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Partei sich entwickelt hätten, dann wäre vielleicht manches nicht so gekommen, wie e-gekommen ist.... „Sie können heute in einer Resolution die Abschaffung der bestehenden Gesellschaftsordnung beschließen. Sie können aber nicht verhindern, daß Sie morgen früh um sieben Uhr wieder zur Arbeit antreten müssen." Die Gewerkschaften würden notwendig sein zu allen Zeiten, selbst in dem sogenannten sozialdemokratischen ZukunftSstaat. ES sei kein Zweifel, meinte er ferner, daß gerade in Deutschland gewisse Kraft proben der Entwicklung der Gewerkschaften sehr hinderlich gewesen seien. Infolge der einseitigen Politischen Tätigkeit sei eS in Sachsen möglich, daß Arbeiter 20 Jahre lang einen sozialdemokratischen Abgeordneten in den Reichstag senden und doch nicht imstande seien, das Joch des Elfstundentages zu brechen. Durch die Resolution des Dresdener Parteitages, die alles Gemeinsame zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ausschließe, sei jede Ver st än- digung mit dem Unternehmertum un- mö ali ch. — Solange die Gewerkschaften sich von der Sozialdemokratie ins Schlepptau nehmen lassen, werden solche Worte bei ihnen auf unfruchtbaren Boden fallen. * Den diesjährigen Kaisermanövern, die sich zum Teil an der Küste der Ostsee udspielen werden, mißt man insofern große Bedeutung bei, als das Zusammenwirken zwischen Heer und Marine «ine eingehende praktische Erprobung erfahren kann. Zu diesem Zwecke wird der „Nat.-Ztg." zufolge eine sehr stattliche Anzahl Offiziere, unter ihnen auch bayerische, sächsische und württembergische, an Bord der Linienschiffe, Kreuzer und Torpedoboote komman diert werden. Es sollen nach mannigfachen Rich tungen hin Erfahrungen gesammelt werden. Der russisch-japanische Krieg dürste ja wohl auch An regungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung geben. * Die Mitteilungen, daß zwischen der russischen nnd deutschen Regierung eine Aussprache stattfindet zwecks Wiederaufnahme der deutsch-russischen Handels vertragsoerhandlungen, können wir, schreibt das „CH. Tgbl.", auf Grund von Auskünften, welche wir an bestunterrichteter Stelle erhielten, bestätigen. — „Hirschs Bureau" hat aus Wien gemeldet, daß an angeblich maßgebender Stelle wenig Hoffnung auf Zustandekommen des deutsch österreichischen Han delsvertrages bestehe, wenn Deutschland nicht nach gebe. Dazu ist zu bemerken, daß von deutscher Seite noch vor Aufnahme der Verhandlungen betont worden ist, daß eine Verständigung schwierig sein werde. Auch heute werden die Schwierigkeiten auf deutscher Seite nicht unterschätzt; aber da Oesterreich- Ungarn mindestens ein ebenso großes Interesse an dem Zustandekommen eines Handelsvertrages hat wie wir in Deutschland selber, wird es wohl nicht unmöglich sein, zu einem Vertrage zu kommen. * Die Meldung, daß die Berufung im Straf prozeß gesichert sei, trifft nach der „N. Pol. Korr." nicht zu. Vor dem kommenden Winter sei an eine Entscheidung nicht zu denken. * Die preußlscheMiNtärverwaltung läßt gegenwärtig durch die Proviantämter Erhebungen darüber anstellen, welche größeren Bestände an Weizen, Roggen und Hafer in den einzelnen Kreisen alljährlich in der Zeit vom Oktober bis März und vom April bis September erfahrungsmäßig im ungefähren Durchschnitt vorhanden sind. * Stiftung für Arbeiter. Kommer zienrat Dycherhoff - Biebrich, der anläßlich des 40- zährigen Fabrikjubiläums zum Geheimen Kommer- Jm Schlöffe der Ahnen. Original-Roman von Otto König-Liebthal. (19. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Das Blatt entfiel Hellmut aus den Händen, und mit maßlosem Erstaunen blickte er seine Mutter an, die sanft lächelnd die Mienen ihr Sohnes be trachtete. „So ist das Rittergut Eichfeld also meines Groß vaters Eigentum gewesen," sagte Hellmut überrascht, „denn dort in einem Zimmer hängt noch sein Bild!" Er nahm das Papier wieder auf und las weiter: „abzulegen, darüber werdet Ihr in den beiliegenden Papieren vollkommen Aufschluß finden. Doch haben durch die Gnade seines Königs — auch dieses Doku ment liegt bei — alle leine männlichen Nachkommen das unantastbare Recht erhalten, zu jeder Zeit den Namen eines Grafen von Eichfeld-Kraft wieder an zunehmen. — Mein Vater, der durch den Verkauf des Rittergutes Eichfeld, welches mehrere Jahrhun derte lang Eigentum unserer Familie war, ein großes Vermögen mit nach Amerika nehmen konnte, er warb dort eine Farm und lebte unter dem einfachen Namen Kraft. In der Bewirtschaftung seiner Farm hatte er Glück, so daß er sein Vermögen von Jahr zu Jahr vergrößerte. — Meine Mutter starb bald an einem Herzschlag. Mein älterer Bruder Hans blieb auf der Farm, während ich studierrte. Mehrere Jahre weilte ich auch in Deutschland und besuchte einige Semester die Universität zu Berlin zu meiner weiteren Ausbildung. Hier lernte ich Dich, mein« geliebte Johanna, kennen. Doch ehe ich um Dich werben konnte, rief mich der plötzliche Tod meines Vaters nach Amerika zurück. Mein Bruder HanS wurde alleiniger Erbe der großen Farm, sollte mir jedoch 900 000 Mar! a s meu: Eigentum he.auZ- zienrat ernannt wurde, überwies 200000 Mark als Unterstützung den Hinterbliebenen seiner Arbeiter. Oesterreich *TraaischeSEndeeinerAlpenpartie. Der alpine Spott hat wieder «in Opfer gefordert. Ein Grazer Student, Heinrich Carner, der einzige Sohn einer Witwe, stürzt«, wie man aus Graz meldet, bei einer gefährlichen Kletterpattie auf dem Pfaffengogel bei Stübing über eine 60 Meter hohe Wand und war so? fort tot. Frankreich * Paris. In der Deputiertrnkammer wurde der von dem Bonapartisten Cunöo d'Ornano eingedrachte Gegenentwurf auf Einführung einjähriger Dienstzeit und Anwerbung von Freiwilligen, die fünf Jahre dienen, mit 483 gegen 35 Stimmen abaelehnt. Artikel 1 deS Gesetzes, betreffend die zweijährige Dienstzeit, nach welchem jeder Franzose zum persönlichen Militärdienst verpflich tet ist, wurde angenommen Bü der Beratung des Artikel 2, welcher alle Befreiung vom Militärdienst auf hebt, beantragten mehrere Redner, für solche Militär pflichtige, welche Ernährer ihrer Familien sind, Befreiung vom Dienst eintreten zu lassen. Der Antrag wurde mit 367 gegen 209 Stimmen abgelehnt und darauf Artikel 2 mit 437 gegen 1.33 Stimmen angenommen. Bulgarien. * In der Landstadt Ferdinand hatte eine Kon ferenz der Lehrer die Abschaffung des 'Religions unterlichts in den Schulen beschlossen. Hierdurch wurden Protestkundgebungen der ländlichen Bevölke rung des ganzen Fürstentums gegen die Lehrer her vorgerufen. Man verlangte eine Maßregelung der Lehrer, von denen viele der sozialdemokratischen Partei angehören. Amerika. "Präsident Roosevelt soll die Absicht haben, demnächst Europa zu besuchen. Eine Zu sammenkunft mit Kaiser Wilhelm und König Eduard soll sehr wahrscheinlich sein. Aus Stadt «ad La«d Lichteustei», 9. Juni * — Von befreundeter Seite wurde uns gestern ein Noggeuhalm vorgezeigt, welcher die stattlich c Länge von 2,27 Meter aufwies. Der Roggenhalm war auf einem Felde in der Nähe der Papiermühle gewachsen. * — Für die Ausstellung des Sächsischen Gast. Wirtsverbandes m Glauchau habe» u. a. auch die Gast wirtsvereine Lichtenstein Callnberg Ehrenpreise gestiftet. * — Bei dem SS. Preis-Schießen der Priv. Schützengesellschaft Zwickau