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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.08.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080825026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908082502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908082502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-25
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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Bezogt» Prei- ür Leirzig und «tjornrtt durch onler« Irügee und Spediteur» ml Hau» ,«drachtr «u4,ad» 4 (nur nwraen«) »tertitjihrltch d M-, monatlich I vi.; Antaode I (morgen« und abendy «tertrl» iSbrlich 4.8) M, monatlich I.SÜ M. Durch dt« Seit ,o dqtetzrut <2 «al täglich) innerdald Drutschland» und der deutschen Kolonien merteliLhrlich -,2LM., monatlich I.7L M. -u«>chl. Post, beltellgeld, ür 0>lierre«ch V IL Sv o, Ungarn 8 U »>erir> ii,<tp F«n« ,» Bel gien, DLnrmari „ ^onauftaaien. Italien. Lugemburg. li. .,<lland«, dlorwegen. Ruß land Schweden, Schwm, und Spanien. In allen übrigen Staate» nur direkt durch dt» ltrped. d. St. «rhiltlich. «d»anemrat»«naadine, Kagnllusplatz bei anleren Träaer», Filialen, Spediteur«» »ob Annahmeltellen. lowi« Pollämtorn uud BrteMügeru. Dl» «razela« Stummer lallet IV DlB «ebaktton »uv «rvedUto»i Johanullgall« 8. Telrrboll Rr. IE Sir. I4SS3. Nr. «SSt. Abend-Ausgabe L. KipMcr TagMM Handelszettung. Amtsblatt des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. 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Sternburg wird am Freitag, nachmittags 3 Uhr, im Rittergutspark zu Lützschena bei Leipzig staitfindcn. <S. d. bes. Art.) * Der Kaiser soll, wie dem „Berl. Tgbl." gemeldet wird, einen Unfall erlitten haben, weswegen an die Absagung der Kaiscrmanöver gedacht werde. (S. DtschS. R.) * Roosevelt hat zum Tode des Freiherr« v. Stern- bürg ein überaus herzliches Beileid sschreiben an den deut schen Geschäftsträger in Washington gerichtet. (S. d. bes. Art.) * Das Frankfurter Zeugniszwnngsvcrfahrcn im Falle Schücking wurde aufgehoben. fS. Dtsch. R.) * Die Großmächte machen Anstalten, ihre Offiziere aus Mazedonien zurückzuziehen. (S. AuSl.) * Der englische Schatzkanzlqr Lloyd George kehrt heute nach England zurück. * Rüvoil, der französische Botschafter in Madrid, wurde aus seinem Badeaufenthalte infolge der Ereignisse in Marokko von der Regierung telegraphisch nach Paris zurückberufen. Speck von Stevnbnrg als Schriftsteller. Bei dem Tode des Botschafters in Washington Speck von Stern burg dürfte es interessant sein, zu erfahren, daß der Diplomat vor wenigen Jahren (im Mai 1906s ein bedeutsames Buch über die „Deutsche Gefahr" erscheinen ließ, das in Amerika großes Aufsehen er regte. Die Schrift, die zum ersten Male in der „North American Review" abgedruckt wurde, betitelt sich „Die vermeintlich« Gefahr deutscher Einwanderung und die Ansiedlung in Südamerika". Darin wird dargelegt, daß die Einwanderung der Deutschen nach Amerika in den letzten 15 Jahren wesentlich nachgelassen habe. Mit Stolz könne man daraus Hinweisen, daß die Deutschen als Kulturträger in den Ber einigten Staaten sich bedeutend mehr Verdienst« erworben hätten. Ueberall seien hierauf hinweisende deutliche Spuren zu finden, und deutsche Schulen, Kirchen, Zeitungen und Vereine ständen heute in höherem Ansehen, denn je. Von der 75 000 000 Menschen betragenden Bevölkerung der Vereinigten Staaten hätten (nach Mannhard) über 26 000000 deutsches Blut in den Adern; dies und die Förderung, die das Deutschtum den Vereinigten Staaten gebracht