zelten ist die Dachpappe heruntergerisien.. An sonstigen Straßen, die schwer gelitten haben, sind zu nennen die Kron- Prinz st raße: dort wurden mehrere Pappeln umaelegt: in der Dresdner Straße haben ebenfalls die Straßenbäume stark ge- litten. Ein gleiches ist aus vielen anderen mit Bäumen bevslanztcn Straßen zu melden. Auch die eisernen Sckutzoitter halsen nickt gegen- über der Gewalt des Sturmes. Die Gartendirektion war seit den frühesten Morgenstunden in allen Stadtteilen mit dem Ausrichten und Anpfählen der Bäume emsig beschäftigt. Angedauert bot das Sturm- wuten von 1 Uhr nachts bis aegen 143 Uhr. Kurz vor 2 Ubr batte e? den Höhepunkt erreicht. Menschen find nach den bisherigen Meldungen glücklicherweise nicht zu Schaden gekommen. * * Eine Neuerung im Trnppenverpflegungswesen. Aus Dresden wird uns geschrieben: Die sächsische Heeresverwaltung verband mit der Felddienstübung, die am vergangenen Donnerstag bei Lockwitz stattfand, einen interessanten Versuch über eine neue kriegsmäßige Truppen- Verpflegung. Während sonst die Mannschaften erst nach dem Beziehen oes Biwaks mit dem Abkochen begannen und mitunter noch stundenlang mit hungrigem Magen auf die Fertigstellung de: Mahlzeiten warten mußten, hat man gelegentlich der Ucbuna den Versuch gemacht, diesem Uebelstande abzuhelfen. Eine Anzahl obkommandierter Soldaten der Leikwrenadiere nebst einigen Militärfleischern rückten noch vor dem Aus bruch des Regiments nach dem vom Kommando bestimmten Biwakplatzc ab und begannen daselbst mit der Einrichtung einer regelrechten Feld küche. Dann wurde aus einem in der Nähe gelegenen Ritlergiuc ein Ochse requiriert und von der Feldküche geschlachtet. Das Abhäulen. Ausweiden und Zerlegen ging, von sachkundiger Hand ausgcführt, schnell von statten, und in kurzer Zeit brodelten die Fleischstücke in den mäch tigen Feldkesseln. Die Ausgabe der Feldküche ging nicht nur dahin, zu einer bestimmten Zeit mit dem Kochen des Fleisches fertig zu sein, sau- dern es waren die verschiedenartigsten Gerichte herzustellen. Jedes Bataillon erhielt eine andere Mahlzeit: das erste Fleischkloße, das zweite Gulasch, das dritte Rindfleisch mit Graupen, usw. Die Feldküche zeigte sich ihrer Aufgabe völlig gewachsen: zur bestimmten Zeit war alles fertig, und di« müde und staubbedeckt einziehenden „Landser" konnten bei ihrem Eintreffen gleich Essen „fassen" und ihren hungrigen Magen füllen. Jedenfalls hat die Maffenabspeifung ein gutes Resultat gezeitigt und dürfte allgemein zur Einführung gelangen. * Auszeichnung. Die Königliche Kr«ishauptmannschast Leipzig hat dem seit 18. Juli 1883 ununterbrochen in der Maschinenfabrik von C. L. Lasch L Co. in Leipzig-Reudnitz, Lutherstraße 10, beschäftigten Eiien- dreher Gustav Oswald Beyer in Leipzig-Anger-Crottendorf eine Be- lobigungsurkunde ausgestellt, die ihm heute in Gegenwart des Pro kuristen Ullner an Ratsstellc überreicht wurde. sonders Regiment Kreyzen. Dagegen soll die wieder vorgebrachte ost preußische Infanterie nach kurzem Feuerkampf ausgerissen sein, so daß das „Schlesische" Korps der ganzen Wucht der feindlichen Masse ausgesetzt blieb. ES fand Unterstützung in der Artillerie, die wahrhaft entsetzlich in den dicken russischen Menschenquadraten wütete, so daß einmal eine Roll kugel 42 Mann wegriß (Thielens Tagebuchs. Ob die Reiterei der Rechten oder die