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Deutsches Urich. Berit». (Der Schluß des Reichstags nahe bevor- siekcnd?) In den Abendstunden des Manins war in parlamentarischen Kreisen das Gerücht verbreitet, daß der Reichstag am Mittwoch nächster Woche schließen werde. Man wollte in dieser Woche alles andere Ma terial ausarbeiten bis auf Marokko, das am Dienstag und Mittwoch nächster Woche erledigt werden soll. — Unklar bleibt dabei aber auf jeden Fall, wie man in dieser Woche mit dem gesamten vorliegenden Material senio werden will. (Heimberufung des Kreuzers „Berlin".) Wie halbamtlich bekanntgemacht wurde, wird der Kreuzer „Bertin", nachdem in Agadir alles ruhig und keine Gefahr für Leben und Eigentum voll Deutschen mehr vorhanden ist, heute über Casablanca und Tanger die Heimreise antreten. S. M. S. „Eber" wird die „Ber lin" nach Casablanca und Tanger begleiten und sich dann wieder auf die westafrikanische Station begeben -- Wenn die Rückberufung damit begründet wird, daß in Ägadir „keine Gefahr für die Deutschen mehr be siehe", alst> der Zweck der Hinsendung des Kreuzers fioriaesallen sei, so ist das eine bureaukratische Fiktion, die man sich doch hätte sparen können. Man will da mit sagen, daß, solange das Abkommen noch nicht ratifi ziert ist, der Rechtszustand vom 1. Juli noch besteht. An Paris aber wird man jubeln und die chauvini stische Presse wird in den nächsten Tagen nur vom deut schen Rückzug aus Agadir reden. In natlvnalen Krei sen Deutschlands wird man diesen sang- und klang losen Abzug des deutschen Kriegsschiffes, das mit soviel deutschen Hoffnungen beladen nach Marokko dampfte, schmerzlich und peinlich empfinden. - (Hansabund-Kandidaten.) Der „Vossischen Zei tung" wird mitgeteilt, haß insgesamt rund 220 Mitglie der des Hansabundes zum Reichstag kandidieren, darun ter 62 Mitglieder aus den Reihen von Handel, Ge werbe und Industrie und außerdem noch 10 Syndici gewerblicher Organisationen. - ^Ausländische Offiziere in Deutschland.) Im näch sten Jahre werden, wie wir erfahren, von der engli schen Regierung 15, von der französischen 21 Offiziere zur Erlernung der Deutschen Sprache nach Deutschland entsandt werden. Die englischen Offiziere sollen sich drei, die französischen 6 Monate in Deutschland aufhatten. Noch den Erfahrungen der letzten Jahre kann man sich dem Verdacht kaum entziehen, daß mancher dieser Ossi ziere seinen Studienaufenthalt .venigcr der Er lernung der deutschen Sprache, als der Erkundung deut scher Festungen und Kriegsrüstungen widmen könnte. Es unrd Sache der deutschen Behörden sein, ausländi schen Spionen ihr Handwerk zu legen. (Großadmiral Köster über die Haltung Englands.) An seiner Rede im Frankfurter Flottenverem streifte Großadmiral v. Köster die Marokkofrage, 'ndem er er klärt«: „Es handelt sich für uns weniger um den Vor gang selbst als um dessen Begleitumstände. Wir Arben gesehen, wie das Uebelwollen gegen unsere wirt schaftliche Entwicklung und die mit dieser kaum Schritt hallenden Entwicklung der deutschen Flotte stetig wächst, wie England, trotzdem das britische Weltreich setzt et wa cin Fünftel der Erdoberfläche and über ein Viertel der Bevölkerung der Erde umfaßt, die zunehmende Be- dru:uno unseres Welthandels mit steigender Eifersucht onssibt. Wir müssen uns deshalb vollkommen darüber klar s-un. wessen wir uns bei geeigneter Gelegenheit zu gewanigen haben, und daß es lediglich von der Stärke Um die Heimat R««a« vo« V«««o Wagxer Z«< (Rachvruck verboten.» Johannes Jessen hatte sich in das Manuskript ver tieft. Bor seinem Geiste war alles lebendig geworden, was damals in nächtlichen Stunden am Strande zu Son Remo die wache Phantasie mit Wunderaugen ge schaut. Er sah den Seekönig ruhen im gläsernen Sarge des grünen Meeres tief unten auf felsigem Grunde im düstcren Schatten des Drachenbootes. Und er sah