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Haltenen Bestimmungen für Monatskarten und Mo- natS-Nebenkart«, auch für Ferienkarten. * — I» -er Kirche zu Lallnverg ist eine «Lin. richtung geschaffen worden, die gewiß, von allen männ lichen Besuchern mit großer Freude begrüßt werden wird: Unter den Sitzen des Männergestühls auf dm beiden «Lmvoven sind Huthaken angebracht wor ben. Da die meisten dieser Sitze sogenannte Klapp- fitz« sind, sind die Hüte sehr bequem vor dem Nieder setzen unterzubringen und am Schluß des Gottes dienstes wieder wegzunehmen. * — Sächsischer Lehrerverem. Tie diesjährige Bertreterversammlung des Sächsischen Lehrervereins findet am 26. und 27. September in Dresden statt. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem: Schul aufsicht und Schulleitung, Reform des Volksschulge- fetzes und Memorierstofffrage. * — Borsicht bei« Handhaben der Spiritus- Masche! Erst gestern mußten wir berichten, daß ein Kind in Folbern infolge Petroleumexplosion verbrannt ist imd l-eute haben wir einen ähnlichen Fall aus Chemnitz zu melden: Am Dienstag mittag gegen 12 Uhr wollte die Martinstraße 30 wohnhafte 5>2jährigc sKutschcrsehefrau Graupner auf einem Spirituskocher, auf dem noch ein Streichholz glimmte, Spiritus nach gießen. Hierbei explodierte die Spirituskanne, und die Frau wurde am ganzen Körper so schwer ver brannt, daß sie am Mittwoch mittag in das Stadt krankenhaus gebracht werden mußte. Ihr Mann, der ihr zu Hilfe eilte, hat sich bei den Löschversuchen Ebenfalls starke Brandwunden im Gesicht und an der rechten Hand zugezogeu. Am Mittwoch abend 8 Uhr ist die Frau ihren Verletzungen erlegen. * — Gedenktag. Wer könnte sich nickst aus seiner Kinderzcit des tiefen Eindruckes entsinnen, den der „Struwwelpeter", dieses volkstümlichste aller Bilder bücher, auf ihn gemackst hat? Tie lehrreichen und so köstlich illustrierten Nersgeschichtchen vom „Suppen- kaspar", dem „Daumenlutscher" und anderen typischen Gestalten des prächtigen Buches stehen uns alle wohl noch deutlich vor Augen, und die moderne Zeit hat das eigenartige Werk auch ans der Mnderstube von heute nicht verdrängen können. Unsere Kleinen ver folgen jetzt noch mit derselben Spannung und dem gleichen Interesse die Taten und Schicksale der in dem Buche vorgesührten und mit allerlei kindlichen Lastern und Untugenden behafteten Helden. Ter Dichter des Struwwelpeter, der Frankfurter Arzt Heinrich Hofs mann, wurde am 11. Juni vor einem Jahrhundert zu Frankfurt am Main geboren. Er studierte zu Heidelberg und Halle Medizin, wirkte eine Zeit lang als Lehrer für Anatomie und wurde dann Ehesarzt der städtischen Irrenanstalt zu Frankfurt am Main, in »velcher Stellung er 38 Jahre lang eine segens reiche Tätigkeit entfaltete. 85 Jahre alt schloß dann der Autor des berühmten deutschen Kinderbuches am 20. September 1891 die Augen zum letzten Schlummer. Außer einigen medizinischen Werten, lyrischen Ge dichten und humoristisck)-satirischen Schriften, mit denen er seine Zeitgenossen beschenkte, hat Hoffmann der Kinderwelt in seinem Struwwelpeter ein Buch hinterlassen, das von direktem pädagogischen Werte ist. Tas Buch, das zuerst im Jahre 1815 erschien, hat zahllose Auflagen erlebt und wurde in alle europäischen Sprachen übersetzt. Spätere Werke des gleichen Ver fassers, wie „König Nußknacker" und „Bastian, der Faulpelz", konnten den Struwwelpeter an Popularität nicht mehr erreichten. o. Rädlitz. (Das diesjährige Missionsfest) soll am 29. August (12. S. n. Tr.) gefeiert werden. An den nachmittags 3 Uhr beginnenden Festgottesdienst, in dem Pfarrer Reuter auS Hirschfelde