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AmtSkette zu tragen. Ich übergebe sie Euer Magm- fizenz mit den goldenen Worten, die mein in Gott ruhender Großvater bei der Verleihung der Kette an den damaligen Rektor sprach: „Diese Kette, die ich Ihnen übergebe, und welche künftig das Zeichen Ihrer Würde bilden soll — möge sie ein Symbol des Bandes sein, welches die Universität zu Leipzig, diese alte Stiftung meiner Vorfahren, an meinen Thron und mein Haus unauflöslich bindet. Möge sie, die Hochschule selbst, auch ferner nach der Absicht ihrer Stifter eine Bildungsstätte für die wißbegierige Jugend, aber auch eine Pflegerin der Wissenschaft als solcher sein. Möge sic den Sinn für Recht und Sitt lichkeit, für Treue gegen König und Gesetz, für echte Wissenschaftlichkeit und echt christliche Frömmigkeit in die Herzen des Heranwachsenden Geschlechtes ein pflanzen : dann werden Sachsens Fürsten sie stets als einen der schönsten Juwele in ihrer Krone betrachten." Zum Schlüsse spreche ich noch den Wunsch aus: Möge unsere liebe Universität dasselbe in der Zu kunft sein und bleiben, was sie in der Vergangenheit war: eine Pflanzstätte der Wissenschaft, eine Zuflucht und ein Schutz für unseren heiligen christlichen Glau ben, ein Hort guter Gesinnung gegen König und Vater land, Kaiser und Reich. Das walte Gott!" Stürmischer, nicht endenwollender Beifall folgte diesen Worten des Monarchen. Anläßlich des Un Versitäts-Jubiläums wurde dem Rector magnificus Exzellenz Wirklichen Geheimen Rat Professor Dr. Binding das Ehrenbürgerrecht der Stadt Leipzig verliehen. Die Stadt Leipzig stiftete für die Universität ein Kapital von 100000 Mark, dessen Zinsen zur Errichtung von Freitischen für reichsdeutsche Studenten verwendet werden sollen Am Nachmittag gab die Staatsregierung im Palmengarten ein Festmahl, an dem der König und die anderen Fürstlichkeiten teilnahmen, ebenso wie an dem sich an das Mahl anschließenden Gartenfest, das leider durch die kühle Witterung eine Einbuße erfuhr. Heute Freitag früh trifft Prinz August Wilhelm von Preußen in Leipzig ein, um als Vertreter des Kaisers an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Am Vormittag ist ein Festakt in der Wandelhalle der Universität, mittags 12 Uhr setzt sich der große historische Festzug in Be wegung. Am Abend gibt die Stadt eine Festvor stellung im Neuen Stadttheater und ein Festkonzert im Gewandhause. Beide Veranstaltungen wird der König besuchen. Den Beschluß des Tages bildet ein großer Festkommers in der Riesenhalle auf dem Meß platze. Das Ehrenpräsidium hat der König Friedrich August übernommen. Nirs Nah ««b Fn». Lichtenstein, den 30. Juli 1900. * — Die Wettervorhersage für morgen lautet: Südwestwind, veränderlich, Bewölkung, wärmer, kein erheblicher Niederschlag. * — Stadtbad. Wassertemperatur für heute: 19° T. * — Herbststiirme möchten wir es nennen, die in diesen Tagen durch unsere Straßen und um die Häuser brausen. Sie richten nicht nur im Binnen lande, sondern auch an der Nord^ und Ostsee mannig fache Schäden an, außerdem machen sie das Wetter recht unbehaglich und kühlen die Temperatur so ab, daß das Thermometer Donnerstag früh 7Vs Uhr nur 11 Grad über Null zeigte. Auch heute ist es herbstlich Unter der Maske- Von Karl Berkow. 