die Yoh« Gestalt der Königin, und ihm war, als trüge sie bekannte Züge, wie er sie in jener Nacht gesehen, als der Tvdesengel im Herrenhause zu Poggenhagen am Krankenlager eines Kindes vorübergeschwebt Ivar — Alice von Bählows (Züge. Aus seinen Träumen fuhr er empor. Es wurde hart an die Tür gepocht, und nun hörte er die schtrfe Stimme seiner Schwester Gesine: „Wir haben alle lang' Kassie getrunken. Mach' daß Du runter kommst, sonst deck' ich den Tisch ab!" , Do steckte er mit raschem Entschluß die Blätter, aus denen die Erzählung stand, in die Rocktasche, Mor gen noch wollte er sie an eine Zeitschrift in Stuttgart senden, deren Hefte er zuweilen im Hcrrcnhausc zu Poggenhagen hatte liegen sehen. Er wollte den Versuch nock einmal wagen; und er hatte das Gefühl, daß es ihm dieses Mal gelingen mußte. XIV Aus der Gemeindeweide dicht hinter dem Dorfe — gleich an der Straße nach Klein-Disnack — war der Bretterboden für die Pfingstheesch gezimmert — ein gmßcs Viereck, auf dem wohl zwanzig Paare gleich- zeitig tanzen konnten. In der Mitte erhob sich der gnvße Maibaum, mit Bändern geputzt, und rund herum standen Bänke, von Birkenstämmen umzäunt. An der einen Seile aber war die Schenke und der Musikanten- unsrrer Rüstungen abhäagen wird, daß wir naS unsere Stellung wahren." Die sächsischen Landtags- Abgeordneten nach ihren Berufen. Auf Grund des Wohnungs- und BerufsverzeichnisseS der Mitglieder der Zweiten Kammer ist hinsichtlich der Berufe der Abgeordneten folgendes fest; »stellen: Die konservative F«cktton besitzt unter ihren 29 Mitgliedern (die Hospitanten eingerechnet) 10 Guts besitzer, 3 Gemeindevorstände, 2 Rittergutsbesitzer, 2 Rechtsanwälte, 2 Bürgermeister, je einen Bäckerober meister, Oekonomierat, Reutter, Fabrikdirektor, Kauf mann, Landgerichtsrat, Geometer, Landwirt, Ritterguts pachter und einen Direktor im Bunde der Landwirte. Die nativnallibeuale Fraktion zählt 26'Mit- glieder. Darunter sind 8 Fabrikbesitzer, 4 Kaufleute, 3 Stadträte, 2 Rechtsanwälte, je einen Rechnungsrat, Mühlenbesitzer, Baumeister, Schneidermeister, Rentier, Landgerichtsdirektor, Direktor einer Berufsgenossen schast, Seminardirettjor und Gemsindevorstand. Zu den Freisinnigen, die 8 Mitglieder zählen, gehören 2 Kaufleute, 2 Seminaroberlehrer und je ein Lithograph, Landgerichtsvat, Bürgermeister und Stadlrat Zwei Wilde gehören zur Kammer, und zwar ein Kaufmann und ein Fabrikbesitzer. Die 26 Sozialdemokraten setzen sich zusam men aus 7 Redakteuren, 4 Lagerhaltern, 2 Buchhänd lern, 2 Geschäftsführern, 2 Gauleitern, 2 Kassierern und je einem Materialwarenhändler, Kassenvorsitzen- den, Buchhalter, Gewerkschaftssekretär, Gewerkschafts beamten, Tischlermeister und Bezirksleiter. („L. N. N.") Aus Nah und Fern. Lichtenstein, 28. November 1911. *— Die nächste Kreisausschutz-Sitzung um 13. Dezember wird auch ein Punkt beschäftigen, der in der letzten Stadtvevordneten-Sitzung Erledigung fand, nämlich die Verminderung des SMmmvermügens der Stadt Lichtenstein durch unentgeltliche Ueberläfsung von Areal an den Fachschulgebäude-Berein betr. *— Bezirkstag. Wie bereits kurz gemeldet, findet am Donnerstag, den 30. d. M. im Sitzungssaal« des neuen Rathauses in Callnberg der 59. öffentliche Bezirkstag statt, dem folgende Tagesordnung zur Be schlußfassung vorliegt: 1. Neubau von Siechenhäuiern auf dem Anstaltsareale zu Lichtenstein. 2. Wahl eines Vertrauensmanns zu dem Ausschüsse für Aufstel lung ^dei Geschworenen- und Schöffenliste bei dem König lichen Amtsgerichte Lichtenstein. 