Volltext Seite (XML)
Matrosen in Schutz. Sollte sie aber doch Mitschuld treffen, so sei daran erinnert, daß bei Gelegenheit des Besuches unserer Hochseeflotte 20 000 deutsche See leute die spanischen Küstenplätze mit Urlaub besucht Und sich so benommen haben, daß die spanische Presse die blonden Deutschen den romanischen Seeleuten als Muster hinstellte — (Der Streit um den eigentlichen Charakter der Zentrumspartei) soll nach Mederzusammentritt des Reichstages offiziell von der Partei behandelt und deshalb vorläufig vertagt werden. Inzwischen hat der Augustinusverein (Verein für Pflege der katho lischen Presse) für die Kölnische Volkszeitung und gegen Abgeordneter Bitter Partei genommen. Das Zen trum soll nach ihm auch in Zukunft interkonfessionell erscheinen, um doch dabei — katholisch zu sein. Der Gauverbaud erzgebirgischer Gewerbevereine, zu dem auch Lichtenstein-Callnberg gehört, hielt am Sonntag in Waldenburg seine diesjährige Gauver sammlung ab. Aus der reichhaltigen Tagesordnung sei folgendes erwähnt : Auf die Petition wegen Besserung der Einrich tungen in der vierten Wagenklasse der sächsischen Staatseisenbahnen und wegen Wiedereinführung des Abrufens der Zugabgänge in den Wartesälen und Perrons der Bahnhöfe, wird seitens der General direktion der sächsischen Staatsbahnen nach Erledigung der Erörterungen Bescheid gegeben werden. Ferner beschloß man, an der Forderung der Zwangsversichc- rung selbständiger Handwerker mit Reichsbeitrag fest zuhalten, aber zunächst abzuwarten, wie sich der dem nächst stattfindende Gewerbekammertag zu dieser Frage stellen werde. Tie Frage wird auch beim Verbands tage sächsischer Gewerbe- und Handwerkervereine in Pulsnitz zur Beratung kommen. Ein Antrag Hohen stein-Ernstthal-Altstadt wegen Anschlusses der Ge werbevereine an die Leipziger Mittelstandsvereinigung wurde, da man sich allseitig gegen einen Anschluß aussprach, zurückgezogen. Tie "Berechtigung der Mit- tclstandsoereinigung wurde anerkannt. Herr Tiebel empfahl möglichst zahlreichen persönlichen Anschluß. Nunmehr kam die Tagesordnung der Landes versammlung in Pulsnitz am 5. September zur Be sprechung. Empfohlen wurde hierbei eine milde Hand habung des Kiuderschutzgesetzes, da die Auslegung der Bestimmungen des Gesetzes zu vielfachen Härten geführt hätte. Zu dem Anträge des Gauverbandes erzgebirgischer Gewerbevereine über die Aenderung des Gesetzes, betreffend die Wahlberechtigung und Bei- tragspslicht zu den Handels- und Gewerbekammern, wurde nach längerer Beratung auf Vorschlag des Herrn Dr. Engelmann beschlossen, die Forderung dahin zu stellen, daß alle dem Kleinhandel angehörenden Nicht handwerker ohne Rücksicht auf deren Einkommen und auf den Eintrag in das Handelsregister den Gewerbe kammern zugewiesen werden. Damit wurde die For derung fallen gelassen, daß Nichthandwerker mit einem Einkommen von über 6000 Mark zur Handelskammer zu wählen haben. Die Errichtung eines Erholungsheimes für Ge werbetreibende wurde zwar sympathisch begrüßt, da gegen wurden aber doch gewichtige Bedenken erhoben, die eine Ausführung dieses Wunsches als fraglich er scheinen lassen. Auch der Antrag über das Fortbildungsschulwesen erweckte mehrfache Bedenken. Herr Dr. Engelmann warnte davor, aus den Fortbildungsschulen Lehr werkstätten zu machen. Vielmehr ging die Forderung dahin, daß das gesamte Fvrtbildungsschulwesen unter eine einheitliche Zentralstelle gestellt werden möchte, wie dies bereits in Baden geschehen sei. Bei Bespre chung des Lehrlingsmangels im Handwerke wurde gerügt, daß die Handwerker