ostpreuhischen Dragoner oder die heranzichenden Seydlitzschcn e» waren, die mit entscheidender Attacke Luft machten — genug, daß die ge- samte russische Reiterei, sowohl Demirows Kürassiere und Dragoner als Husaren und Kosaken, zuletzt vom Schlachtfeld wcggefegt und in die Mo räste gehetzt wurde und endlich die unter Sehdlitz vereinten verschiedenen Reiterdivisionen allseitig in die russische Linke einbrachcn. Hier, wo bisher ein so unentschiedenes Ringen wogte, daß der König selbst die Fahne des Regiments Prinz von Preußen ergriff und all« seine Pagen um ihn her bluteten, wie auch sein Liebling Flügcladjutant Oppen heute fiel, gab es jetzt Entscheidung. Auch hier gab keineswegs Kavallerie allein den Aus schlag, sondern die russischen Reihen wurden schon zuvor vom Heldenmut der Leuthener Regimenter gebrochen. Besonders das clbsächsischc Regiment Asseburg errang die Siegespalme. Was für die russische Rechte als Ueber. treibung klingt, trat hier wohl wirklich ein: die russische Linke war^ buch stäblich vernichtet. Der Verlust war auch preußischerseits sehr ernst. Zwei Reitergenerale, Siegmund von Zielen und von Froidcville fielen, der ostprcußische kühne Dragonergeneral Platen blutete, wie schon früher bei der Avantgarde der wackere Grenadierqeneral Kahlden gefallen war. Die GardedukorpS, schon bei Roßbach und Leuthen hervorragend, zeich. neten sich vor allen aus. Ihr Führer, Rittmeister von Wackenitz, soll vor der AnfangSkrisiS gerufen haben: „Ich erachte keine Schlacht für verloren, wo die Leibgarde noch nicht attackiert hat." Er wurde nach der Schlacht zum Oberstleutnant befördert. Ob die Ueberlieferung, der König habe Sehdlitz zweimal verfrühte Attacke bei Gefahr seines Kopfes befohlen und Sehdlitz kaltblütig erwidert, „nachher stehe sein Kopf dem Fürsten zur Verfügung, jetzt aber sei e» noch nicht Zeit", aut Wahrheit beruht? Schwerlich. Tie Dunkelheit brach an. Was noch vom Nussenbeer widerstandsfähig, ballte sich am Galgengrund zusammen. Viele Versprengte sollen Brannt weinfässer erbrochen und in trunkenem Mute den Kampfplatz wieder auf. gesucht haben. Jedenfalls kam eS noch zu scharfem Gefecht, denn die Ost- Preußen wurden erneut vorgeführt und rissen diesmal so schmählich au«, daß ihre Generale Below und Rebentisch den Abschied erhielten. Der alte General Forcade führte die Seinen nochmals vor und der Galgen bund wurde anscheinend genommen. DeS Königs Bericht, man habe die Truppen nicht weiter vorgebracht, weil sie die russische Kricgskaffe dort gefunden und geplündert hätten, sieht aber nach Vertuschung au». Der letzte Angriff wurde vermutlich abgewehrt und die Kavallerie konnte hier nicht operieren. Archenholz erzählt noch von erbarmungslosem Gemetzel am Pachthof Ouortschen, wobei viele Moskowiter verbrannten. Die Rei terei bewachte bei Nacht das Leichenfeld gegen schwärmende Kosaken. Am andern Morgen blieb e» bei der Kanonade, die Preußen waren zu erschöpft, um dem hartnäckigen Feind den Todesstoß zu geben und Fermor zog mit bemerkenswerter Geschicklichkeit ab. Er hatte die Unverschämtheit, seinen „Sieg ' an alle Höfe zu melden, machte sich aber für dieses ganze Feldzugs jahr aus dem Staube. Der König ehrte Sehdlitz und seine Reisigen durch reiches Lob, und es ist unzweifelhaft, daß er den Sieg der Reiterei zu- sprach, an dem aber ForcadeS braves Fußvolk den gleichen Anteil hatte. 