Volltext Seite (XML)
Trchtensteii« Tallrrberger Tageblatt e—! .—— . »8 z»H,O««O " "^' - « 1. Beila«e,» «r. isk. Somtag, de» 2S. A«g«st E. Neuestes vom Tage f «in s chreckenSjahr. »er englisch« , Prcxhet Old Moore kündigt tn stimm Kalender sür I I9L9 ein Schreckenkjahr an. «in großer Staatsmann wird jählings gestürzt, in der Londoner City w'rd ein sui chtbarrt Feuer wüten, ein gräßliches Eisenbahn- Unglück wird statifinden und über di« Londoner ZeiiungkreLakttomn wird ein schlimme» Unwetter ntedttgehen. Ader taS sind nm die Einzelheiten; Old Moore prophezeit weiter, daß der Mär- sür all« Herrsch« ein schlimmer Monat sein wird, daß der April einem berühmten Finanzmann Ruin und Tod bringt, daß im MeiNeryork durch eine Katastrophe Schaden erleidet und daß im Junt die Entdeckung von Silberbergen tn Mexiko die Gemüter erregen wird Im September ersolgt ein surchtbareS «rdbeben in Westindien. Der November bringt nur den Amerilanern Unglück, der Dezember aber den schiff, sahrttreibenden Nationen «uropa». — Abwarten! s Mißhandlungen tn einem franzö sischen MartnegefängntS. Im Cherbourger Morinegefängniffe sind große Mißhandlungen ans Lagelicht gekmmen, die an leicht elnzuschüchternden Arrestanten durch ihr« „Kriegsgericht" spielenden MtthSstlinge vorgenommen wurden, «ine der am häufigst«» zur Anwindung gelangend«» Torturen bestand Larin, daß der srischringebrachte Kamerad -ur.StierHetze" auSersehen wmde. Man bildete um ihn «inen MommenkrriS, immer r Sh» rückten ihm mit brennenden Papierstücken die Leut« und markierten aus dem nackten Körper de» Opser» Figuren bildend« Brennpunkte. Die Tyrannei der Führer verhinderte bisher jede Nnzrig«. Schwere Verletzungen, die bet ärztlicher Visite an mehreren Hästlingen wahr» genommen wurden, sührten zur Entdeckung den Bor» gäng», die sich firt» nach der letzten Wächterrunde abspielten. -j- Schneefall und Frost in Böhmen. Im Gebiete ber oberen Moldau und im Böhmer» wald« ist nach vorauSgegangenem Schneefall in den Nächten vom 12. und 13. d. M. Frost eingetreten. Di« Kartoffel« und Haferselder sowie bi« Flach». Pflanzungen haben empfindlich gelitten. Die den armen Böhmerwaldbewohnern sonst Verdienst brin gende Pilzernte ist insolg« der kalten Nächte gan- gering, auch der Touristenverkehr ist schwach. Im böhmischen Erzgebirge hat es ebenSsall» stellenweise geschneit und im Riesengrbirge blieb der Schnee bi» zur Höhengrenz« von tausend Meter liegen. s„M utter,essedie En gelimHimmel aach Schweinerippche?" Mit diesen Wortm lief — so erzählt die „Pfälzer Ltg." — auf dem Feld« bei Leimersheim «in Kind zu sriner Mutter hin, dl« gerade mit Welzenschneiden beschäftigt war. Die Bäuerin blickte verwundert erst aus den Urb«, rest de» Schweinerippchens, den da» Kind in den Händen hielt, dann ungläubig in di« Höhe — und da sah sie voll heiligem Schrecken ein Ungetüm in schnellster Fahrt die Luft durchschneiden... «» war Zeppelin» Luftschiff. E'mr seiner Insassen war der Engel gewesen, der daS Rippchen gegessen hatte. f Unter Trümmern begraben. In Donaueschingen besuchte die Ehefrau de» Ausläufer» Dengel mit ihren sechs Kindern die Brandstätte de» Hauses, in dem sie zur Miet« gewohnt hatten. Bei dem ziemlich heftig«» Sturm lösten sich p'ötzlich Mauertet!