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preußische Justizminister Anweisung erlassen habe, alle im Hinblick auf diese Spur verdächtigen Personen zu verhaften. Und dann erfährt der „Lokalanz." auS Halberstadt, daß der angeblich dort verhaftete Haupt- verdächtige. Arbeiter Maßloff, bereits vor längerer Zeit zur Verbüßung einer Gefängnisstrafe noch dem Osten transportiert worden ist. Diese Tatsache scheine die Veranlassung zu der irrigen Nachricht des „Berl. Tagebl." gegeben zu haben. Was ist nun Wahr heit ? Man sollte doch meinen, von einer Verfügung des Justizministers müßt« zunächst das offiziöse Organ Kenntnis erhalten und weitergeben. Durch die Könitzer Mordsache ist schon soviel Beunruhigung ins Volf getragen worden, daß eine prompte und klare Berichterstattung von amtlicher Seite unum gänglich erscheint. Umsomehr, als ja die behördlichen Untersuchungen in dieser traurigen Angelegenheit nicht geruht haben. * Das politisch-parlamentarische Leben in Deutschland, das während der pfingstlichen Zeit gänzlich geruht hatte, macht sich allmählich wieder bemerklich. Bereits bald nach dem Feste waren einzelne parlamentarische Körperschaften, wie z. B. die Abgeordnetenkammer Bayerns und Württembergs, wiederum zusammengetreten. Seit Dienstag hat auch die Kanalkommision des preußi schen Abgeordnetenhauses ihre Tätigkeit von neuem ausgenommen, während das Plenum selbst erst am 7. Ium wieder zusammentritt, ebenso der Reichs tag. GenannteKommission erledigte in ihren Sitzungen vom Dienstag und Mittwoch die ersten sieben Paragraphen der auf die Oder bezüglichen wasser wirtschaftlichen Vorlage; am Donnerstag pausierte sie. Auch der Bundesrat ist wieder in die Er scheinung getreten. Er hielt am Mittwoch seine erste Sitzung nach Pfingsten ab ; in derselben wurden eine Reihe von Mitteilungen des Reichstagspräsi denten über gewisse Reichstagsbeschlüsse den zustän digen Ausschüssen, resp. dem Reichskanzler überwiesen. * Das Centalhilsskomitee für die deuttchenAnsiedlerinSüdweftafrika teilt mit, daß die Sammlungen bis vorgestern 220,000 Mark erreicht haben. Da Witwen und Waisen, deren Zahl sich noch steigern wird, sowie Kranke und zur Zeit Mittellose, auch solche, welche zur Rückkehr nach Deutschland gezwungen worden sind, wie bisher unterstützt werden sollen, so bittet das Komitee um weitere Gaben. * In der oldenburgschenHafenstadt Nordenham hat sich dieser Tage ein bemerkens werter verkehrspolitischer Akt vollzogen. Es erfolgte daselbst am Mittwoch abend 9 Uhr die Schlußplissung (Verbindung) des zweiten deutschen atlantischen Kabels mit dem Dampfer „Dr. Stephan". Es ist somit eine direkte Verbindung zwischen Deutschland und Amerika hergestellt. Die Verständigung ist eine vorzügliche. * Die Unterhandlungen über den neuen Handels vertrag zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn haben in der abgelaufenen Woche zu Berlin begonnen. Es heißt, daß zwar beiderseits die günstigsten Dlsposi- tionen zum Abschluß eines neuen Vertrages bestünden, daß indessen hierbei noch große Schwierigkeiten zu über winden seien. Abeffinie« * Laut einer Meldung aus Konstantinopel wird die Kaiserin Täitu von Abessinien im Septem ber eine Pilgerfahrt nach Jerusalem mit großem Gefolge unternehmen. Es ist dies das erste Mal, daß ein Mitglied des abessinischen Herrscherhauses nach Palästina reist. Im Schlosse der Ahnen. Original-Roman von Otto König-Liebthal. (14. Fortletzuug.) (Nachdruck verboten.) „Ich will nicht weiter stören," sagte jetzt Hell mut, verbeugte sich und ging. — Wenn Herr von Schwabenstein der Meinung war, daß niemand seine Verlegenheit bemerkt