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^chuldigung des wissentlichen Meineids und der Ber- lleitung zum Meineid erscheint, der viele Jahre einer Ler mächtigsten des Reiches war. Fürst Eulenburg soll in der Hauptsache den Sturz des ersten Reichs kanzlers Fürsten Otto von Bismarck und des Reichs kanzlers Grafen von Caprivi bewirkt haben. Der dritte Reichskanzler Fürst Hohenlohe soll in größte Erregung geraten sein, wenn er nur den Namen Philipp Eulenburg hörte. Dem jetzigen Reichskanz ler Fürsten von Bülow soll Fürst Philipp Eulenburg noch bis vor verhältnismäßig kurzer Zeit große Schwierigkeiten bereitet, ja seinen Sturz versucht haben. Die Auslösung des deutschen Reichstages am 13. Dezember 1W7 soll Fürst von Bülow in der Hauptsache vorgenommen haben, um sich die Lieben- berger Kamarilla, die Maximilian Harden als Lie benberger Tafelrunde bezeichnete, vom Halse zu Halten. ' Ebenso wie damals die Verhandlungen vor der vierten Strafkammer dürfte auch jetzt der Prozeß vor dem Schwurgericht des Landgerichts 1, wie ziem lich sicher verlautet, fast ganz unter Ausschluß der Oeffentlichkeit geführt werden. Die Eut- wickelungSgeschichte dieses Prozesses ist allgemein be kannt. Er ist eine indirekte Folge des Prozesses Moltke-Harden und eine direkte Folge der Beleidi gungsklage, die Harden gegen den Redakteur der Neuen Freien Volkszeitung in München, Anton Stac- dele, angestrengt hatte. Dieser am 21. April vor dem Münchener Schöffengericht verhandelte Prozeß zeitigte die sensationellen, den Fürsten Eulenburg schwer kompromittierenden Aussagen des Milchhänd lers Georg Riedel und des Fischers Jakob Ernst, die -bald darauf zur Verhaftung des Fürsten unter dem Verdacht des Meineids führten. Tie beiden Zeugen sind, wie gemeldet, dem Fürsten Eulenburg auf dem Schloß Liebenberg gegenüber gestellt worden und haben dort ihre belastenden Aussagen in vollem Umfange aufrecht erhalten. Fürst zu Eulenburg ist, iwie erinnerlich sein wird, schon in dem Prozeß Bü low-Brand am 6. November vorigen Jahres vor der Strafkammer des Landgerichts 2 unter dem Vor sitze des Landgerichtsdirektors Pusch als Zeuge er schienen und hat dort die Gelegenheit benutzt, einen Reinigungseid zu leisten. Er beeidete dabei folgende Erklärung: ,Zch erkläre hiermit aus das bestimmteste, daß ich mir in meinem Leben nie strafbare Handlungen in Bezug aus Paragraph 17.7 habe zu Schulden kommen lassen." Diese Erklärung des Fürsten unter seinem Zeugen- -eide erregte damals weitgehendes Aufsehen und machte ckiesen Eindruck. Dann kam der zweite Prozeß, und zwar Moltke-Harden vor der vierten Strafkammer Pes Landgerichts 1. Auch hier erschien Fürst Eulen bürg als Zeuge und bekundete ebenfalls unter feinem -Eide, daß er sich niemals im Sinne des Paragraphen 175 vergangen habe. — Justizrat Bernstein soll ihn /darauf gefragt haben, ob ihm bekannt sei, daß der Paragraph 17b eine bestimmte enge Grenze habe. Als Fürst Eulenburg dies bejahte, soll ihn der Ver teidiger gefragt haben, ob er auch niemals straflose Homosexuelle Handlungen getrieben habe, und er soll dabei auf bestimmte Fälle hingewiesen haben. Fürst Eulenburgs Antwort soll daraus gelautet haben: ,^zch habe niemals Schmutzereien be- -tr jeden!" Der Verteidiger wünschte dann aber auf seine präzise Frage eine präzise Antwort, und "darauf