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Gemüt verfinsterte sich nicht in Groll. Seine herben Erfahrungen MWn zugleich die Borzüge seines edeln Charakters dnthüllt und ihn zu einer beliebten, allgemein ver- lehrten Fürsten - Erscheinung gemacht. In seinem rüstigen Greisenalter erscheint er wie ein Idealbild von Fürstenwürde, Ritterlichkeit und menschlicher Lie benswürdigkeit. Wer je nur einmal die schlanke, elastische Gestalt des Kaisers und sein gütiges Ge sicht gesehen hat, der hat sicherlich einen sympa- tischen Eindruck für sein Leben erhalten. Wie Oester reich-Ungarns Völkerstümme ihren Kaiser und König lieben, das haben sie in wahrhaft rührender Weise an den Freudentagen und in den traurigen Zeiten gezeigt, die das habsburgische Haus erlebte. Auch an seinem Ehrentage nahen sich die vielsprachigen Stämme von den Alpen bis zu den Karpaten wieder der weisen, menschlich gewinnenden tzerrschergestalt Mit dem nie versagenden gütigen Herzen, um ihm zu danken für das, was er unter seiner langen Re gierung in hingehender Pflichterfüllung für sie ge tan hat. Die Fortschritte, die Oesterreich-Ungarn in den letzten 60 Jahren gemacht hat, treten überall hervor. Ueber 40 Jahre hat Franz Joses seinem Lande die Segnungen des Friedens zu erhalten ver standen, ein treues Mitglied des Dreibundes, dessen Grundlagen er gemeinsam mit Kaiser Wilhelm I. im Jahre 1879 legte. Das deutsch-österreichische Bündnis hat sich im Wandel der Zeiten bestens bewährt, zuletzt in den Tagen von Algesiras und in der Angelegenheit der Sandschakbahn, wo beide Reiche unverbrüchlich zn- sammengestanden säst gegen die ganze übrige Welt. Und wenn an diesem Donnerstage unser Kaiser und die deutschen Bundesfürsten dem ehrwürdigen Trä ger der Kronen Oesterreichs und Ungarns ihre Hul digung darbringen, dann wird auch das gesamte deutsche Volk im Geiste in dem Schönbrunner Schlosse »veilen, um den weisen Monarchen und treuen Freund unseres Kaisers zu seinem Ehrentage zu beglück wünschen. Mögen dem Beherrscher der alten Habs burger Lande noch Viele frohe Jahre beschieden sein! Verlobt. Prinz Friedrich war seit 1896 mit der älteren Schwester seiner jetzigen Braut, der Prin zessin Luise, vermählt, die ihm drei Kinder schenkte. Prinzessin Luise starb nach monatelangem, qual vollem Leiden infolge Genickstarre in Ratiboritz im April 1906. Der Bater des Prinzen verschied am selben Tage. Prinz Friedrich verließ darauf den österreichischen Dienst und lebt seitdem auf Schloß Nachod. — (Der Reichstags erledigte gestern eine größere Reihe von Vorlagen. Bon der Dampfersubvention für den Norddeutschen Lloyd wurden 270 000 Mark gestrichen. Die Forderungen für die Kolonialbahnen wurden bewilligt. Tie Ostmarkcnzulage wurde gleich falls genehmigt, unter Streichung des Betrags für die Unteroffiziere. — (Der Gegenbesuch der süddeutschen Finanz minister) beim Reichsschatzsekretär Sydow wird, wie verlautet, Ende des Sommers in Form einer ge meinsamen Anwesenheit in Berlin erfolgen. Bei dieser Gelegenheit dürsten die endgültigen Ent schließungen über die Finanzreform getroffen wer den. — (Das Marokko-Weißbuch.) Einem Telegramm zufolge erklärt die Kölnische Zeitung zu dem Weiß buck, jeder müsse den Eindruck gewinnen, daß die deutsche Regierung in allen darin behandelten Fra gen die größte Loyalität gegenüber Spanien und Frankreich bewiesen habe. Von dem guten Willen der französischen Regierung müsse man durchaus überzeugt sein. Man dürfe aber den Wunsch aus sprechen, daß sie sich namentlich in Sachen der wirtschaftlichen Gleichberechtigung widerstandsfähig gegen den Uebereifer der französisch-marokkanischen Interessenten zeige. Als