habe, sollten es eigentlich billigerweise verhindern, jetzt für Südamerika in der, zudem noch so schwachen, dortigen Einwanderung eine „deutsche Gefahr" zu erblicken. Wenn man der deutschen Nation Gerechtigkeit widerfahren lassen wolle, so müsse man im Gegenteil den durchaus fortschrittlichen Einfluß der Deutschen auch in Südamerika anerkennen und schätzen. Am wichtigsten aber sei es, festzustellen, daß es absolut ausgeschlossen sei, daß die deutsche Regierung, resp. die Preußens, jemals eine An regung zu irgendwelchen Auswanderungen nach jenen Distrikten ge geben habe. Am besten beweise dies das von der Heydtsche Reskript, das der Auswanderung nach Brasilien direkt entgegenzuwirken suche. Wenn man auch deutschen Reichsangehörigen nach Ableistung ihres Militärdienstes die Auswanderung nicht verbiete, so sei doch in Deutsch- land schon die Anreizung zur Auswanderung unter Strafe gestellt. Es sei auch durchaus falsch, dem „Zcntralauskunftsbureau für Aus wanderer" die Absicht einer Umgehung dieses Gesetzes zuzuschreiben; es habe nur den Zweck, wie die gleichen Institute in andern Ländern auch, Auskunft zu erteilen und Unerfahrene zu warnen und sie mit Anleitungen zu unterstützen. Den Grund für die Abnahme der Auswanderung Deutscher nach Amerika sicht Stcrnburg darin, daß in Deutschland die jährliche Be völkerungszunahme von 800 000 Seelen zur Arbeitsnachfrage im gleichen Verhältnis stehe. In früheren Jahren habe sich die Auswande rung so verteilt, baß 96 Prozent auf die Vereinigten Staaten, 4 Pro zent auf die übrigen Gebiete Amerikas entfallen seien. In den Jahren 1871—94 seien insgesamt 2 616 731 Deutsche cingcwandert; von diesen haben die Vereinigten Staaten 2 380 792 ausgenommen, 54 731 Bra silien und 31814 das übrige Südamerika. Für die Jahre 1898 bis 1904 sei das Ergebnis: 166 929 für die Vereinigten Staaten, 4338 für Brasilien und 3570 für den Rest von Südamerika. Schon diese Zahlen bewiesen, daß von einer absichtlichen Besiedelung Südamerikas mit deutschen Auswanderern nicht die Rede sein könne. Es sei natürlich, wenn man in den südamernkanischen Ländern die Deutschen ihres kul turellen Einflusses wegen schätze und ihnen daher entgegenzukommen geneigt sei. In Argentinien seien in dem Zeitraum von 1857—95 nur 25 000 Deutsche eingewandert, und wenn dort und in Chile auch eine für diese Länder äußerst nutzbringende Betätigung der Deutschen an erkanntermaßen bestehe, so sei die Anzahl seiner dort lebenden Lands leute doch immerhin mehr als gering. Am häufigsten finde mxin die Deutschen in Südbrasilken, an 200 000 seien in Sao Paolo, Rio Grande do Sul, Parana und Santa Katarina seßhaft geworden. Jedoch sei eine auffallende Zunahme deutscher Einwanderung auch in diesen Städten nicht zu verzeichnen, statt dessen bemerke man neuerdings einen starken Zuzug von Polen und Italienern. Die überaus herzliche Beileidkundgebungen zeigen, welchen An sehens und welcher Beliebtheit sich der Verstorbene überall erfreut hat. Das Telegramm des Reichskanzlers, welches an die Witwe des Botschafters gerichtet war, hat folgenden Wortlaut: „Norderney. Gestatten Sie mir, Ihnen meine aufrichtigste Teil nahme beim Hinscheiden Ihres Gatten auszusprechcn. Die großen Dienste, die der Verstorbene dem Vaterlande geleistet hat, werden ebenso unvergessen bleiben, wie die bewunderungswürdige Energie, mit der er trotz schwerer Erkrankung seine letzten Kräfte dem kaiserlichen Dienste gewidmet hat. Reichskanzler Fürst von Bülow." Auch das badische Großherzogspaar ließ der Gemahlin des Dahin geschiedenen sein herzlichstes