22 Gedanken für den Nachhauseweg Nichtjuden. Immer wieder wurden sie mit sozia len Zwecken verknüpft. Vor allem aber sollten sie helfen, durch Begegnungen Vorurteile abzubauen und Brücken zu bilden: zwischen den Religionen, zwischen den Menschen in der Stadt mit ihren individuellen Lebensgeschichten. Diesem Anliegen dienten auch Sendungen im Radio. Wiederholt konzipierte Samuel Lampel, dessen Lieblingslied „Die Gedanken sind frei" war, Funkstunden für die noch junge Mitteldeutsche Rundfunk A. G. Sie widmeten sich der „historischen Entwicklung der Synagogenmusik" ebenso wie der Musik zu einzelnen jüdischen Festen. Artikel ergänzten sie. Darüber hinaus fanden Vortragsrei hen in der Synagoge statt, die allen Interessierten offenstanden. Wiederholt war im Gemeindeblatt der Israelitischen Religionsgemeinde über die wachsende Resonanz der Angebote zu lesen, mün dend in dem Resümee von 1932: „Häufig bekann ten Besucher [...] mit Genugtuung, daß sie zum ersten Male eine Synagoge betreten haben und so in direkte Beziehung zu Juden und nichtjüdischen Dingen gekommen sind." So dürfe „der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß dadurch in immer weitere Kreise der Leipziger nichtjüdischen Bevöl kerung zunehmendes Verständnis für unser religiö ses Leben getragen wird". „Nächste Haltestelle: Samuel-Lampel-Straße" Als Kind übten Straßenschilder auf mich eine große Faszination aus. Ihre bisweilen altertümliche Schrift zog mich an. Vor allem aber begannen mich die Fragen hinter den Namen zu beschäftigen. So lernte ich im Alltag vieles nebenbei, ohne dass es jemand von mir abforderte, und zwar auf unter schiedlichsten Gebieten. Wer sich in ähnlicher Weise auf Entdeckungstour ins Leipziger Straßen- und Plätze-Netz begibt, wird auf drei Beteiligte des „Tempelkonzertes“ von 1926 stoßen. Allerdings muss er sich weitab von den einschlägigen touris tischen Schauplätzen begeben und in unterschied lichen Stadtteilen von Leipzig suchen. Dass Samuel Lampel 1992 überhaupt mit einer Straße bedacht wurde, ist Rolf Kralovitz in Köln zu verdanken. Der ehemalige Leipziger Jahrgang 1925 gehört heute zu den letzten Zeitzeugen, die noch aus eigenem Erleben über die Kantoren des „Tempels" und Chorleiter Barnet Licht berichten können, und die die Atmosphäre der Synagoge noch in sich tragen. Während zahlreicher Telefo nate werden viele Momente aus „seinem" Leip zig lebendig: Samuel Lampel wiegt die Thora in den Händen, fast wie ein kleines Kind. Mit seiner warmen Baßbariton-Stimme singt er das „Schema Israel". - Max Jaffe begleitet den Sechsjährigen nach Altenburg, wo der Kantor Verwandte von Rolf Kralovitz, die Familie Bucky-Levy, in Religion unterrichtet. - Der Chor unter Barnet Licht, der von der oberen Empore der Synagoge singt. - Die Feier des 50. Geburtstages von Max Jaffe während einer Aufführung im Battenberg-Theater. - Jaffe, gerade aus dem KZ Buchenwald entlas sen, zeigt während des Unterrichts an der Carle bach-Schule den Schülern mutig die Spuren seiner