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Minister Dr. Rüger hat bald einen dichten Kreis von Abgeordneten um sich gefummelt, die ihn hören wollen, obwohl der alte Herr sehr schwer verständlich ist. Er legt ein gutes Wort für die Erbschaftssteuer ein, für die die sächsischen Konservativen in ihrer Mehrzahl seien. Die Ablehnung einer Reichsver mögenssteuer müsse im Interesse der Einzelstaaten er folgen. Um so mehr bitte er um Verständigung auf der Grundlage der Regierungsvorschläge. Im wahrsten Sinne des Wortes redet der Wirt schaftliche Raab im Schweiße seines Angesichtes. Unter scharfer Polemik gegen die Linke, die die Börse und das Großkapital vertrete, bricht ec für die Ko tierungssteuer eine Lanze. Der Hansabund werde die Kasse, aber nicht die Masse hinter sich haben. Die an kräftigen und antisemitischen Worten gegen die Börse reiche und von den Konservativen und dem 'Zentrum mit großem Beifall aufgenommene Rede hat ihre Bedeutung in der Erklärung, daß die Wirtschaft liche Vereinigung nur dann für die Erbanfallsteuer stimmen werde, wenn die Börse mit 60 Millionen in irgend einer Form herangezogen werde. Mit nie beobachteter Schärfe erwidert Herr Schatz sekretär Shdow Herrn Raab ob der Andeutung, die Regierung sei abhängig von den Großbanken. Die Kotierungssteuer würde, da die Großbanken sie ertragen können, gerade die kleinen Banken, die kleinen Leute treffen. Tie etwas gedehnte Tonart des Freisinnigen Mommsen ließen seine rein sachlichen Ausführungen Nicht reckst wirksam erscheinen. An der Hand reich lichen Materials sucht er nachzuweisen — unter leb- Kaster Zustimmung ßiner Freunde — wie unl-altbar die „Steuernmache der Kommission" sei. Tie Re gierung habe die Ersatzsteuern vorgeschlagen, nachdem die Grundlagen reiflich mit dem ihr zur Verfügung stehenden Beamtenavvarat durchgeprüft sind. Mor gen geht die Debatte weiter, nach deren Schluß es KU lebhafter Geschüftsordnungsdebatte über die Art der Beratung der Kommissionssteuern kommen dürfte. Deutsches Reich. Berlin. Ein Besuch des Kaisers in München.) Der Kaiser wird am l8. September, von den Ma- növern kommend, in München eintreffen, um dem Prinzregenten einen Besuch abzustatten und ihm für die Beteiligung der bayerischen Truppen an den Kais«- manövern persönlich zu danken. Bei dieser Gelegen heit wird der Monarch den Umbau der preußischen Ge sandtschaft und seine damit verbundene Schackgalcrie einweihcn. Ter Kaiser wird zwei Tage in München verbleiben. — (Fürst Bülow und die Reichssinanzreform.) An- jschein.nd offiziös inspiriert schreibt die Neue Politische Korrespondenz: Als feststehend darf man annehmen, haß Fürst Bülow ein? Finanzrpform unter Ausschal tung des Gesamtliberalismus nicht mitmacht, so daß eine derart zustande kommende Finanzreform von einein anderen Reichskanzler gegengezeichnet werden müßte. Tic Kotierungssteuer kann nach den sachlich unwiderlegbaren Ausführungen des Finanzministers Freiherrn von Rheinbaben am Donnerstag im Reichs tage als erledigt gelten. - (Ter Mord in der deutschen Gesandtschaft zu Santiago.) Tie Verhandlung gegen den Sekretär der deutschen Gesandtschaft in Santiago, Beckert, der der Ermordung des Gcsandtschaftsportiers, sowie der Brandstiftung usw. beschuldigt wurde, hat nach einer der Vossischn Zeitung zugeh nden Mitteilung mit der Verurteilung des Angeklagten zum Tode geendet. Beckert stellte auch während der Verhandlung jede Schuld in Abrede, wurde aber durch die vorliegenden Indizien für hinreichend überführt erachtet. Das Ur teil an Beckert wird vermutlich nicht vollstreckt, son dern auf dem Gnadenwege in lebenslänglichen Kerker umgewandelt werden. Aus Nah uud Fern. Lichtenstein, den 19. Juni 1909. * — Die Wettervorhersage für morgen lautet, sSüdwestwind, veränderlich, wärmer, trocken. * — Stadtbad: Wasserwärme heute. 