errang Herr Wilhelm Brosche-Lichtenstein mit 50 Punkten auf Feld-Meisterscheibe den 2. Preis. *— Rechtzeitig Fahrkarte« lösen k Recht unwillig sind oft Reisende, die erst kurz vor Abgang des von ihnen zur Fahrt zu benutzenden Zuges auf dem Bahnhof eintreffen, wenn sie infolge zu großen Andranges an den Fahrkartenschaltern nicht gleich von den Schalterbeamten bedient werden können. In Z 13 der Eisenbahn-Verkehrsordnung vom 26. Oktober 1899 heißt es aber: „Fünf Minuten vor Abgang des Zuges erlischt der Anspruch auf Ver abfolgung einer Fahrkarte". Danach sind also die Beamten an den Fahrkartenschaltern gar nicht ver pflichtet, später kommenden Reisenden Fahrkarten zu verkaufen, mindestens sind aber Klagen von Reisen den wegen zu langsamer Bedienung an den Fahr kartenschaltern in formeller Hinsicht unberechtigt. Es beißt eben: Rechtzeitig kommen! *— Für Gchul»u«stüge, welch« ganz oder teilweise mU Benutzung der Bahn auSgeführt werden, ist «ine neuere Bestimmung bezüglich deS Fahrpreises beachtlich, welche lautet: Unter halbem Fahrpreis ist der halbe Preis von einfachen oder von Rückfahrkarten zu verstthen. In der vorjährigen Saison war die Benutzung von Rückfahrkatten be kanntlich ausgeschlossen für derartige gemeinschaftlich unter Aussicht der Lehrer unternommene Reisen. Die Teilnehmerzahl, einschließlich der begleitenden Lehrer, muß mindestens 10 betragen. *— Alpeusouderzüge, welche durch Bayern oder durch Württemberg verkehren, werden auch dieses Jahr von verschiedenen sächsischen Stationen aus nach dem Süden abgelaffen. So werden von Leipzig aus nach München, Kufstein, Salzburg und Lindau am 2, 14., 15. und 16. Juli, sowie am 13. August von Dresden und Chemnitz aus nach den gleichen O-ten am 14. und 16. Juli, sowie am 13. August und von Leipzig und Dresden aus über Stuttgart nach Friedrichshafen am 15. Juli solche Züge verkehren. Universitäts Ferienkurse in Leipzig vom 18.—30. Juli 1804 An den freien Nachmu- tagen werden die Teilnehmer an den Universitätsferien, kursen Gelegenheit finden, das städtische Museum, das Völkermuseum, oas geologische, mineralogische und zoolo gische Institut, den botanischen Garten der Universität unter kundiger Führung zu besuchen Im Bildermuseum und im Völkermuseum werden im Anschluß an einen Rundgang Vorträge gehalten werden. Außerdem sollen eine größere Buchdruckerei, eine der größten Pianoforte fabriken, der Palmengarten, der zoologische Garten und das Leipziger Schlachtfeld besichtigt werden. Die Kosten werden für den einzelnen Teilnehmer ca. 100 Mark sincl. Honorar, Wohnung, Kost usw.) betragen. An- Meldungen bis Anfang Juli an ll. Uebel, Leipzig, Untere Münsterstr. 3. Das vorher eingezahlte Honorar wrrd zurückgezahlt, wenn jemand an den Kursen nicht teilnehmen kann. Dresden. Als Kinder auf einem Stoße Balken spielten, kam ein Balken ins Rollen und traf das 7jährige Töchterchen des Bäckermeisters Schiäpel aus Niederhäg- lich so unglücklich, daß es seinen Verletzungen erlag. — In Strießen schoß sich ein infolge längerer Arbeits losigkeit lebensmüde gewordener I7jähriger Gewerbsgehilfe eine Kugel in die Brust und starb bald darauf. Leipzig. Ein tragikomisches Mißgeschick, das eines gewissen pikanten Beigeschmackes nicht ent behrte, mtve-fuhr in der rcichdelebten Zeitzer Straße einer Radfahrerin. Wohl infolge des Windes geriet der Kleideriock der jungen Dame in die Kette und die ungeschützten Speichen des Hinterrades, und zwar mit solcher Plötzlichkeit, daß der Fahrerin buchstäblich der ganze Rack vom Leibe gerissen wurde. Wer den Schaden Hal, braucht für den Spott bekanntlich nicht zu sorgen, und so konnte die Lenkerin