die Predigt hält, schließt sich eine Nachversammlung in Frankes Gasthof an, wo der Ortspfarrer den Bericht geben und Pfarrer Reuter sprechen wird über: Kolonialpolitik und Missionsarbeit. z. Drt«a»»svorf. (Verschiedenes.) Eine Gesamt übung der hiesigen Pflichtfeuerwehr findet am Sonn- tag, den 13. Juni a. c., früh 6 Uhr, statt, dann schließt sich eine Versammlung an. — Ein hiesiger Guts besitzer hat in einem seiner Teiche fünf Stück junge Obstbäume gefunden, die höchstwahrscheinlich von einem in der nächsten Umgebung ausgeführten Dieb stahle herrühren. Die Sache ist der Gendarmerie an gezeigt. — In einer hiesigen Schankwirtschast wur den vor einigen Tagen zwei hiesigen Einwohnern, die ihre Räder dort eingestellt hatten, ohne allen Grund ihre Laufmäntcl zerschnitten. Ter Täter hat sich selbst gestellt. Erimmitschar». (Unglückssall mit tödlichem Aus gange.) Auf dem Villenbau des Maschinenfabrikanten Gerlach fiel der etwa 35 Jahre alte Maurer Seide mann aus Obergrünberg infolge Fehltrittes mit d m «Gesicht in die dicht am Bau vorüberfließende Pleiße und zwar mit der rechten Brnstseite aus einen im Wasser be findlichen Pfahl, wodurch dem Bedauernswerten die Rippen gebrochen und vermutlich die Lunge zer rissen wurde. Nachdem man den Verunglückten in das Innere des Baues gebracht hatte, hauchte er nach einer viertel Stunde seinen Geist aus. Der Verstorbene hinterläßt Frau und drei Kinder. Dresden. (Hübsche Leistung eines Polizeihundes.) Am 6. Juni vormittags befand sich ein Stadtgendarm mit dem ihm zugewiesenen Polizeihunde „Prjnz von Köditz" aus einem Patrouillengange. Ter Beamte hörte auf eine Entfernung von 300 Metern einen Schuß fallen, ging der Richtung nach und traf in einem Kartosfclfelde einen Mann an, der aber in Abrede stellte, geschossen zu haben und bei dem auch nichts vorgcfunden wurde, aus Grund dessen er hätte überführt werden können. „Prinz" verfolgte aber die Spur des von dem Manne zurückgelegten Weges und brachte nach einigem Suchen ein Tesching, welches er in einer Kartvffelfurche aus der Erde gescliarrt hatte, zu seinem Herrn. Nunmehr gab der Mann zu, nach Tauben geschlossen und das Tesching beim Nahen des Beamten vergraben zu haben, um nicht ermittelt zu werden. Mittweida. (Uebersahren.) Von einem Trans portwagen wurde auf der Burgstädter Straße ein vierjähriger Knabe übersahrne. Der Kleine crlittt schwere Verletzungen, an deren Folgen er starb. Burgstädt. (Dynamit unter Kohlen.) Der Guts besitzer St. in Göppersdorf erhielt, wie der Burg städter Anzeiger meldet, eine Ladung böhmischer Braunkohlen, in der sich zwei geladene Dynamit- Patronen befanden. Welches Unglück hätte wohl ent stehen können, wenn man die Patronen nicht gefunden hätte und sie mit in den -Ofen geworfen worden wären. Gerichtszeitmg Geldautomaten! — Leipzig. Gegen die Aussteller von Geld automaten schreitet seit kurzer Zeit die Leipziger Staatsanwaltschaft ganz energisch ein und zitiert einen Gastwirt nach dem anderen vor die Strafkammer, die in den meisten Fällen auf das niedrigste Strafmaß vHn 1 bis 14 Tagen Gefängnis wegen gewerbsmäUgeut Glücksspieles erkannte. Leider zeitigen die Bestra fungen manche bedauerliche Erscheinung, indem bisher unbescholtene Wirte mit den Gefängnissen Bekannt schaft machen mußten, obwohl sie sich einer Straftat bei dem Aufstellen der Automaten nicht bewußt waren. Auch die Zerstörung der in den letzten Jahren groß) gewordenen Automatenindustrie ist wegen der damit verbundenen Arbeiterentlassungen zu bedauern. Zu den verbotenen Geldautomaten gehören u. a. Komet, Zirlb.wutzt, P rfckt, Z PP