vielfach selbst ihr Hand werk heruntermachten, daß sie zu wenig Standesehre hätten. In einer Denkschrift an die Staatsregierung sollen die Verhältnisse auf diesem Gebiete dargelegt werden. Die Forderung aus Einreichung von Nach laßverzeichnissen behufs gerechterer Besteuerung wurde als aussichtslos abgelehnt, dagegen die Gleichstellung der Frachtsätze für Güter aus Normal- und Schmal- spurlmhnen — letztere sind um 20 Prozent höher als erstere — befürwortet. Ein nachträglich eingcgangener Antrag Meerane um einheitliche Bestimmungen zum Offenhalten der Läden an Sonntagen wurde abgc- setzt, da eine Verwirklichung sich schwer erzielen lassen werde. Nachdem als nächstjähriger Versammlungsort Crimmitschau gewählt worden war, wurde die Sitzung ^3 Uhr geschlossen. Tie Teilnehmer vereinigten sich dann noch zu einer gemeinsamen Mittagstafel, die durch muntere Reden gewürzt wurde. Ans Nah Mdljseru. Lichtenstein, den 24. August l909. *— Die Wettervorhersage für morgen lautet Südwind, heiter, wärmer, trocken. *— Stadtbad. Wassertemveratur für heute! 21° C *— Haferschnitt. Jetzt hat man in der hiesigen Umgebung bereits mit dem Haferschnitt begonnen. Derselbe verspricht Heuer einen guten Ertrag. Tie Roggenernte ist fast beendet: ihr kam das trockene Wetter der letzten Tage recht zu statten. *— Wassermangel! Hierzu ist heute weiter zu melden, daß es Mittel und Wege, den Uebelstand sofort zu beheben, leider nicht gibt: die Stadt (bezw. der Wasscrausschuß, tut aber alles, um der Ursache der Kalamität auf die Spur zu kommen und sie zu be heben. Da ain Hochdruckbassin der Zufluß 3,4 Sc- kundeuliter (in normalen Zeiten 3,6 Sekundenliter) be trägt, kann nur angenommen werden, daß in der Oberstadt ein Wasserrohrbruch vorliegt, der die Was serminderung im Gefolge hat. In dieser Richtung werden jetzt die Nachforschungen gepflogen. - Diese Aufklärung mag den Uebcrmittlern der verschiedenen Eingesandtes einstweilen zur Beruhigung dienen. *— Jubiläum. Tas hundertjährige Geschäfts jubiläum zu begehen, ist morge.-. der Firma Juli u s Küchler hier vergönnt- In dem an der Badergasse gelegenen Stammhaus wurde am 25. August 1809 von Herrn Leberecht Küchler, dem Großvater des jetzigen Inhabers, eine Matcrialwarenhandlung ge gründet, die dann in die Hände des Sohnes, Herrn Julius Küchler, überging, der der Firma auch ihren Namen gab. Schon unter dessen Leitung gewann das Geschäft an Umfang, insbesondere widmete er neben "seiner Teckcnfabrikation auch der Destillation große Aufmerksamkeit. Seit zirka 22 Jahren ist nun Derr Oskar Küchler der Inhaber der Firma: er hat das Geschäft nach Zukauf des Seim'schen Nach barhauses in rastloser Tätigkeit bedeutend erweitert in allen Zweigen mehr und mehr ausgeba^und äuß die jetzige Höhe gebracht. Nun genießt die Firm» auch über Lichtensteins Mauern hinaus einen Wohl-, begründeten guten Ruf. Wir übermitteln der Ju-> bilarin zu dem so seltenen Lage, an dem gewiß weite Kreise unserer Stadt innigen Anteil nehmen, unsere herzlichsten Glückwünsche für weiteres Blühen und Ge-, deihen! *— Das wiedergefunvenc Ehepaar. „Warum in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah!" So schien auch ein Ehepaar zu denken, das seit einiger Zeit getrennt von einander lebte und doch den Drang der Wiedervereinigung in sich spürte. AlS Ort ihres Zusammentreffens wählten sie den Unterbau der Lowry an der äußeren Glauchauer Straße. Aber ohne Erbarmen blickte die heilige Hermandad selbst! bei Nacht in die tiefsten Tiefen und holte die „Wieder-, gefundenen" an die Oberfläche. Ja, die Liebe höret