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jährige Präsident des Braunschweigischen Landtages, Geheimer Justizrat Semler, sein Landtagsmandat niedergelegt. Man nimmt an, daß ihn die neuere politische Richtung, die durch die Einschaltung einer Fürbitte für den Herzog von Cumberland zum Aus druck gekommen ist, zu diesem Schritte veranlaßt hat. — (Der neue amerikanische Tarifentwurf.) Der Associated Preß wird aus Washington von autori tativer Seite mitgeteilt, der neue Tarifentwurf ent halte folgende Vorsclstäge: Die Zucker-, Blei- und Äupscrzölle bleiben unverändert. Eisenerz kommt aus die Freiliste. Tie Schienen- und Rohstahlzölle wer- den wesentlich herabgesetzt. Für Gewebestoffe sind abgestufte Zollsätze vorgesehen, für Seiden- und Baumwollstoffe feinster Qualität tritt eine Erhöhung ein In diesen ganz allgemeinen und sehr dürftigen Angaben des Newyorker Blattes wird man vergeblich nach einer Bestätigung der ersten Meldung über die Tarifrevision suchen, die dahin lautete, das; die dem Kongreß am 15. dieses Monats zu unterbreitende Vorlage den Taris so umgestalten würde, das; ihn seine Urheber nicht wiedererkennen würden. -- (Richard Ealwcr bleibt Sozialdemokrat.) Der B. Z. am Mittag zufolge, hat das sozialdemokratische Schiedsgericht, welches über den sozialdemokratischen Parteigenossen und Schriftsteller Richard Ealwer wegen seiner Mitarbeit an einem bürgerlichen Blatte getagt hat, nunmehr seine Entscheidung gtroffen, die dahin gebt, daß keine Veranlassung vorliegt, Ealwer aus der Partei auszuschliesten. Bemerkenswert ist, das; dem Schiedsgericht auch die Reichstagsabgeord- neten Heine und Legien augebört haben. Der Reichstag nahm gestern in zweiter Lesung das Weingesetz nach den Beschlüssen der Kommission an, also unter Ein schluß des von der Regierung abgelehnten Tekla- ranonszwauges. Ferner wurde das Gesetz über die Doppelbesteuerung der Beamten in zweiter Lesung beraten. Auch dieses Gesetz findet in einer Art Reisc- fieberstimmung Annahme. Man will die Abendzüge noch erreichen. Bis Dienstag ist reichstagslose Zeit Nach Erledigung der gestern beratenen Gesetze in dritter Lesung soll der Militärctat in Angriff genom men werden. Aus Nah und Fern. Lichtenstein, den 12, März 1909. * - Der Mär,; ist in der ersten Dekade getreu lich den Spuren des Februar gefolgt. Sie war viel zu kalt gegen den langjährigen Durchschnitt, und die Miniuialtemveratureu lagen nicht ein einziges Mal über dem Nullpunkt. Zufolge davon stellt sich das Detademittel auf —0,73 Grad E., ein Tiefstand, der, solange hier Beobachtungen angestellt wurden, noch njcbt eingetreten ist. Allem Anscheine nach bekommen wir auch wieder stärkeren Frost. * — Stare! Hier und da berichtet inan bereits von dem Eintreffen der ersten Stare, die als Anzeichen des nahenden Frühlings gelten sollen: dies ist indes nicht ganz richtig. Ter eigentliche Heereszug der Stare ist noch nicht eingetroffen. Die Stare, die sich jetzt hier und da zeigen — auch in unserer Stadt sind mehrfach und in ziemlicher Zahl solche bemerkt wor den — sind solche, die Teutschland während des Win ters gar nicht verlassen haben. Sie haben zumeist in den dichten süddeutschen Wäldern gelebt und ziehen nun beim