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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.08.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080825015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908082501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908082501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-25
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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Rr. 23S. 102. Jahr«. Leipziger Taqrvlatt. Dienstag, AS. «a«uft 1908. schwer zu ersetzen sein wird. Der Herr verleihe Ihnen in Ihrer großen Trauer seinen himmlischen Trost. Wilhelm." — Gleichzeitig richtete der Kaiser an den Bruder de- Verstorbenen, der als Oberförster in Rominien tätig ist, folgende- Telegramm: „Ick spreche Ihnen beim Ab leben Ihres Herrn Bruder- meine herzlichste Teilnahme aus. Ich betrauere diesen au»gezeickneten Botschafter aufrichtig. Seine Verdienste um unler Vaterland sichern ihm meine Dankbarkeit über das Grab hinaus. Wilhelm." — Neber die letzten Stunden des Bot schafter« wird noch gemeldet: Freiherr Speck von Sternburg starb um Mitternacht. Ec lag seit etwa drei Wochen an Krebs in Heidelberg danieder. In den letzten Tagen, als sich sein Zustand ver- Iblimmert batte, waren seine Angehörigen an das Krankenbett geeilt. Als der Botschafter starb, weilten im Sterbesimmer seine Gattin, seine Schwägerin, seine Schwiegermutter und eineKammerjnngser. Dieunmittel- bareTodeSulsache war eine Lungenentsiindung, die plötzlichbinzugetretenwar und in ihren ersten Symptomen sich am Sonnabend bemerkbar gemacht hatte. Unmittelbar nach dem Eintreten des TodeS wurde der Deutsche Kaiser, da« Auswärtige Amt und die Negierung der Vereinigten Staaten von Amerika benachrichtigt. Die Reiche wird nach Lützschena bei Leipzig gebracht. * Tittont tu München. Der italienische Minister des Acußern Tittoni empfing den Besuch des deutschen Botschafters am Quirinal Grafen Mont«, der gegenwärtig auf Urlaub in Schloß Heimhausen bei München weilt. Abends folgte der Minister einer Einladung des Grasen Mont« zum Diner auf Schloß Heimhausen; an dein Diner nabm u. a. auch der preußische Gesandte in München v. Schlözer teil. Von München aus wird sich Tittoni zunächst nach Bad Reichenball begeben, wo er mit dem deutschen Staatssekretär des Auswärtigen v. Schoen zusammentreffen wird. * Vom preussischen Landtag. Die nächste Sitzung des preußischen Staatsministeriums, die u. a. auch die Entscheidung' über den Ein berufungstermin des Landtages bringen wird, findet bald nach rem 15 September statt. Fürst Bülow dürfte voraussichtlich dieser Sitzung beiwohnen. * Der Deutsch« Schulschisfverein in München. Die Teilnehmer an ocr Mitgliederversammlung des Deutschen Schulschiffvereins besichtig ten gestern die Brauerei zum Franziskanerkeller von Geheimrat Sedlmayr. Bei dem von dem Inhaber gegebenen Frühstück wurde fol gendes Antworttelegramm des Prinzregenten Luitpold bckanntgegeben: „Eure König!. Hoheit bitte ich, zugleich mit meinem wärmsten Dank 'ür die so herrliche Kundgebung, den Ausdruck der aufrichtigen Freude darüber entgegenzunehmen, daß der Deutsche Schustchifsverein zu seiner diesjährigen Tagung die Hauptstadt Bayerns gewählt bat. Von Herzen wün'che ich den vom