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Ml ii selm ulimlnISüd Tas Resormationsfest lenkte unsere Blicke vor allem auf dm Hauvthelden jenes welthistorischen Er eignisses, Dr. Martin Luther. Wieviel auch über ihn von befreundeter und gegnerischer Seite geschrieben fein mag und noch geschrieben wird: Man wird des Reformators gewaltige Persönlichkeit wie seine welt bewegende Tat nie recht zu würdigen vermögen, wenn es nicht vom Standvunkt des echten Deutschtums aus geschieht. Luther war eben ein nationaler.Held durch und durch, und was er schuf, das konnte er nur als Teutscher vollbringen. Es ist ganz unmöglich, uns etwa einen Romane», einen Franzosen, Italiener, .Spanier und andere a» seine Stelle zu deuten. Seine nationale Eigenart prägt ein Polk nirgends klarer und schärfer aus als in seiner Sprache. Welchen Wert Luller aus unsere deutsche Muttersprache legte, ist bekannt: nennt man ihn doch nicht mit Unrecht ge radezu den „Schöpfer des neuhochdeutschen Sprach idloms". Tas wurde er mit der Ueberselzung der Bibel — Neues Testament l'E, Altes Testament l.TU. — Zwar gab es schon vor ilun deutsche Bibelüber- senuugm. Aber sie waren anch danach. Einesteils Landen sie sich sklavisch an die vielfach fehlerhaften fremdsprachlichen Uebersetmngen der Bibel, die grie chische Septuaginta für das Alte Testament, die la teinische Vulgata für die gauze Bibel. Tami aber ivaren sie in einem Teutsch abgefastt, davor uns beure geradezu grauen must. Hören wir nur deu Anfang des N!. Psalms in der kobergerfchen lieber seizuug von „Ter Herr regiert mich und mir gebrist nichts. Und an der Statt der Weide da saht er mich, er hat mich geführt an dem Wasser der Weiterbriuguug. Er belehret meine Seele, er führet mich ans auf die Stiegen der Gerechtigkeit umb seinen Namen. Wann ob ich ja gehe imnit des Schattens des Todes, ich fürchte nicht die übelen Tinge, wann du bist bei mir: deine Nute und dein Stab dieselben haben mich getröstet" usw. Und uuu Luther: „Ter Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln Er weidet mich auf einer grünen Äue und führet mich zum frischen Wasser. Er erguicket meine Seele, er 'Uhrci mich aus rechter Straste nm seiues Namens willen. Und ob ich schon wanderte im siusleru Tale, so fürchte ich kein Unglück, denn dn bin bei mir, dein Stecken nnd Stab trösten mich" usw. Luther zog vor allem, um eine möglichst ge naue Ucbersehuug zu erzielen, den Urteil m Nate und verband sich zu diesem Zwecke mn den ge Siegeudslen Sprachgelehrten der Zeil Um die vit schwierigen Fachansdrücke, znm Beispiel beim Ovser — inl Alten Testament - - kennen zu lerueu, begab er sich zu einem JI ei scher und schnitte dem Schlachten eines Schafes zu, wobei er sich vom Pleister nicht nur die einzelnen Handgriffe beim Schlachten, wn dern auch die inneren Teile des Tieres erklären nnd benennen liest. Um aber ein wirklich allgemein per händliches Teutsch zu schreiben, das „Hans und Grete lnntcr'm Ofen", wie er sagte, ebenso gut verstünden wie Könige auf Thronen, wählte er die.Kanzleisprache des Meistnischen - sächsischen - - "Dialektes, die die rechte Mitte hält zwischen dem harten, rauhen ober deutschen -- bäuerischen — und dem weichen nieder deutschen Dialekt. Und wie sorgfältig ging er dabei zu Werke. Sv erzählt er, man habe zuweiten tage lang über einen Ausdruck uachgcsouueu. Dabei war mau stets daraus bedacht, dec» urdeutscheu Empfinden Rechnung zu tragen. Zum Beispiel, so erzählt er, stehe in der Begrüssung der Jungfrau Maria durch den Engel in der Anrede das Wort „voller Gnaden". TuS fei kein Deutsch, denn der Deutsche denke dabei au einen Beutel voll Geld, eineu Lien voll Holz. Er Labe daher das Wort mit „holdselig" -- voll Huld - überseht. Aber hätte er es übersehen wollen, wie der deutsche Maun es meine, so hätte er es über tragen müssen: „Tu liebe Maria!" (Rinz besonders zeigte sich des grosteu Maunes Deutschtum in seinen« geradezu vorbildlichen Familien leben. Seine Gattin, geborne Katharina von Bora, mi-t der er sich im Iabrc Iö2ö vermählt batte, war Lun ein treu «gebeties, edles und ausckpseimdes Ehe weib, das er scherzhafter Weise, nMhl mit Anspielung aus ihren etwas selbständigen Charakter, zuweilen als „Herr Käthe" Lezeich.net, das er aber doch nimmer mehr selbst „tim das türkische Kaisertum oder der Venediger Herrschaft" ciugetauscht hätte An seinem Tische herrschte Einfachheit und Mästigkeit bei aller sehr weit ausgedehnten Gastfreundschaft, und die Tisch gespräche, die Matthefius sammelte und berausgab, waren meist mit prächtigem Humor gewürzt Vor allem sprach sich bei solchen Gelegenheiten Luthers tiefes Gemüt aus, der köstlichste Schah, mit dem die Vorsehung gerade den Deutschen beschenkt hat. Hieraus erklärt sich auch Luthers reine Freude an der Natnr, die gleichfalls ein reiches Erbteil des deutfcheu Cha rakters ist. Freilich liebte es der Reformator, wenn er sich an der .Herrlichkeit der Schöpfung erbaute und begeisterte, in ihr Vorbilder und Abbilder des Reiches zhottes zu festen, »ach dem bekannten Worte, das; alles Vergängliche nur ein „Gleichnis" des Ewigen und Himmlischen ist Als einst seine Kin die in mit sehn silchtigen Blicken das ans dein Tische liegende duftige Obst musterten, meinte er: „Wer da scheu will das Bild eines, der sich aus Hoffnung freuet, der hat stier ein rechtes Konterfei: ach, dast wir den jüngsten Tag so fröhlich in der Hoffnung könnten ansehen !" Bei Betrachktmg einer Rose sprach er sinnend: „Wenn das ein Mensch vermöchte, dast er eine einzige Rose machen könnte, so sollte man ihm ein Kaisertum schenken." An einem schönen Sommerabende sah er ein Vöglein schlafend auf einem Zweige sitzen. Ta ries er voll Begeisterung: „Ties Vöglein hat sein Nachtmahl gehalten und will hier sein sicher schlafen, bekümmert sich gar nicht, noch sorget für den morgen den Tag oder Herberge Es sihet auf seinem Zweigleiu und lasset Gott sorgen." Ueberaus Humor voll äustertc sich einst Luther, wie eiu Prediger be- schasscm sein müsse, weuu er der Welt - auch der heutigen noch — gefalle» «volle: l. das; er gelehrt sei: 2. das; er ei» seines Aussprechei« habe: T das; er beredt sei: l. das; er eine schöne Person sei, den die Mägdlein und Fräuleiu lieb haben können: -V das; er kein Geld nehme, sondern Geld zilgcbc, nnd E, dast er rede, was man gern höre Selbstverständlich - und das ist die »ronc seines echten Tentschtums war Luther eiu überzeugter Freund der vcrorducleu Obrigkeit, uud selbst der ihm uud seiueu Anhängern nicht freundlich gesinnte Kaiser karI V. innsttc gestehen, das; das Stück von« Ge horsam gegen die Obrigkeit nirgends so ernst gelehrt nnd getricben werde als bei den Lutherischen in ihrer Lehre. Von der deutschen Nation aber sprach Martin Luther das ueiiende, fa prophetische Wort: „Es ist keine veraclitetere Nation denn die Tenncben: Fta liener heissen uns Bestien, Frankreich nnd England spotten unser Wer weist, was Evtl will ans de» Teutschen machen, wiewohl «vir eine gn«c Sianpe von (Sott verdien« haben. -- Tenlschland ist wie ein schöner, weiblicher Hengst, der Futter und alles ge nng hat: es fehlet ihm aber an einem Reiter. Gleich um «vie ein starkes Pferd ohne einen Reiter, der cs regieret, bin nnd wieder in der Frrc länst, also ist auch Teutsthlaud." Wer eriuuerte sich hier nicht des bekannten Ausspruches des gröstlen Teutschen der neuesten Zeil, des Fürsten