Beileid ausdrücken. Präsident Roosevelt hat an den deutschen Geschäftsträger in Washington, Grafen v. Hatzfeld- Wildenburg, folgendes Beileidsschreiben gerichtet: „Ich bin erschüttert und betrübt durch die Nachricht von dem Tode des deutschen Botschafters. Er war nicht nur mein in timer persönlicher Freund und der aufrichtigste und zuverlässigste Mensch, den ich je getroffen, sondern auch ein Diplomat von hervorragenden Fähigkeiten, der Deutschland mit glühendem Patrio tismus diente, dabei aber Amerika «in so verständnisvolles Ent gegenkommen bewies, daß es schwer halten dürfte, den Wert dessen, was er zur Kräftigung und Ausgestaltung der Freundschaftsbande zwischen beiden Ländern geleistet hat, hoch genug einzuschätzen. Ich trauere um den Verlust um meiner selbst willen und bedauere ihn für das ameri kanische Volk." Außerordentlich sympathisch ist auch die Stellungnahme der amerikanischen Presse New Nork, 24. August. lAuf deutsch-atlantischem Kabel.) Die „Associated Preß" meldet aus Washington: Der Tod des deutschen Botschafters Frhrn. Speck von Sternburg bedeute! einen schweren Schlag für seine persönlichen und amtlichen Freunde in Washington. Von den Beamten des Staatsdepartements und den Freunden Sternburgs wird sein Hinscheidcn als ein schwerer persönlicher Verlust betrachtet. Es beeinträchtigt niemand, wenn man sagt, Freiherr Speck von Sternburg war eines der be- licbtcstcn und geachtelten Mitglieder des diplomatischen Korps in Washington. Er unterhielt mit dem Präsidenten Roosevelt intimere persönliche und amtliche Beziehungen als wohl irgendein anderer in Washington akkreditierter Diplomat. Auf ihren langen Spazierritten wurde die Freundschaft, die später sür Deutschland und Amerika so wertvoll sein sollte, befestigt. Ter stellvertretende Staatssekretär Adcc drückte dem Auswärtigen Amt in Berlin sowohl im Namen seiner Re- gierung, als auch persönlich sein Beileid aus. New Jork, 24. August. tTel.) Die Nachmittagsblätter wid men dem Botschafter Speck von Sternburg die ehrend st en Nachrufe, in denen seine Verdienste für die Förderung der deutsch-amerikaniichen Beziehungen, seine diplomatischen Fähigkeiten, seine Erfolge in Washington, sowie sein liebenswürdiges Wesen ge- rühmt werden. Auch die Freundschaft des verstorbenen Botschafters mit dem Präsidenten Roosevelt wird betont. „New Orleans Glodc" bemerkt in einem Leitartikel, durch Sternburgs Hinscheiden erlitten die amerikanische Union und Deutschland einen gemeinsamen Verlust. * Die Beisetzung des verstorbenen Botschafters findet am Jreilagnachmitrag 3 Uhr im Rittergutspark zu Lützschena (im Jamilienmausoleum) statt. Nach den von uns eingezogenen Erkundigungen ist eS den Angehörigen des Verstorbenen hier noch nicht bekannt, ob der Kaiser beim Be gängnis durch einen Prinzen vertreten sein wird. Ebenso ist eine Ver tretung des Reichskanzleramtes noch nicht angezeigt worden. Neunter? Deutscher Handwerks- und Gewerbekaininertag. 8. a. H. Breslau, 24. August. ^Telegraphischer Bericht.) In Anwesenheit von 300 Delegierten fand heute abend im Kammer- musiksaale des Konzerthauses die Vorversammlung des 9. Deutschen Handwerks- und Gewcrbekammcrtages statt. Ver treten sind 72 Handwerks- und Gewerbekammern aus allen Teilen des Reiches. Tas Reichsamt des Innern ist durch den Oberregierungs- rat Dr. Spielhagen, das preußische Ministerium für Handel und Ge- werbe durch den Regierungsassessor Römhild, das Landcsgewcrbeamt zu Berlin durch den Geh. Rat v. Czihak vertreten. Ferner sind der bayrische Ministerialdirektor Ritter v. Raut (München), der Ober- regierungsrat im sächsischen Ministerium des Innern Dr. Leutzsch (Dresden), der württembcrgische Ministerialrat Tr. v. Köhler, der badische Ministerialrat Dr. Schneider, der mecklenburgische Ministe rialrat Melz, von der Mecklenburg-Schwerinichen Regierung, der hessische Oberregierungsrat Dr. Wagner und der Staatsrat Slevoat Feuilleton. Bei Schlechterem hat man Sicherheit, denn das erreget keinen Neid. Fischart. O Briefe einer Sängerin. Von Nordamerika flatterten vor einem halben Jahrhundert diese Brief« * nach Deutschland. In Dresden wurden sie von einer alten Lame voll Sehnsucht erhofft, und in stets neuer Rührung lächelte viel- leicht die alte Frau, wenn sie immer wieder die flinken, fortstnrmenden, säst undeutlichen Zeilen überflog. Denn stets war es eigentlich das gleiche, das sie las: Triumphe, Triumphe. . . . Drüben in Amerika lang die Tochter. Sie war eine aristokratische Dame, eine Gräfin, der alle Huldigungen des Salons galten, sie hatte die Deutschen — auch die Wiener — die Franzosen und die Engländer zu ihren Füßen ge- sehen, und jetzt war sie noch einmal hinausgefahren, die letzte Probe auf ihre Kunst zu tun. Man war erst in den fünfziger Jahren des neun zehnten Jahrhunderts, aber der Dollarklang lockte schon. Und Hen riette Sontag war voll munterer Ehrlichkeit und gab lachend zu, daß sie sich in den Garderoben, die sie längst verlassen hatte, weil sie sonst auf Karlo Grafen Rossi, den Gesandten Sardiniens, als Gatten hätte verzichten müssen, nur für zwei oder drei kurze Jahre noch schminken wollte, um — die Kinder völlig zu versorgen. Und sie wußte, daß sie manches wagte. Fast zwei Jahrzehnte hatte die Bühne sie nicht mehr gesehen. In all dem blendenden Schönheitsschimmer stand sie nicht mehr, der alle Welt berauscht hatte, bevor er in Heimlichkeit den Grasen beseligte. Vielleicht zählte sie schon jechsundvierzig, vielleicht gor mehr: Galanterie läßt es Künstlerinnen hingehen, daß das Datum ihrer Ge burt nicht immer ganz so feststeht. ?Iber von der Gräfin Rossi selbst wird man hören, wie Amerika die Gefeierte empfing. Im Herbst 1852 geht sie hinüber. Nach Dresden wandert im Sep temberanfang der erste Briet, der natürlich noch Reminiszenzen der Seereise bringt. Und die Reminiszenzen könnten nicht frischer ge schrieben sein. „Unsere Reise war bis auf fünf Tage fürchterlichen Sturmes eine glückliche zu nennen. Montag nachts, den 30., wurden wir von einem entsetzlichen Tempeste berumgeschleudert. Das herrliche Schiff „Arctic" krachte und stöhnte in feinen Fugen. Alles lag elend in seinen Kabinen. Nur Pazzolini saß allein im großen Speiiezimmer, wo noch einige Tage vorher 175 Passagiere vergnügt aßen und tranken, der Glückliche widerstand allein der Seekrankheit. Karlo sGraf Rossi) lag fünf Tage still auf dem Kanapee und aß nur soviel, um nicht zu verhungern, nur so entging er dem größten Leiden. Ich litt auch recht tüchtig, ging aber in der Schreckenszeit doch zweimal hinauf, das Un geheuer von Ozean zu sehen. War es Schwache des Erbrechens oder Nerven — kurz, als ich diese fünfhäuserhohen Wellen sah, diese Ab * Sie entstammen dem Prrvatbesitz eine- feinsinnigen älteren Kunstliebhabers zu Leipzig, dem sie als Vermächtnis von Carl Sontag, dem jüngeren Bruder Henriettens, zufielen. gründe — dies schwarze Ungetüm, welches uns in den Abgrund und auf die höchste Spitze einer Welle in einer Sekunde schleuderte, ich fiel vor Schreck fast m Ohnmacht; denn solch ein Schreckensbild kann man sich doch nicht aus dem Lande vorstcllen. . . ." Trost im Leiden