Beispiel möge die heim liche Herstellung der Funkenspruchanlagen dienen, die in Tanger als „Windmühlen" bezeichnet wur den. Sachlich unberechtigt sei der Anspruch des französischen Gesandten gewesen, daß die für die deutschen Unternehmungen gesicherten Hasenanlagen in Tanger und Larasch nicht mehr kosten dürften als die französischen Anlagen in Saffi und Casablanca. Deutsches Reich. Dresden. (Tie Wahlrechtsreform.' Tie für heute angesetzt gewesene Sitzung der Wahlrcchts- deputation ist auf einen noch näher zu bestimmenden Tag der nächsten Woche verschoben worden, da die Parteien zu dem von einigen Mitgliedern der Wahl rechtsdeputation vorbereiteten Kompromiß noch nicht endgültig Stellung genommen haben. Von konser vativer Seite hören wir, daß die Fraktion im wesent lichen einig ist und nur noch einige Formalitäten Kn erledigen sind, ehe die definitzive Zustimmung erfolgt. Der Kompromißvorschlag ist, wie bekannt, ein einheitliches Wahlverfahren, beruhend auf einem Mäßigen Pluralwahlreckt. - — (Landtag.' Tie Erste Kammer des sächsischen Landtages erledigte in ihrer gestrigen Sitzung einige Kapitel des Etats und eine Reihe Petitionen. Tie Zweite Kammer stimmte nach eingehender Debatte dem Gesetzentwürfe über die Fürsorgeerziehung zu. Berlin. (Verlobung.) Prinzessin Thyra von Dänemark bat fick, nach einer Meldung aus Wien, Mit dein Prinzen Friedrich von Schaumburg-Lippe Die Furcht. Rcman von Friedrich Jakobsen. 8 Nachdruck verboten. „Mein Instinkt sagt es mir, Bill. Tu vergleichst mich mit einem Spürhund — gut, dann habe ich auch seine seinen Sinne. Als der Baron vor mir stand und ich ganz leise an die Stelle pochte, wo sein Furchtsinn sitzt, da zuckte er zusammen. In jenem Augenblick hätte ich ihn überrumpeln und ihm die Sache ins Gesicht werfen können, aber" — „Aber — ?" „Er hatte eine sehr schöne doppelläufige Büchs- flintc in der Hand", sagte Charly lachend. „Solche Dinger gehen nicht nur selten bei uns in Amerika leicht los." „Well — und was gedenkst Tu jetzt zu tun?" „Ich will den Finger ans dem Druckknopf be halten und es soll so lange klingeln, bis die Tür aufgetan wird. Ans der Fnrckt soll die Angst, aus der Angst soll das Entsetzen werden. Wie Tu siehst, bin ich nach Hamburg gekommen — ich muß Deine Illusionen zerstören, es war nickt Deinetwegen. Hier in Hamburg hält sich die Tochter des Barons Al fons bei Verwandten aus - also sozusagen, mein Fräulein Cousine. Ich werde mich ihr nähern — natürlich nicht in diesem Auszug, Bill — und es sollte mit dem Satan zugchen, wenn ein Weib nickt leichter cingeschüchtcrt werden könnte, als ein alter Haudegen. Vielleicht weiß sie etwas; wahrscheinlich weiß sie nichts, aber ich will sie wissend machen. Kennst Dn nicht die alte Mär von Samson und Dalila? Als die Philister das Geheimnis von Sam sons Krast ergründen wollten, da wandten sie sich an ein Weib Ich wende mich an ein Weib, um das Geheimnis der Schwäche zu erforschen. Sie wird ihm in den Ohren liegen und ihn plagen; sie wird ihn mit moralischen Redensarten zermartern, wie Weiber zu tun pflegen, und zuletzt wird er mürbe »verden und sein Geheimnis verraten. Wenn zwei Menschen um eine Heimlichkeit wissen, dann ist es Aus Nah und Fern Lichtenstein, den 6. Mai 1908. * Die Witterungsvorhersage für morgen: Südwcstwind, veränderlich, zeitweise Regen, Ge witterneigung. *— Flaggenschmnck trug heute das Kaiserliche Postamt anläßlich des Geburtstages des deutschen Kronprinzen. *— Vorsicht im Mai! Leuchtend gelb blüht bald der Goldregen. Achtung auf die im Garten spielenden Kinder, welche die verlockenden Blüten- tranbcn so gern abpslücken! Die Kleinen meinen, das hübsche Zeug sei