nationalen Geiste getragenen Bestrebungen des Vereins und seiner zielbewußten Arbeit reiche Erfolge. Luitpold, Prinzregent." DaS Antworttelegramm des Kaisers lautete folgendermaßen: „Das freundliche Gedenken des Deutschen Schulschisfvcreins ge- lcgcnilich seiner durch die Anwesenheit erlauchter Fürstlichkeiten aus gezeichneten Mitgliederversammlung hat mich auf das Angenehmste be- rührt. Ich freue mich sehr über das lebhafte Interesse, welches den nationalen Bestrebungen des Vereins auch in Süd deutschland e ntgegengebracht wird. Der Bau eines zwei- tcn Schulschiffes ist ein glänzendes Zeugnis für die zielbcwußie Arbeit des Vereins. Eure König!. Hoheit bitte ich, der Versammlung meinen wärmsten Dank und Glückwunsch auszusprechen. Wilhelm, I. R." Der für gestern nachmittag geplante AuSflug nach den. Starnberger See mußte wegen Ungunst der Witterung unterbleiben- * Zwischen den Hafenarbeitern in Hambnrg und dem Hafen- betriebSveretn, der Organisation der Reeder, drohte ein neuer Konflikt, der aber nach folgender Meldung nicht zum Ausbruch kommen dürste. Aus Hamburg wird gemeldet: In einer Versamm lung der Kontraktschauerleute wurde gestern über die Verhandlungen mit dem HafenbetriebSvereiu berichtet,.. Uebep den neuen Kontrakt entspann sich eine lebhafte Debatte. Der Past'uS, daß es in Zukunft weder Schauerleute noch Ewerführer noch Kohlenarbeiter, sondern nur Hafenarbeiter geben würde, die jede ihnen im Hafenbetrieb aufgetragcne Arbeit verrichten, denen dagegen ein fester Wochenlohn garantiert wird, wurde für unannehmbar erklärt, da sie dann bei einem Lohnkampf in anderen Brauchen den Kollegen in den Rücken fallen müßten. Anderseits wurde auch die Aussichtslosigkeit des Widerstandes betont, da die Unter- nchmcr beschlossen hatten, den Nichtunterzeichnern zum 1. September zu tündizen, weil genügend Ersatzleute vorhanden sind. Schließlich wurde jedem Schauermann frei gestellt, ob er den neuen Kontrakt unterschreiben will oder nicht. Damit dürfte ein friedlicher Verlauf der Angelegenheit gesichert sein. Ausland. Portugal. * Tie Tynastie bedroht. Dar „B. T." meldet au! Lissabon: Die portugiesische Presse erklärt jetzt rund heran?, daß die politische Lage in der Hauptstadt höchst beunruhigend geworden ist. Die Blätter „O Mundo und „Liberal" melden übereinstimmend, daß für nächsten Sonnabend eine Revolte geplant sei. Der „Seculo" erfährt, daß die könig liche Jacht „Amelia" beständig unter Dampf gehalten wird, um im Augen blick der Gefahr den König und die königliche Familie in Sicherheit zu bringen. Was man sich in politischen Kreisen und im Volke über die Gefahren der Situation und die Pläne der Gegner der Dynastie erzählt, geht noch weit über das in der Sache Mitgeteilte hinaus. Die Gerüchte sind unkonirollierbar- aber unmöglich ohne einen tatsächlichen Hintergrund. Marokko. * Tie spanische Presse ergeht sich jetzt in Kommentaren über die neue Situation in Marokko, Ein Blatt verlangt sogar die Inszenierung einer neuen NlgeciraSkonferenz, La die alte Akte durch die veränderte Lage hinfällig ge- worden sei. Madrid, 23. August. (Tel.) Die Abendblätter besprechen di« Nieder lage Abdul Aziz' und heben die Folgen, welche sie tür Spanien und Frankreich haben werde, hervor. Mehrere kritisieren die Haltung Frank