« und b«grub«n -w«t Knab«» der Familie unter den niederflürzenden Trümmern. Der ältere, «tn I3sährtger Knab«, ist tot, während die Mutter und die vier ander«» Kinder zur Seit« springen konnten. ^GrimmigeRivalen. Bei einer Blumen« schlacht in dem portugiesischen Badeort Blzella ge rieten zwei Kavaliere «egen einer Dame in Streit. Sie warben Strcßinbanden an und traten sich mit den gemieteten „Luppen" entgegen. Der Kamps be- gönn mit Drohungen und Beleidigungen. Dann stürzten sich die Parteien auseinander. Man focht mit Revolvern und Messern. «S gab viele Verwundete. Schließlich rückt« die Polizei an, der «S mit vieler Mühe gelang, die kämpfenden Banden zu trennen. f In hilfloser Lage. In einem furcht baren Zustand« wurde die 20 Jahre alte Frieda Ziem« aus Berlin in der Wuhlheide aufgefunden. Da» Mädchen hatte vor einig« Zeit durch einen Unfall beide Bein« verloren und trug seitdem künstliche. Montag vormittag fuhr die Ziemer nach Köpenick und machte einen Spaziergang tn di« nahe gelegene Wuhlheide. Sie wmde durstig, schnallte die Beine ab und kroch an» Ufer eine» tief gelegenen Tümpels, um zu tr nken. Währenddessen nahten drei junge Leute der Stelle, an der die künstlichen Bein« lagen. Zwischen diesem Ort und der Triukstätte befand sich ein dichte» Sebüsch. Die brri, tie da» Mädchen nicht sahen, nahmen die Beine und entfernten sich damit. Erschrocken rief ihnen La» junge Mädchen nach, doch vergeblich. Die Hilferuf« oerhalltrn un gehört. So war die Unglücklich« gezwungtn, hilflot im Wald« zu bleiben. Sie wäre elend verhungert, wenn nicht zufällig am Abend einig« Köpenicker Bürg«r vorübergekomm«n wären. Düse brachten da» junge Mädchen in einem beklagenswerten Zustand nach dem Ktzpmickrr Krankenhau». Die künstlichen Beine waren von den jungen Leuten aus dem Bahn hose Sadowa al» Fundstücke abgegeben worden. Spät entdeckt. Man schreibt rn» au» Landsberg a. W.: Bor zwei Jahren wurde in dem Dorfe Fr'edrichSberg bei Landsberg a. W. die un verehelichte Rentiere Elis« Rasch erwürgt und durch Messerstich« furchtbar zugertchtet. Seit dieser Zeit hat man unaufhörlich Ermittelungen nach dem Täter angestellt und auch mehrere Verhaftungen vorge- nommen, die jedoch alle nicht aufrecht erhallen wer. den konnten. Auf dem Totenbette hat jetzt die Frau eine» Arbeiters ihrer Mutter gegenüber Las Ge ständnis abgelegt, daß ihr Mann der Mörser sei. Tatsächlich hat der Arbeiter seiner Zeit neben dem Mordhause gewohnt und ist kurz« Zett nach D«. Übung der Tat vrrzogen. 1-14 P«rfon«n unt«r VergiftungL. erschrinungen erkrankt. Die Arbeiterfamilien Nowak und Schwechta in Türnitz (Böhmen), zu. sammen 14 Personen, erkrankt«» nach dem Genüsse von Pilzen unter VergistungSerscheinungen. Den herbeigerufenen Aerzttn gelang «» -war, di« D«r. fisteten am Leben zu erhalten, doch liegen all« 14 noch schwtrkrank darnteb«. Wie der Solling« Ziegenprozeß z« Ende ging. von Nnna Hasselbach. (Schluß.) v«i dem junge» Paare waren im Laus« d«r AH,« .