3. Ersatzwahl eines bürgerlichen Mitgliedes der Ersatzkommission (Aushc- bungsbezirl Lichtenstein). *— Höhere Handelsschule. Uns ivird geschrie ben: Die Bedeutung einer Höheren Handelsschule (ein jähriger Fachkursus) für die aus den höheren Lehran stalten mit dem Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis ab gehenden Schüler zur Vorbereitung aus den kaufmänni schen Beruf kann nicht eindringlich genug hervorgeboben werden. Mit der allgemeinen Bildung, die diese Schü ler bis zur Erreichung der Militärberechtigung erlangt haben, ist es bei einem tüchtigen Kaufmann heutzutage nicht allein getan. Wer nicht dazu eine gediegene wis- senschaftliche Fachbildung sich ancignet, wird aus fei ner Lehrzeit nicht den erwünschten Gewinn ziehen, um fv weniger, als die Lehre an sich unseren jungen Kauf sitz; da thronten die Männer mit dem Cello — nicht jedes Dors wies einen von der Sorte auf — und mit den Geigen, der Trommel und der Trompete. Uno schon ehe es losging, bewiesen sie ihre Trunkfestigkeit an manchem Seidel schäumenden Bieres. Die halbwüchsigen Jungens und Mädchen hallen scheu den ganzen Nachmittag den Tanzplatz umschwärmt und draußen außerhalb der Umzäunung auf eigene Faust den Reigen aufgeführt. Von den jungen Burschen waren mehrere in ein ferneres Dorf geritten, wo man auf Bauernpscrden ein Ringstechcn ritt. Tas hatten nur wenige Gemeinden noch als Ueberbleibsel aus dem Mit telalter sich bewahrt. Nun kamen sic mit geröteten Gestchiern zurück, mit bunten Schleifen und Sträußen geschmückt, die sie sich gewonnen. Und jetzt konnte auch in Ncuendamm der Pfingsttanz beginnen. Noch war es ganz hell und die Sonne nicht untergegangen. Aber schon schwärmte das ganze Dors auf dem Anger — die Mägde und Bauerniöchter in blauen und roten Kleidern und in Hellen Blusen, die Männer und Bur schen im Sonntagsstaat. Der Tanz trat in seine Rechte. Als Johannes Jessen mit seiner Schwester Gesine und seiner Braut, denen sich Frau Diestel als Anstands- danir angeschlossen hatte, den Platz betrat, hatte sich die lustige Psingststimmung schon eingestellt. Lautes Jauchzen inischtc sich in das Quieken der Geigen. Eben hatte man die bunten Lampions angezündet, die an einem Draht rund herum um den Platz aufgehängt waren Das sah wunderhübsch aus in dem hereindämmernden Abend. „Das ist nett von Ihnen, daß Sie kommen, Herr Jessen", sagte der Bauernvogt und bot dem Lehrer die Hand. „Als Ihr Vater jung war, hat er nie gefehlt, obgleich er es nie zu einem richtigen Walzer gebracht bat. Dafür werden Sie's desto besser können, denk' ich. Wer unter uns leben will, muß auch mit uns feiern." Und ohne viele Umstände zu machen, hatte der vier leuten unter deu heutigen Verhältnissen nur da» Täter« wenigste von de« zu bieten vermag, was map, van einem durchg^bildeten Kaufmann verlanat Wer die praktische Lchre nicht durch gründliche wusenlchaftliche FaOildung ergänzt oder durch letztere sich.äußerstere vorbereitet, muß in dem scharfen Mnkurrenzkampfe der kaufmännischen Berufsangehörigen rmterliegen. - Di« Höhere Haicheksschule zu Zwickau nimmt auch junge Mädchen mit höherer Mädchenschulbildung auf, die i» den kaufmännischen Wissenschaften und Fertigkeiten sich ausbilden vder auf deren Grundlage ihre Allgemnnbil- düng fördern wollen. *— Geefischkochkurse irr Lichteuftei«. Am Montag früh 9 Uhr nahmen die Kurse in der Küche unseres Fachschulgebäudes ihren Anfang. Herr Schul direktor Dr. Hüttig begrüßte die erschienenen Dame« und machte sie mit dem Kommissar des Deutschen See fischerei-Vereins, Herrn von Rauttcr und der Ge werbeschullehrerin Frl. Scholle bekannt. Herr von Rautter verbreitete sich in einem etwa,1/2 stündigen mit Humor gewürzten Vortrage über den Wert der See fischnahrung, und führte die wegen ihrer Schmackhaftig keit und Wohlfeilheit besonders beliebten Seefisch)orten an der Hand vortrefflicher Bilder vor. Frl. Schölte gab an der Wandtafel eine Uebersicht über die Gerichte, die hcrzestellt werden sollten, verteilte die Teilnehme rinnen auf die vorhandenen 5 Tische, und dis Arbeit begann. Jeder Tisch wurde mit der Herstellung eines besonderen Gerichtes betraut, und so entstanden eine ganz vorzügliche