ersten Halbwegs wärmenden Sonnenstrahl ein wenig weiter nordwärts. *— Ba« 8 Uhr-Ladenschluß. Die Gewerbe-! ordnungskommission des Reichstages setzte gestern die Beratung über den Schutz der Handlungsgehilfen fort. Der Paragraph 139 e setzt den Ladenschluß in den offenen Verkaufsstellen gesetzlich auf 9 Uhr abends — bis 5 Uhr morgens — fest. Anträge des Zen trums, der Wirtschaftlichen Vereinigung und der So zialdemokraten fordern den Acht-Uhr-Ladcnschluß. Der Vertreter der Regierung erklärt, daß der Bundesrat sich mit der Frage bereits beschäftigt habe; er könne nur erklären, daß die Anträge für die Regierung unannehmbar seien. Gegen die Anträge erklären sich die Nationalliberalen, Freisinnigen und Konser vativen. Die Freunde des Acht-Uhr-Ladenschlusses treten dem Standpunkt der Regierung scharf entgegen. In der Abstimmung wird der Antrag auf den Acht- Uhr-Ladenschluß — am Sonnabend 9 Uhr — mit 13 gegen 9 Stimmen angenommen. Dafür stimmte auch je ein Mitglied der Nationalliberalen und Frei sinnigen. A Alle Sorten Zlme«- «aä lieMze-Zsom Srsz-Zsma: kür Vartenros'n in keimfähiger Qualität empfiehlt DlMit W Arenz KM Uiluimn. *— Gewerbevcrein. Wir verfehlen nicht, noch mals auf den heute abend im „Helin" stattfjud.mdeu Lichtbildervortrag: „Das Erdbeben von Messina" hin zuweisen. Hal man doch über das gewaltige Vcr- nichtungswerk der Natur schon soviel gehört und ge lesen, das; wirklich ein Bedürfnis, dasselbe auch schauen zu könne«, vorhanden ist. Es interessiert um so mehr, da dieses Fleckchen Erde ja eigentlich das Para dies Italiens genannt wird, und nur ganz wenige in der glücklichen Lage sind, eine Reise dorthin unter nehmen zu können. Es kann daher der Besuch dieses Vortrages nur bestens empfohlen werden, zumal der selbe für die V e r e i n s m i t g > i e d e r frei sst. *— Al» Preisrichter bei der 28. Ausstellung des Allgemeinen Kaninchenzüchtervereins zu Chemnitz ungierte unter anderem Herr A. Haupt-Lalln- »erg. Die Schau wurde am 7. und 8. März im Gasthaus „Zur Scheibe" daselbst veranstaltet und wies 463 Nummern auf. Man sah prächtige Exem plare, so daß es schwer war, aus dem guten Material ms beste herauszufinden. *—- Staatspatziere. Am 11. dieses Monats hat eine abermalige Auslosung Königlich Sächsischer Staatspapiere stattgefunden, von der die 3 Prozent» Staatsschulden-Kassenscheink vom Jahre 1855 be troffen worden sind. r. Hcinrichsort. (Rodelbahn.) Ein großes Ver gnügen bereiten sich zur Zeit die erwachsenen Per- pnen hiesiger Gemeinde auf den zlvei errichteten Rodelbahnen, und zwar auf der Schulstraße und der Neudörfeler Straße. Nach .Herzenslust wird jetzt jedem Mend «ach getaner Arbeit dort gerodelt: mit Blitzes schnelle sausen die Schlitten den Berg herunter, und man merkt so recht, wie durch diesen Sport neues Leben in den Körper eindringt. Voraussichtlich hält die Rodelbahn immer noch eine Zeit lang an, tveil in der Nacht gefriert, was bei Tage taut. Wenn daher unsere Nachbarstädtc Lichtenstein und Eallnberg mit uns rodel« »volle«, so sind sie hierzu herzlich ein- geladeu. Mülsen St. Jacob. (Verunglückt.» Beim Rei nigen eines Daches vom Schnee in eitler hiesigen Fabrik sprang ein junger Arbeiter aus einen Haufen Schnee, hatte