hatte, so irrte er, denn Herrn Horsten war es nicht entgangen, daß ihm dieses Zusammentreffen unerwünscht war. „Also, Herrn Kraft kennen Sie schon von früher?" begann Horsten das Gespräch wieder. „Ja," entgegnete der Gefragte scheinbar gleich gültig, „wir waren zusammen auf dem Gymnasium, sind aber in der letzten Zeit gar nicht mehr zu sammengekommen. Er wurde Student, ich — Soldat. Jetzt ist er also wohl bei Ihnen Hauslehrer, wie ich vermute?" Horsten nickte. Ein schändlicher Plan war indessen blitzschnell in dem Herzen des Offiziers geschmiedet worden. Ein höhnisches Lächeln zuckte um seine Lippen. Ja, er mußte ihn unschädlich machen, ehe er sich von Hellmuts Kraft niedertreten ließ, ehe dieser seinen Plan durchkreuzen konnte. Rache wollte er nehmen für die ihm einst angetane Schmach und Demütigung. Jetzt wollte Fräulein von Kullig gehen, doch Herr von Schwabenstein wußte sie zurückzuhalten. „Nur einen Augenblick!" bat er. „Was ich von dem da — von Herm Kraft erzählen muß, um Sie alle vor Enttäuschung zu bewahren, können auch Sie, mein gnädiges Fräulein, erfahren." Erstaunt sahen Herr Horsten und Fräulein Frida den Sprecher an. „Ich muß mich sehr wundern," begann er im flüsternden Tone zu erzählm, „daß ich Herrn Kraft * Der Konflikt zwischen Peru und Brasilien ver- schärft sich immer mehr. Brasilien kündigte fernen Handelsvertrag mit Peru und schickte zugleich Truppen- Verstärkungen nach dem strittigen Grenzgebiete ab. — Die Aufständischen in Uruguay sollen neuerdings mehrere empfindliche Niederlagen durch die Regierungs- truppen erlitten haben. Ans Etadt «ud Laud Ltchtonstei», 3. Juni. * — Wir machen auch an dieser Stelle ganz be sonders auf die heute Freitag abend im Ratskeller stattfindende Gewerbeveret«Sverfa«mlu»g auf merksam Unter Punkt 1 der Tagesordnung (Ge schäftliches) werden verschiedene sehr wichtige Ange legenheiten, wie elektrische Anschlüsse, Vortrag über den Gauverband, Ortsgruppe des Hausbesitzervereins betr. usw. zur Beratung kommen. Es ist deshalb der Besuch dieser Versammlung allen Mitgliedern sehr zu empfehlen. * — Neue- Schützeuhaus Wie wir in Er fahrung bringen, hält der neue Pächter deS Schützen hauses, Herr Ernst Bley, bereits morgen Sonn abend seinen Einzug in dasselbe. Der gesamte Be trieb wird also in keiner Weise Unterbrechung er leiden, sondern seinen regelrechten Fortgang nehmen. - Die allgemeine Bottszählung 1905 wird sich einfacher gestalten, als die Zählung vom Jahre 1900. Es besteht die Absicht, aus die Fragen nach Geburtsort, Ardeits- und Wohnort, Religion und Muttersprache und Gebrechen zu verzichten. *— Wie in den Vorjahren, werden im Juni und Juli wiederum zahlreiche Mannschaften des Beurlaubten standes zu militärisch«« Uebungen eingezogen. Den Familien der eingezogenen verheirateten Landwehr leute und Reservisten wird auf Ansuchen für die Zeit der Uebung eine Unterstützung gewährt, und zwar sind ausgesetzt für die Frau 30, für jedes Kind 10 Prozent des ortsüblichen Tagelohnes. Diese Unterstützung kann schert nach dem Tage der Abreise des Uebungspflichtigen zur Truppe abgehoben werden. Im Falle vorzeitiger Entlassung eines zur Uebung Eingezogenen, vielleicht infolge von Krankheit, fordert die Behörde den zu viel gezahlten Betrag zurück. Der Anspruch auf Unterstützung rst bei der Ortsbehörde zu stellen und erlischt, wenn er nicht spätestens vier Wichen nach Beendigung der Uebung erhoben wird. *— Blitzgefahr unter Bäumen Die Frage, in welche Bäume der Blitz am häufigsten schlägt, dürfte in der Gewitterperiode Interesse beanspruchen. Ein alter Spruch lautet: Vor den Eichen sollst Du weichen, Und die Weiden