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WWMUMWM essr Früher Wochen- und Nachrichtsblatt Mi Tageblatt filMins, UW, HmÄors, M«s. Si.Wti, ßti«kilft«l Aman. Mikstl, MmÄns. MtiSIWis, A.ZM A. Meli. AWtüm, A«m. Wtmilsn. AWmel m) NMei» Amtsblatt für das Kgl. Amtsgericht und den Stadttat zu Lichtenstein Älteste Zeitung im Königlichen Amtsgerichtsbezirk — - ——-— 84. Jahrgang. >— — Nr. 135. Dienstag, den 14. Juni 1904. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) nachmittags für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pfg., durch die Post bezogen 1 Mk. 50 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Zwiäauerstrahe 397, alle Kaiserlichen Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. Inserate werden die sünfgespaltene Grundzelle mit 10, für auswärtige Inserenten mit 15 Pfennigen berechnet. Im amtlichen Teil kostet die zweispaltige Zelle 30 Pfennige. — Jnseraten-Annahme täglich bis spätestens vormittags 10 Uhr. 8ÜMWM M d» MM. (Ligen-Bericht.) ad. Berlin, 11. Juni 1904. Das interessanteste Moment der heutigen Sitzung bestand in einer kurzen Agrardebatte, die sich bei Gelegenheit der Rede des nationalliberalen Abg. Held entspann. Herr Held ist in einem vorwiegend ländlichen Wahlkreis mit zumeist viehzüchtender Bevölkerung gewühlt worden und steht den agrarischen Forderungen im großen und ganzen recht nahe. Heute bot sich ihn- nun eine gute Gelegenheit, für seine Landsleute eine Lanze zu brechen und für einen höheren Schutz der deutschen Viehzucht einzutreten. Unglücklich rweise aber hatte er mit seiner anscheinend gut durchdachten Rede Pech, soweit er sich nämlich auf die unsichere Bahn der Be antwortung der sozialdemokratischen Zwischenrufe begab, hier bei seinen rednerischen Faden verlor und Dinge sagte, die ihm und seinen engeren und weiteren Freunden recht unbe quem wurden. Die Darmhändler und Importeure hatten nämlich in einer Petition darum gebeten, 1. Därme in Zu kunft nicht unter das Fleischbeschaugesetz fallen zu lassen; 2. das Verb ü der Einfuhr von Pökelfleisch bis zu 4 Kilogramm wieder aufzuheben -, 3. Kälbermagen, Schafsdärme usw. ohne Beschau einführen zu lassen. Abg. Held bekämpfte diese Forderungen nicht nur, sondern ging auch dazu über, für die Sicherung der Grenzsperre gegen verseuchtes Vieh einzutreten und das große Interesse der Bauern an^der Viehzucht zu be tonen. Als er davon sprach, daß drei Millionen deutscher Landwirte ihr Getreide an das Vieh verfütterten, rief ihm der Abg. Molkenbuhr (soz.1 zu: „Getrsidezölle!" - DaS, was die Linke erwartet und Herr Molkenbuhr mit seinem Zwischenruf bezweckt hatte, trat ein: Herr Held konstatierte mit Emphase, daß die Bauern an den Ge.reidezöllen gar kein Interesse hätten. Damit war aber für die Sozialdemokratie daS Signal zum Losschlagen gegeben und sofort meldete sich der Aba. Fischer «Sachien) (soz.) um dem Hause „die Richtigkeit der sozial demokratischen Beweisführung gegen die Notwendigkeit der Geireide- sä oonlas zu demonstrieren. Wenn der Abg. Fischer aber geglaubt hatte, damit einen großen Coup zu begehen, so täuschte er sich. Der allzeit antisozialistisch aufgelegte Abg. Erzbeiger (c.) legte den Genossen ihren „Zöllner" Schippel aus dem Tisch des Hauses nieder und erging sich dabei in niedlichen Boshaftigkeit,n auf den Abg. Bebel und die sozialdemokratifche „Prinzipientreue". Der Abg. Thiele (soz.), der leinen Frak«inn«genossen Schippel Herm Erzberger gegenüber reinzuwaschen versuchte, holte sich Labei ebenfalls eine Abfuhr, denn er war dvch nicht spitzfindig genug, die zollfreundlichen Anwandlungen uns Grundsätze des Abg. Schippel in das Gegen teil zu verkehren. Zu einer Abstimmung über die Petition kam es nicht, da der Abg. Müller-Sagan (LP.) ihre Absetzung von der Tagesordnung beantragte und das Haus sich dem, wenn auch wider willig fügte. Uederhaupt befand sich die konservative und Centrumspartei heute fast ganz in den Händen der Linken. Unter großer Heiterkeit konstatierte z. B. der Vizepräsident Graf zu Stollberg-Wernigerode, daß die 16 Freisinnige» und Sozialdemokraten die Mehrheit bildeten und den Antrag auf Absetzung des größten Teiles aller Petitionen von der Tagesordnung angenommen sei. So kam es denn, daß schon nachmittags 4 Uhr die Tagesordnung, wenn auch gewaltsam, erschöpft war und der Präsident die Vertagung bis zum Dienstag aussprechen konnte. Die