18» C. * — Platzmustk. Wegen anderweiter Beschäf tigung der Stadtkapelle fällt in Lichtenstein die Platz musik morgen Sonntag aus. * — Am Kroatenderg ist nun heute die Wege legung für dieses Jahr beendet und damit in kurzer Zeit — seit 10. Mai — ein Wegenetz von zirka 1600 Meter geschaffen worden, das uns ungeahnte Schön heiten des erpachteten Geländes erschließt. In Ver bindung mit den unteren Anlagen ist fetzt durch den Verschönerungs-Verein in Lichtenstein ein Naturpark geschaffen, wie wir ihn nicht gleich wieder antreffen werden, zur Erholung für unsere Bevölkerung, als Sehenswürdigkeit und Anziehungspunkt für Aus wärtige, die hier die (Geheimnisse des Waldes be- laufchen, in schattigem Dunkel sich ergehen, auf son niger Höhe an entzückender Aussicht sich laben können. Fürwahr ein prächtiges Fleckchzen Erde! Um nun sein verdienstvolles Werk noch zn krönen, sollen vom Ver schönerungsverein aus den schönsten Stellen in den Nächsten Wochen noch Ruhebänke aufgestellt und auf der zweiten Anhöhe — die wahrscheinlich Fürst Biktor- Köhe benannt werden wird — ungefähr der Kaufmann- schen Fabrik gegenüber, ein massiver achteckiger Pavil lon aus erhöhtem Untergrund erbaut werden, der sich in den Farbentifiren der Umgebung «ntzassen und prächtige Rundblicke auf Stadt und Umgebung er-! schließen wird. I * — Reichstagsabgeordneter Schack. In die sen Tagen stand in verschiedenen Zeitungen, daß der Ortsverein Detmold vom Deutschnationalen Hand- lungsgehilfen-Verband einstimmig eine Resolution an genommen habe, die die ablehnende Stellung des Ver bandsvorstehers, des Herrn Reichtagsabgeordneten Schack, gegenüber der Nachlaßsteuer scharf verurteilt Diese Nachricht ist erfunden, wie nachfolgende Zuschrift beweist: „In unserer Ortsgruppe Detmold ist eine solche Entschließung weder angenommen, noch über haupt eingebracht worden. Die Ortsgruppe hat sich offiziell mit der Stellungnahme unseres Verbands vorstehers zur Nachlaßsteuer überhaupt nicht befaßt. Auch ist irgend welche Mißstimmung dieser Stellung nahme wegen nicht vorhanden." * — Lotterieglück. In die Losverkaufsstelle des Herrn Ed. Marlin in Mülsen St Jacob fielen am zweiten Ziehungstage der Königlich Sächsischen Lan deslotterie auf die Nr. 70830 2000 Mark und auf die Nr. 4243 1000 Mark. * Schützenfest in Callnbcrg. Kaum sind die letzten Töne des Lichtensteiner Schützenfestes ver klungen, so ladet auch schon Callnberg zu gleichartiger Veranstaltung ein. Heute nehmen die Festtage ihren Anfang, und alles ist bereitet, den Besuchern ange nehme und unterhaltende Stunden zu bereiten Ten Hauptanziehungspunkt wird auch in diesem Jahre der Krhstallpalast (Turnhalle) bilden, wo Krahmanns schneidige Varietcegescllschaft wirken wird: über diese schreibt die Ehemnitzer Allgemeine Zeitung: „Fidele Geister sind es in der Tat, die gegenwärtig im großen Saale der „Linde" Vorstellungen geben. Dieses Varietee- und Burlesken-Ensemble unter Direktion des Herrn Willy Krahmann verfügt über ausgedehntes Repertoir und verstand es am Sonntag, dem Eröff nungstag, durch wohlgclungenes Spiel sich die Gunst des äußerst zahlreich erschienenen Publikums zu er werben. Die Posse der „Onkel aus Plauen" sprach sehr gut an; geradezu rauschenden Applaus fand aber die Schlußnummer „Der falsche Baron", eine Posse Mit Gesang. Tie Darsteller spielten ohne Ausnahme ausgezeichnet. Wir können deshalb einen Besuch der Vortragsabende jedermann bestens empfehlen." Glauchau. (Gelandeter Ballon.) In Niederlung witz landete der Militärballon „Bitterfeld" glücklich ans einer Wiese mitten im Dorfe. Dem Ballon, der vormittags 10 Uhr in Bitterfeld aufgestiegen war, ent stiegen drei Offiziere. Lengenfeld i. B. (Automobilunglück.) Gestern