reichs, welcher sich weigerte, Muley Hafiv anzuerkennen. „Heraldo" ver sichert, Deutschland habe im Januar 1908 Frankreich Angaben gemacht, damit cs seine Haltung gegen Mulay Hafid ändere, aber Frankreich trug dem nicht Rechnung. „Heralco" fragt, ob nicht die Verantwortlichkeit auf Spanien falle, welches nicht genug Labin drängte, Laß Frankreich seine Haltung gegen Muley Hafid ändere. Frankreich und Spanien hätten es vermeiden können, in dem Fall Abdul Aziz mitfortgerissen zu werden, aber es fei nicht zu spät, um Muley Hafid zu verhindern, seine siegreichen Waffen gegen die Mandatare der Algccirasakte zu kehren. — „Diario Universal" tritt für eine neue Konferenz ein, da e§ der Ansicht ist, die Algeciras- akte sei hinfällig geworden. Türker. * Neber einen Ministerwechsel berichtet folgendes Telegramm: Konstantinopel, 21. August. lTel.) Neschid Akif, der zurück- getretene Minister des Innern, wird Lurch Hakki Bey, bisher Minister des Unterrichts, ersetzt. * Tie österreichisch-ungarische Regierung fährt fort, durch militärische Anordnungen der neuesten türkischen Resormbewegung gegenüber ihr Wohlwollen auszudrücken. Wien, 24. August. (Tel.) Entsprechend der wohlwollenden und rück sichtsvollen Haltung, welche die österreicdisch-ungariscbe Regierung gegenüber der neuesten Reformbewegung in der Türkei von allem Anfänge einnahm, hat sie mehrere im WilajctKossovo stationierte österreichisch.ungariiche Offiziere beurlaubt und die übrigen angewiesen, bis auf weiteres in Uesküb zu verbleiben. * Ein allgemeiner Ausstand der Eisenbahnarbetter droht den Ver kehr lahm zu legen. Konstantinopel, 24. August. (Tel.) Nus Uesküb wird gemeldet: Die Arbeiter der Orientalischen Eisenbahn streiken. Ter Güterzugverkehr ist ein gestellt. Man befürchtet einen allgemeinen Ausstand. Persien. * Tie Negierung scheut sich nach wie vor nicht, unbequeme Oppositionisten durch Gewaltakte aus dem Wege räumen zn lassen. Täbris, 24. August. (Tel.) Das durch seine regierungsfeindliche Agitation bekannte Endschumenmttglied Dschalil Marandi wurde gestern nachmittag am Ausgang des EndschumenS ermordet. ' Aber auch die Revolutionäre bieten der Regierung ein Paroli, indem st« die Erpresserwirtschaft bis aus LaS äußerste steigern. Handel und Verkehr ist in Täbris, trotz friedlicher Verhandlungen, vollständig aus dem toten Punkt an gelangt. Täbris, 24. August. (Tel.) Prinz Ain ed Dauleh erklärt« 12 Ver- trelern der Revolutionsp arteten, die er zu sich gerufen halte, die Ver- fafsung sei unerschütterlich. Um Blutvergießen zu vermeiden, fordere er sie aus, die Unruhen rinzustellen und die Waffen niederzulegen. Die Revolutionäre antworteten mit Forderungen betreffend die so fortige Eröffnung LeS MedschlaeS, Amnestie und Heranziehung einiger Konstitutionalisten 'zur Teilnahme an der Verwaltung Aserbeidschans. Die friedlichen Verhandlungen dauern fort. Die Basare und die Regierungs institute bleiben geschlossen. Der Telegraph arbeitet nicht. Die Erpressungen der RevolutionSorganisationen erreichen die äußerste Grenze. Aongrefse. 1. Berbandstag der deutschen Waffeninduftrie. 