Bismarck, der einst bas Wort sprach: „Setzen wir Tenlscblanb nnr in ben Sattel, reiten wirb es schon lernen." Beide, Lntber und BiSmarck, find übcrhanpt so innig miteinander verwandt, das; man aus Schritt und Tritt den gleichen Eharakterzügcn bei ihnen bc gegnet: Tieselbe Wertschätzung der deutschen Sprache gegenüber der verächtlichen Vorliebe für alles fremd ländische Wesen, bas liefe, reiche EemiUsleben, bas sich besonders in geselligem kreise, bann aber auch iu der Begeisterung nir bic herrliche Gottesnatur vileu bart — man beute nur an Bismarcks Vorliebe für seinen Walb nnb seine Lieblingsblniuc, bas Haide kraut — ferner die bvbc Achtnng beider vor der gvkt verordneten Obrigkeit, der gesunde, kernige Humor, der beiden eigen war, und, nicht zn vergessen, die zuweilen, wo es an« Plaste ist, derbe Ansdrucksweife, die, ohne vertesten zu «vollen, mit möglichster Klar heit die reinste Wahrheit verbindet, die freilich man cher nicht gern hören mag Beiden aber war das höchste irdische Ent das teure deutsche Vaterland, das jeder nach deu ihm verliehene» Eabe» und Kräfte» zu fördern suchte: Luther, indem er ihm feine Sprache gab nnd es in dieser beten nnd singen lehrte: Bismarck, indem er es einte und nach iahrhunbenelculger schmachvoller Erniedrigung zu ueuer Herrlichkeit uud Macht erhob. Wer von Bis marcks Ehren uud Verdieusteu überzeugt ist, der wird auch unserem Luther seiueu stolzesten Rnbni nicht schmälern können, der darin besteht, das; er vor allem gleich jenem ein vorbildlicher Tentscbcr «var. 5s Familie Schöler. Original-Roman von ArthurZapp. 40 Nachdruck verboten. Ta trieb Um «Köstlich ein schriller Schreckens rn« iu das Krankenzimmer zurück Frau Helene stand am Kopfende des Bettes - fchreckensblast nnd winkte ihm mit augstpoller Ge- berdk. Tie kranke lag regungslos, wii gesthwisenen AthHkN. Eine Ohnmacht hatte ihr die Beiinnnug geraubt Auch Emil Vriukmauu erschrak uud feine Blicke richtete» sich nmvillkürlich vorwurfsvoll aus die ver schüchtert uni schuldbewusster Miene Tastehen.de. Aber die Anwandlung dauerte nur einen kurzen Moment. Scbon im uäcbstcn Augenblick war er rascb an den Tisch getreten, halte eine Flasche genommen und tränselie daraus der Ohnmächtigen ein paar Tropfen ein. : Tann nahm er sie sanft in seine Arme nnb richtete ihren Oberkörper ein wenig in bie Hübe Erete sciäng die Augen ans nnd fab sich tragend um. Als sie bie Freuudiu Himer ihrem Bruber er blickte, schien ihr bie Erinnerung an das gehabte Ge- sprach zn kommen, und ihre Angen füllten fick« mit Tränen. Mit einer rührenden, zärtlichen tkcbcrdc drückte Emil Brinkmann seine Wange an die Schwester und sprach mit liebevollen Worten ans sie ein. Zuletzt lies; er sie behutsam iu die Kissen zurückgleiteu, strich ihr liebkosend beschwichtigend über die Stirn und winkte dann der ihn Beobachtenden mit den Augen, ihin zu folgen Im Nebenzimmer standen die beiden einander in tieser Bewegung gegenüber Helene war zerknirscht und zugleich voll ehrliches Bewunderung. Ein warmes Gefühl der Sympathie flutete in ihr empor. Sie hatte den Prokuristen ihres Vaters immer für einen trockenen, gefühlsarmen Geschäftsmann halten, und nun hatte sich ihr plötzlich ein weiches, warm empsindendes Gemüt enthüllt. Wie zart nnd liebevoll er um seine Schwester bemüht gewesen «var! Mit welcher inniger Liebe er an ihr hängen mustteL Als sie nnn das Wort nahm, nm sich wegen der Störung zn entschuldigen, unterbrach er sie höflich. Er sei ihr im Gegenteil zum Tcnik verpflichtet für ihre freundliche Teilnahme. Wegen der Ohnmachtsanwandlung seiner Schwe ster brauche sie sich keine Vorwürfe zu machen Tas sei in der grosteu Schwäche der kranken begründet. Tabei