antwortete Fürst Eulenburg: Halten Sie das ,„ich lasse mir von Ihnen nicht den Mund verbieten. Stott Ihre Bosheit gutzumachen, häufen Sie auf Ihr schuldbeladenes Haupt ein neues Unrecht." „Was habe ich denn gehäuft ?" fragte Franz un schuldig. „Ter weiße Mohr hat mich bei Ihnen so ongefchwärzt, daß Sie mir nicht mehr grün sind, und wenn das anhält, ärgere ich mich noch gelb darüber. Tas kommt von der heutigen Begriffs verwirrung in der Farbenlehre." „Franz!" rief Fräulein Sophie vorwurfsvoll und sah ihn bekümmert au. „Wie tief sind Sie gesunken, daß Sie solche Kalauer von sich geben. Ich habe lange keine so schlechten gehört. Wollen Sie Wohl meine Hand loslassen, Sie unartiger Mensch ?" „Nicht eher, als bis Sie mir wieder gut und, Tante Sophie, und mir zum Zeichen Ihres Wohl wollens erlaubt haben, mit Wally zu tanzen." „Sind Sie unversroren. Franz! Erstens ist Wal ly für alle Tänze engagiert — jetzt, zum Beispiel tänzt sie mit Hans —" „Ter kann sie mir ein Weilchen abtreten", unter brach sie der junge Mann. „Wollen Sie sich von Ihrem Bruder Grobheiten sagen lassen?" „Von Hans?" lachte Franz. ,Zch versickere Ihnen, Tantchen, der lernte es als größte medizinische Autorität nicht, grob zu sein." „Und zweitens", fuhr Fräulein Sophie unbeirrt fort, „werde ich es ihr nicht erlauben. Mir pariert das Kind noch. Aber Franz, um Gotteswillen, was macken Sie denn? Lassen Sie mich um alles in der Welt los." Franz lwtte plötzlich zum Schluß der Polonaise die alte Dame kräftig umfaßt und war mit ihr im Walzer davongewirbelt. Ihr Hilferuf verhallte in dem Geräusch des Bal- ' ... . „x nicht für Schmutzereien? Justizrat Bernstein erklärte daraus, er fasse diese Antwort als eine Verneinung der Frage auf. 7-' Diese eidliche Bekundung soll eine wissentlich falsche sein, da nach den Münchener Aussagen der Zeugen Riedel und Ernst der Fürst Eulenburg in den Jahren 1882 und 1883, als er noch Le gationsrat bei der preußischen Gesandtschaft in Mün chen war, mit ihnen in einem homosexuellen Ver kehr gestanden haben soll. Die versuchte Verleitung zum Meineide soll darin bestehen, daß der Fürst nach seiner Ver nehmung vor der vierten Strafkammer an den Zeu gen Ernst, der die Stelle eines Kastellans der Billa Eulenburg am Starnberger See verwaltet, einen Brief geschrieben hat, in dem eine Beeinflussung des Zeugen erblickt wird. — Der so schwer belastete Fürst befindet sich noch immer in der Charite in Haft. Er hat bis jetzt beharrlich bestritten, seine Eides- pslickt verletzt zu haben. Gerichtszeinmg. — Freiberg. (Vom hiesigen Schwurgerichte, wurde der Wirtschaftspächter Kröner aus Erbisdorf wegen Brandstiftung in vier Fällen, Versicherungs betruges in zwei Fällen und Beihilfe znr Brand stiftung zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Seine Frau erhielt wegen unterlassener Anzeige sechs Monate Gefängnis. letzte Telegramme. Harzburg, 20. Juni. Eine große Feuersbrunst vernichtete vorgestern abend 1l Uhr in Harzburg das .Hotel Vietz. Mailand, 29. Juni- Die große Baumwoll- fabrik Mazzonis in Torri Pelluich am Mont Cenis, die 500 Arbeiter beschäftigte, ist vollständig nieder- gebrannt. Ter Schaden beträgt eine Million Lire. Menschen sind nicht umgekommen. Ermittelt. Paris, 29. Juni. Durch einen Polizeiagenten wurde bei der Verhaftung eines Frauenzimmers, das gegen einen