8. u. II. Berlin, 24. August. Der erste Verbandstag der deutschen Wassenindustrie, der in den Räumen des Restaurants „Alt-Bayern" tagte, war von etwa 40 Ver tretern aller Zweige der deutschen Waffen-, Sprengstoff, und Munitions industrie besucht. Als Ehrengäste wohnten den Verhandlungen bei der Vertreter der Regierung von Sachsen-Koburg-Gotha, Landrat Kanamer- hcrr^v. Basse Witz, der Beschußinspektor Dietzel von der Herzog lich Sächsischen Beschußanstalt in Hella bei Suhl und ein Vertreter der Königlichen Beschußanstalt Ncudamm. Die Berliner Handwerks kammer war durch ihren Sekretär Poctschke vertreten. Am Sonn- abcndabcnd fand im Restaurant „Alt-Bayern" die Begrüßung der eingc- troffenen Mitglieder und Gäste sowie ihrer Damen statt. — Am Sonn tag vormittags nm 10 Uhr begannen die geschäftlichen Verhandlungen des Vcrbandstagcs. Der Vcrbandsvorsihende K n e i f e l-Mehlis be grüßte zunächst die Ehrengäste und hielt dann eine Ansprache. Darauf erstattete der Generalsekretär des Verbandes S a ch i s t h a l - Ehar- lottenburg den Jahresbericht. Nach der Entgegennahme des Berichts des Verbandsschatzmcisters trat der Verbandstag sodann in die eigent liche Tagesordnung ein und beriet zunächst über die Besch uß- st e m p e l fr a g c. Nach längerer Debatte beschloß die Versammlung, eine Eingabe an das Reichsamt des Innern zu richten und dieses zu er suchen, durch Verhandlungen mit den auswärtigen Negierungen, be- sonders der österreichischen Negierung, die Anerkennung des deutschen Beschußstempels im Auslande berbcizusühren. Der Verbandsvorsitzende Kneife! wurde gebeten, den Staatssekretär des Neichsamts des Innern um eine Audienz zu ersuchen, und ihm bei der Ucberreichung der Eingabe die nowcndige Aufklärung über die Lage der deutschen Wassenindustrie zu geben. Als Ort für die im nächsten Jahre stattfindendc Verbands tagung wurde sodann Erfurt gewählt, das dem Zentrum der deutschen Wafscnindustric, den thüringiichen Produktionsstätien Suhl, Mehlis und Zella, am nächsten liege. — Darauf beschäftigte sich der Berbandstag mit der für Waffenhandel und Wassenindustrie hochbedeutsamen Frage der Waffenverkaufsverbote. Im weiteren Verlause des Ver bandstages wurde sodann noch die Frage der Errichtung einer Fachschule für die Wassenindustrie erörtert. Die Errichtung einer solchen Schule wurde als ein ungeheurer Segen für die Wassenindustrie bezeichnet, da die Büchsenmachcrgchilsen zum großen Teil unzureichende Leistungen ausweisen und vielfach zu einseitig geworden seien. Man lege in den Kreisen der Büchscnmachergehilfen nur noch Wert darauf, mög lichst schnell und möglichst viel Geld zu verdienen, verlege sich dabei auf besondere Spezialitäten in der Herstellung bestimmter Waffenteile und vernachlässige eine gründliche allgemeine Ausbildung in der Herstellung der Gesamtmasse, der Kalkulation usw. Die in Zella bestehende Metall- arbeiter-Fachschulc genüge den Anforderungen nicht, die die Waffen industrie an die Ausbildung eines tüchtigen Büchsenmachcrpcrsonals stellen müsse, da sic nur die Funktionen einer Fortbildungsschule aus fülle. Die geplante Fachschule für die Wassenindustrie müsse aber als eine Art höhere Lehranstalt für das Wasfenhandwcrk gedacht und aus- gebaut werden. — Einen Beschluß über diese Frage faßte der Verbands tag nicht, sondern überließ die weitere Erörterung und Klärung der An- gelegenheil dem nächsten Vcrbandstagc. — Darauf wurde der erste Vcr- bandstag geschlossen. Im Anschluß an die geschäftlichen Verhandlungen sand dann im Kaisersaal eine Festtafel statt, der später ein Besuch der Deutschen Schiffbauausstcllung folgte. 