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MOMUMNgM Früher Wochen- und Nachrichtsblatt ' Tageblatt sii WM MIT MM Wns, Ei. Wn, HnniM Rnicm, MW, 8ri»mM Wei Ei. Ws, Ei. Zml. ZI. Wein, ZiWkilns, MemW, AMM md WW» Amtsblatt für das Kgl. Amtsgericht und den Stadttat zu Lichtenstein Älteste Zeitung im Königlichen Amtsgerichtsbezirt —- - — Jahrgang. - Nr. 155. Donnerstag, den 7. Jnli *»77.""-':?" 1904. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) nachmittags für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pfg., durch die Post bezogen 1 Mk. 5V Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Zwickauerstratze 397, alle Kaiserlichen Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. Inserate werden die fünfgespaltene Erundzeile mit 10, für auswärtige Inserenten mit 15 Pfennigen berechnet. 2m amtlichen Teil kostet die zweispaltige Zelle 30 Pfennige. — Jnseraten-Annahme täglich bis spätestens vormittags 10 Uhr. Schlimme Gährungen in Rußland. Teils mit ihrem Namen offen und frei, teils anonym, ohne Namen und durch eine zweite Feder haben zwei der größten Patrioten Rußlands, die Fürsten Metscherski und Uchtomski, Kundgebungen in die politische Welt gelangen lassen, die ein sehr böses und trübes Licht auf die innere Lage Ruß lands werfen. Danach hindert die in Rußland all mächtige Beamtenwelt, die selbst den edlen Kaiser Nikolaus vollständig beherrscht, jeden rechten Fort schritt und jede ehrliche und zeitgemäße Wohlfahrts- politik in Rußland. Gegen diese Willkür lehnen sich in Rußland aktiv die Gebildeten im Adel- und Bürgerstande auf und viele gegen die Versumpfung und Beamtenlyrannei ankämpfende gebildete Russen und Russinnen müssen als angebliche Vaterlands verräter und Treulose nach Sibirien in die Ver- bannung oder gar an den Galgen. Aber auch noch eine zweite große dumpfe passive Gährung geht durch Rußland, das ist die Unzufriedenheit unter den russischen Bauern. Dieselben sind zwar ge wohnt, daß sie von den Beamten geschunden werden, und daß sie für den Zaren, an dem sie abgöttisch hängen, ihr Gut und Blut lassen müssen, aber die schlechten Zustände haben auch sür diese einfachen, rohen und zugleich gutmütigen Bauern ihre Gren zen, nämlich in allzugroßen Notständen, in denen eS ihnen an Brot und Geld fehlt, und in einem langwierigen Kriege, für den sie kein rechtes Ver ständnis haben und der ihnen endlose Opfer aufer legt. Und diese bösen Fälle sind für den russischen Bauern durch den japanischen Krieg eingetreten. Wenn es galt, gegen die Türken zu kämpfen, so wußte auch jeder russische Bauer in allen Tür kenkriegen, daß es gegen den Erbfeind das Schwert zu ziehen galt. Der Zweck des Krieges in der fernen Mand schurei mitJapan wird aber von den russischen Bauern nicht eingesehen und als ein schweres Uebel empfunden. Der Beweis dafür liegt in der schrecklichen Erscheinung, daß die Frauen und Kinder der russischen Reservisten, wenn diese in den Krieg ziehen müssen, sich schon oft vor die Eisenbahnzüge geworfen haben, die ihre Männer und Väter nach der Mandschurei bringen sollten. Diese armen Frauen und Kinder der russichen Reservisten werden in großem Elend zurückgelassen und sie wissen auch, daß sie ihre Ernährer sobald nicht Wiedersehen, zugleich sehen sie aber den Grund für diesen opfervollen Krieg nicht ein. Man kann da wohl sagen, daß Ruß land mit seinem riesigen Ländergebrete und seiner noch dünnen und in der Kultur rückständigen Bevölkerung wohl besser getan hätte, einmal fünfzig Jahre lang auf äußere Eroberungen, auf neuen Landbesitz „u verzichten und dafür lieber innere Eroberungen zu machen, das heißt Reformen darchzuführen. Aber das absolute russische Regiment hat ja für zeitgemäße Reformen gar keinen Sinn, fürchtet es doch dadurch seine Allmacht über das Volk einzubüßen. Und was sind die Hoff nungen der edleren Geister in Rußland? Sie bestehen darin, daß der jetzige Krieg über Rußland vielleicht noch viel Unglück und Unheil bringen werde, daß dem Zaren und seinen wahren Freunden die Augen über die Miß