^ei Töchterchen angrkommen, und da infolge b«» Schau«» der Großväter die Kleinen deren Hau» »tcht heimsuchen durften, die Frauen aber auf di« großmütterlichen Freuden nicht verzichten wollten, so reisten st«, ohne viel zu fragen, zu ihren Kin» o«n und blieben ost wochenlang abwesend, ohne Wh um di« GemÜtSstimmung ihrer Eheherren zu kümmern. Mochten sie mit drm Ziegrnprozrß glück. Vch werden! Aber sür di« war jetzt auch guter Rat teuer, wie sollte man die vkrfahren« Geschichte wiederum in friedliche Bahnen lenken. Und vor allem, wer sollte nachgeben? „Der Bollinger hat di« G«schicht« eingebrockt, d«r mag p« auteffen", dachte der Drullinger, wenn er sich vergebens Len Kops nach einem Ausgleich -erbrochen hatte. „Der Drullinger ist im Un«cht, der soll nach, geben", meinte dagegen der Solling«. Da trat ein Ereignis ein, da» in beider Herzen den Hader plötzlich einschläferte, die Sehnsucht nach Frieden und Famtlienglück in ungeahnter Stärke er« stehen lüß. Der erste Enkel ward ihnen geboren, ein Knabe! Bin Knab« war bet den jungen Leuten angekommen. Ein Knabe, der di« vereinigten Rufnamen der beiden Großväter tragen sollt«, und zu dessen Taufe sie ein ehrfurcht und liebevolles Schreiben Ihrer Kind« ein« geladen hatte. Die Tauf« LeS ersten Enkel» — da sollte man eigentlich dabet sein! Schließlich — aber der Schwur — der Schwur. — Der in Ueberetlung getan« böse Schwur. — Eh« der Prozeß nicht zu Ende, darf man sich nicht mit den Kindern versöhnen. Und in vierzehn Lagen ist die Laufe. In Val« Hapx» Hirzen regte sich zuerst die Nachgiebigkeit. Denn war für ihn der Enkel nicht wett wichtiger, al» sür den Großvater Peter? War'S nicht sein Familienname, der durch diesen kleinen Stammhalter der Nachwelt erhalten blieb? Wenn der Landesherr bei ber Geburt eines Thronerben Amnestie erließ, konnte da nicht rin simpler Dorfbürgermeister ebenfall» Gnade «geh«» lassen bei solcher Gelegenheit? Aber wte sollte er sie üben? Da lag der Hase lm Pfeffer. Bat« Hopp sann Log und Nacht und Nacht und Lag und siehe da, eine» Lage» erschien fein Grübler-Antlitz urplötzlich oufgrhellt. Pfeifend wan- derte er durchs Hau», scherzte mit Frau und Ge- finde, und am Nachmittag fuhr er ohne ein Wort d« Aufklärung in Sonntagskleidern zur Stadt. * G Ja Vater Happ war et» Diplomat ersten Range», den daS Schicksal höchst verkehrterwrise in ein Dorf. Milieu statt an die Spitze «ine» großen Staatswesen» gestellt hatte. Nur solch feiner Kopf wte er konnte all der Wirren, die seit Jahren die Gemeinden au», einander gebracht hatten, He« w«d«nl Hoffentlich hatte ber Enkel seinen Brrstand ge. «bt und nicht etwa den Geist der Peter», die hüls- los auf ihrem Misthaufen faßen und nicht wie er, BÜrgermetst« Happ zu Drullingen, Lem Rad d« Zeit, wte «in gewisser Goethe sich autdrückte, in die Speichen zu fallen vermochten. Wie er die Stunden zählt bi» zur nächsten G«. m«ind«a1Ssitzung! Endlich, endlich ist der groß« Lag gekommen. Bat« Happ thront aus dem Ehrenplatz inmitten d« Väter de» Dorfe». Man bebatttert Üb« die «utbeffirung der Kirch«, rreifert sich, beruhigt sich wt«d«r und schließt endlich die Sitzung, ohne zum Resultat gekommen zu sein. Da, ehe der Gemeinderat auseinander geht, schlägt Vater Hopp dröhnend auf den Tisch. Er hat noch eine Mitteilung zu machen. Eine die ganze Gemeinde «freuende Mitteilung. „D«r Prozeß zwischen den Gemeinden Drullingen und Söllingen geht zu Ende." Bat« Happ entnimmt sein« Lasche «in Schrift« stück, «ntfaltet e», durchlieft'» mit tiefsinnigem Antlitz und erklärt: Der Herr Notar mach« bi« Mitteilung, daß «in edler