19. Deutscher Mechanikertag. 8. a ll. München, 21. August. Die Deutsche Gesellschaft für Mechanik und Optik trat hier im Spiegelsaale des „Bayerischen Hofes" zu ihrer 19. Hauptver sammlung zusammen. Der Vorsitzende Dr. H. Krüß eröffnete die Verhandlungen mit Begrüßungen der Vertreter der verschiedenen wissenschaftlichen Institute, lk. a. war das physikalisch-technische Neichsamt, die Kaiserliche militär-technische Akademie, die Kaiserliche Normaleichungskommijsion und der Verein Deutscher Ingenieure ver treten. Der Vorsitzende erstattete sodann den Geschäftsbericht und teilte mit, daß der Verband jetzt 617 Mitglieder habe. Es folgte dann eine Reihe wissenschaftlicher Vorträge. — Bros. Dr. A. Lcmau (Mitglied der physikalisch-technischen Ncichsanstalts sprach über Nene- rungcn an Meßmaschincn, Tr.'H." Rosenthal lNtzünchcu) über physikalische Technik der Röntgenologie und Technischer Rat A. Blaschke über neuere Patente. — Darauf referierte der Vorsitzende über den Arbeitskammergesetzentwurf. Der Referent kam zu dem Schluß, daß das Urteil aller interessierten Kreise ein durchaus ab lehnendes sei und man sich mehr von Arbeitcrkammcrn verspreche. Die Versammlung faßte darauf folgenden Beschluß: „Der Vorstand wolle an die Bundesregierungen die Bitte richten, dem Gesetzentwurf über die Arbeitskammcrn ihre Unterstützung zu versagen." — Das folgende Referat betraf die Errichtung von Schiedsgerichten im Streite mit Lehrlingen. Nach den Ausführungen des Referenten Dr. Handke soll das Schiedsgericht dazu dienen, um bei Streitigkeiten mit Lehr lingen nicht immer gleich das Gewerbegcricht anzurufen. Ein dies- Feuilleton. Unarten -es LheaterpnbUkunis. Es ist halb acht Uhr abends. Der Theatersaal erstrahlt im festlichen Lichte der elektrischen Lampen. Nun ein Glockenzeichen. Es wird dunkel. Von der Bühne her dringen die ersten Worte der Darsteller in den Zuschauerraum. Da — leise werden die Türen geöffnet, laute und starke Schritte werden hörbar und dazwischen di« Stimme des Billetteurs. „Erlauben", flötet lieblich die Angekvmmene dem in die Exposition des Stückes vertieften Zuschauer zu, und wer da nicht sofort Platz macht, dem kann es passieren, daß ihm der Billetteur ziemlich laut ins Ohr raunt: „Bitte die Dame hereinzulassen." Jetzt beginnen sich nach einander die Inhaber ganzer Sitzreihen zu erheben, Sitze klappern und knarren, ein Rücken und Scharren mit den Füßen wird hörbar. Bei diesem Zuspätkommen stellt das zarte Geschlecht das Hauptkontingent, einerseits der Toiletten wegen, die man ia zeigen muß, anderseits, weil cs mit dem Ankleiden nie fertig wird. Statt nun sich ruhig zu ver- ! alten, beginnen diese Damen an den meisten Fällen eine Konversation, die eben damit anfängt, daß sic eben dieses Zuspätkommen des langen und breiten mit allerlei Kleinlichkeiten motivieren. „Ja, wissen Sie —" und nach einer langen Auseinandersetzung erfahren alle Nachbarn, daß das Brenneisen nicht zu finden, oder der neue Hut nicht zur rechten Zeit ciugetroffen sei. Und mit dem alten könne man doch nicht gehen. .V propos — zum Kapitel Hüte. Weiß jemand, was