aber nicht bemerkt, daß unter dem Schnee sich ein Glasdach befand. Er brach durch, blieb aber hängen und durchschlicht sich an einer Hand zwei Finger, sowie eine Flechse. Hinzugecilte Ar beiter befreite« ihn aus seiner gefährlichen Lage. — (Beim Gaswerk- schließt die Jahresrechnung für 1908 in Aktiva und Passiva mit 171 917,90 Mark und das (Kewinn- und Verlustkonto mit 27 732,64 Mark ab. Tas Werk mit seiner Olesamtanlage ist auf 160029,st! Mark berechnet und die Lagervorräte auf 2227,38 Mark. Tas Kohlcmkonto betrügt 9697,79 Mark, die Rechnung für (Kas 21 534,06 Mark, Koks 2984,85 Mark und Teer 375,66 Mark. Amortisiert wurden in zwei Jahren 5125,78 Mark, nnd der letztjährige Gewinn betrng 7242,86 Mark. Tie Straßenbeleuch tung ist hierbei eine vorzügliche. Annabcrg. «Durch herabstürzende Schneemassen erschlagen." Vom Tache abstürzcndc Schnee- und Ejs- masscu trasen einen achtjährigen Knaben so schtver, daß der Tod ans der Selle eintral. Colditz. In Lebensgefahr.> Beim Ueberschreiteck der mii morschem Life bedeckten Mulde brach die An- slaltsvbe.pslegcriu Alberti an einer zirka 5 Meter tiesen Stelle ein. Nur der Kops der Verunglückten ragte aus dein Eise hervor. Ans ihr Hilfegeschrei eilte der Steingntdceher Reichert herbei, nnd es ge lang ihm, sich der Verunglückten auf dem Eise liegend zu nähern und nach mehrmaligem Einbrechen dem nassen Elemente zu entreißen. Ter ebenfalls zu Hilfe eilende Steingntformgehilfe Torn brach ein und wurde durch die Fischer Müller und Lehmann gerettet- Crimmitschau. (Wasser." Tse Stadt Crimmit schau hat, um sich Wasser für die Zukunft zu sickern, das an den städtischen Sahupark anschließende 30 Acker große Grundstück „Mark Sahnau" mit dem Restaurant für 125 000 Mark, die durch eine An leihe aufgebracht werden sollen, von den Mummert- scheu Erben gekauft. Regina. Roman von I. Job st. 42. Nachdruck verboten. Dietrich saß am Schreibtisch, er hatte sich j« die Arbeit verbissen, wie ein grimmiger Kettenhund, er knnrrre nur, wenn sie ihn störte. Ta nahm sie endlich die Zeitungen aus und blät terte darin umher. Toch plötzlich ließen die schlanken .Hände das Blatt fallen, sie hörte die Stimme des Fisch- meisters vor der Tür, und bald darauf meldete Frau Willert, daß Meinhardt den Herrn Baron zu sprechen wünsche Tas gab eine willkommene Unterbrechung der Arbeit. „Immer herein, Frau Willert — Ta köuueu wir ia gleich die Fahrt nach dem große», See mit Meinhardt besprechen, es ist eine Tagestonr." Ter alte Mann trat ein, und Wolf Tjetrjch rief ibm gleich entgegen: „Gut, daß Sie kommen, Meinhardt. Sowie der Regen icachläßt und das Wetter wieder beständig wird, wollen »vir nach dem großen See Wir müssen meiner Frau doch zechen, was sür Kerle dort hcrumschwjmmeu. Wir bleiben den ganzen Tag und kochen regelrecht ab. Eine Lacbssorelle wird unter der Asche gebraten. Sie verstehen das ja meistcrliait, nnd Anton mag Ihnen dabei zur Hand gehen. In der Wasserburg wird ein richtiges Biwak bezogen " Regina hing mit leuchtenden Angen an dem Sprechenden, und das jnngc Paar bemerkte nicht, wie bekümmert der Alte dreinschante. „'Ach, Wolf Tjetricki, das wird herrlich werden. Ten großen See kenne ich noch gar nicht, und was ist dos 'ür eine