wirtschaft in Rußland aufgehen möchten. Man hört sogar Worte, die eine Revolution in Rußland nicht für unmöglich halten, wenn der Krieg mit Japan noch weiter einen schlimmen Verlauf nimmt. Zur Tchiffskatastrophe bei Rockhall. Kopenhagen, 5. Juli. Der Untergang des ..Norge" wird von allen Seiten als National unglück bezeichnet. Man sieht viele Fahnen auf Halbmast, besonders im Hafen. Fieberhafte Auf regung herrscht überall. Die „Salvia" wird sehr gelobt. Die Bemannung des Schiffes überließ den geretteten Weibern ihre Kajüte. Der Bürgermeister in Grymsbv hat für Einquartierungen der Geretteten gesorgt. Wahrscheinlich werden sie mittels eines Dampfers der Cunard-Linie nach Amerika gebracht. Der Kapitän der „Salvia" erzählt, daß er gleich nach der Rettung dec 27 Personen nach der Un glücksstelle segelte. Die See in der Nähe der Un fallstelle war mit Hunderten von Leichnamen, welche mit Rettungsgürteln versehen waren, bedeckt. Die Gerktteten, die in Grymsby ankamen, hatten 24 Stunden im Boote verbracht und furchtbar vor Hunger und Kälte gelitten. Das Verhalten des Kapitäns Gundel wird von allen Seiten gelobt. Seine Rettung erregt hier große Freude. Gundel war vieie Jahre im Dienste der Gesellschaft; er gilt als sehr zuverlässiger Seemann. Die „Norge," ein Schiff von 3318 Register-Tons, lief 11 Knoten in der Stunde und hatte viele wasserdichte Schotten. König Christian von Dänemark hat aus Wiesbaden seiner Teilnahme telegrabhisch Ausdruck gegeben. Politische Rundschau Deutsche« Reich * Als Termin, zu welchem die neuen Handels verträge in Krast treien sollen, wird jetzt der 1. April 1905 genannt. Auf den 1. April 1905, als Beginn der neuen Handelsära, deuten jedenfalls, wie nach dem „Berl. Tagebl." aus guter Quelle verlautet, alle Vorberatungen hin, die bei den Zollbehörden getroffen sind, wegen Einübung der Beamten zur Handhabung des weitaus schwierigeren Tarifs als des gegenwär tigen, durch Einrichtung von Laboratorien sowohl in Berlin, wie auch in allen Prooinzialhauptstädten. Ebenso gehen auch die direkten Weisungen der obersten Landesfinanzbehörden der deutschen Bundesstaaten an die ihnen untergebenen Zollorgane dahin, daß die Zollbeamten mit dem neum Tarif sobald als mög lich vertraut sein müssen, sodaß seine Handhabung ohne Schwierigkeiten vom 1. April 1905 ab begin nen kann. ' * In Feindesland durch Freundeshand gefallen. Ueber die näheren Umstände, durch die im deutsch südwestafrikanischen Kriege der Leutnant Guido Haas vom zweiten niederschlesischen Infanterieregiment Nr. 47 (Posen) getötet worden ist, gibt die nunmehr erschienene neueste Verlustliste aus Südwestafrika Auskunft. Danach ist Leutnant Haas in Feindesland von Freundeshand gefallen : er wurde infolge Unvor sichtigkeit von einer Ordonnanz erschossen. * Die Zweifel daran, daß eine gemeinsame Ver mittlungsaktion aller Großmächte im russisch-japani schen Konflikt beabsichtigt sei, haben sich sehr schnell als gerechtfertigt erwiesen. Von kompetentester Stelle wird mitgeteilt, daß von einer solchen gemeinsamen Aktion nichts bekannt ist. Auch in Kiel ist keines wegs über das Vermittelungsprojekt gesprochen wor den. Was die Meldung betrifft, daß die Vereinigten Staaten einen Schritt im Sinne des Friedens unter nehmen wollten, so wird diese Meldung weder ab geleugnet noch bestätigt; man weiß in Berlin nicht, was die Vereinigten Staaten zu tun gedenken. Ganz widersinnig sind aus Wien verbreitete Mitteilungen, daß Japan unter Verzicht auf Port Arthur Frieden anbieten wolle. Port Arthur ist das Haupt-Streit objekt gewesen, um das der Kampf entbrannte, das darf man nicht vergessen. * Im Aufruf zur 51. Katholikenversammlung, die in diesem Jahre in Regensburg abgehalten wird, findet sich u. a. folgende Stelle: „Katholiken Deutschlands! Wir gehen ernsten Zeiten entgegen. Von Tag zu Tag mehren sich die Erscheinungen, welche als Vorläufer eines allgemeinen, wohlorganisierten Kampfes gegen unseren heiligen Glauben, gegen die Frei heit unserer heiligen Kirche, gegen die gesicherte religiöse Erziehung