sollst Du meiden; Auch die Fichten such mit Nichten; Doch die Buchen sollst Du suchen. Wir wissen, daß die Blitzgefahr für die Eiche viel größer ist, als für die Buche, und auch über die Ur- achen dieses verschiedenen Verhaltens haben Unter- uchungen Aufschluß gegeben. Die elektrische Leit- ähigkeit des Holzes ist abhängig vom Oelgehalt des- elben. Diejenigen Bäume, die den größten Oelge halt besitzen, erscheinen im höchsten Grade gegen Blitzschlag gesichert; stärkereiche und ölarme Bäume dagegen werden vom Blitzschlag bevorzugt. Bäume, deren Holz stets reich an Oel ist, sind Nußbaum und Buche. Stärkebäume, arm an Oel, aber sind Eiche, Weide, Pappel, Ahorn, Haselnuß, Flieder, Ulme, Mehlbeere, Weißdorn und Esche. Ordnet man die Bäume nach der Blitzgefahr, so erhält man: Blitz gefahr sehr gering: Nußbaum, Buche. Blitzgesahr hier als Hauslehrer finde. Wir beide waren einst Freunde, bis eines Tages, kurz vor unserm Abgang vom Gymnasium, unsere Freundschaft rin Ende hatte. Auf einem Spaziergang, den ich allein unternahm, traf ich zufällig Herrn Kraft mit einer Dame zu sammen. Sie saßen hinter einem Gebüsch versteckt auf einer Bank. Er hielt die Dame fest umklam mert, die sich vergeblich bemühte, sich aus seinen Armen zu befreien. „Küssen Sie mich!" hörte ich ihn sagen. Umsonst war das Flehen der Dame. „Erst küssen Sie mich, dann gebe ich Sie frei," sagte er mit leidenschaftlicher Stimme. Und ich glaube, er hätte sie dazu gezwungen, wenn ich jetzt nicht hervorgesprungen wäre und die Dame befreit hätte. Ich zwang Herrn Kraft durch die Drohung einer Anzeige zu einer Abbitte bei der Dame und deren Ettern, wozu er sich auch nach längerem Sträuben entschloß. Seit dieser Zeit habe ich natürlich jeden Verkehr mit diesem Menschen aufgehoben. Zudem war er auch mit einem Mädchen verlobt, das sehr reich war. Als eS durch einen Bankkrach sein großes Vermögen verlor, zog er sich schnöde von dem Mädchen zurück, welches jetzt wie ein Schatten dahinschleicht. Daher eine große Verwunderung, daher mein Schreck, als ich ihm hier plötzlich gegenüberstand. Der Offizier hatte geendet; forschend schaute er bald auf Herrn Horsten, bald auf Fräulein von Kullig. Er nickte befriedigt, der Pfeil der Verleum» düng war gut abgeschossen, das sah er an den ent setzten Gesichtern seiner Zuhörer. „So kann man sich täuschen!" rief Horsten er regt aus, während Fräulein Frida mit Abscheu ein „Pfui" in die Luft stieß. „Wenn die Sache so steht," fuhr Horsten hastig fort, „muß ich eS mir doch sehr überlegen, ob er noch weiter in meinem Hause weilen kann." etwas größer: Fichte und wahrscheinlich auch Lärche, Wachholder, Eft»« und Thuja. Blitzgefahr groß: Tanne. Blitzgefahr sehr groß: Eiche, Seide, Pappel und di« übrigen Stärkebäume. Da» Klügste ist aber jedenfalls, bei Gewittern überhaupt niemals unter Bäumen Schutz suchen. * — Bötterschlocht-RatioualdeAk««!. Die Arbeiten am Bau deS Völkerschlachtdenkmals schreiten rüstig vorwärts, sodaß im Hochsommer mit dem Ver setzen des großen Michael-Reliefs, dessen Modell jetzt der Bildhauer Herr Pros. Behrens in Breslau in Bearbeitung hat, begonnen werden kann. Wie die Baumittel für so viele Burgen und Kirchen durch Geldlotterieen beschafft werden, so solle« dieselben zum Teil auch für das Ruhmesmal des deutschen Volkes durch eine Lotterie zusammen fließen. Jeder mann sollte für die ungehinderte Vollendung dieses nationalen Werkes mit besorgt bleiben. Lose zu der vom 7. -11. Juni stattfindenden Ziehung sind »3M. beim Deutschen Patriotenbund in Leipzig und in der Tageblatt - Druckerei Gebrüder Koch zu haben. * — Die am 1. Juli t904 fälligen Zinsscheine