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überwindet ertast mühelos auch die Grenze zwischen „E-“ und „U-“ Musik, wenn er sozusagen in einem Atemzug zum Beispiel Schuberts „Ave Maria“ und Joplins „Entertainer“ spielt. In Deutschland, wo der außergewöhnliche Erfolg des Klezmer 1984 mit Feidmans Auftritt in Peter Zadeks inzwischen legendä rer „Ghetto“-Inszenierung begann, werden seine Konzerte zum Medium eines neuen Dialogs zwischen Juden und Deutschen. Heute gilt Giora Feidman, über das zum Markenzeichen gewor dene Klezmer-Prädikat hinaus, als einer der wichtigsten Interpre ten zeitgenössischer israelisch-jüdischer Symphonik, zu deren wesentlichsten Impulsen sein Musikverständnis gehört, das sich konsequent und beharrlich jeder einengenden Kategorisierung und Vereinnahmung entzieht. Die Reihe kammermusikalischer Werke, die auf seine Initiative in Auftrag gegeben wurden oder zu denen er junge Musiker, jüdische wie nicht-jüdische, angeregt hat, erweitert sich bestän dig und hat Eingang in das Repertoire „klassischer“ Klangkörper gefunden. Die 1994 beim Schleswig-Holstein Musik Festival uraufgeführten „Seven Prayers of Isaak the Blind“ (O. Golijov) erhielten 1995 den begehrten „Kennedy“-Preis. Die (instrumen tale) Titelrolle einer Oper - „Der Rattenfänger“ nach einem Libretto von Michael Ende, Musik von Wilfried Hiller (Urauffüh rung 1993 im Opernhaus Dortmund) - wurde für ihn geschrie ben, ebenso wie die Filmmusik zu zwei Hollywood-Filmen, zuletzt auch, für ihn und den Geiger Itzhak Perlman, die mit einem Oscar bedachte Musik zu Steven Spielbergs „Schindlers Liste“. Die in „Ghetto“ begonnene Arbeit mit dem Sprechtheater, wo die Fähigkeit, der Klarinette fast schauspielerischen Ausdruck zu verleihen und so Figuren und Situationen mit einer Art spirituel lem Untertext zu versehen, seine live gespielten Auftritte bezeich net, setzt sich in unregelmäßigen Abständen fort (z.B. „Der Golem“, Hamburger Kammerspiele 1994). Schließlich sieht er sich und seine Musik immer stärker als Träger einer Botschaft, um derentwillen ihm seine Begabung geschenkt wurde: jedem Menschen, den er erreichen kann, den Glauben an und das Gefühl für die Bestimmung des Menschen zu vermitteln, in Frieden miteinander zu leben. Nicht nur, aber gerade in Deutschland ist er deshalb trotz eines schier unvorstellbar gefüll ten Terminplans immer wieder bereit, wenn nicht gar begierig, Unmögliches möglich zu machen, wenn es darum geht, seine spirituellen Überzeugungen zu verdeutlichen. Sein Auftritt im