Volltext Seite (XML)
die Widerstreitenden Interessen der im Mittelstände vertretenen Gruppen, diese zu gleicher Auffassung zu bringen, habe sich die Mittelstandsvereinigung zur Aufgabe gestellt. Das sei ober nicht durchführbar. Er könne daher dem Mittelstände nur den Anschluß an den Hansabund empfehlen, der ihm den Schutz gegen agrarische Bevormundung gewährleiste. Die nationollibevale Partei habe, was sie dem Mittel stände versprochen, stets gehalten. Die weiteren Aus führungen beschäftigten sich mit der Stellung seiner Partei zum Submissionswesen, der Umsatzsteuer, dem gewerblichen Fachschulwesen usw. Wenn behauptet werde, der künftige Landtag habe nur wirtschaftliche Fragen zu erledigen, so sei dies falsch; wichtiger als die augenblicklichen Forderungen wirtschaftlicher Grup pen sei die kudturelle Hebung des ganzen Volkes; um diese zu fördern, müßten festgegründete politische Männer in den Landtag. Die nationalliberale Partei betätige sich stets in positiver Arbeit für die Volks wohlfahrt. Redner streifte nun das neue Landtags- Wahlgesetz, bezeichnete im Anschlusse hieran die Aende- rung der ersten Kammer als erstrebenswert, die Ge sundung der Staatsfinanzen und die rechte Sparsam keit als notwendig, sowie bei Erwähnung des Ge meindesteuergesetzes Eintreten für die Selbstverwal tung der Städte und endlich für die Volksschulreform. Mit einem Appell zum Zusammenschlusse der liberalen Parteien gegen die Sozialdemokraten und die Agrar konservativen schloß Herr Bürgermeister Brink. — Herr Kommerzienrat Ehret-Glauchau ergänzte die Ausführungen des Vorredners noch in verschiedenen Punkten, gab zugleich einen Uebcrblick über die Hal tung und die Tätigkeit der Fraktion im letzten Land tage und trat für die Wahl des Herrn Bürgermeister Brink ein. — Tie Diskussion eröffnete der Freisinnige Kandidat, Herr Fabrikant Louis Bahner-Oberlung witz, dessen Wahl später noch Herr Lehrer Müller- Glauchau empfahl. Herr Redakteur Bartels- Chemnitz sprach in längeren Ausführungen im sozial demokratischen Sinne, ebenso Herr Drescher- Gersdorf, der für die Wahl des Herrn Wilde-Glauchau eine Lanze brach. Namens der Mittclstandsver- einigung nahmen Herr Wirth-Glauchau und der Kandidat, Herr Fritz Seydel, das Wort; letzterer sprach in schlichter, hcrzerwärmender Weise. Darnach erwiderte der nationalliberale Generalsekretär, Herr We st e n b e r g e r-Leipzig, in umfassender Weise auf die sozialdemokratischen Angriffe. Herr Münch lud alle die Herren, die heute gegen die Sozialdemokraten gesprochen, zur Diskussion in ihrer nächsten Ver sammlung ein. Tie bis nach Mitternacht sich hin ziehende, anregende Versammlung wurde in trefflicher Weise geleitet von Herrn Färbereibcsitzer Reumuth, der zum Schlüsse noch zur Wahl des Herrn Bürger meister Brink aufforderte und betonte, daß die Agi tation der Nationalliberalen sich nicht gegen die hoch- ehrenwerte Person des Herrn Fritz Leydel, sondern gegen die von ihm vertretene Sache wende. — Nun haben die Nächsten das Wort! *— Wassermangel. Trotz des verhältnismäßig nassen Sommers haben wir doch in diesem Jahre in der sogenaumeu oberen Stadl schon wiederholt Wasser mangel gehabt, und auch jetzt fehlt seit Sonntag in den höher gelegenen Haushaltungen das erquickende, so unentbehrliche Naß. Tiefer Mißstand, der von den Betroffenen arg empfunden wird, ist natürlich nicht damit behoben, daß, wie uns dieser Tage jemand im Scherze sagte: „Tie Bier trinken sollen", sondern er fordert zu ernstem Nachdenken ans; denn wenn sich Heuer der Wassermangel bereits so bemerkbar macht, wie soll das erst in einem trockenen Sommer werden! Man muß bei dem geringeren Zufluß zum Reservoir bald auf die Vermutung kommen, ob nicht Wafser von