als erster Punkt aus der Tagesordnung stehenden Wahl- Prüfungen wurden bis auf die des Abg. Dirksen (Rp.) in Kottbus nach den Besälüsfen der Kommission erledigt. Kroße Aufmerksamkeit erregte heute das Erscheinen der wieder- gewählten Abgg. Bassermann und Blumenthal. Von allen Seiten wurden sie freundlich, zum Teil recht begeistert, begrüßt. Ausblicke auf die Wettlage Noch immer läßt eine entscheidende Wendung in dem blutigen Ringen zwischen Russen und Ja panern auf sich warten, und so muß denn auch dir weitere Entwickelung des in seinen Wirkungen weit nach Europa und Amerika hinübergreifenden ost- asiatischen Problems durchaus dahingestellt bleiben. Dieser Lage entspricht es auch nur, daß die aufge- tauchten Gerüchte von Bermittelungsbemühungen neutraler Mächte bei Rußland und Japan wieder verstummt sind, einstweilen ist im fernen Osten nur das Schwert maßgebend, mit dem diplomatischen Wort hat es noch gute Zeit. Merkwürdigerweise kommt aber gerade jetzt die Kunde von einer be deutungsvollen diplomatischen Aktion in einer anderen asiatischen Affaire. Wenigstens tritt die Nachricht ziemlich bestimmt auf, es sei auf die Anregung König Eduards hin ein Abkommen zwischen Eng land und Rußland wegen Tibets abgeschlossen worden, wodurch ein drohender Konflikt beider Großmächte in der tibetanischen Frage vermieden werden würde. Die Mitteilung nimmt sich freilich wunderlich genug aus, denn die gegenwärtige britische Expedition ist ja eigens zu dem Zwecke ins Werk gesetzt worden, das Land des Dalai Lama mehr oder weniger unter britischen Einfluß zu bringen, und mit Berechnung wurde hierzu von den Eng ländern der Zeitpunkt ausgewählt, zu welchem Rußland sich durch seinen Krieg mit Japan voll in Anspruch genommen sieht. Warum sollte also Eng land aus freien Stücken mit einem Male eine Ver ständiguna mit seinem Konkurrenten um die Vor herrschaft in Asien wegen Tibets suchen? Indessen, die englische Politik hat ja erst kürzlich durch die Anerkennung der französischen Interessen- und Ein- flußphärcn in Marokko in dem Kolonialabkommen mit Frankreich die Welt überrascht, es wäre demnach auch die erwähnte plötzliche Schwenkung in der asia tischen Politik Englands immerhin möglich. Was nun den gegenwärtigen Stand der marokkanischen Frage selbst anbclangt, so lassen sich die mutmaß lichen Wirkungen und Folgen des auf Marokko be züglichen englisch-französischen Abkommens noch keineswegs mit Bestimmtheit beurteilen. Trotz dieses Abkommens bildet Marokko offenbar nach wie vor eine Quelle möglicher internationaler Konflikte, wie auch das Erscheinen eines amerikanischen Ge schwaders vor Tanger wiederum beweist, mag gleich diese maritime Demonstration der Union zunächst auf die Einführung des Amerikaners Perdikaris zu- rückzusühren sein. Ziemlich still ist es in letzter Zeit von den mazedonischen Vorgängen geworden; es mag doch sein, daß das Bandenwesen in Mazedonien in den letzten Zügen liegt, nachdem die bulgarisch-türkische Verständigung eine fernere heimliche Rückenstärkung der aufständij ä en Sache von Bulgarien aus eigent lich unmöglich gemacht hat. Auch die übrigen Spezialseiten des alten vielnerschlungenen orientalischen Problems geben zur Zeit keinen Anlaß zu sonder licher Beunruhigung. Einer verfrühten Hundstaas märe glich die dieser Tage in den spanischen Kortes vom Grafen Romanones aufgestellte Behauptung, Spanien habe mehrere Jahre heimlich dem Dreibund angehört. Der jetzige Ministerpräsident Maura und der frühere Minister Goisard haben diese sensa tionelle Enthüllung alsbald als unbegründet be zeichnet, was auch ganz plausibel klingt, denn warum hätte sich der Dreibund mit einem so über flüssigen Anhängsel, wie es das schwache Spanien dargestellt haben würde, belasten sollen? Inzwischen macht der bevorstehende Besuch des Königs Eduard bei Kaiser Wilhelm in Kiel immer stärker von sich reden: wenn wanden Auslassungen eines Teiles der Londoner Blätter und auch einzelner Deutscher Blätter glauben dürfte, so hätte man es in dieser Kieler Monarchenbegegnung mit einem Vorgänge von ganz besonderer politischer Bedeutung zu tun. Das ist indessen wohl noch sehr die Frage, aber steht zu vermuten, daß die europäische Konstellation auch nach der jüngsten Zusammenkunft zwischen Kaiser Wilhelm und König Eduard keine bemerkens werte Veränderung aufweisen wird. Der russisch-japanische