unserer Kinder, gegen unsere Rechtstellung in Staat und Gesellschaft erkennbar sind. Dieser betrübenden Tatsache gegenüber dürfen wir nicht in Untätigkeit und Gleichgültigkeit verharren." Das heißt denn doch die Tatsachen auf den Kopf stellen. Die „regierende Partei" des Reiches, in dem Zentrum Trumpf ist, Hal eS wahrscheinlich nicht nötig, sich als die verfolgte Unschuld hinzustellen. * Brau erausstand in Hamburg. Eine in Hamburg abgehaltene, von 1200 Brauereiarbeitern be suchte Versammlung beschloß einstimmig, abermals in den Ausstand zu treten. * „Wir tanzen uns durchsLeben." Recht herbe Kntik wurde auf der hessischen Landesversammlung des Bundes der Landwirte an der Reichsregieruug ge übt. Nach einem Bericht der „Deutschen Tageszeitung" aus Hungen sagte der Bundesvorsitzende Dr. Rösicke u. a.: Wir tanzen uns durchs Leben, wir feiern uns durchs Leben und wir reden uns durchs Leben. Ein anderer Redner, Herr Major von Kloeden, sprach über Heimat politik und leistete sich die Bemerkung, es wäre angezeigt, das industrielle Absatzgebiet in der Heimat zu stärken, statt den Herero nachzulaufen, deren ganzer Hausbedarf noch nicht einmal einer Badehose gleichkomme! Oesterreich-Ungar«. * Auf der internationalen Kochkunst-Ausstellung in Pilsen ist es zu zahlreichen Exzessen von tschechi scher Seite gegen die deutschen Ausstellungsbesucher gekommen. Ein Offizier deutscher Nationalität wurde von den tschechischen Fanatikern sogar tätlich insul tiert. Und das auf einer internationalen Ausstellung! Hoffentlich wird den tschechischen Rüpeln von Pilsen der Standpunkt noch entsprechend klar gemacht! Serbien * König Peter von Serbien will sich nun am 22. September krönen lassen. Man sollte meinen, bei dem jammervollen Stande der serbischen Finanzen könnten diese Gelder wohl für besseres ver wendet werden. Frankreich * Endlich soll es gelungen sein, die geheimnisvolle Persönlichkeit zu ermitteln, welche den Unterhändler in der Zwei-Millionenaffaire der Karthäuser gemacht hat. Von der parlamentarischen Untersuchungskommission in Paris wurde in der Nacht zum Montag nochmals der Redakteur Cendre von der „Libre Parole" vernom men, und dieser bezeichnete nunmehr^ den Präsidenten des republikanischen Ausschusses für Handel und In dustrie, Mascurand, als jenen geheimnisvollen Besucher der Karthäuser. Vor allem wird jetzt wohl Mascurand vor der Untersuchungskommission zu erscheinen haben. Afrika. * Eine fetteasrikanischeEnte! Die Newyorker „Times" behaupten, einen Brief von einem Buren erhalten zu haben, worin besagt wird, daß an der deutsch-ostasrikanischen Grenze 4000 be waffnete Buren unter dem Kommando der Komman danten Van Brannellen und Moritz ständen, die sich angeblich niemals ergeben hätten. Es wird behauptet, daß die Kommandanten grc ßen Zuzug erhalten und daß sie hoffen, bis zum Januar 10 000 Mann ins Feld stellen zu können. Die „Times" behaupten, daß die deutschen Behörden diesen Buren großes Wohlwollen entgegenbringen. Der rusfisch japauische Krieg. Petersburg, 6. Juli. Der Korrespondent der „Nowoje Wremja" meldet aus L aojang, daß ein japanisches Korps in Stärke von 20000 Mann auf Mulden marschiere, um die Russen von dort aus zu umgehen und abzuschneiden. Tokio, 6. Juli. Japanische und russische Streitkräfte sind augenblicklich bei Kaiping im Ge fecht. General Kuröpatkin hat 30000 Mann zur Verstärkung. Die russische Stellung ist bei Tojchi- schiftao. Tokio, 6. Juli. Die Verluste der japanischen Marine werden bis zum 6. Juli wie folgt ange geben : Getötet 929 Mann, verwundet 253, vermißt 88. Von den Verwundeten sind bis zum 6. Juni 15 Mann gestorben. Verluste durch Krankheit sind nicht angegeben. Kiew, 6. Juli. Auf das Ersuchen Kuropatkins werden die Festungen Otschakow und Kersch, sowie zwei baltische Festungen eine große Anzahl schwer Geschütze an die Feldarmee abgeben. Die Regierungswerke liefern über 30 Geschütze pro Monat. Söul, 6. Juli. Amtliche Meldungen besagen, die Cholera sei in der Mandschurei ausgebrochen und habe bereits Andschu erreicht.