12. (Nachdruck verboten) „So entsprach er Ihren Erwartungen nicht? Das, bedauere ich von Herzen. Sie hofften gerade davon; so viel Zerstreuung." „Ter Ball ist nicht die Ursache meiner Verstim mung: ich selbst bin schuld daran. Ich ließ mich durch das Erscheinen zweier Männer vollständig aus der Fassung bringen, welche mir Erinnerungen zu rückriefen - die mir unvergeßlich sind." Helga erwiderte nichts: sie war zu taktvoll, um eine direkte Frage zu stellen: sie wußte, daß Gabriele ihr aus eigenem Antriebe mitteilen würde, was sie bewegte. I „Ter eine dieser beiden", fuhr ltzabriele nach einer Pause gedankenvoll fort, „war ein Freund meines i Bruders Reinhard. Ich sehe ihn noch vor mir, wie, Reinhard ihn ain Tage seiner Rückkehr in das Eltern- Haus zu uns brachte. Damals ahnten wir nicht, wieviel Leid die nächsten Jahre schon uns bringen sollten, wir, die wir alle so jung, so froh, so glück lich waren. Der Leichtsinn meines Bruders brach meiner Eltern Herz. Aus Furcht vor drohender Schande verließ er uns und nie ist wieder eine Kunde von dem Verlorenen zu uns gedrungen. Er war unser aller Liebling gewesen und jetzt — mitten durch die Tanzmusik glaubte gestern ich beständig seine frische Stimme, sein Helles Lachen zu vernehmen und da zwischen die Wogen des Ozeans, der zwischen uns rollt." Sie legte die Hand über die Augen und versank in schmerzliches Sinnen. „Und der andere?" fragte Helga, um ihre Ge danken von dem trüben Gegenstände abzuleiten. Gabriele fuhr empor. „Ter andere", sagte sie, während der schmerz* und nicht wie Ende Juli. Bei dieser Witterung ver zögert sich die Getreideernte immer noch. *— Getreibestuvste«. vkach einer bahnpolizei lichen Bestimmung sind Getreidepuppen aus einem von der Eisenbahn durchschnittenen Terrain nur in einer Entfernung von 38 Metern aufzustellen, worauf bei der nun beginnenden Ernte hingewiesen sei. *— An« Achtuhrladenschlufle. Im Dresdener Journal findet sich heute folgende Bekanntmachung der Königlichen Kreishauptmannschaft Chemnitz: Eine Anzahl von Geschäftsinhabern in Lichtenstein und Callnberg hat auf Grund von Paragraph 139 f. der Reichsgew.rbeordnung den Antrag gestellt, den Acht- uhrladenschluß für alle Geschäftszweige mit offenen Verkaufsstellen in den örtlich unmittelbar zusammen hängenden Städten Lichtenstein und Callnberg und für alle Tage anzuordnen. Ausgenommen sollen bleiben: 1. alle Sonnabende, sowie Werktage vor Fest- und Feiertagen: 2. die auf Grund von Para graph 139 e, Absatz 2, Ziffer 2, der Gewerbeordnung festgesetzt n Ausnahmetag.', sew.it sie nicht schon vor stehend unter 1 ausgenommen sind. Zur Absetzung des nach Paragraph 139 f, Absatz 3, der Reichsgewerbe ordnung vorgesehenen und in der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 25. Januar 1902 (Reichs- gesetzblatt Seite 38 flg) geregelten Verfahrens wird. Herr Bürgerin, ister Steckner in Lichtenstein als Kom missar bestellt — Demnach wird der Achtuhrladen schluß in den beiden Städten anscheinend bald Wirk lichkeit werden. * — Hilfloses Auto. Es gewährt immer einen eigenen Anblick, wenn ein Auto, das sonst in rasender Schnelle durch die Straßen saust, infolge seiner „ge brochenen Glieder" darauf angewiesen ist, mittels Wagens nach der Reparaturwerkstatt gefahren zu werden. So erging es einem Schnaufer!, das unter wegs ein Rencontre gehabt und infolgedessen mancher lei Beschädigungen erlitten hatte, gestern abend. Ganz „geknickt" stand es auf einem mit zwei Pferden be spannten Wagen, der es anscheinend nach Zwickau beförderte. * — Biographisches. Herr Kunstmaler O. Mül ler, der bekanntlich eine sehr sehenswerte Studien- arbeiten-Ausstellnng im Ratskellersaale eröffnet hat, die bis einschließlich Sonntag täglich von 9 bis 1 Uhr und 2 bis 7 Uhr unentgeltlich besichtigt werden kann, ist als Sohn des Herrn Malermeisters P. Mül ler in Callnberg geboren. Er besuchte die Maler akademie in Dresden, ging dann zur weiteren Aus- , bildung uach München und war während dieser Zeit i drei Wintersemester als Lehrer an der Malerschule zu Buxtehude tätig. Der Künstler, der gegenwärtig 36 Jahre alt ist, hat — wie im gestrigen Artikel er wähnt — schon manche Anerkennung gefunden: hin zugefügt sei noch, daß es ihm