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tichtensteiwLallnbergep Tc»gel»latt 2. Beilage z« Nr. 63. 1W8. —— IS z«h«G««O " Sonntag, den 15. März IMtllkilmr nt SttüM Dem Reichstage sind nunmehr die Ergänzungen zum Etatsgesetz und zum Reichshaushaltsetat für das Rechnungsjahr 1908 zugegangen, durch die die Ein richtung des Postscheckverkehrs ermöglicht werden soll. Die Vorlage über den Postüberweisungs- und Scheckverkehr ermächtigt als Ergänzung zum Etats- gesetz für 1908 den RejckBlanzler zur Einführung des Verkehrs und zum Erlast der Bestimmungen darüber. Die grundsätzlichen Vorschriften sind bis zum 1. Avril 1.914 auf dem Wege der Gesetzgebung zu re geln. Für das Vierteljahr vom 1. Januar bis 31. März IGO9 sind in der Einnahme 40300 Mart, in der Aus gabe 125 954 Mark vorgesehen, so datz ein Zuschuß von 85 054 Mark verbleibt. Wie 1899 solle» neun Postscheckämter in Berlin, Breslau, Köln, Danzig, Frankfurt am Main, Ham burg, Hannover, Karlsruhe und Leipzig eingerichtet werden. Die Vorsteher erhalten das Gehalt der Vor steher von Postämtern erster Klasse. Nach den beigesügten „Bestimmungen" ist zu dem Verkehr jede Privatperson, Handelssirma, össentliche Behörde, juristische Person oder sonstige Vereinigung oder Anstalt aus ihren Antrag zuzulassen. Der Post verwaltung bleibt Vorbehalten, die Liste zu veröffent lichen. Einzahlungen erfolgen durch Zahlkarten, Postan weisung oder lleberweisung. Tie neuen Zahlkarten haben zwei Ämpons, einen für den Empfänger und einen zweiten, der als Posteinlieferungsschein abge trennt wird. Der Text lautet einfach: Zahlkarte auf .... Mark . . Pfg. zur Gut schrift auf das Konto Nr. . . de . bei dem Postscheckamt in . . . Einzelne Zahlkarten werden unentgeltlich, in Heften für V- Pfg. das Stück, abgegeben. Es wird empfohlen, Konto und Nummer vorzudrucken. Ein zahlungen durch Zahlkarten können bei jeder Post anstalt und bei jedem Scheckamt von jedermann ge leistet werden. Der höchste Betrag ist 10000 Mark. Auf Antrag tverden die eingehenden und von dem Empfänger angenommenen Postanweisungen seinem Konto gutgeschrieben, ebenso Postauftrags- und Nach nahmrgelder. Für Rückzahlungen sind Scheck- und Ueberwei sungsformulare vorgesehen. 50 Stück Scheckformu lare kosten 50 Pfg., lvährend Ueberweisungsformulare umsonst abgegeben werden. Ueber 10 000 Mark dür fen Schecks nicht ausgestellt werden, auch sind sie spätestens in 10 Tagen nach der Ausstellung zur Zahlung vorzulegen. Der Scheck ist übertragbar Der Text lautet: ' Das Kaiserliche Postscheckamt in Berlin zahle gegen diesen Scheck aus meinem Guthaben den Betrag von . . . usw. Die Ueberweisungsformulare haben folgenden Wortlaut: Das Kaiserlich Postscheckamt in Berlin wolle aus meinem Guthaben den Betrag von ... Mark . . Pfg. ans das Konto Nr. . . . de, bei dem Postscheckamt in . . überweisen usw. Der Inhaber eines Kontos kann jederzeit aus dem Scheckverkehr ausscheiden. Die Gebühren betragen bei Bareinzahlungen von je 500 Mark oder einen Teil dieser Summe 5 Pfg.: für jede Barrückzahlung ein Achtel vom Tausend der auszuzahlenden Beträge, außerdem eine feste Gebühr von 5 Pfg.; für jede Uebertragung von einem Konto auf ein anderes Postscheckkonto 3 Pfg. Erheischt der Verkehr eines Kontoinhabers jährlich mehr als 600 Buchungen, so wird für jede weitere Buchung eine Zu schlagsgebühr von 7 Pfg. erhoben. Die