Menschrnfreund, bem di« Zwistigkeiten du zwri Gemeinden längst ,u Herzen gegangen, au» seiner Tasche der Gemeinde Lrullingen Hinfort alljährlich eine ausgezeichnete Ziege stiften w«d«, wogegen Lie LrMnger verpflichtet srien, die Solling« Ziegen wie früh« auf ihrem Gemein de ang«r graf«» zu taff«». Daß Ler Gemeind« Drullingen kein Schaden «wachs«, foMm die sieben während der Prozrßjahr« ausge ¬ fallenen Ziegen nachgkliefert «erden und am letzten Sonntag de« kommenden Erntemonat» blumeng«, schmückt wie ehedem zu Drullingen «schein«». Von «in« Entschädigung werde di« Gemeind« Drullingen hoffentlich Abstand nehmen. D« Menschenfreund wollte ungenannt bleiben. „Nun," sagt, Vat« Happ, sich stolz im Kreise umsehrnd, „ich denk«, wir können zufrieden fein. Werde sogleich an den Notar schreiben —" „Bravo, bravo, so'» Ehrenmann — ba» können wir un» gefallen lassen," klang'» von allen Setten. „Bravo, braro " „Schad' daß ich nicht Kais« geworden — wie hätt' ich die Wett regiert," dachte Happ, der selbst verständlich dem Enkel zu Lieb' so tief in die Tasche gegriffen hatte und selbst ber unbekannte Menschen, freund war. „Na der Solling« wird die Augen aufreißen." Da pocht «» plötzlich vernehmbar an di« Tür und der Herr Pastor «scheint ganz unerwartet im Gemeinderat. De» geistlichen Herrn Augen leuchten, sein Antlitz ist verklärt, tn der Hand hält er «in Schriftstück. „Meine Freund«, ich hab« Euch Hoh« Freud« mitzuteilen. — Friede und Einigkeit wird die so lange verfeindet gewesenen Gemeinden Drullingen und Solling«» in Zukunft wieb« verbinden — der Prozeß " „Srundgütig« Himmel, am Ende noch ein Menschrnfreund," denkt Vater Happ und sinkt v«. ntchtet auf einen hinter ihm stehenden Stuhl. „Ler Prozeß geht zu Ende," fegte der Pastor mit «hoben« Stimme. „ES wandeln roch edle Menschen unter un». Ein Unbekannter „Gott sei un» gnädig — man schenkt un» wohl noch sieben Ziegen?" schreit «in Mitglied de» Se« meinderatS, «in Heller Kopf, in ausblitzendem Ver ständnis. „Allerdings — man weiß also schon? — Am letzt«» Sonntag im Erntemonat werden sieben Ziegen " „Macht vierzehn — virrzehn Gaisen — wir w«rd«n also «ine vollkommene Zitgrnprozessio» haben —" „Ich verstehe nicht — ich bitte um «ine Er klärung," sagte der Herr Pastor ein wenig unge halten. „O, bitt um Entschuldigung, Herr Pastor, bei uns rrgnet'S heut' wahrhaftig Menschenfreund«. Ja, der Solling« Großvater wollte ebenso wie der Drullinger auf die Laufe de» Enkrlsohne» und war genau auf dasselbe Mittel, den Schwur zu umgehen, wie Vater Happ verfallen. Auch er hatte tief in die Lasche gegriffen, und so zogen denn am letzten Sonntag im Erntemonat des Jahres 1887 vierzehn herrlich geschmückt« Ziegen in Drullingen ein, begleitet vom Jubel beider Gemeinben, Lie an drm Lag ein Fest auf dem Gemeindeanger feierten, wie weder Lrullingen noch Solling«» «in solche- je gesehen hatten. Eng vereint sah man Lie beiden BürgermeistttS.Familien im Kreis« ihrer Kinder und KindeSkinder, rin erhabenes Beispiel, wie deutsch« Aomilier sinn über deutsche Prozeßsucht Loch schließ- ltch den Steg daoonträgt. Lat alte Abkommen unter den Gemeinden aber war nun wieder im vollen Flor und noch heute besteht im Erntemonat b« feieriicheZiegeneinzug in der rheinischen Gemeinde Drullingen.