Wasserburg?" „Der klägliche Rest einer Raubburg, die an der allen Heeresstraße lag, die das Bruchland durchzog. Ein großer Sumpf dehnte sich hier in alten Zeiten aus, mehrere Tagereisen weit, und diese Straße bildete die einzige Verbindung mit den reichen Hansastadten. » Oft genug »nag es unseren Vorfahren geglückt sein, I von dem versteckten Schlupfwinkel aus einen erfolg reichen Raubzug zu unternehme». Macht ging da mals vor Recht." „Ist von der Rnine noch viel erhalten?" „Tu wirst es ja sehen, Regina. Wir wollen nichts verraten, Meinhardt, was? Toch »vas führt Sie her?" fragte Wols Tietrich, dem alten Mann plötzlich scharf ins Auge sehend. „Haben Sie einen schönen Fisch für die Küche gebracht oder einige Kramtsvögel?" „Nejn, Herr Baron. Ich habe eine schlimme Nach richt von meinem Sohne bekommen" „Ist er krank?" „Nejn, Herr Baron, es ist schlimmer, viel schlim mer als Krankheit und Tod." „Mein (Kott, er hat sich doch nichts zu schulden kommen lassen?" „Er »Echt, mein Richard nicht, Herr Baron, der Enkel ist es, so »vas kommt eben nur bei jungem Blut vor. Ter Kerl dient doch jetzt bei den Jägern." „Ich weiß, Meinhardt. Sic erzählten mir vor wenigen Tagen noch, wie gut er sich dort mache. Er wollte später Förster werde«, me«« ich nicht irre." „Ja, das ist nun alles aus. Für sein ganzes Lebe« ist er schimpsiert, er bekommt Zuchthaus, der arme Kerl." „Zuchthaus!" ries Wols Tjetrjch und faßte die Hand des treuen Beamten, der so erdfahl vor ihm stand: in den verwitterten Zügen zuckte es von verhaltener Erregung. „Ja, Zuchthaus, drunter tun sie es nicht." „Aber »vas hat er denn begangen, Meinhardt?" „Er l>at eine« Meineid geschworen." Vom Kamin kam ein tiefes Stöhnen her, man konnte nicht untersckieiden, ob es vom Winde herkam, der wieder im Schornstein winselte, oder von der Fra«, die dort ans einem Sessel in sich gekauert saß und vor sich hin starrte. Sie war ebenso bleich wie der arme, geschlagene Mann. „Einen Meineid!" Wols Dietrich hatte den Arm des Fischmeisters losgelasseu und war einen Schritt zurückgetreten: mit schwerer Betonung sagte er: „Tas ist allerdings eine traurige, hoffnungslose Sache, Meinhardt." „Sie sehen es also sür hoffnungslos an, Hertz Baron?" „Ja, Meinhardt. Meineid wird mit Recht hark bestraft. Ihr Enkel kommt vor das Kriegsgericht, wird ans dem Militärstand ausgestoßcn und dem Zivilgericht überwiesen." „Und ich dachte. Sie könnten vielleicht durch Ihre Verbindungen ein gutes Wort für den Karl einlegen. Sie kennen ihn ja von Jugend anf und haben manchen! lustigen Streich miteinander ausgesührt und immetz zusammen aus den, Wasser gelegen " „Ja, ja, Meinhardt — Aber Meineid bleibt Meineid! Vor allem erzählen Sie einmal erst deck ganzen Vorgang." Der Fischmejster blickte zu der regungslosen Frau; hin, er hatte gehofft, sie würde ein gutes Wort für den Jungen einlcgen, sie hatte manche Fahrt mik ihm gemacht, als er aus Urlaub hier war. Er mußt- ihr stets von Wolf Dietrick erzählen. Sie hatte ihren! jetzigen Mann wohl damals schon im Herzen getragen, „Wollen Sie, daß meine Frau hiuausgeht, Mein» Hardt, wollen Sie mir allein berichten?" fragte öctz Baron, den Blick des Mannes mißdeutend. (Fortsetzung folgt.) . z . i JZ - —