103 Geschütze hatte man erobert, angeblich 22 000 Russen getötet, ver- wundet, gefangen und selbst nur genau die Hälfte eingebüßt. Nach Jmmich lautet die Ziffer anders: 18 000 Russen, 12 000 Preußen, dock scheint die ältere Zahl richtiger, wenn man den uns bekannten Verlust der Division Panin als Maßstab nimmt. Bedenkt man, daß in der Hauptschlacht das ostpreußische Korps ganz ausfiel, so hat man die Vcr. »ichtung der russischen Linken jedenfalls mit erschreckender eigener Min- derzahl durchgesetzt. Friedrichs Sieg wurde natürlich übertrieben, in einem uns vorliegenden zeitgenössischen Flugblatt wird von 30 000 toten Russen gefabelt. Immerhin war man die Barbaren auf ein volles Jahr los, bis man sie wieder im August nächsten Jahres traf! Kunersdorf! * * Karl Burrian i« Röten. Eine alte, schon halb vergessene „Affäre" hat dem Dresdner Kammerlänger Karl Burrian neue Verlegenheit bereitet — und zwar i» ein« rbesonderS unwillkommenen Situation. Wie dem „B. T." au» Marien bad telegraphiert wird, wurde dort «ach einer Vorstellung de» Baireuthrr Ensemble-, bei der Burrian den Siegfried sang und die in Anwesen heit des König» von England siattfand, Burrian wegen einer Schuld von viertausend Kronen gepfändet. Man nahm ihm Taschenuhr, Schmuck und Bargeld ab. ES handelte sich um eine Konventionalstrafe für da» Nichterscheinen BurrianS bei den Grazer Festspielen. Der Sänger lehnt aber die Verantwortung ob und behauptet, die Direktoren Dippel-New Dork und Weingartner-WIrn hätten diese Verpflichtung übernommen. Hoffentlich folgt seiner Erklärung recht bald die Initiative dieser angeblich verpflichteten Bühnenleiter, damit der so überrumpelte Siegfried seinen guten Mut zurückgewiant. * Die „D«ni»ark*-Crtzedtti,n. Nach mehr als zweijähriger Abwesenheit ist die „Danmarl'-Expediiton gestern wieder in Kopenhagen rinaetroffen. Drei Forscher freilich, Myliu« Erichsen und zwei seiner Begleiter, sind nicht heim- gekehrt. Sie haben, wie berichtet, in Grönlands Eiswüste «ine» tragischen Tod gesunden, nachdem sie die Wissenschaft mit neuem wichtigen Material über jene» Rordpolarland beschenkt haben, dessen Verarbeitung nnnmedr sür die nächste Zeit wohl bevorsteht. Der Empfang durch die dänisch« Regierung war überan« festlich. Die zurückgekrhrirn Mitglieder der„Danmark - Expedition, 2ü an der Zahl — darunter 2 Eskimos —, wurden zur Universität geleitet. Nach der Ankunft d«S KöaigSpaarrS ergriff, wie der „L -A." meldet, der Rektor der Universität da» Wort, um nach einem Urberbtick über die bis herigen Expeditionen nach Grönland di« Hauptresuttate der „Danmarl"-Expe- dition brrvorzuheben und warm der Männer zu gedenken, die Grönland» Karten legung vollendet und Dänemark neue» Land gewonnen haben. Unter den Heim gekehrten befand sich wohlbehalten auch Dr. Wegener, der deutsche Teilnehmer an der Expedition. * Die Holländer «I» Sie „Lieger »s» Water!»,*. Wenige Lot- schekdnngSschlachtru der Weltgeschichte sind von der historischen Forschung so umstritten wie die von Waterloo, die Napoleon- Untergang besiegelte. Nach englischer Darstellung gebührt der Ruhm deS Sieges allein Wellington, dem „eisernen Herzog"; aber daß da- rechtzeitige Eintreffen der Preußen unter Blücher das Schicksal deS französischen Heeres besiegelt babe, wird besonders auch von den französischen Historikern