vergönnt war, im Jahre 1902 die Wandgemälde im Sitzungssaale des neuen WaldHeimer Ratl>auses zu schaffen, während er 1907 der Kirche zu Lauterbach i. E. durch sein Altargemälde und die Kanzelbilder einen prächtigen Schmuck geben konnte. Möchte das Streben dieses einheimischen Kunstjüngers weiter recht von Erfolg gekrönt sein! ! » — Lotterieziehung. Die dritte Klasse der 156. Königlich Sächsischen Landeslotterie wird am 11. und. 12. August gezogen. * — Depescheubriese. Derartige briefliche Mit' teilungen sollen abends auf den Post- bezw. Tele- i graphenämtern als Telegramme anfgegeben werden, und zivar zu einem sehr niedrigen Gebührensätze. liche Zug um ihre Lippen stärker hervortrat, „rief > mir die Erinnerung an eine der schwersten Stunden meines Lebens zurück. Kann der Vorwurf jemals von unserer Seele genommen werden, der uns um ein für uns geopfertes Leben verklagt." Sie erhob sich, und aus einem Fach des Schreib tisches ein reichverziertes Sammetetui nehmend, reichte sie es Helga hin. Ein ideal-schönes Jünglingsangesicht blickte aus großen, strahlenden Augen ihr entgegen. „Ich zeigte Ihnen dies Bildnis nie, das ich von einem berühmten Künstler nach einer Photographie, vor Jahren schon, anfertigen ließ. Mir war der An blick des Bildes stets zu schmerzlich, als daß ich ihn mit einer anderen teilen mochte." Gabriele machte eine Pause, dann fuhr sie weiter ' fort: „Mein Alfred! Mein ritterlicher Schützer, dessen junges Dasein mit den reichsten Gaben ausgestattet war, die die Natur in verschwenderischer Laune oft nur dem Einzigen aus Tausenden verleiht Und dieses schöne, reiche Dasein opferte er für mich. Um mich vor der blinden Wut eines Elenden zu rette«, warf er sein Leben hin und starb durch Mörderhand. An seinem Todeslager trat Francesco Lombardi mir ent gegen. Werden Sie es nun begreiflich finden, daß dieser Ball mir die verborgensten Tiefen der Seele bewegt hat?" Helga wandte sich zu dem Knaben, der mit großen erschrockenen Augen seine Mutter anschaute. „Gehe hinüber in das Schulzimmer, Herbert, und schreibe die Vorschrift ab, die ich Dir hingelegt; ich komme sogleich nach." Der Knabe verschwand, gehorsam dem Gebote. Gabriele lächelte dankbar und traurig zugleich der besonnenen Freundin zu. „Sie haben Recht, Helga, daß Sie den Knaben entfernen. Jener Elende, dm ich nicht zu neunen Am Ankunftsorte werden sie dann morgens nicht durch einen Depeschen- oder Expretzboten, sondooU durch den Briefträger auf dem ersten Gange de« Empfänger zugestellt. Selbstverständlich stünde e- im Belieben des Absenders, die Mitteilung.mehr oder weniger ausführlich zu halten; jedenfaüs «der wär« - er in der Lage, bemerkenswerte Informationen noch in später Abendstunde auf weite Entfernungen biS zum anderen Morgen zu befördern, ohne die verhält- nismäßig teure Depeschengebühr von fünf Pfennig für das Wort bezahlen oder sich des Fernsprechers bedienen zu müssen. Die außerordentliche Wichtig« leit dieser Neuerung für die gesamte Geschäftswelt liegt ohne weiteres aus der Hand; die Postverwaltung stellt augenblicklich Erhebungen an, wie sich die Jnq teressenten zu dem Plane stellen; sie darf aber über zeugt sein, daß er überall der grüßten Sympathie begegnen und die Einrichtung bald in lebhaftester Weise benutzt werden wird. e. Bernsdorf. (Schulfest.) Am 6. September wird in unserem Orte das aller vier Jahre wiederkehrend«! Schulfest gefeiert. Die Vorbereitungen hierzu sind bereits eifrig im Gange. Als Spielplatz sind die in der Nähe des Gasthofes liegenden Gärten der Herre» Gutsbesitzer Dämmrich und Reichenbach in Aussicht genommen. Mülsen At. Jacob. Feuer) Mittwoch früh in der achten Stunde erschreckte Feuerlärm die hiesige Einwohnerschaft. Es brannten die Futtervorräte in der dem