uns in die umliegenden Quellgebiete abfließt oder überhaupt die Quellen in der Ergiebigkeit nach gelassen haben. Aber, wie gesagt, das ist nur eine Laienansicht. Jedenfalls hat sich die städtische Ver waltung schon ernstlich mit dem nicht billigen Projekte befaßt, hier bald auf eine geeignete Weise Abhilfe zu schassen, durch größere Nutzbarmachung des Was sers der alten Leitung oder sonst wie; denn der jetzige Zustand, weniger Wasser und mehr Anschlüsse, erscheint ihr im Interesse der Volkswohlfahrt unhaltbar. * — Konzert. Zur Erinnerung an den Tag von St. Privat findet heute Mittwoch in den schönen Gartenanlagen des „Goldenen Helm" ein großes patriotisches Konzert statt, das von unserem Stadt orchester gespielt wird. . Auch der Gesangverein „Liederkranz" wird einige Lieder darbieten. Am meisten fesselt sicher das Berni'sche Tongemälde mit Brillantfeuerwerk. Hoffentlich ist der Veranstaltung gutes Wetter und zahlreicher Besuch bcschieden. * — Bennewitz-Sänger. Die genannte Herren gesellschaft, die uns hier wiederholt durch schönen Gesang und zündenden Humor erfreute, hat sich auf gelöst. Direktor und Mitglieder sind zu anderen Ge sellschaften übergegangen. * — Bezirksausschuß-Sitzung. Die 7 dies jährige Bezirksausschuß-Sitzung findet Freitag, den 27. August 1909, vormittags 10.45 Uhr, im Sitzungs saale der Königlichen Amkshauptmannschast, König straße 3 in Glauchau, statt. * — Typhus! Ueber die Ursachen der Typhus- erkrankungen von Teilnehmern an der Kriegerfahrt nach Metz gibt ein Stollberger Militärvereinsmitglied folgenden Aufschluß: Auf der Rheinfahrt von Mainz nach Koblenz haben die Fahrtteilnehmer auf dem Schiffe Kabeljau gegessen, der jedenfalls verdorben war, denn er habe ganz bedenklich gerochen. Weiter haben viele Teilnehmer auf der Eisenbahnfahrt von Koblenz nach Leipzig auf verschiedenen Stationen Wasser getrunken, dessen Genuß durch Anschlag ver boten war. Auf den Genuß des verdorbenen Fisches und des schlechten Trinkwassers sind auf alle Fälle die Erkrankungen zurückzuführen, die leider schon in neun Fällen zum Tode geführt haben. * — Warnung vor einem Schwindler. Ein Handwerksbursche als „Invalid mit einem Arm" ging in den letzten Tagen in mehreren Orten des Vogt landes „ausprechen" und wurde dabei einmal von einem Gendarm überrascht. Auf die Frage, wo und wie er den Arm eingebüßt habe, gab der Bettler keine glaubhaften Angaben, worauf er veranlaßt wurde, den Rock auszuziehen. Nach einigem Zögern und Schmerzensstöhnen mußte dies selbstverständlich geschehen, wenn auch ungern. Tie llebcrraschung war aber nicht gering: Der Gauner hatte den einen Arm in den Hosenbund geschoben und ließ den leeren Rock ärmel am Körper herunterhängen. Der sonderbare Schwindler wurde verhaftet. Tie Durchsicht der Papiere ergab, daß er die Arbeit nicht erfunden hat. Mülsen St. Jacob. (Ten ersten Preis beim Bczirksfest des Kreises Auerbach i. V. vom sächsischen Radfayrerbnnd, das am 15. August in Falkenstein stattfand, erhielt der Radfahrerklub ,-,Alpenrose" hier. Nach dem prämiierten Rejgenfahren bot dort der hiesige Kunstfahren Lau noch seine Vorführung«, Vick ebenfalls allsnveinen Beifall ernteten. Im Schämt fenster von Metzners Warenhaus hier sind jetzt die in den letzten sechs Wochen vom genannten Äub e« rungenen vier ersten Preise, darunter die Ehren spenden von Döbeln, Zwickau und Falkenstein aus gestellt. Am 29. dieses Monats beteiligt sich der prämiierte Klub am Preisfahren in Planitz und Ani fang September desgleichen in Dresden. Für back Bezirks-Stiftungsfest am 22. dieses Monats in der „Grasenburg" haben die Preßtowerke in Chemnitz einen wertvollen Ehrenpreis gestiftet. n. Neudörfel. (Die Nonne) tritt auch in den hiesigen