nimmer auf und weiß alle Hindernisse zu über-, winden. . *— Belohnung. Von der Postverwaltung ist für die Ergreifung der Täter, welche die Posteinbrücha in Pockau (Flöhataft, Oberlichtenau, Schwarzenbergs Oberschlema, Bockau, Zschopau, Blauenthal, Harten stein und Großolbersdorf verübt haben, eine Belohn nung von 200 Mark ausgesetzt worden. t. Hohndorf. (Landtagswähler.) Im hiesigen Orte sind 608 Wähler mit 1 Stimme (608 Stimmen), 235 Wähler mit 2 Stimmen (470 Stimmen!, 67 Wähler mit 3 Stimmen (201 Stimmen), 76 Wähler mit 4 Stimmen (304 Stdimmen.. Das sind 986 Wähler mit zusammen 1583 Stimmen. Mülsen St. Jacob. (Vom Sächsischen Rad- fahrerbnud beging der Bezirk „Mttlsengrund" sein erstes Bezirks-Stiftungsfest am 22. Augnst in der „Grafenburg". Bei den sportlichen Veranstaltungen am Nachmittage erhielten im Ringelstechen die Herren Hauschild den ersten Preise Schmidt den zweiten Preis und Neef-Niclas den dritten Preis; im Langsamfahren Müller den ersten Preis, Hauschild den zweiten Preis, Klemm-Niedermülsen den dritten Preis und Fräulein Gebhardt-Thurm den vierten Preis. Im Kvnkurrcnz- rcigenfahren abends wurde der erste Preis zucrkannt dem Radfahrerklub „Niedermülsen", der zweite Preis dem Klub „Regina"-Vielau und der dritte Preis dem Radfahrcrklub Niederwinkel. Ter sestgcbcnde Verein „Alpenrose" hier bot den Ehrenreigen, der ihm beim Bundesfest in Dobeln den ersten Preis erbrachte. Als Kunst-Duettfabrer ernteten die Herren Lau und Müller allgemeinen Beifall. Tas Preisrichteramt versahen die Herren Lau und Junghänel von hier, sowie Stcpban-Thnrm: als Schiedsrichter fungierte Herr Thümmler-Thurm. z. Lrtmannsdorf. (Preisschießen.) Bei dem am vergangenen Sonntag stattgefundenen Preisschießen gingen ailßer den bereits gemeldeten noch folgende Herren als Preisträger hervor: Schnster-Thurm 3. Preis mit 52 Ringen, Hugo Schnorr-Neudörfel mit 51 Ringen 4. Preis, Moritz Sonntag-Ortmannsdors mit 50 Ringen 5. Preis, Ewald Jurich-Nendörfel mit 49 Ringen 6 Preis, Emil Steinert-Niederschindmaaß mit 48 Ringen 7. Preis, Richard Pietzsch-Ortmannsdorf mit 46 Ringen 8. Prci-s, welches die höchsten Punkte zahlen waren. Tas Schiesten nahm ohne jede Störung unter starker Beteiligung einen flotten Verlauf. Aue. (Fortsetzung des Schülerstreiks.) Wie der Chemnitzer Allgemeinen Zeitung zum Schülerstreik in Stille Dulderinnen. Roman von R. Mandowskh. 3. (Nachdruck verboten.) Drittes Kapitel. Andorffy schritt inzwischen mit einer Sicherheit, die verriet, daß er hier im Hause des pensionierten Generals, Baron Szirmay, genau Bescheid wußte, durch mehrere Gemächer. Wieder huschte das geheimnisvolle Lächeln von vorhin über seine Züge, als er dabei unhörbar durch die Zähne murmelte: „Das kam zur rechten Zeit; der Zufall ist doch der beste Bundesgenosse des kühnen Spielers, und jetzt — va bangue, gehe es, wie es wolle." Er trat nun in das verschwenderisch mit persischen Teppichen ausgestattete Rauchzimmer, in welchem sich eine ziemliche Anzahl Herren — es war gerade Tanz- Pause — aufhielt. Bläulicher Zigarettenrauch ersüllte den eleganten Raum, in welchem verschiedene Gruppen in mehr oder minder zwanglos beguemen Stellungen in den Fauteuils liegend konversierten. Der älteste Sohn des Hauses, Husaren-Oberleut- nant Baron Sandor Szirmay, ging in Vertretung des Hausherrn von einer Gruppe zur anderen, sich überall ein wenig ins Gespräch mischend. Sein offenes, männliches Gesicht war überaus ansprechend, wenn auch in seiner Unregelmäßigkeit nicht gerade schön zu nennen. Schwarzes, kurzgeschnittenes Haar, ein