etwas zum Essen und stecken es in den Mund. Tann werden sie nach kurzer Zeit heimgebracht, krank, stöhnend, und niemand weiß, woher die Krankheit. Dem in seiner Schönheit pran genden Goldregen wird niemand schuld geben, und doch trägt er sie: Die ganze Pflanze ist überaus giftig. Es muß vor ihr um so mehr gewarnt wer den, als sie sich nach der Blüte wie alle Schmetter lingsblütler mit einer Menge von grünen Schoten bedeckt, welche die Kinder erst recht verführen. — Ein keine mehr, oder glaubst Du, Bill, daß wir beide dicht halten könnten, wenn einer dem anderen in alle Falten des Lebens hineingeschaut hätte?" „Also das ist Dein Weg", sagte Smith finster. „Bist Tu ein Gentleman?" „Ich mache keinen Anspruch darauf. Wer Geld hat, der mag sich den Luxus gestatten, vornehm zn handeln, aber ich habe keinen Cent im Vermögen und bin obendrein um mein gutes Recht betrogen worden. Kann ich auf Deine Unterstützung rechnen?" Sie saßen noch eine Weile beisammen und re deten miteinander-, dann nahm Charly von dem Pro fessor Abschied. Er hatte eine ansehnliche Banknote in der Tasche und sein hübsches, keckes Gesicht trug den Ausdruck vollkommener Sorglosigkeit. Smith blieb in finsterem Grübeln zurück. Mar Körner fuhr mittags zwischen zwöls und ein Uhr nach Uhlenhorst hinaus. Er war im Ge- scllschaftsanzug und trug eine Blume im Knopfloch, denn er wollte bei Konsul Platen Antrittsvisite machen Diese Anknüpfung war nicht ganz vom Zaun gebrochen, denn Körner führte momentan einen Pro zeß für den Konsul, und Platen hatte bei der letzten geschäftlichen Konferenz etwas von „sich freuen nnd sehr angenehm sein" fallen lassen Er liebte es über Haupt, aufstrebende Persönlichkeiten sic seinem Haufe zu empfangen, und der junge Rechtsanwalt hatte ganz kürzlich als Verteidiger in einer Strafsache von sich reden gemacht. An diesen „Fall" dachte er auch, während sein Taxameter den Alsterdamm entlang rollte und das Sonnenlicht ans dem stillen Wasser der Binncn- alster glitzerte. Da hatte der Sohn einer sehr angesehenen Ham burger Familie allerhand raffinierte Betrügereien verübt, und obwohl die Angehörigen alles an Geld und Einfl,»ß aufboten, um die Sache aus der Welt zu schossen, war sie dennoch in die Hände des Staatsanwaltes gelangt. Man erwartete allgemein die Verurteilung des anderer Gistbaum, der unschuldig blühend twr «l« len Häusern steht, ist der Oleander. Er gehört, der scheinbar so Unschuldige, einer Familie an, auL der das furchtbare Strychnin kommt. In Italic* kommt es nicht selten vor, daß hungrige Tiere, Zie gen und Esel, sich an Oleanderblättern zu Tode fres sen. — Und noch eine Blume, eine gar liebliche — aber an ihr Glöckchen müssen wir dennoch ei* Warnungstäfelchen anhängen: Das Maiglöck chen. Eine ganz bedenkliche Giftpflanze, die in alle* ihren Teilen ein böses Herzgift enthält! Glücklicher weise schmeckt es rechtschaffen bitter und warnt so vor sich selbst. — Sollen wir uns nun diese Blumen und Blüten verleiden lassen? Bewahre, wir freue« uns ihrer. Unser Auge dankt dem Oleander und' dem Goldregen ihre Schönheit, und am Geruch einer holden Maiblümchens labt sich unser Geruchsorgan. Aber was darüber ist, das ist vom Uebel und taugt weder zum Kauen, noch zum Essen, ihr Kinder! *— Gute Obsternte. Die anhaltend kalte Wit terung, die uns gar nicht behagen wollte, wird unS im Herbst voraussichtlich reichlich entschädigen: den« die in außergewöhnlicher Menge an den Obstbäume« sitzenden Tragknospen sind vor Schädlingen und ver derblichen Einflüssen durch die Külte bewahrt ge blieben, so daß nach Gutachten der Oekonomen unb Obstzüchter, wenn nicht unvorhergesehene Schädi gungen hinderlich