Waldungen auf. Im Gräflich Solmsschett Revier sind schon über 500 Schädlinge gefangen und getötet worden. — (Turnerisches.) Bei dem Wetturnen in Falken erhielten von hier noch Preise die Zöglinge Otto Meier, Hugo Hammer, Hugo Münch, Paul Müls ler, Otto Fritzsche und Kurt Junghans. Aue. (Ueber den Streik der Fachschüler der hj«q sigen Deutschen Fachschule für Blecharbeiter und Jwi stallateure), über den wir bereits berichteten, tviÄj weiter gemeldet: Am Dienstag vormittag traf daK Kuratorium der Schule hier ein und forderte die Schüler auf, sich um Vs11 Uhr in der Schule einzu-, finden ; doch haben diese rundweg erklärt, die Schul-, räume während der Dauer des Streikes keinesfalls zu betteten und nur im Streikbureau Unterhandlungen mit dem Kuratorium zu pflegen. Die Stimmung in den Lehrerkreisen soll ebenfalls gegen den Direktor sein. Dresden. (Unterschlagungen im Dresdener Ka-i rolahaus.) Ter Sekretär Richter des Dresdener Ka-t rolahauses ist nach Unterschlagungen flüchtig ge-i worden. Richter hat sich sodann in Bonn freiwillig den Behörden gestellt und ist heute nach Dresden übergcführt worden. Die veruntreute Summe wiiA auf 6700 Mark beziffert. Gersdorf. (Sein 50jähriges Vereinsjubiläum)- verbunden mit der Läeihe einer neuen Fahne, feiert am 21. und 22. August der Königliche Sächsische Militärvercfn 1 zu Gersdorf. Alle Militärvereine der Bezirke Chemnitz und Glauchau sind dazu eingeladen! worden. Limbach. (Wählerliste.) In die hiesige LanU tagswnhlliste sind bis jetzt 2545 Wähler mit 5414 Stimmen eingetragen worden. Von diesen Wählern haben 1112 eine, 592 zwei, 246 drei und 595 piep Stimmen. Der Abschluß der Liste erfolgt am 1llj Oktober. Leipzig. (Flüchtig^ geworden ist der Prokurist? Alexander Walter Dittrich, geboren am 11. Februar 1872 in Rcichenbrand, nachdem.Fr bei einer Firma- wo er in Stellung war, nach und nach etwa 20 000. Mark unterschlagen hat. QelSNitz i. E. (Unfall beim Vogelschießen.) DaM im Garten des „Bellevue" hier aufgestellte Karussell brach während der Fahrt mit großem Krach zusammen. Der Besitzer hatte drei Freitourcn gestattet und dabei das Karussell überladen. Personen sind glücklicher-i weise nicht verletzt worden. Briefkasten. A. T. in R Anfrage: Ist ein Kauf gültig- den ich zu meiner Sicherheit mit meinem Schuldner des Inhalts abschließe, daß er mir für meine For derung eine Ladeneinrichtung verkauft, die ich ihm dann wieder vermiete und gestatte, daß er dieselbe gegen Ratenzahlung zurückerwerbeu kann? Unter der Maske Von Karl Berkow. 27. (Nachdruck verboten.) Neuntes Kapitel. In Rom. In dem eleganten Balkonzimmer einer römischen Willa finden wir einige Monate später den Rcgie- rungsrat von Bergen mit seiner jungen Gattin wieder. Sie hatten Süddeutschland und einen Teil von Tirol bereist, sich in Innsbruck plötzlich entschlossen, ihren Ausflug bis nach Italien auszudehuen, und befanden sich seit einigen Tagen in der ewigen Stadt, in der sie sich mehrere Wochen aufhalten wollten. Ihnen gegenüber lehnte in einem Sessel Francesco Lom bardi, den sie zu ihrer größten Ucberraschung vor Wenigen Stunden in einer der zahllosen Kirchen ge troffen und halb mit Gewalt mit sich nach ihrer Wohnung genommen. „Sie glauben nicht, wie wir uns freuen, Sie wiederzuseheu", sagte Gabriele herzlich; sic sprach nie anders als „wir", weil sie behauptete, nie eine andere Absicht zu haben, als ihr Gatte. „Nun lassen wir Sie aber auch nicht los; Sie müssen unser Cicerone werden, uns die Sehenswürdigkeiten Roms zeigen und recht ost unser stets willkommener Gast sein." „Gnädige Frau sind sehr gütig, mir ein so freund liches Andenken bewahrt zu haben", entgegnete der Maler in eigentümlich melancholischem Ton, „ich fürchte indessen, daß