nachmittag ereignete sich ein schweres Automovilun- glück hierselbft. Bon Auerbach kommend, beim Ein biegen an der Kreuzung der Zwickau-Lengenfelder Straße, verlor der Führer die Herrschaft über den Wagen. Das Automobil überfuhr das Geländer und stürzte die Böschung hinunter in die Göltzsch. Führer des Wagens war Herr Schönfelder jr., in Firma Hornung, Auerbach. Während Schönfelder nebst Blut ter mit weniger gefährlichen Verletzungen davonkam, wurde die Gattin des Besitzers lebensgefährlich ver letzt. Tas Automobil ist stark beschädigt. Leipzig. (Raubonfall.) Gestern früh in der achten Stunde ist in der Wurzen« Straße 64 c ein Raubansall verübt worden. In diesem Hause betreibt die 6 t Jahre alte Schnittwarenhändlerin Luise Leibnitz aus Mügeln ihr Geschäft. Ein Mann betrat den Laden und verlangte eine Kleinigkeit zu kaufen. Als die Frau das Verlangte aus einem Regal hervorholcn wollte, erhielt sie von dem Manne einen Schlag auf den Hinterkopf, so daß sie besinnungslos zusammenbrach. Der Täter hat anscheinend die Ladenkasse geraubt und ist durch eine Hintertür geflohen. Die Verletzungen der Frau sind schwerer Natur, aber nicht lebensge fährlich. Oelsnitz i. E. (Die letzte Schicht.) Am Mittwoch nachmittag ist aus der Oelsnitzer Bergbau-Gewerksämit der Bergarbeiter Rüdiger, 29 Jahre alt, in der Grube durch Hereinbrechen eines Kohlenortes tödlich ver unglückt. Reichenbrand. (Der beim Einbrüche im Gün- therschcn Gute festgcnonrmene Einbrecher) hat sich als ein sehr schwerer Verbrech« entpuppt und zwar als der im G.ndarmerieblatt wegen schweren Rückfalls diebstahls und versuchten Totschlags von der König lichen Staatsanwaltschaft Leipzig ausgeschriebene Adols May Rieger aus Mahlis bei Mügeln. Der Fest genommene wurde, wie damals gemeldet, in der Nacht vom 10. zum 1l. dieses Monats vom Sohne des Gutsbesitzers Günther in der Güntherschen Wohn stube angetroffen, stürzte sich auf letzteren und ver wundete ihn mehrfach mit einem Messer. Rieger ist derjenige, welcher vor kurzem beim Amtsgericht Wur zen ausgebrochen ist und den dortigen Wachtmeister beim Entweichen schwer verletzt hat. Rieger hat in der Umgegend von Wurzen, Döbeln und Leisnig eine Anzahl Einbrüche und Diebstähle verübt und ist be reits wegen schwerer Diebstähle vorbestraft- Der bei Rieger bei dessen Festnahme vorgefundene Militärpaß ist dem Hofmeister Arno Hofmann aus Gersdorf mit noch anderenGegenständen gestohlen worden. Die UnterschlagungeuHbei der Thürmer Schalsparkaffe. Kor dem Schwurgericht Zwickau wurde am Frei tag gegen den vormaligen Schuldirektor Heinrich Paul Koch in Thurm weg.» schwerer UrkundenfälschunU und Unterschlagung, sowie den vormalige« Volksschule lehrer Richard Eduard Seiferth daher wegen Untere schlagung verhandelt. Koch war zugleich Verwalten der Schulsparkasse zu Thurm und Seiferth Kassier« derselben. Ersterer hat von 1901 an nun Schulspav- kassengelder, die er bei der Sparkasse in Glauchau eiwi legen sollte, unterschlagen und für sich selbst ver- wendet. Von den beiden Sparkassenbüchern laute« nach diesen Abhebungen das eine nur noch auf 1,SA Mark und das andere auf 10 Mark, während sie vor-, her auf 3090 Mark und 1718 Mark gelautet hatte«. Ende 1908 hätten die beiden Bücher bei redlicher Ver waltung zusammen einen Bestand von 9305 Marl aufweisen müssen, der Eigentum von etwa 500 Schul kindern war. Von diesem Fehlbeträge fallen dem Direktor Koch 8600 bis 8800 Mark und dem Lehr« Seiferth 500 bis 700 Mark zur Last. Denn auch Seiferth hat sich an den von den Kindern eingesamc melten Geldern vergriffen und etwa 500 bis 70V Mark nicht an Kvch abgcliefert, sondern für sich, na mentlich zur B.zahlung von Schulden, verwendet Nachdem das Vergehen bekannt wurde, hat Sei ferth aber die Summe zurückerstattet- 1905 