Sendungen der Postscheckämter und der Postanstalten an die Kontoinhaber, sowie die Sendungen zwischen den Post scheckämtern und den Postanstalten werden im Scheck verkehr als Dienstsache portofrei befördert. Im Sandschak Novibazar. (Fortsetzung und Schluß.) Dem Durchschnittszeitungsleser, der die Ereig nisse nimmt, wie sie ihm in den Spalten seines Blattes geboten werden, wird es wenig ausgefallen sein, daß die ersten Nachrichten von einer österreichisch-russischen Verstimmung zuerst aus Rom kamen. Und doch liegt gerade für den Kenner der Balkanverhältnisse hierin ein vorzüglicher Wink für die gegenwärtige Lage der Dinge. Italien ist an einer Aenderung der Ver hältnisse ist Albanien am interessiertesten. Es be herrscht den ganzen Handel an der albanischen Küste Seine großen Hafenplätze Bari und Brindisi sind von Antivari, Medua und Durazzo kaum hundert Kilo meter entfernt, während der Weg von Triest nach diesen albanesischen Häfen ziemlich das fünffache be trägt. In Italien ist es wieder, das Montenegro mit Kanonen beschenkt, das große, herrliche Straße» im Lande der Schwarzen Berge errichtet hat. Jetzt, wo Oesterreich drangeht, sein Bahnnetz auszubauen, weiß Italien, welche schwere wirtschaftliche Schädigung seines Adriahandels harrt. Es sucht also, sich seiner Haut zu wehren und hält ein Zusammengehen mit der Petersburger Diplomatie nicht für taktisch unklug. Die Gestaltung der Verhältnisse im Balkan in der nächsten Zeit wird ja lehren, wie die Dinge sich enttvickeln. Gelingt es Oesterreich, seine Pläne durch- zudrücken und zu realisieren — was auch im reichs deutschen Sinne nur zu wünschen toäre —, dann würde der ganze Orienthandel, besonders nach der Fertigstellung der Bagdadbahn, in neue Bahnen ge lenkt werden, und zwar in solche, die in erster Linie den germanischen Völkern zugute kämen. Und in diesem Sinne ist die Sandschak-Bahn-Frage eine Frage der wirtschaftlichen Weltpolitik im modernsten Sinne des Wortes. Wenn die Schneeglöckchen blühen. Nove(lette von A. G. Lau. Nachdruck verboten. Tie Geschichte vom verlornen Sohn —. Sie hatte sie lange nicht gelesen, nicht seit der Zeit, da das Un glück gescluchen. Wozu auch? Sie kannte sie ja, kannte sie ebenso genau wie jene andere Geschichte, die dem alten Patriziernamen die Ehre genommen und ihr das stolzgetragene Haupt gebeugt hatt, die Geschichte, die sie zur Menschenfeindin gemacht, die die Blicke der Welt fürchtete, die in ihr die Mitgeächtete sahen - die unglückliche Mutter eines verlornen Sohnes. Ein Lusthauch strich durchs Fenster, das offen stand, denn der erste milde Frühlingstag war ge kommen. Der Lufthauch schlug ein paar Blätter der Bibel, die aufgeschlagen im Schoße der Sinnenden lag, um, noch eins und wieder eins. Jetzt legte sich deren Hand plötzlich auf die Seite, die ausgeschlagen war. Das vornehme Antlitz der rüstigen Matrone, deren voller weißer Scheitel die Schneppenhaube schmückte, bekam etwas Hartes, Starres, mährend sie aus den getrockneten Strauß sah, der zwisck-en den Blättern lag, — ein paar Schneeglöckchen, verblaßt, - ver blaßt wie die Stunde, da sie gepflückt waren. - Oder doch nicht! Nein, nein, sie war nicht ver blaßt, lebendig stand dieselbe in ihrer Erinnerung: Ein Frühlingstag wars getvesen wie heute, auf dem Grabe des Gatten hatten die ersten Schneeglöckchen geblüht und davor hatten ztvei seelenkranke