früheren Liebhaber Drohungen ausge- stoßeu hatte, die erste Spur des im Vorjahre im Louvre Mufeum begangenen Diebstahls entdeckt. Die infolge der Aenßerungen verhaftete Person namens Davasseur ist bereits vierzehn Mal vorbestraft und hat seinen Genossen gestanden, die Statuette der Göt tin Isis und andere antike Gegenstände unter weiten Mänteln weggetragen zu haben, während der Saal- diener- schloß. Es besteht Aussicht, die gestohlenen Kunstgegenstände, welche mittlerweile durch viele Hände gegangen sind< ausfindig zu machen. Mord. Paris, 2V. JunkB Bei Nachforschungen in der Mord-Affäre Remy ist gestern in einem Winkel des nur dem Diener Renard zugänglich gewesenen Wirt schaftszimmers das blutstarrende Handtuch aufgefun den worden, das der Mörder im Toilettenzimmer Remy zum Reinigen der Hände nach der Tat benutzt hat Renard wurde von diesem Fund noch nicht unterrichtet. Der Sieg des Schahs. Petersburg, 29. Juni Aus Täbris ist fol gende Depesche eingelaufen: Der Schah lwt von neuem auf den Koran die Konstitution beschworen. Zur Beruhigung des Landes hat der Schah drei Aber Franz ließ nicht nach. Dreimal herum mußte sie mit. „Ich — kann — nicht — mehr!" keuchte sie. „Mein Asthma — Sie sind der - schlechteste Mensch — unter der Sonne!" „Nun kommt ein Galopp!" entgegnete Franz un gerührt, die alte Dame fest im Arm behaltend, „der Walzer wurde wirklich furchtbar langsam gespielt." „Sie werden doch nicht —" rief Fräulein Sophie verängstigt. „Mein Asthma — " „Tos wird mein Bruder Hans mir zu Gefallen gratis kurieren", sagte Franz srenndlich. „So, bitte, jetzt geht es los: eins, zwei, eins, zwei." Die alte Dame sträubte sich in seinen Armen soviel sie konnte. Es half nichts, sie mutzte mitgalop pieren. „Ich sterbe —" keuchte sie. „Franz lassen Sie mich los." „Ich muß dock sür Wally Ersatz haben, Tante Sophie, das werden Sic begreiflich finden. Und ich werde, wenn ich nicht die Nichte haben kann, die Tante übernehmen und alle Tänze mit Ihnen tanzen. Hören Sie, Tante Sophie, alle Tänze, das schwöre ich Ihnen!" Fräulein Sophie war nahe daran, zu weinen. Sie mußte nach Atem ringen und konnte lange nicht sprechen, und das war das Schlimmste. Der böse Franz aber lachte und meinte, ihr Still schweigen bedeute wohl ihre Einwilligung. Und wenn er ihre Genehmigung hätte, Wally um alle Extratäuze zu bitten, dann wollte er sic zu den „Nichtkombattanten" führen, sie wäre gewiß müde. Sic nickte, denn sie konnte immer noch nicht reden, aber sie warf ihm einen Blick zu, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Und für ein Paar Worte sand sich auch noch glücklich der Atem ein: „Sie — sind — ein — Scheusal — Franz!" — Hilda tanzte den Kvtillon mit einem Baron von hervorragende Politiker aus Persien ausgewiesen, In Versammlungen gegen den Schah gesprochen HM ten. Die Bevölkerung hat die Nachricht gleichgilttE ausgenommen. Sie mitzt dem neuen Schwur keine Bedeutung bei. Der Schah wird in den Versamm lungen als gewöhnlicher Bürger betrachtet und fite entthront angesehen. Die Blutgerichte des SchahL dauern fort Be«et«ela. Washington, 24. Juni- Die Regierung der Bereinigten Staaten hat infolge der Haltung deL berüchtigten Präsidenten von Venezuela, Castro, deL europäischen und amerikanischen Geschäftswelt gegen* über ihre Geschäftsträger aus Venezuela abberufe». Sport. — In