der Hypothekenpfandbriefe Serie II, Hl u. IV der Sächsi sche« Bodeneredita«st«kt in Dresden werden nach einer im Inseratenteil unserer vorliegenden Nummer be findlichen Bekanntmachung bereits vom 15 Juni d. I. ab bei sämtlichen Pfandbrief-Verkaufsstellen kostenlos eingelöst. * — Zur Warnung teilen wir folgenden Vor fall mit. In einer Flasche der Dresdner Wald schlößchen-Brauerei hatte vor einiger Zeit die Toch« te-- eines Tischlermeisters aus Wurzen für ihren Vater Spiritus geholt. Der Vertreter der Brauerei traf das Mädchen auf der Straße und nahm ihr die Flasche weg. Da dec darüber erregte Vater des Mädchens gegen den Vertreter zrob gewesen war, stellte die Brauerei Strafantrag und erzielte damit die gerichtliche Bestrafung des Tischlers wegen Unterschlagung zu einem Tage Gefängnis. Die da gegen eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. * — Zur Warnung! Ein Arbeiter in Nuda- Glückaufkolonie wollte sich von dem Inhalt des „Oberschl. Wand." (Gleiwitz) auf billige Weise über zeugen und entwenoete einem anderen Arbeiter von der Türklinke eine Nummer dieser Zeitung. Das Zabrzer Schöffengericht betrachtete diese Handlungs weise als Diebstahl und erkannte auf 3 Tage Ge fängnis. * —r. Mükse« St. Nielas. Ein Soldat unserer Gemeinde, der beim Jnf.-Regt. Nr. 106 dienende Paul Kurt Scharf, Sohn des Webers Emil Scharf, nimmt an der Expedition teil, welche zur weiteren Unterdrückung des Ausstandes der Hereros in Südwest- Afrika am 17. d. M. von Münster in Hanover aus abgeht. Wir wünschen Glück zur Reise und zum Kampf! — Gegenwärtig werden an verschiedenen Stellen in unserer Gemeinde Plalattafeln zu amtlichen und privaten Bekanntmachungen ausgestellt. Laut Regulativ erfolgen sämtliche amtliche Bekanntmachungen nur noch durch Anschlag und fällt das übliche aus der grauen Vorzeit stammende Ansagen weg. Zu privaten Bekanntmachungen ist Genehmigung beim Gemeindevorstand gegen Erlegung einer mäßigen Anschlagsgebühr einzuholen. L.O0SV W. SSchl.SU. Ln-ts-Mrie Ziehung erster Klasse 1S.u 16. Juni 1904 hatabzugeb. Mkli» k. <l»l>«t, »in. 8. H. Mel, Lichtenstein. Fräulein von Kulligs Lippen zeigten ein leises nervöses Beben. Sie eilte in ihr Zimmer, wo sie laut schluchzend auf einen Stuhl sich niederließ, ihr brennendes Gesicht mit beiden Händen bedeckend. „Vorbei —" stöhnte sie, „vorbei!" Nach wenigen Minuten stand sie auf. „Noch ist es nicht zu spät," murmelte sie, „er soll meine ganze Verachtung fühlen, und wenn mein Herz da runter verblutet." — Zum Abendessen kam sie nicht, sie hatte sich entschuldigen lassen. Besorgt suchte Frau Horsten sie aus, „Was ist Dir, Frida?" fragte sie, als sie das bleiche Antlitz ihrer Cousine sah. „Siehst Du," sagte Frau Horsten, als Frida mit ihrem Bericht zu Ende war, „ich konnte den Menschen nie leiden. Natürlich muß er aus unserem Hause. — Doch, was grämst Du Dich so sehr da rum ? Ist er Dir vielleicht doch nicht mehr so gleich gültig gewesen ? — Du schweigst? Ah! Jetzt weiß ich auch, warum Du von Herrn von Schwabenstein nichts mehr wissen wolltest." Frau Horsten rang die Hände. „Quäle mich nicht, Ella," bat Frida weich. „Ich habe mich anders besonnen. Herr von Schwa benstein mag kommen, obwohl ich ihn — das sage ich auch heute noch — nicht liebe." „Das ist vernünftig gesprochen, Frida," sagte Frau Horste« erfreut. „Du sollst sehen, daß Du glücklich mit ihm wirst." Hellmut Kraft hatte seine Ruhe ob des unver hofften Wiedersehens mit dem einstigen Freunde nicht verloren. Hätte er aber ahnen können, welch' schändliches Bubenstück dieser ausgeübt hatte, so wäre er nicht so gleichgültig geblieben. (Fortsetzung folgt.)