Krieg. Ueber Port Arthur schreibt ein Berliner hoher Militär: Dank der gemeinsamen Arbeit zwischen Heer und Flotte der Japaner und dem da durch im Kampfe jedenfalls bald eintretenden Ueber- gewicht der Artillerie wird Port Arthur vielleicht fallen und so mit ihm der Stützpunkt der russischen Flotte im Osten. Schwerwiegend und schmerzlich wird der Verlust für Rußland sein ; doch nicht aus schlaggebend. Der glückliche Ausgang des Feldzuges für Rußland würde auch dann in der Durchführung des bisher befolgten OperationßplaneS, in der Samm lung starker Kräfte im Liauhotale und in der Nieder werfung des Gegners in der Feldschlacht, liegen. Dazu stimmt nicht ganz, was der „Köln. Ztg." aus Petersburg über die Aussichten der Verteidiger von Port Arthur gedrahtet wird: Port Arthur ist mit Lebensmitteln und Kriegs- Vorräten für wenigstens ein Jahr reichlich versorgt. Die Mehlvorräte dürften sogar für l'/z Jahr reichen Die Forts mit ihren Batterien auf der Landseite blicken von den Port Arthur umgebenden Höhen herab, die einen Erfolg mit einem gewöhnlichen Sturm sehr fraglich erscheinen lassen. "Alle Garni sonen der Liautung-Halbinsel sind gegenwärtig in Port Arthur konzentriert und repräsentieren ein Korps von wenigstens 50000 Mann, das eine Linie von nur 19 km zu verteidigen hat. Auf den Kilo meter kommen somit über 2600 Soldaten, während gewöhnlich 1560 Mann auf den Kilometer verwandt werden. London, 13. Juni. Nach Meldungen aus Tokio erklärte eine hochgestellte Persönlichkeit, daß Japan nach Besitz-Ergreifung von Port Arthur und Mukden die Offensive einstellen und auch keinerlei Einwendungen dageben machen werde, wenn von befreundeter Seite eine diplomatische Intervention zur Herbeiführung von Friedensverhandlungen ein geleitet werde. London, 13. Juni. Aus Tokio wird ge meldet, daß man täglich den Fall Port Arthurs er wartet. General Oku setzt das Bombardement fort und hat die äußeren Festungswerke und die Urlung- höhen eingenommen. Kuroki dringt nach Norden vor. Die Russen weichen zurück. Liaojang ist be reits geräumt. Das Hauptquartier ist nach Mukden verlegt. Die Japaner stehen in unmittelbarer Nähe von Liaojang. Ferner wird ein großes Treffen süd lich von Kaiping gemeldet, indem sich beide Teile den Sieg zuschreiben. Petersburg, 13. Juni. Die Japaner bauen eine Bahn vom Palu nach Fönghwangtshöng, da die Regenperiode die Proviantzufuhr sonst erschweren würde. Die Vorwärtsbewegung Kuropatkins wird hier als kaum dauernd angesehen, weil die Regen zeit in wenig Tagen beginnt. Das Panzerschiff „Orel" hat gestern das Dock verlassen. Die Beschä digung, die rS erlitt, ist vollkommen repariert. Petersburg, 13. Juni. Die Verstärkungen, welche für Kuropatkin unterwegs sind, werden, wie man hofft, bald die Situation auf dem Kriegsschauplätze ändern. Das Hauptkorps Kuropatkins befindet sich öst. lick von Fönghwangtschöng. Die beiderseitigen Vorposten stehen fortwährend in Fühlung miteinander. Man er wartet bedeutende Ereignisse. Petersburg, 13. Juni. Aus Liaojang wird berichtet: Nach Meldungen von Chinesen hätten die Japaner bedeutende Verstärkungen in der Umgegend von Port Arthur erhalten. Petersburg, 13. Juni. Gestern zirkulierte wiederum das Gerücht, daß ein neues Seegefecht vor Port Arthur stattgefunden habe, wobei mehrere russische und japanische Kriegsschiffe in den Grund gebohrt worden seien. Eine amtliche Bestätigung ist bisher noch nicht eingetroffen. Man glaub^ noch immer, daß sich das Wladiwostockgeschwader mit dem Geschwader von Port Arthur vereinigt hat. Man bezweifelt, daß Kuropatkin einen ernsten großen Versuch machen werde, Port Arthur zu entsetzen. Paris, 13. Juni. Der Londoner Korrespon dent des„Matin", der bekanntlich mit dem Londoner japanischen Gesandten Fühlung hat, depeschiert, daß auf der Gesandschaft eine optimistische Auffassung der Lage herrscht. Man sei dort auf Grund bestimmter Nachrichten überzeugt, daß die Einnahme von Port Arthur in kürzester Zeit erfolgen wird. Man er wartet auch die Nachricht von ein:m japanischen Sieg über Kuropatkin bei Laojang. Man glaubt sicher, daß Kuropatkin gefangen genommen werden könnte, da die Japaner alle Vorkehrungen getroffen hätten, um die Rückzugslinie nach Norden abzuschneiden. La les NW» AuS Belgrad wird der „Neuen Freien Presse" gemeldet: Der denkwürdige 11. Juni ist ohne Demonstration und Ruhestörung vorübergegangen.