lin, Phönix, Viktoria, Elite. Germania, Favorit, Kleeblatt und Rothschild. Gesternt hatten sich wiederum fünf Restaurateure und zwei Automatenlüstranten vor der Leipziger Strafkammer! zu verantworten. In Betracht kamen Elite«, Ziel bewußt-» Viktoria- und Rothschild-Automaten, diL sämtlich als Geldspielautomaten anzusprechen sind, bei denen nicht Geschicklichkeit, sondern der Zufall ent scheidet. Aus diesem Grunde wird das Aufstellen der Apparate als gewerbsmäßiges Glücksspiel angesehen und bestraft. Ztvei Angeklagte wurden frcigesprochen, einer zu 10 Mark Geldstrafe und die übrigen zu Ge fängnisstrafen von 1 bis 6 Tagen verurteilt. In! der Urteilsbegründung wurde ausgeführt, daß di« Automaten zu den Glücksspielen zu rechnen seien, weil die in den einfacheren öffentlichen Lokalen Verkehren den in überwiegender Anzahl Droschenkutscher, Markt helfer, Arbeiter usw. seien, die die Geschicklichkeit nilÄ besaßen, leicht Gewinne zu erzielen. Der Gewinn oder Verlust hänge vielmehr allein vom Zufall ab^ Erst am 21. April hatte die Strafkammer Leipzi« eine Anzahl Gastwirte wegen des gleichen Vergehens zm 2 Tagen bis zu 2 Wochen Gefängnis verurteilt. Ein weiterer Prozeß kommt in den nächsten Tagen zu« Verhandlung. Letzte Telegramme. Siaubmordversuch. Reichenbrand bei Chemnitz. Wie die Chem nitzer Allgemeine Zeitung meldet, wurde iu der ver gangenen Nacht aus den Gutsbesitzer Günther in Rei chenbrand ein Raubmordversuch verübt. Herr Günther, der mit seiner Familie zwischen 12 unh 1 Uhr lüimkehrte, erwischte aus seiner Besitzung einen! Einbreck>er, der sich mit einem Messer aus ihn stürzt« und ihn am Hals verwundete und zwei Finger einer Hand abschnitt. Auf die Hilferufe Günthers ergriff der Mordbube die Flucht, siel jedoch in einem in der Nähe befindlichen Bach, wodurch es dem herbeigeeilten Publikum gelang, ihn fcstzunehmen. Der Täter ent4 puppte sich als ein gewisser Arno Hofmann aus GersH dorf rind wurde an Händen und Füßen gefesselt ich. Haft gebracht. Dem schwer verletzten Herrn Günther! wurde von dem Samariter der Freiwilligen Feuer-« wehr die erste Hilse zu teil. Zur Reichssinanzreform. Berlin. Tie Finanzministcr der Bundesstaaten, die zur Beratung der Reichssinanzreform fich hie« versammelt hatten, haben ihre Arbeiten bereits anx gestrigen Tage beendet. Tie vom Reichssckwtzamt aus-- gearbeiteten Entwürfe, betreffend die Erbanfallsteuer; und Acnderung der Stempelsteuer (Börsensteuer) wur den genehmigt, dagegen wurde von der Einbringung einer Reichswertzumachssteuer beim Reichstag Ab- „ZirkMeute". Roman von Karl Mnusmau». Einzige autorisierte Uebersetzung. lv. — Nachdruck verboten Holger Werner befreite sich leise aus den Armen des Sohnes und sagte ernst, aber mit freundlicher Stimme: „Schon gut, mein Junge. Bekommen die Kinder ihren Willen, so sind sie immer zufrieden. Ich will in Deinem Interesse hoffen, daß Tu nicht dermal einst den Beschluß bereuen wirst, den Tu gefaßt hast. Vergiß jedenfalls nie Tein Elternhaus und vertraue Dich in allem mir an. Solltest Du auf andere Ge danken kommen, so steht unsere Tür immer für Dich offen. Gehe jetzt zu Teiner Mutter." Hugo war dem Weinen nahe. Er wollte seinen Vater küssen, fand dies aber zu kindlich. Deshalb begab er sich schweigend in das Neben zimmer. Seine Mutter stand mit ausgebreiteten Armen da. Sic drückte ihn fest an sich und setzte sich daun, während sic seine Häude in den ihren behielt. Sic sprach mit ihrem eigenartigen fremden Ak zent. Hugo fiel dies aber nicht aus. Für ihn war es die Sprache des Herzens, die sich nicht um die Gram nmtik tümmert. Sie sagte: „Mein einziger, lieber Junge! Tu wirst unter viele