war Koch gezwungen, ein drittes Sparkassenbuch ausstelle« zu lassen, da die gesamten Spargelder über 8000 Marks betragen und deshalb nicht mehr auf nur 2 Büch« eingczahlt werden durften. Auf dieses dritte Buch zahlte er im Januar 1905 100 Mark ein, hob ab« davon im April schon wieder 95 Mark ab. Auch dieses Buch benutzte er zu weiteren Fälschungen, indem er die von Seiferth empfangenen Spargelder der Kinde« selbst in dasselbe eintrug, ohne sie wirklich an die Sparkasse Glauchau abzuliefern. Ties setzte er biA zum Dezember 1908 fort. Tie ans diese Weise vor-, genommenen Fälschungen erstrecken sich auf mehr«« Blätter und das Buch wies zuletzt einen Bestarch von 2200 Mark auf, während tatsächlich nur einig« Mark darin enthalten waren. Tiefe gefälschten Bücher wurden den Kommissionsmitgliedern bei den jähr^ lichen Revisionen vocgelegt, wobei jedoch die Fäl<- fchungm nicht erkannt wurden. Koch sowohl, alL auch Seiferth gaben das ihnen Beigemessene in der Hauptsache zu, nur behauptete Kvch, daß die Spar kassenbücher den revidierenden Kommissionsmitglie dern nicht vorgezeigt worden seien, daß diese sicht vielmehr damit begnügt hätten, wenn er versichert habe, die Bücher seien in Ordnung. Er gibt an, « habe in Notlage gehandelt, da er-zweimal für einem Verwandten gutgesagt habe, wo er Zahlung leiste« mußte. Koch wurde zu drei Jahren Gefängnis und fünf Jahren Ehrverlust, Seiferth zu zeh« Monaten Gefängnis und zwei Jahren Ehrver lust verurteilt. Für beide Angeklagte kommen Vie» Monate Untersuchungshaft in Anrechnung. Letzte Telegramme. Liebesdrama. Leipzig. In später Abendstunde gab gestern fier aus Böhmen stammende 20 Jahre alte Schneid« Vhskoczila auf seine Braut, die 18 Jahre alte Ar-, Leiterin Waagcknecht, in der Ziegelstraße zu Leipzig- Plagwitz zwei Revolverfchüfse ab und verletzte da8 Mädchen schwer am Hinterkopf, worauf er gegen sich selbst zwei Schüsse abfeuecte und sich ebenfalls schwer verletzte. Beide wurden nach dein Krankenhaus g«- bracht. Ueber den Grund zur Tat herrscht zum Teil! noch Unklarheit; man vermutet verschmähte Lieber Jur Reichsfinanzreform. Frankfurt am Main. Auf allen Seiten im- Reichstage herrscht, wie der Frankfurter Zeitung «ms Berlin gemeldet wird, das Bedürfnis, möglichst bald zu der entscheidenden Mstimmung zu kommen, di« den Kern zu der ganzen Situation bildet, nämlich, ob es möglich ist, eine Mehrheit für die Erbschaftssteuer^ Vorlage der Regierung zu finden, worauf dann ohne- allzugroße Schwierigkeiten der ganze Rest der Fi4 nanzreform seine Erledigung finden wird. Sollte für die Erbschaftssteuer keine Mehrheit zustande komme», also die Liberalen überhaupt an der Mitwirkung a« der Finanzreform ausgeschlossen werden, dann ist «ochs nicht mit Sicherheit zu sagen, was die Verbündete»! Regierungen wn werden Sport. München. Bei der Prinz Heinrich-Fahrt errans Kommerzienrat Oppel den Prinz Heinrich-Wander- Preis und den ersten Preis für die Schnelligkeits- Prüfung bei Guben und im Forstenwried« Park. Aor gestrigen abend fand im Hotel „Vier Jahreszeiten!" ein offizielles Diner statt, das den Abschluß der dies jährigen Prinz Heinrich-Fahrt darstellte. Zweit« wnrdc Willy Pöge auf Mercedes. Kaiser uud Zar. Petersburg. Das Reiseprvgramm des Zar« hat dadurch eine kleine Aendsrung erfahren, daß das! deutsche Kronprinzenpaar am 39. Juli in London em-t treffen wird. Aus diesem Grunde wird die Zaveni- familie von Dänemark aus zunächst Frankreich Kvi suchen und am 31. Juli in Cherbourg eintreffen. - Wien. Die Anwesenheit des Ministers dpd Aeußeren Iswolski in der Umgebung des Zaren Wirt» damit erklärt, daß Iswolski zum zukünftigen russische« Botschafter in Berlin auSersehen sei und gelegentliM der Mvnarchenbegegnnng dem deutschen Kaiser VM, gestellt werden sollt«. , :