auf einer Hochzeitsreise ein dritter doch immer eine sehr störende Zugabe sein muß." „Da irren Sie sich ganz und gar", lächelte Bergen, „wir machen unsere Hochzeitsreise nicht wie andere gewöhnliche Menschen en deux, nein, vielmehr en quatre, und befinden uns wohl dabei. Herbert und Helga begleiten uns — doch da sind sie ja eben." Wie vom Blitze getroffen, sprang der Maler em por, um sich im nächsten Augenblick der tödlich er bleichten Helga gegenüber zu sehen; keiner von beiden fand auch nur das geringste Wort der Begrüßung, stumm, fassungslos, standen sic sich einige Sekunden gegenüber. Bergen und Gabriele wechselten erstaunte Blicke; Herbert endlich unterbrach zu aller Erleichterung die peinliche Stille, indem er in stürmischer Weise den „Onkel" begrüßte. Francesco beugte sich zu dem Knaben nieder und sprach zu ihm, fast ohne zu wissen, was; kurze Zeit darauf jedoch sand er Gelegenheit, sich von den wieder gefundenen Freunden zu verabschieden. Helga zog sich ebenfalls sogleich nach seiner Ent fernung in ihr Zimmer zurück; Bergen und seine Gattin blieben allein. „Wie sonderbar!" rief Gabriele nach längerem Schweigen aus. „Du meinst jene eigentümliche Szene bei Fran cescos und Helgas Wiedersehen?" fragte der Rcgie- rungsrat. „Ich habe mir schon früher einmal Ge danken über Lombardis Gefühle für Helga gemacht, heute sind sie mir zur Gewißheit geworden." „Sie lieben sich, das ist klar — aber warum dann dieses stete Meiden und Auseinandergehen?" „Francesco sagte mir einst, er sei des Mädchens, das er liebte, nicht mehr wert; ich ahnte damals noch nicht, daß es Helga sei." „Nicht mehr wert?" sprach Gabriele sinnend, „ich sollte meinen, die echte Liebe weiß auch Verirrungen zu verzeihen, in die ost nur ein hartes Schicksal uns gedrängt. Mich berührt es schmerzlich, wenn ich denke, daß an dieser Klippe vielleicht zweier Men schen Lebcnsglüü scheitern sollte. Wenn man selbst glücklich ist —" „Tonn möchte man andere Leute auch gern unter das Ehehäubchcn bringen, mein kleines Weib, nicht wahr?" scherzte Bergen. „O du Spötter! Nein, dann möchte man andere auch gern glücklich sehen, und für uns Frauen gibt es nun einmal kein höheres Glück, als das an der Seite eines geliebten Mannes. O Ludwig", sagt« sic bewegt, ihr schönes Haupt an seine Schulter leh-i ncnd, „wenn ich Tich vor jenen Jahren schon so gekannt, wie ich Dich jetzt kenne und liebe und Dich! gewählt — wieviel Gram und Leid wäre uns beide« erspart geblieben." „Und doch hätten wir dann beide vielleicht unser Glück nicht so tief und dankbar empfunden, darum laß uns die Jahre der Trennung als die ernst« Lebensschule ansehen, in der unsere Herzen geläutert und gestählt worden." Sie nickte stumm; dann aber richtete sie sich unter Tränen dankbarer Rührung lächelnd empor und fragt« halb ungewiß: „Und für jene beiden uns so lieben Menschen ließe sich gar nichts tun? Wenn Du einmal mit Francesco sprächest." „Ich möchte nicht durch Einmischung in so zarte Verhältnisse mir den Schein der Aufdringlichkeit zu-t ziehen. Ucberlasse es der Zeit, allmählich alles daN zu klären, was jetzt noch dunkel zwischen ihnen liegt. Aber seit wann", fügte er neckend hinzu, „ist Dir der „unheimliche" Francesco so lieb geworden? — Bor kurzem fürchtetest Tu Dich noch vor ihm." „O, ich fürchte mich gar nicht mehr", lachte si« fröhlich, „denn jetzt habe ich meinen Schutzgeist bei mir, meinen lieben Mann." Francesco kam der Aufforderung Gabrielens, iHv Führer durch die ewige Stadt zu sein, mit einer g«^ wissen Zurückhaltung nach; cs war offenbar, er wollM es vermeiden, mit Helga zusammenzutteffen. Und doch! Es Wok eine fast wilde Seligkeit, die sein Hertz erfüllte, wenn er ihren leichten Schritt sich naheG