Menschen gestanden, Gattin und Sohn, seelenkrank nicht um den, den das Grab hier deckte, der schlief lange schon, die Wunde war vernarbt, - seelenkrank um der Ge schichte willen, die Mutter und Sohn im Innern schied und den letzteren jetzt von. Grabe des Vaters fort trieb zum fernen Weltteil, um dort ein neues Leben zu beginnen, Iven» — nun ja, wenn er die Kraft dazu besaß. — „Du glaubst mir nicht, Mutter, weil keine Beweise erbracht sind für meine Unschuld an der Tat?" Er bitterung, noch mehr als Schmerz, hatte aus der jungen Männerstimme geklungen. Liebe zu geben, hatte diese Mutter, mit ihrem kühlen, stolzen Sinn, nie recht verstanden, wie sollte sie da auch an den Sohn glauben, dessen Seele ihr ein zugeschlossenes Buch geblieben, in dem ihr Stolz nur den Nachkommen des alten Patriziergeschlechtes gesehen. Eine achtung gebietende Persönlichkeit war Walter Arnholz, trotz seiner Jugend bereits stellvertretender Direktor des großen Bankhauses von O. und Co. gewesen. Er hatte seine Hand ausgestreckt nach dem schönsten Mäd chen der Stadt. Thea von Wellner war die Tochter einer verarmten Adelsfamilie. Zwei strahlend glück liche Menschen, richteten Arnholz und seine Braut sich ihr künftiges Heim ein, das zu schmücken der gtück- lickw Bräutigam sich garnicht genug tun konnte. Die Leute tuschelten ob des verschwenderischen Luxus, der in die neue Wohnung des Paares geschafft wurde und Frau Arnholz protestierte stirnrunzelnd, der Sohn verschwende an der Ausstattung sein Vermögen. Mit jugendlichem Lachen hatte er geantwortet, er hole am liebsten die Sterne vom Himmel herab, nm seiner Thea ein ihrer Schönheit würdiges Heim zu geben. Diese Worte sollten später zum Wegweiser werden für die Tat, die bald darauf die ganze Stadt in peinliche Aufregung versetzte. Ein auswärtiger Ka pitalist hatte seinerzeit 100000 Mark auf der Bank von O. und Co. deponiert und der stellvertretende Direktor, Walter Arnholz, die Summe in Empfang genommen und die Postquittung unterschrieben. Eine Plötzlich stattfindende Revision der Bank hatte aber ergeben, daß jene 100 000 Mark fehlten, und Arnholz, völlig fassungslos, hatte eine Haussuchung sich ge fallen lassen müssen. Es hätte dieser nicht bedurft gehabt — in seinem Pulte im Bureau Ivar ein Tausendmarkschein eingehüllt in das Papier mit der Adresse des Absenders, jenes Kapitalisten, gefunden worden. Welchen Weg das übrige Geld genommen - man meinte es zu wissen, die luxuriöse Ans stattung des neuen Heim gab den Kommentar hierfür und wenn die Rechnung auch nicht stimmt und Direktor Arnholz auch beteuerte, er wisse nicht, wie die Summe abhanden und der Geldschein in sein Pult gekommen, der Beweis für seine Schuld tvar da, und nur durck einflußreiche Verwandte, die zugleich den Betrag deck ten, war die Sache beigelegt worden und Arnholz vor dem Strafmaß bewahrt. Thea von Wellner, die noch jüngst so beneidete Braut, bewies jetzt, daß es auch im zwanzigsten Jahrhundert Heldinnen gibi. Zwar nrutzte die Minderjährige auf Gebot der Eltern, eingehen in die Lösung des Verlöbnisses, mit Seele und Mund aber blieb sie Walter Arnholz treu, wußte Wege zu finden, wo er Und sie sich ausspreckun tonn ten und ihr nnerschütterlickler Glaube au seine Um schuld, ihre süßen Trostworte, ihr Hosse» auf eine Zeit, wo die Sache aufgeklärt, der Schuldige gefunden sei und das Glück ihnen