bietet ihr nur eine Schar fremder Kinder, die selbst der Seekrankheit entgingen, die Kleinen muntern sie aust und vor allem das „Goldbaby" von neun Monden ist ihre „einzige Wonne". Einmal singt sie auf hoher See. Sie erntet Huldigungen, Dankreden, Dankadressen, die ihr nichts Neues find und gleich wieder vergessen werden, sobald erst das Schiff in den Hafen gleitet. Und all das Neue stürmt auf die Diva ein. „Sonntag nachts endlich landeten wir mit einer göttlichen Nacht und Mondschein, wie ich ihn nie sah. Gestern waren meine Salons voll Menschen. Ein Piano war eigens nach Liverpool an Bord für mich geschickt. Ein magnifiker Wagen mit meinem Wappen ist eigens gebaut worden. Mein Bild ist schon auf allen Omnibussen. Der Eindruck von New Hör! ist großartig! In den Straßen fahren die Eisenbahnen auf Schienen mit Pferden gezogen, um die Volksmassen von einem Ende der Stadt zum andern zu bringen. Telegraph ... in allen Straßen. Für einen Dollar kannst Du Briefe nach New Orleans damit schreiben." Und da fällt ihr wieder das Schiff ein, und daß sic der Mutter noch zu wenig von ihm erzählt hat, plötzlich schildert sic den großen Rokokosaal mit den zwanzig Sofas, den fünfzehn hohen Spie geln, mit den vielen Fauteuils, und besinnt sich noch nachträglich der verschiedenen guten Dinge, die es — namentlich Früchte und Eistorlen — auf See zu verspeisen gab. Aber sie kam, um zu singen. „Mein erstes Konzert ist Ende des Monats. Alboni gibt morgen ihr -wei- unddreißigstes. Viel Applaus, wenig Geld. Morgen ivll ich ein Ständchen von 1500 Personen bekommen. Meine sPosition) hier ist mehr die einer Gesandtenfrau als einer Künstlerin. Man ist voller Respekt und behandelt mich ganz anders als Jenny Lind, die sich durch ihre Puffs und Spiegelfechtereien sehr schadete. . . . Meine Wohnung wurde auf das glänzendste eingerichtet. An mein Schlafzimmer stößt ein reizendes Badezimmer, Luxus, der hier in allen Häusern herrscht. Die Damen sehen ganz L la irLnyaiso aus, sehr elegant und einfach. Die Lions in Nankinröckchen, weiße Hosen, große feine Strohhüte, Schuh und Strümpfe — sitzen in eisernen Wagen mit hohen Rädern und herrlichen Pferden bespannt — las ganze sieht luftig und schön aus. Wie gesagt, die Neue Welt gefällt mir, und wenn es proximativer- weise so vorwärts geht, werden sie uns bald überflügelt haben." Dann noch ein paar Zeilen intimster Färbung. Umarmungen für die Mutter. Und sie beginnt den Triumphen nachzugehen. Ueberall umrauschen sie die Vergötterte. Man hört sie in der Oper, und halb Amerika durchquert sie, um überdies in Konzerten zu singen. Sie selbst bleibt nüchtern, horcht nur dem Klingen der Dollars nach, die si« in die Neue Welt gelockt. Von Washington, das sie bald verlassen wird, um abermals nach New Aork zu eilen, kurz vor Weih nachten 1852: „Ich bin nun schon in voller Arbeit in meinem Berufe, habe dreiundzwanzig Konzerte mit großem Erfolg gegeben und werde den 7. Januar die Oper in New Port anfangen. Zuerst „Regiments tochter", „Somnambula", „Barbier" ,,Lucia", „Martha", „Lucrezia". .... Solange diese Opern ziehen, bleiben wir in New York. Dann geht's nach Boston, Philadelphia, Baltimore, Washington, die ich alle tchon mit Konzerten ausgebeutet habe, um dort Opern zu geben. Im Sommer wieder noch New Pork, um im großen Castel Garben, welches achttausend Personen faßt, sortzuspielen. Dann im Herbst nach dem Süden und der Havanna, New Orleans usw., bis ich ins geliebte Vater land kehren kann, worauf wir uns alle tutti guaati unbcschrcib- lich freuen, denn um keinen Preis möchte ich