flottes, kleines Schnurrbärtchen, freundliche blaue Augen und eine schlanke Gestalt vervollständigten die sympathische Erscheinung. Als er Andorffy eintreten sah, ging er rasch auf ihn zu und fragte l-alblaut, um nicht von den anderen verstanden zu werden: „Sagen Sie, Andorffy, haben Sie Papa nicht gesehen? ^Seit anderthalb Stunden ist er unsichtbar und ich stehe wie auf Nadeln. Schließlich wird man sein Verschwinden ja -och bemerken, und ich weiß nicht, wie ich dasselbe vor den Gästen entschuldigen soll." „Ihr Herr Vater fühlt sich nicht ganz wohl und bat mich, Ihnen das zu sagen, Baron", antwortete der Ingesprochene ebenso leise, „er ist in seinem Zimmer." Ein Schatten von Unruhe flog über das Gesicht des anderen. „Deshalb war er heute den ganzen Tag so sonder bar — pr verheimlichte sein Unwohlsein, offenbar, um das heutige Fest nicht zu verderben." „Es ist ja auch nichts Ernstes. Sie können ganz ruhig sein." „Wirklich?" „Er braucht nur ein wenig ungestörte Ruhe, dann kommt er wieder herüber." „Das dachte ich mir — der gute Papa ist ja die Rücksicht selbst." Der andere sah ihn mit einem undefinierbaren Ausdruck an bei diesen Worten, fragte aber dann blos: „Wünschen Sie vielleicht, daß ich auch die Baronin verständige?" „Sie würden mir damit einen großen Gefallen er weisen", antwortete Sandor lebhaft, „ich lasse sie bitten, das Souper für alle Fälle um eine halbe Stunde verschieben zu lassen." „Heda! Ihr Beide, was habt Ihr denn für Ge heimnisse mit einander?" fuhr jetzt ein bekannter oppositioneller Abgeordneter dazwischen. Er war, das Kognakgläschen in der Hand, herangetreten, und fuhr jetzt, seine Löwenmähne mit der Linken zurückstreisend, mit Stentorstimme fort: „Verschwörungen werden hier nicht angestellt — merkt Euch das!" „Natürlich, dazu ist ja das Parlament da", mischt« sich nun ein anderer, sehr beleibter Herr, welcher in kleinen Schlückchen aus seinem Mokkatäßchcn türkischen Kaffee schlürfte, ins Gespräch. „Tu hast überhaupt nicht mitzuredcn, mein Lie ber", antwortete der Abgeordnctc. .^Stellen Sie sich vor, Andorffy, der Mensch hat soeben eingestandeitz daß er die Markus als Monna Vanna noch nicht gesehen hat." , „Schrecklich!" antwortete Andorffy lachend. „Da! ich aber fehe, daß die Herren die gefährliche Klipp« „Politik" glücklich umschifft haben, überlasse ich Sitz unbesorgt Ihrem Kunstgespräch." „Oho! Wohin denn so schnell?" „Tamendienst, meine Herrschaften, der geht, wie! Sie Hussen, allem anderen voran." Und lachend war Andorffy verschwunden, bevor noch der populäre Volksmann sein „verfluchter Kerl!" neidisch in den Bart brummen konnte. Gleich darauf stand er in dem großen Salon, der als Tanzsaal diente. Derselbe war reizend viel int Gold ausgestottet. Tausende Amoretten auf dem! Plafond gemalt, bildeten einen lustigen Reigen. Ein bekannter Millionär hatte die kleine Villa amt Ende der Andrassystraße für seine einzige Tochter erbaut und wie ein Schatzkästchen ausgestattet. Die arme junge Frau hatte sich nicht lange daran erfreuet dürfen, nach kurzen drei Jahren des Glückes war sitz in San Remo einer schweren Lungenkrankheit erlege«. Seitdem war ihr einstiges Heim dem armen reiche« Mann ein Dorn im Auge und wurde vermietet. Daran dachte aber momentan niemand von de« plaudernden, lachenden, promenierenden Gästen. GG war ein hübsches Bild, das sich dem Eintretenden bot. Junge Damen in Hellen duftigen Toiletten, dazwischenl schwarze Fräcke und glänzende Uniformen in steter« Wechsel kaleidoskoparitg durcheinander geschoben. In der Mitte unter dem Kronleuchter stand eintz