zurückkehren werde in alter Schöne, waren die Schubgeister die den Unglückliche» abhielten von einer Tat der Verzweiflung - ihre Küsse die letzten, die er mitnahm in den fremde» Weltteil. Und die Mutter. ^Er hatte vom Grabe ein paar Schneeglöckchen gepflückt und ihr gereicht: „Nimm diese als Piano dafür, datz ich die Tat nicht begangen habe". Und nach einer Weile: „Glaubst Tu auch jetzt nickt meinen Worten, Nkutter?" Ihr Blick hatte an den sckmeeweißen Blumen glocken gehangen Blumen vom Grabe — ein Heilig tum. Wer daraus schwört - . Lie halte den Sohu verstanden und dennoch - geschwiegen. Steffen, der erste Tirettor der Bant, hatte Arn- holz bis an Bord des Dampfers das Geleit gegeben und damit öffentlich beustesen, daß er an die Schuld des ehemaligen Kollegen nicht glanbte. „Ein Here, licher Mensch, dieser Steffen", murmelte die Matrone, im Geiste hierbei angelangt. Einem Impulse folgend, hatte sic dem Direktor des Sohnes Worte am Mrade wiederholt und dann auf die Blumen in ihrer Hand gewiesen: „Heute bin ich noch nicht überzeugt, jo furchtbar es für eine Mutter auch ist, dies einzu gestehen, bin nicht eher überzeugt von Walters Um schuld, bis der Beweis hierfür da ist. Möchte dies gesckwhen sein, wenn - die Schneeglöckchen blühen" Tie Korridorklingel schreckte die Sinnende aus Tic Dienerin war ausgeschickt, Besorgungen zu machen: die alte Dame mußte daher selbst geben und öffnen. Ein ärmlich gekleidetes, halbwüchsiges Mädchen stand draußen, ein Körbchen in der Hand: „Schneeglöckchen gefällig? Es sind die ersten und frisch gepflückt". „Nein". Unsanft fiel die Tür vor dem Kinde ;u. Eine Falte zwischen den Brauen, schritt die Marrone zurück. Dieser Mahnung an das Einst hätte eö auch nicht bedurft — die Erinnerung daran war ohnedies lebendig genug. Kaum im Zimmer angelangt, bürte sie abermals die Klingel gehen. Diesmal war es eine junge Dame, vornehm ei» fach gekleidet; einen Strauß Schneeglöckchen in der Hand. Sie war frisch und schön wie der Frühlingstag draußen; über den schönen Augen aber lag es wie ein Schleier des Schmerzes. „Ich bringe Dir die ersten Schneeglöckchen, liebe Mama! Ich kaufte sie sofort, als sie mir eben feil geboten wurden; es Ivar mir, als seien sie - ein Gruß — von - Walter. -- - Wie geht es jbm? Erzähle —" „Gut". Tie Angeredete beachtete die Blumen, die das junge Mädchen vor sie hingelegt halte, nicht „Nimm Platz, Thea". Und dann langsam: „Seine Faktorei blüht auf - eigentümlicherweise. Und es heißt dock): Der Eltern Segen „Mama —!" Ein Lufthauch blähte die Gardinen am Fenster weit - die Blätter der Bibel flatterten zurück - ein Gegenstand glitt zur Erde nieder -- ein Strauß ck-cn, verwelkt, verblaßt —. Das junge Mädchen hob es aus: daun plötzlick, brannten ihre Küsse darauf. Und nun ttang Schluck zen durch das Gemach. Der Blick der alten Dame streifte die Weinende — „Welkes Laub und welkes Hoffen - ' tam es über ihre Lippen. Es wurde still in, Zimmer. Thea von Wellner hatte den Kopf an die Fensterscheibe gelehnt - . Hier war keine Liebe — keine Hoffnung zu finde» Und dabei war es Frühling nnd das Herz ihr zum Zer springen voll von Sehnsucht nach dem Entfernten. „Ter Postbote kommt, erlaube, Mama, daß ich ihm aufmache". „Ein Brief an Dick, Mama!" kam die junge Botin zurück. Wieder ward es still im Zimmer. Für einen Augenblick nur, oder eine Ewigkeit? Ein Laut zitterte