Fischsuppe, nicht weniger schmackhafte Fischkotcletts, Fischbraten, gedämpfter Fisch und Fisch? ragout. Dabei war den Teilnehmerinnen volle Bew«- gunosfreiheit gelassen, sodaß sie auch in die Arbeit an den Nachbarlichen Einblick nehmen tonnten. Zur Verarbeitung kamen Schellfisch, Seelachs und Rotbarsch. Gegen den geringen Preis von 12 Pfg. wurde jeder Teil nehmerin eine von Frl. Scholle verfaßte Sammlung vo» Seefischtochrezepten und ein von Pros. Henking heraus-^ gegebenes Seesischbilderbuch überreicht. Ein gemeinsa mes Mahl, zu dem unsere Haushaltungslchrerin Frsi R ichter in dankenswerter Weise die nahrhafte Au»/ kost hergestcllt hatte, beschloß den Kursus. Heute morgen nahm Herr Bürgermeister Steckner nebst Frau Ge mahlin Gelegenheit, die Teilnehmerinnen des 3. Kursus bei ihrer Arbeit zu begrüßen. Möge sie Veranstaltung die gegenwärtige Fleischteuerung mildern helfen, möge sie aber auch dazu beitragen, in den Kreisen unserer Hausfrauen hier und da noch vorhandene Vorurteil« gegen unsere Schulküche zu zerstreuen. Den beiden lie benswürdigen Beamten des Deutschen Seefischerei-Ver eins sagen wir auch an dieser Stelle für ihre au (klärende Arbeit unsern herzlichsten Dank. —g. * Konzert. Tas gestern abend von Herrn Musik direktor Warnatz im Schützenhaus Callnberg veranstal tete Extra-Konzert war erfreulicherweise gut besucht. Unsere Kapelle entledigte sich ihrer Aufgabe in twv- züglickstei Weise. Alle Programm-Nummern wurden mit großem Beifall ausgenommen. Auch die jetzige, in den Händen der Familie Härtel befindliche Bewirt schaftung genannten Etablissements bot aus Küche und Keller das beste, sodaß der Abend in schönster Weise verlief. Der nachfolgende Ball hielt ine Anwesenden, noch lange zusammen. * — Ein Dampfkessel von gewaltigen Dimen sionen, im Gewicht von ca. 400 Ztr., wurde beute für die Kesselanlage der hiesigen Stadtbrauerei angeliefert. Er stammt aus den Germania-Werken in Chemnitz; zu keinem Transport waren 8 Pferde notwendig. schrötlge Bauer Frau Gesine Diestel die Hand gereicht, den Arni um ihre Hüfte gelegt, und nun walzte er mit ihr los - würdevoll und behäbig. Während Karoline noch staunend hinter der Mutter hersah, kam quer über den Bretterboden, mitten durch das Gewühl der Tanzenden Heinrich Stahmer gesprun gen. Sein Gesicht war schon ein wenig gerötet voll Bier und Schnaps, denn er hatte an der Schenke dell reichen Erbsohn gespielt und wahllos Bauern und Knechte freigehalten, sich dabei auch selbst nicht vergeben. Aber es stand ihin gut, dieses blühende Not zu dem strohgelben Haar und dem kühnen Schnurrbar!. Etwa- stutzerhaft hatte er sich herausgemacht mit den blank lackierten Scifaststicseln aus der Husarenzeit, in denen unterm Disi die Hosen steckten. Lin forscher Kerl! Das schienen alle die Mädchcnblicke zu sagen, die hin ter ihm herflogen. „Dars ich um Ihren ersten Tanz bitten ?' ries er schon von weitem Karoline zu. Sie sah fragend seit wärts auf ihren Bräutigam. Da lachte Stahmer über mütig. „Der erste ist mir schon versprochen!" rief « keck und wollte Karoline fvrtzirhen. Aber Johannes schob ihn ruhig beiseite. „Nach her, Bcinrich", sagte er freundlich, aber bestimmt. „Zu erst tanze ich mit meiner Braut." Karoline war ganz überrascht, wie er gut tanzte. Sie hatte ihren Verlobten noch nie tanzen gesehen. Run ja, er faßte sie sehr leicht, — aber cs lag Sicher heit in seinen Bewegungen; nur zu gelassen wnzte er. Er sprang nicht, wie die anderen; kaum daß er die Füße hob. Hierzulande tanzte man wilder; so hatte sr's «vohl tn Kiel gelernt. Stahmer und Gesine sahen den beiden nach, er et was ärgerlich, denn ihm saß schon rin leiser Raulch i» dec Kröne. Dann fragte er: „Wo ist denn Ihre hüb sche Schwester Anna? Hab' sie die ganz« Zeit, feit ich wsidcr zurück hin, noch nicht begrüßt, — und st« war doch meine Spielkameradin." z