betont. Die letzteren sehen den Grund der Niederlage Napoleons vor allem in zwei Faktoren, einem positiven, der An- kunft der Preußen, und einem negativen, der Untätigkeit Grouchys, dem auch Napoleon selbst die Schuld beigemesien hat. Jetzt geben nun, wie der „Corriere della Sera" schreibt, zwei Offiziere, der Oberst T'Serolaes vom holländischen Generalstab, und Oberst de Bas vom belgischen Generalstab, gestützt aus eine große Zahl bisher unveröffent lichter Dokumente, eine «schöpfende Darstellung, nach der das Herr Wellingtons zerschmettert und von der überlegenen Feldherrnkunst Napoleons vernichtet worden wäre, wenn das Korps des Marschall Ney nicht auf seinem Marsche von dem holländisch. belgischen Kontingent des verbündeten Heeres aufgehalten worden wäre, und zwar gegen den ausdrücklichen Befehl des englischen Feldbrrrn. Die beiden Offiziere zerstören hierbei auch einen lange gehegten Irrtum: rS war nicht der Prinz von Oranien, der Sohn des Königs der Niederlande, der Wellington nicht gehorchte, sondern die „Ehre dieses wohlüberlegten Ungehorsam»" kommt zwei holländisch-belgischen Offizieren zu, Jean Baron Constant de Rebecq und Hendrick Perfondier, die unter eigener Verantwortlichkeit die Stellung von Quatre-BraS verteidigten. Diese Feststellung ist von großer historischer Bedeutung, um so mehr al» die holländischen und belgischen Verbündeten in den englischen Schilderungen der Schlacht von Waterloo immer recht schlecht behandelt werden; läßt sie Loch Thackeray in den Kapiteln seines „Banit Fair", in denen er Waterloo schildert, direkt als Feiglinge er scheinen. Die neue Darstellung hat in Brüssel so großen Eindruck hervor- gerufen, daß man vorgeschlagen hat, in Waterloo ein neues Denkmal zur Er innerung an die beiden Offiziere zu errichten, die „in Quaire-BraS mit ihren Soldaten, den Befehlen Wellington» nicht gehorchend, den AuSqanq des Feld zuge» entschieden". * Kleine Chronik. Der International« Toberkulosekongreß, der in Washington vom 21. September bi» 12. Oktober d. I. tagen wird, wird eine stattliche Reih« deutscher Vertreter und deutscher Kapazitäten aufweisen. Al- Vertreter der deutschen Regierung nehmen teil: Exzellenz Koch, Gebeimer Ober medizinalrat Professor Tr. Kirchner-Berlin, Geheimrat v. Leubr-Würzbura, als Vertreter de« Kultusministeriums bezw. in dessen Auftrage: Geheimer Mrdizinalrot Professor Dr. Krauß-Berlin, die Geheimen Regierung-- und Medizinalräte Dr. Gürtler-Hannover und Dr. Schwaß-Sigmaringen; außerdem der Direktor der LandeSversicherongSanslalt Berlin Dr.Freond, der Direktor derLandeSversicheruugS- anstalt Brandenburg, Meyer; im Auftrage de» KriegSministeriumS Oberstabs arzt Dn Kirsch und die Stabsärzte Helm und Saar; im Auftrage de» Land wirtschaft-Ministerium» Geheimrat Dr. Zuntz vou der Landwirtschaftlichen Hoch schule; al» Vertreter de» Kaiserliche» Gesundheitsamtes ReaieruugSrat Dr. Haarl. Dt« Verhandlungen de» Kongresse- werden sich hauptsächlich mit der Anzeige pflicht bei Tuberkulose, der Versorgung vorgeschrittener Fälle und der antituber- kulösen Erziehung beschäftigen. Mit dem Kongreß gemeinsam tagt in der ersten Kongrrßwoche die Internationale Tuberkulosrvereinigung, die ihre diesjährige Generalversammlung dort abhält; Generalsekretär ist Professor Tr. Paunwitz- Berlin.
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