des ungeber- digen Stuhlrosses noch von Glück sagen, daß der — Unterrock, in dem sie sich schnell vor den Augen der neugierigen Passanten in eine Nebenstraße flüchtete, kein schillernder Kroufrou-Jupon, sondern von dis kreter, dunkelgrauer Farbe war. l-OOSV M AchlMs- LüM-Mme Ziehung erster Klasse 15.u 18. Juni 1904 Hal abzugeb. Mitin k. IvM, nw. 5. ß. Setzei, zahlen, welches Geld ich jedoch nie erhalten habe. Mein Bruder hatte nämlich an einem Aufstand gegen den Präsidenten des Landes teilgenommen und mußte fliehen. Doch hatte er noch so viel Zeit, die Farm zu verkaufen, so daß er mit reichen Geldmitteln ver sehen war. Ich war gerade in dieser Zeit zu einer Erholungsreise nach Mexiko gereist und war nicht wenig erstaunt, als ich von der Flucht meines Bruders — der dort in Amerika ein angesehener und hoch geachteter Mann war — in den Zeitungen las. Sofort kehrte ich nach Hause zurück, um mein Geld, welches mir noch nicht ausgezahlt war, zu retten. Ich kam zu spät. Wohin mein Bruder flüchtete, ob er noch lebt — warum er mich so schändlich betrogen — ich weiß es nicht. Alle meine Nachforschungen nach ihm waren vergeblich gewesen. Doch erhielt ich von einem seiner Freunde bald nach feiner Flucht unsere Fa- milienpapiere und wichtigen Dokumente, die er diesem übergeben hatte, ausgeliefett, und jetzt erst erfuhr ich, daß ich berechtigt war, mich Graf von Eichfeld-Krast zu nennen. Doch was nützte mir dieser stolze Titel! Ich besaß nichts, um auch als Graf leben und auf treten zu können. Ich wollte verzweifeln. Endlich raffte ich mich auf. Ich verließ Amerika und ging nach Deutschland zurück. Die Vergangenheit sollte für mich vergessen sein. Meinen einfachen Namen be hielt ich, ohne jemals jenes Recht in Anspruch ge nommen zu haben. Und mir ist das nie leid geworden. Jetzt näherte ich mich Dir, geliebte Johanna, und wir beide waren glücklich alle Jahre hindurch. Wir litten nie Mangel, denn meine Praxis war groß und Gott legt« seinen Segen auf meine Arbeit. Sorg fältig verwahrte ich alle Dokumente, um sie Dir, mein Sohn Hellmut, einst hinterlaffen zu können. Du magst den stolzen Namen eines Grafen von Eichfeld-Kraft wieder annehmen, es ist Dein ver ¬ brieftes Recht; doch bedenke auch, Titel und Würden und Reichtum machen nicht glücklich. Ich bin am Ende. Vergebt mir, daß ich Euch dies alles ver- schwiegen habe. Wir waren alle so glücklich, hiben nie nach Reichtum und Ansehen getrachtet — wirst Du aber, mein Sohn Hellmut, einst beides besitzen, so bleibe fromm und demütig, denn nur den De mütigen gibt Gott Gnade. — Ich segne Euch. Trauert nicht um mich. Auf Wiedersehen im Himmel! Dr. Erich Kraft." Hellmut gab dieses Schreiben seiner Mutter zu rück — wortlos. Dann durchflog er den Inhalt der übrigen Papiere, darunter eines mit dem Königlichen Siegel. Welche Gedanken jetzt auf ihn einstürmten und sein H:rz bewegten, — wer wollte das ergrün den! Mit Wehmut gedachte er seines Vaters und Tränen rannen an seinen vor Aufregung geröteten Wangen hernieder. Frau Kraft störte ihn nicht; mit Wohlgefallen ruhte ihr Auge auf Hellmut. Endlich legte er die Papiere sorgfältig zu sammen und reichte sie seiner Matter. „Behalte sie, Hellmut," sagte diese lächelnd, „für mich haben sie ja doch keinen Wert mit Aus nahme der letzten, lieben Zeilen von der Hand Deines Vaters, welche ich mir aufbewahreu will wie ein Heiligtum. Aber Du kannst sie gebrauchen, Dir können sie einst von großem Nutzen fein." Bald hatte sich der Sturm in seinem Herzen gelegt; er wischte die letzten Tränen von seinen Augen und drückte einen herzinnigen Kuß auf die Lippen feiner Mutter. (Fortsetzung folgt.)