Bäckermeister Leonhardt gehörigen Scheune, die durch Selbstentzündung in Brand geraten waren« Durch schnelles Eingreifen der hiesigen Freiwilligen. Feuerwehr gelang es, das Feuer nach zweistündiger Tätigkeit auf seinen Herd zu beschränken. m. Mülsen St. Jacob. (Verhängnisvoller Sturz) Der Sattlermeister Härtel hatte dieser Tag« seinen Wagen, auf dem sich ein Sofa befand, an das Gespann des Spediteurs Scheibner gehängt und sich mit in die Schoßkelle gesetzt. Diese Gelegenheit, ein bequemes Lager zu haben, schien dem Weber Grune wald günstig. Er legte sich also auf das Sofa; seine bequeme Fahrt scheint aber nur von kurzer Dauer gewesen zu sein. An der Grenze von Micheln und Jacob sahen Passanten das Sofa und Grunewald anscheinend schlafend daneben: sie stellten dasselbe bei Seite und legten Grunewald darauf. Als der Be sitzer sein Sofa vermißte, fand er es an der bez.ichneten Stelle, sah aber zugleich, daß Grunewald bewußtlos war. Er hat durch den Sturz wahrscheinlich eine G.hirnerschütt'rung erlitten und liegt jetzt noch krank darnieder. Neudörfel. lJm hohen Alter > Unser ältester Ein wohner, der 100jährige, stets hochgeachtete Traugott Schettler, ist leider kurz nach der Feier seines 100- jährigen Geburtstages im Januar bettlägerig ge worden und liegt noch heute schwer darnieder. Er muß gepflegt werden wie ein Kind im ersten Lebens jahre, so daß es für die sorgenden Angehörigen nicht leicht ist, all seinen Anforderungen gerecht zu wer-! den. Rödlitz. (Auf der Suche nach Wasser.) Der hie sige (Runeinderat hat kürzlich von der Gemeinde Oels- nitz ein Grundstück zum Preise von 10 000 Mark er worben, um dort Schürfungsarbciten vornehmen zu lassen. Die Arbeiten sollen dieses Jahr ausgesührt werden und erstrecken sich bis zum Merkelschen Grund stück. Das früher angckaufte Wassergrundstück ergab nicht das erforderliche Quantum Wasser. wage, ist ja sein Vater, und doch ist es mir stets» als habe nur ich allein ein Recht auf jenes Schmer zenskind; schenkte ihm ja doch sein Vater kaum die geringste Aufmerksamkeit, wenn er seltene Tage nur in seinem Hause verlebte! Wie ein schwerer Traum erscheinen mir jetzt jene Jahre, in welchen ich an jenen Mann gefesselt war." „Und konnten Ihre Angehörigen nicht helfend unk» ratend Ihnen zur Seite stehen? Ihr Geschick mußte den Ihren ja ein beständiger Schmerz sein." „Ich hatte mir mein Schicksal selbst gewählt. Kurz, ehe Waldau um mich warb, wies ich den Antrag eines Mannes zurück, der meinen Eltern ein er wünschter Schwiegersohn gewesen wäre. Ich aber ließ mich von der glänzenden Außenseite blenden und wu^dc die Gattin eines Mannes, in dem ich zu meinem Schrecken bald einen Wüstling niedrigster Art erkannte. Das Schicksal, das ich mir selbst be reitet, mußte ich auch allein zu tragen wissen. — O, und tvas habe ich gelitten! — Oft, wenn man auf vergangene Leiden zurückblickt, erstaunt man über die Kraft des Ertragens, die in uns geschlummert. IN meinem Elternhause war ich vor jedem Leid behütet worden, in dem eigenen Hause war ich täglich den rohen Wutausbrüchen eines Unzurechnungsfähigen ausgesetzt; ja selbst vor körperlichen Mißhandlungen war ich nicht sicher, bevor Alfred in unser Haus kam. Seine Gegenwart allein war mir ost Schutz, denn Waldau scheute sich vor ihm, wie sich der Unedle stets vor dem Reinen scheut. Und mir, mir brachte der geniale Knabe einen Teil der verlorenen Jugend zurück; ich liebte ihn wie einen Bruder, einen Sohn. Und er mußte sterben! Sterben von der Hand jeneSl Mannes, der die Blüte meines eigenen Lebens ge brochen, und ich mußte weiter leben — ohne ihn/' Ueberwältigl von der Erinnerung jener ZeiteW barg Gabriele ihr Gesicht in die Kissen des SofaS; nach einer langen Pause sprach sie weiter: , , , .