fremde Menschen kommen und Tu wirst großen Verführungen ausgesetzt sein. Vielleicht wirst Tu auch schwere Tage durchleben. Verliere den Mut nicht und bewahre Tein Herz rein. Strebe als braver Mann uach Teinem Ziele, so ist der Beruf, dem Du entgegengehst, ebenso ehrenhaft wie ein jeder andre. Bewahre Deine Gesnndheit, so bewahrst Tu auch Deine Seele. Gott sei mit Dir und nehme Dich in seinen Schutz, dann wird alles sich noch einmal zum Besten wenden." Das war zu viel für Hugo. Er warf sich an die Brust der Mutter und schluchzte so heftig, daß sein ganzer junger Körper bebte. dlber kurz darauf trocknete er wieder die Äugen und indem er sich losriß, sagte er froh und zuver sichtlich: „Mutter, Du wirst noch einmal Freude an mir erleben, das verspreche ich Dir. Schande werde ich Dir jedenfalls nicht bereiten." Alles wurde jetzt zur Abreise fertig gemacht. Hugo wurde vvm Kopf bis zur Sohle neu eingekleidct. Holger Werner hatte einen Augenblick daran ge dacht, den Sohn selbst zu begleiten, diesen Plan aber im letzten Augenblick wieder aufgegeben. Sollte der Junge einmal hinaus, so ivar es ebenso gut, wenn er vom ersten Augenblick an aus eigenen Füßen stand und sich helfen lernte. Hugo wurde die Stunde des Abschiedes schwerer, als er gedacht hatte. Nachdem aber der lebte Kuß gegeben n>ar, der Zug sick in Bewegung setzte uud das letzte winkende Tuch verschwand, fühlte er seinen jungen Sinn leichter. Er zog das Fenster in die Höhe und setzte sich schtveigend mit großen leuchtenden Augen in die weiche Polsterecke. Und während die Räder ihre einförmige Melodie unter ihm hämmerten und hämmerten, jubelte cs in seinem jungen Herzen. Die Zukunft lag offen vor ihm! Jetzt hatte er allen Zwang, alle Bande der Schule und des Hauses abgcstrrist und hinaus ging es in das freie, ungebun dene Artistcnleben. * * * Zweiter Teil. 1. Kapitel. Es war Sonntag, als Hugo in Brüssel ankam. Er hatte Herrn Stagcmanus Adresse aus einen Zettel geschrieben, den er dem Droschkenkutscher gab, un8 vorwärts ging es durch die Hauptstadt Belgiens. Für Hugo, der bereits mit Reisecindrücken ange füllt war, wurde die Fahrt durch die verkehrsreichen, Straßen in der offenen Droschke zu einem förmlichen! Fest. Alles hatte das Interesse der Neuheit für ihn, dev herrliche Justizpalast, der wie eine mächtige BurA die ganze Stadt beherrscht, der altertümliche Rathaus- Platz mit dem Brothause, in dem die Grafen Egmvnh und Horn die Nacht vor ihrer Hinrichtung zubrachten^ und der kleine, unartige Springbrunnen „Maneken! Pis", an dessen komischer Figur alle ernsten Unruhen! Brüssels begonnen haben. Schließlich hielt der Wagen weit draußen in öeH Vorstadt vor einem großen, kaserneuartigen Hause. Im vierten Stock sand Hugo den Namen Stagemann! an der Tür, uud mit eiucr Mischung von Neugierd« und Beklemmung schellte er. Eine Dame, Mitte der Vierziger, öffnete Sie war klein, zeigte ei» etwas gedrücktes Wesen und hatte die Stirn in die Höhe gezogen, als leide sie fortwährend an nervösem Kopfschmerz. Wenn sie sprach, lächelte sie liebenswürdig, aber mit diesem eigenartigen bläulichen Glanz, den die falsMen Zähne dem Munde geben. „Ah, Sie sind der neue Lehrling", sagte sie, als sie Hugos und des Droschkenkutschers ansichtig wurde, der den großen Koffer seines Fahrgastes hinter ihm l-ertrug. „Jawohl", sagte Hugo und verbeugte sich. „Kommen Sie herein, Sie können gleich mitt essen. Wir sind eben zu Tisch gegangen." Hugo betrat das Speisezimmer. Es war nicht sehr geräumig und ziemlich dunkel und ungemütlich, ohne jeden Schmuck cm de» Wände«- Ueberall war es aber rein und sauber. . (F. f j ,