es kostet, die Bc- siyerin eines solchen, mit trauerpserdartigem Aufputz versehenen Unge tüms zum Abnehmer! dieses Hütchens zu bewegen. Trotz gesetzlicher Be stimmung. So werden die einleitenden Szenen auf diese Art durch das ewige Rücken, Räuspern und Schwatzen total unverständlich. Besonders sein ist auch die von gewissen Damen sportmäßig betriebene Unart, laut nampscnd über die Wölbung des Parterres hereinzugehen. Während der Vorstellung natürlich. Jetzt aber beginnt die Haupthandlung des Stückes und damit eine ganz neue Serie von Unarten des Publikums. Einer „der Lieblinge" (eine besondere, oder besser gesagt, besonders unangenehme Abart der Spezies „Star") betritt die Bühne. In diesem Augenblicke erdröhnt dos Haus von phrenetischen Beifallsstürmen, »n die sich die Rufe wie „Bravo X, Bravo A" mischen. Dazwischen die Zischer und „Bst"-Nufer. Und das geschieht nicht vielleicht nur bei besonderen Anlässen, wie z. B beim Auftreten nach langer Krankheit, beim 25-, 40- und ich weiß nicht wicvicljährigcn Jubiläum, sondern dieses, so störende Zwischenspiel wiederholt sich TaL für Tao. Es wäre hier am Platze, auch einiges über die Unarten der Schauspieler und Sänger zu sagen, — ober davon ein andermal. Ist endlich wieder Ruhe in die erregten Massen gekommen, kann die Handlung endlich ihren Verlauf nehmen, dann ist es Zeit zur größten aller Unarten. Es ist das Lachen an unrechter Stelle, insbesondere bei ernsten, ja peinvollen Szenen. Eine Unzahl von Beispielen würde sich hierfür anführen lasten. Am empörendsten war es wohl, als im Burg- tbeater bei Hauptmanns „Hannele" einige in tzanneles Worten und wir steigen in ein Weißes Bette" nur einen pikanten Witz er- blickten. Wen's da nicht juckt, dreinzusabren und einen der Stören- sriedc bei den Obren zu nehmen, den beneide ich um seine Geduld. Ich wruiastens besitze sie nicht. So wären wir denn glücklich nach Ueberwindung von ein paar Schock Hindernissen bis gegen Schluß der Vorstellung gekommen. Doch ^ür den, der da ins Theater um des Theaters willen, ins Konzert um der Musik willen gekommen ist. sand die Qualen noch nicht zu Ende. Gute fünf Minuten vor Schluß beginnen sich die Vorgänge vom Be ginn der Vorstellung zu wiederholen, allerdings etwas modifiziert. Zuerst werden die Bonbons eingepackt, wobei das offenbar nervöse Papier fürchterlich raschelt und so ganze Sätze unverständlich macht, dann wird das Opernglas versorgt und der Deckel des Etuis mit einem starken Knacks geschlossen. Nun werden Hüte, Schleier, Hauben usw. hervorgesucht, natürlich mit Geräusch placiert, dann die Handschuhe angezogcn, dabei gibt es ein Rücken der ohnedies knarrenden Sessel — sehr ost fällt einem etwas herunter, dann steht Herr oder Frau Publikus natürlich wieder mit viel Lärm auf, bückt und sucht, selbstver ständlich wieder unter endlosen „Erlauben", „Pardons" usw. In einer Minute fällt der Vorhang. Das ist das Zeichen zu hordenmäßigem Aufbruch. Alles drängt zur Garderobe. Hier entwickeln sich nun oft fürchterliche Kämpfe, so daß man von Glück reden kann, wenn man mit heiler Haut und geraden Gliedern heinaikommt. Ich frage nun: muß das so sein? Gibt es da keine Abhilfe? Die Antwort kann nicht anders lauten als ja. Das Wie aber wäre Sache der Theaterdirektoren und — des