wirken, ein außergewöhnlicher Erntesegen zu erhoffen ist. — Abwarten! * Bom Geldmarkt. Die Beschaffenheit der 10 Mark-Scheine gibt im Publikum zu vielen Klage« Anlaß. Die Scheine erweisen sich nach kurzem Um lauf als weich und lappig und ihr ohnehin höchst un schönes Aussehen wird bald zu einem geradezu un appetitlichen. Dem Vernehmen nach ist daher i« den Kreisen des deutschen Handelstages in Erwä gung gezogen worden, beim Reichsschatzamte dahin vorstellig zu werden, daß diese Scheine eine etwaSi festere, widerstandsfähigere Konsistenz erhalten. * — Das neue Kommißbrot. Mit einem neue« Kommißbrot werden in der Heeresverwaltung augen blicklich Versuche angestellt, da vielfach eine leich tere Brotnahrung für die Soldaten gefordert wird. Das augenblicklich bei einigen Jnfauterietruppen- teilen zum Versuch verabfolgte Brot ähnelt dem gewöhnlichen Roggenbrot der Privatbäckereien. Ob es den an ein Soldatenbrot zu stellende« Anforde rungen genügen wird, muß der Versuch lehren. DaN Kommißbrot soll nicht allein großen Nährwert habe« und gnt verdaulich sein, sondern es soll auch nicht zu schnell vom Magen verarbeitet werden, es soll vielmehr auf eine gewisse Zeit füllen und so daN bei den Anstrengungen des Soldaten nur zu leicht auftretende Hungergefühl bannen. * — Jubiläum. Herrn Werkführer Robert Brühl, der über 80 Jahre bei Herrn Möbelfabri kant Paul Thonfeld beschäftigt ist, wurde gesterrl durch Herrn Bürgermeister Steckner unter aner kennenden Worten ein städtisches Ehrendiplom übe» reicht, ebenso wurde der Jubilar von seinem Chef a« seinem Ehrentage (dritter Osterfeiertag' durch ei« Diplom geehrt. Auch wir bringen noch nachträg lich Herrn Brühl unsere herzlichsten Glückwunsch«! dar. * — Naturheilverei». I« der gestern abe»8 abgehaltenen Monatsversammlung fand zunächst die jungen Mannes, aber Körner führte mit Hilse eineU psychiatrischen Gutachtens die Verteidigung so ge schickt, daß das Gericht sich von der Unzurechnungs fähigkeit des Angeklagten überzeugte und ihn auf Grund des Paragraph ö1 des Straf-Gesetz-BucheU freisprach. Tas Urteil wurde in der Presse sehr verschiede« kommentiert, aber Körners Nance war überall rüh mend erwähnt, und wenn es ihm jetzt gelang, sich auch eine gesellschaftliche Stellung zu erringen, s« konnte er als ein geinachter Mann gelten. Also eine Heirat. Ja — Esther oder Ada? Das war hier ditz Frage, aber vorläufig fuhr er zu den Angehörige» von Ada. Sic waren alle drei zn Haus, und Körner wurde sehr liebenswürdig ausgenommen. Natürlich kam das Gespräch sehr bald auf die letzte Laufe celebre. Platen drückte sich in seiner ungeschickten Weise darüber aus. „Wir sind ja alle sehr froh über diesen Aus gang", sagte er, „ein Makel, der aus einen au-l unseren Kreisen fällt, wird gegen die ganze Gesell schaft ansgemctzt. Nun kommt der junge Mann in eine Eharite, wird nach ein paar Monaten als geheilt entlassen und dann - Schwamm darüber. Aber seien wir ehrlich, -Herr Rechtsanwalt, das ist doch im Grunde genommen der reine Mumpitz. Die Aerzte glauben natürlich daran, und die Richter könne« sich nicht über das Gutachten der Sachverständigen hinwcgsetzen. Aber was soll daraus werden, wen* jeder Schwindler für verrückt erklärt wird? In die sem Falle hat der Angeklagte die größte Raffinerie bewiesen. Ter Staatsanwalt, fünf Richter und Sie selbst mutzten alle Geistesschärfe anwenden, um die klug und fein angelegten Fäden des Prozesses aus einander zn wirren und trotzdem soll ein Mann von so bejammernswert schönen Gaben plötzlich verrückt sein? Warum sind die Leute es immer, wenn si« gegen da« Gesetz gefehlt haben, warum sind sä» es nicht sonst?" (Fortsetzung folgt.)