der Radfernfahrt Men-Berlin, 598 Kilo* Meter, die gestern beendet wurde, siegten in Gruppe A, Räder mit Freilauf, Hans Ludwig, Sossenheim, in 28 Stunden 26 Minuten 18 Sekunden, in Gruppe B, Räder mit starrem Radkranz, Paul Oberster»», Dresden, in 28 Stunden, 42 Minuten. Die in der ersten Radfernfahrt Wien-Berlin im Jahre 1893 vom Sieger Josef Fischer erzielte Zeit von 31 Stund« wurde diesmal bedeutend verbessert. Stadtbad Lichtenstein. t. Badezeit: ». Wochentags von früh S Uhr bis zum Dunkelwerd«« und zwar Sonnabends ununterbrochen und an den übrigen Wochentagen mit Ausnahme der Zeit von 1 bis Uhr nachmittags, d. Sonntags von früh K Uhr bis nachmittags 1 Uhr un unterbrochen ; Kinder dürfen nach 7 Uhr nachm. nicht mehr baden. 2. für Frauen und Mädchen: Montags und Mittwochs von '/F Uhr bis '/,12 Uhr vor mittags, Dienstags und Donnerstags von '/^ bis '/*t Uhr nachmittags, Freitags von 5 Uhr nachmittags bis mm Schluß der Badezeit und Sonnabends von 1—> Uhr nachmittags; S. für Männer und Knaben in der übrigen Zeit. 4. Preise der Bäder: ». für Erwachsene: mit Zelle 20 Pfg., ohne Zelle 10 Pf. d. für Kinder: mit Zelle 15 Ps., ohne Zelle 5 Pfg. Dutzendkarten sind entsprechend billiger. Autzerdeat werden Saisonkarten ausgegeben. 5. Schwimmunterricht kostet außer der Badekarte: für Erwachsene 5 Mk. — Pfg. für Kinder S Mk. — Pfg. Ü. Badewäsche ist zu haben bei dem Bademeister. »eh«. Rogg«. rs so n - Mahl- «r Hutt« 20 - 2 2 - so. 70 40 . I « - 7 - 7 7 11 . S. 2 . 3 « S - SS - so. so. 10 - so . s. 9 - 9 . 10 - s. 2 - as- ss. so. 8ö . SS. 2 . s. 2 90- 90 - 08 - 28 - so - 78 - 80 - 20 - 3 - 4 . 3 - 9 . 9 . 9 . 10 - MinektWeM« d« Gt«dt am 27. Jmü isos. 10 . 90 Giros MaM»«»d«sch, Krummstro- Sartoffü» Butter 11 M.0S «. »»12«. 18 M 10 - 90 - Bassewitz, Hauptmann a. D. Der nicht mehr jungst unschöne Mann flößte ihr wei ' i Interesse ein. Sei» Geist zeigte jenes Gemisch w i Klugheit und Dumm» heil, das häufiger vorkomml, als man denkt. Er war sehr selbstbewußt, trotzdem seine MilitärlaufbahL nicht glänzend verlaufen war, wozu das Zusammen- schmclzen eines früher beträchtlichen Vermögens durchs ein flottes Leben mit beigctragen hatte. Nun be mühte er sich nach einem ehrenvollen, standesgemäß« Enverbszweig, und der hieß: eine reiche Frau. Heute gab es zwei „gute Partien" auf dem Balle: Wally und Hilda. Seine Wahl war auf letztere gefallen, sie wart die vornehmere Erscheinung, auch glaubte er leich* ter Eindruck auf sie zu machen, als auf die lustige, kleine Mützcl. Er hatte die Gewohnheit, seine ge* zierten Bemerkungen mit großenx Nachdruck zu fpro« ckcn, gewissermaßen zu unterstreich^, eine nach sei ner Meinung unfehlbare Methode, Cs«druck z« machen " . Hilda hörte ihm mit ruhigem Lächeln zu. Dieses Lächeln begeisterte ihn. Wenn er gewußt hätte, daß es das Lächeln vollständiger Gleichgültig* keit und Gedankenabwesenheit war! Sie dachte au Hans; sie sühlte, daß seine Seelik ihr entgegenflog. Er tanzte mit Wally, und daH hübsche Gesichtchen, das gestern noch so erwartungs* froh und glücklich ausgeschaut hatte, sah jetzt so un-r beschreiblich traurig aus, wenn die Blicke ihres Tän» zers immer wieder herüberslogen, statt die Klei« zu beachten. Hilda dachte auch an den alten Mann zu Haus»!«' und wie sie von ihm heute Abschied genomm« hatte. , ' (Fortsetzung folgt.!