Publikums, das solchen Stören frieden gegenüber zur Selbsthilfe greifen sollte . X«rl Hl. Lrisabsr. * Marin Labia, die gefeierte Primadonna der Komischen Oper in Berlin, der man Ameaikagclüstc nachsagt, und die man sogar schon berlinmüdc und kontraktbrüchig wähnte, ist von ihrem Urlaub wieder aus Italien zurückgekchrt und wird sich in den ersten Tagen detz September in d'Albcrts „Tiefland" wieder künstlerisch an der Komischen Oper be tätigen. * Böhmerwnld-Pnssionsspiclc in Höritz. Tic letzten Passionsspiel- aufführungcn gingen, wie aus Höritz berichtet wird, vor fast auSvcrkauf- tcm Hanse in jeder Weise glänzend vonstatten. Zuschauer ans aller Welt hatten sich cingesundcn. Engländer und Amerikaner kommen immer in größerer Anzahl. Auch eine kleine Reisegesellschaft aus Johannesburg in Südafrika wohnte den Spielen bei. Auch die Passionsspieler von Vorder- tierscc, die Böbmerwald-Reiscgescllschaft des deutschen Landeslchrcrver- eins in Bobinen, eine Reisegesellschaft des Leitmeritzer Gesangvereins, zäblten zu den Besuchern der letzten Nuffübrungen. Ain 27. Nugust findet eine Sondervorstellung statt, zn welcher ein Sondcrzng mit 1400 Personen aus Nicdcrösterrcich eintrifft. Aufführnngen finden nur noch am 30. August, am 6„ 7. und 18. September d. I. statt. Zur letzten Var stellung ist eine englische Reisegesellschaft angemcldet. * Mozarts Schädel. Im Salzburger Mozart-Mnsenm wird, so schreibt man der „N. Fr. Pr.", neben sonstigen Erinnerungen a„ den Meister (Handschriften, Porträts, seinem Konzertflügel usw.) sein Schädel gezeigt. Wenn ich nicht irre, stammt er aus dem Nachlasse Hyrtls und e« ist hier- von schon öfters die Rede gewesen. Es möge gestattet sein, einmal die Frage aufzuwerfeii, ob nicht alle ernst denkenden und fühlenden Besucher dicke- Museum- ein leises Grauen verspüren, wenn sie sich vor diesen Schädel gestellt sehen. Nicht alle Menschen sind Hamlets, die über einen Toten, schade! philosophieren mögen. Hat noch keiner von den Wächtern der Stadt Salzburg, den weltlichen oder geistlichen, darüber nachgedacht, daß dieser Schädel, mag er nun wirklich der Mozarts sein oder nicht, in einem Museum nicht an seinem Platze ist? Verdient Mozart, zumal in der Mozart Stadt, nicht die Pietät, die wir den Gebeinen jeder anderen Sterblichen angcdcihcn kästen? N. N. w. g.1 * Ein Wilhelm-Busch Denkmal ganz eigener Art, so schreibt die ,.T. R.", gibt es in Eharlottenburg, aber c» liegt nicht offen zutage. Die Stätte, wo e- sich befindet, ist die lauschige Klaus« der akademischen Hochschule für di« bildenden Künste. An einer Hauptwand ward der Empfang von Wilhelm Busch im Olymp dargcstellt. Goethe, Lessing, Schiller thronen dort beieinander, allerhand Genien beleben den Raum, unter ihnen auch Mar und Moritz, die Buben, die mit anderen den Unsterblichen die Pokale mit Nektar füllen. Schiller lächelt dem kleinen Moritz zu, und gegenüber betrachtet Altmeister Menzel vergnügt die Mappe von Bnscp. Im Hintergründe taucht der Kopf Dantes auf. Wilhelm Busch selber, seine Zeichnungen an der Rechten, den Pastcllstift in der Linken, ist eben in die Götterwclt cmporgcschwebt: sein wcißbärtiges Haupt tritt plastisch aus dem Bilde heraus, und Märchen begrüßt den Unsterblichen nun mit einein goldenen Lorbccrkranz. Nebenan