hefteke er den Blick forschend an« das Gesicht der jungen Fran, als wollte er sich vergewissern, wieviel sie von der Ursache der plötzlichen Erkrankung «einer Schwester wisse. Zn einer offenen Frage konnte er sich nicht ent- schliesten. Tast sic etwas von dem Zusammenhang ahnte, der zwischen der Verlobnng ihres Bruders Paul und dem Zustand Gretes bestand, glaubte er au ihren: Mieucu zu erkennen. Aber da er ans diesen Gegenstand nicht näher eingehen mochte, so üusterte er nichts, und als sich Helene nnn verabschiedete, hielt er sie nicht zurück. Helene «var den ganzen Hejmiveg über in tiefen- Gedanken. Znm ersten Male kam ihr unwillkürlich der Ver gleich zwischen ihrem Mann und Emil Brinkmann. Ob kuno auch io liebevoll besorgt «eiu würde urn Thea? Vielleicht. Er schien ja an seiner Schwester ebenfalls sehr zu hänge». Eine andere Frage aber war es, ob er sür sie Helene — eine ähnliche zärtliche Besorgnis an' den Tag legen würde, falls sic einmal ernstlich er kranken sollte. Sechzehntes Kapitel. Werner von Boltenhagen war zum zweiten Male durch das Assessor-Examen gefallen. Mit feiner iurisliicben Lautbahn «var es nun ein- nir allemal vorbei. Ter Major war in grvster Verlegenheit. Was sollte nnn aus dem beinahe drejstigjährigen Menschen werden? Semen Lohn eine subalterne Laufbahn ein- . schlagen zu laffeu, dazu kouute er sich nicht entschlichen. Angemessener wäre es gewesen, wenn Werner Im Kolonialdienst hätte Verwendung finden können. ALer seine Bemühungen in dieser Richtung hatten keinen Erfolg. Besonders lehnte sein Schwager, der Hofmarschall, enlschieden ab, sich im Interesse seines ungeratenen Neffeit bloszustelleu. Ter alte Herr, der stark au Gicht litt, war über haupt sehr unzugänglich und übellaunig. T-as Ein zige, wozu er sich verstand, «var, dast er sich erbot, taniend Mark zn opfern, nm deu durchgefalleucu Re ferendar nach Amerika zu spedieren. Aber davon «vollte Werner von Boltenhagen ab solut nichts wissen. Was sollte er in dem Lande der schlauen Nankees anfangen? Wollte man ihm etwa zumnteu, drübeu als kellner sein Leben zn fristen lleberhanpl, wenn er einen bürgerlichen Beruf ergreiseu sollte, so konnte das doch ebenso gut int Vaterlande geschehe». Wozu sich erst die Mühe uud Kosteu des Äusivan- derus machen in ein Land, wo er niemand kannte, tilld wo er keinerlei Protektion und Beistand sand'? War es nicht das Einfachste, sich mit Hilfe des Fabrik besitzers Lckiölo», zn dessen Familie mau ja in ver- ucaudsclmstliche Bczielmugeu zu treten sm Begriff war, dem Haudclstach zn neidmen? Fn jolcb emen grasten Fabritbenleb eiuzuireten, war überlwnvl eine ganz feudale Sache. Solch eiu Favrikbesitzer, der seine hundert Men schen nnd mehr beschäftigt, ivar überhaupt eiu großer Herr, ebenso gut wie — na, wie ein Rittergutsbe sitzer oder ivic ciu Regimentskommandeur, oder auch! wie ciu tR-richtspräsideut Tem sorgenvolle» Vater, der übcrhanvt n»r den ci»en Wunsch hatte, seiueu Sohu sobald als mög lich irgendwie nntergcbracht ;n sehe««, dünkic der Vor schlag recht annehmbar. Freilich, die Aussicht, dast Herr Schöler aus deN Wuuscb, deu durchgesallcneu Referendar bei sich eln- zustellen, eingcheu würde, erschien ibm nach dem Voraufgegangenen sehr gering, und da er fict> nicht gern einer direkten Ablehunng aussetzen wollte, s» steckte er fick, hinter seine Frau uud liest durch diese di« Idee zuuächst der Gattin des Fabrikbesitzers unter breiten. Frau Schöler ging uatürlich mit Eifer auf den Wuuscb der künftige« Schwiegereltern ihres Sohnes ein und sagte die Erfüllung desselben sofort auf ddO bestimmteste zu. Bei ihrem Gatten sand sie freilich zunächst eineN starken Widerstand. (Fortsetzung folgt.) ... /