hier länger bleiben, als ich Geld verdienen kann." Und das ganze impressionable, leicht cnthusia- stische, dann rasch wieder überkritische Temperament nervösen Künstler geistes sprüht aus dem Briefe auf; die schnelle Begeisterung, das schnelle Entzücken, das man gleich nach der Landung in Neuland für die 2-ankecs hatte, wird schnelle Verdammung, die die Gesandtengattin auch ein wenig naiv^politisch färbt. „Das ist ein rotes materielles Volk, wo es selbst die verruchtesten europäischen Demokraten auf die Länge nicht aushalten können. Es ist das Land des Make Money — keine PoZie — keine Freundschaft, keine Liebe, kein Familienleben kennt der trockene Aankce (wird ausgesprochen Ianki) und heißt spitzwcise Amerikaner, wie John Bull der Engländer. Ich verdiene eigentlich viel Geld, allein Unkosten sind hier so enorme, daß ich nur ein Drittel erspare, was meiner Meinung nicht genügend ist. Die Oper wird's wohl wieder cinbringen. Mein ?lgent ist vortrefflich, er kann aber die Gesetze nicht ändern, und der Saal und Orchester, Sänger und Chöre wohl seiner haben, als cs seit Menschengedenken hier hergebrachte Sitte ist. Mein Sukzeß über steigt übrigens bei weitem den von Jenny Lind. Man nannte Jenny die schwedische Nachtigall, Katharina Heys den irländischen Schwan, die Alboni die süperbe Alboni, mich die Ouecn of Song (die Königin des Gesanges). Was wird der Aankec erst sagen, wenn er mich in den Opern sehen wird. . . ." Sic bricht ab und spricht von den Kindern. Heimweh und Sehnsucht zählen die Tage zur Rückkehr. Und „jetzt be sonders zur Weihnachtszeit, die ich unterwegs auf einer schrecklichen Eisenbahn zubringen werde, wo es nur eine Klasse gibt und die Iankees beständig Tabak ausspucken, daß man seine Kleider zui'ammcnhalten muß, damit man nicht angespuckt wird". . . . Aber bald weilt sie wieder unter den „Lions" von New Jork, wo die Damen sich wie Französinnen kleiden und die jungen Herren von ihren hohen, elegantenJlssageu herab die Passanten unbehelligt lassen. Sie will den ganzen Sommer über in New ?)ork spielen, und allerlei Wünsche wandern nach Europa, die kleine Kiinstlergeheimnisse ausplaudern. Man soll ihr Theatergold her- überschickcn, silberne Borten und Buketts in Silber und Gold, wie sie si« zu allerlei aus der Bühne schon oft verwendet, hübsche, billige Dinge, die wunderbaren Effekt tun. Sie wird die Martha singen, bestellt ein Spinnrad: „nicht sehr elegant, aber gut zum Spinnen . Auch ein Bün del Spinnflachs soll man bessügcn. Und die Gefeierte bleibt allezeit recht praktisch — wie ärgerlich, daß nur all dies Leben sich so kostspielig gestaltet: „Das Theater allein kostet 4000 Dollars im Monat!" Auch über eine Rivalin lmit heimlichem Vergnügen) kann man gelegentlich seufzen. „Die Alboni macht mir viele Kabalen. Sie macht nichts, aber sie intrigiert. Nächste Woche sängt sie mit einer sehr guten Truppe, die von Mexiko ankam, ihre Vorstellungen an, es gelingt ihr aber nicht." Sie bietet alle Mühe, ollen Fleiß aust die „rohen" Pankees im Enthusias- muß nicht erkolten zu lassen: „Wir spielen dreimal die Woche und haben die ander«n Tage zweimal im Tage Probe. So viel habe ich mich in meinem Leben noch nicht abgehetzt. Dazu kommt, daß sie sich mitunter indisponiert fühlt. „Ich bin ost leidend am Hals. . . . Das Klima ist infam." . . . Aber es sind mehr Stimmungen, als alles andere. Sie gleiten vorbei. „Und da cs der letzte Winter ist, den ich in einem kalte« Klima zubringe, tröste ich mich. . . Man weiß, daß cs der letzt«
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