und ringsum sind an Wänden, Bogen und Pfeilern die allbekannten Prachtstücke von Meister Busch in Wort und Bild veranschaulicht. Unter einem Storchennest liest inan das geflügelte Wort: „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr." Und auf Windeln, die zum Trocknen hängen, steht: „O ihr, die ihr Eltern seid, denkt doch an die Reinlichkeit!" Weiter begegnen wir den hübsch illustrierten Sentenzen: Enthaltsamkeit ist das Vergnügen an Sachen, welche wir nicht kriegen. — Froh schlägt das Herz im Reise kittel, vorausgesetzt, man hat die Mittel. — Denn die Summe unseres Lebens sind die Stunden, wo wir lieben. — Leicht kommt man an das Bildermalen, doch schwer an Leute, die s bezahlen. — Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben. — Alldieweil der Durst so groß, trink ich etwas eiliger, und erglänze alsobald wie ein neuer Heiliger. — Eine sehr drastische Szene illustriert der VerS: Wer sich freut, wenn wer be trübt, macht sich meisten- unbeliebt. Unter dem verzückt gen Himmel schauenden Dichterling, über dessen Haupt ein Lorbeerkranz schwebt, liest man das Wort: „O wie beglückt ist doch ein Mann, wenn er Gedichte machen kann." An einem Pfeiler erscheint ein holdselig aufblühendcs Mädchen mit Wangen und Formen, die sich zu runden beginnen: „Und der Vater ruft: Was seh' ich? Die Mamsell ist heiratsfähig!" Zu diesen Malereien kommen allerhand Deckcngehänge, Trophäen, verrückte Hühner und dergleichen. Tas Ganze atmet den Geist von Wilhelm Busch, und cs ist schade, daß diese an sich der Ocffcntlichkcit entzogene Schöpfung bloß kurze Dauer haben wird. Aber vielleicht veranlaßt sie einen unternehmen, den Wirt, gemütliche Kncipräume in ähnlicher Weise auSzustattcn. * Hnchschulnachrichtcn. Der ordentliche Professor in der philosophi schen Fakultät der Universität Marburg, Dr. Kurt Hensel, hat den Charakter eines Geheimen NegicrungSrates erhalten. — Professor Dr. Viktor Schliebitz, bisher an, Friedrichs-Gymnasium zu Breslau, ist zum Seminardircktor ernannt worden. — Dr. Leopold Senfeldcr ist als Privatdozent an der medizinischen Fakultät der Universität Wien zugelasscn worden, desgleichen Dr. Otto Hönigschc i d als Privatdozcnt an der philosophischen Fakultät dec deutschen Universität in Prag. * Kleine Chronik. Aus Ncw ?) ork. wird gemeldet: Die Differenzen zwischen Direktor Baumfeld und der neuen deutschen Theatergescll- schaft, die jüngst zur Niederlegung der Direktion durch Herrn Baum- selb führten, sind wieder brigelegt worden. Baumfeld behält somit die Leitung des Deutschen Theaters. — Wie aus Dortmund gemeldet wird, soll Ferdinand Freiligrath bei der hundertjährigen Wiederkehr seines Geburtstages, am 17. Juni. 1910, in seiner Vaterstadt Soest ein Denkmal erhalten. Soest ist nach dem Zeugnis der Tochter FreiligrathS die Stadt, die ihm „wie keine andere am Herzen lag". — Aus Dresden wird geschrieben: Das Ensemble des Berliner Lessing- theater- gastierte am Freitag und Sonnabend im Dresdener Residenz» tl)«ater mit ungemein starkem Erfolg. Else Lehmann, Albert Wassermann und Carl Forest ernteten insbesondere stürmischen Beifall. Zur Auf führung gelangten „Die Stützen der Gesellschaft" und „Die Wildente. (Kritik fleh« 8. SetteI
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