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Paris, 11. März. „Herald" meldet aus Tientsin: 12 schwere Geichütze sind in den letzten Tagen in den Festungswerken von Niutschwang auf gestellt worden. Man erwartet für heute neue Der» stärkungen. London, 11. März. „Daily Telegraph" meldet aus Nagasaki, daß 200000 Japaner nach der Mandschurei und Korea abgegangen seien. „Daily Mail" meldet, Rußland werde 2 Armeekorps in Turkestan mobilisieren. Paris, 11. März. Der japanische Gesandte ließ die Meldung des Temps von einer angeblichen Spionageaffäre im Marineministerium entschieden dementieren. London, 11. März. „Morning Leader" meldet aus Tientsin: 30 japanische Flüchtlinge seien aus Niutschwang in Tientsin eingetroffen. Einer japanischen Frau, welche Dalny verließ, gelang es vorher, sich in den Besitz eines Planes der Festungs anlagen zu setzen. Wegen dieser Tat erhielt sie von der japanischen Regierung eine hohe Auszeichnung. London, 11. März. Telegrammen zusolge hat die Neutralitätserklärung Roosevelts in den Ver- einigten Staaten großes Aussehen heroorgerufen. Ein Erlaß des Präsidenten untersagt sämtlichen Zivil- und Militärbehörden, den Krieg zum Gesprächs thema zu machen. Die amerikanische Presse, soweit sie Roosevelt freundlich gegenübersteht, erhebt großen Lärm. Politische Rundschau Deutsches Reich * Kaiser Wilhelm hat zur Stunde seine schon so lange angekündigte Mittelmeerrreise angetreten, sofern nicht noch rn letzter Stunde ganz unerwartete veränderte Dispositionen in dieser Beziehung ge- troffen worden sein sollten. Die Reise von Bremer hafen bis Neapel legt der erlauchte Monarch be kanntlich an Bord des LloyddampferS „König Albert" zurück, in letztgenanntem Hafen begibt er sich auf seine ihn dort erwartende Jacht „Hohenzollern" und beginnt mit ihr dann die eigentliche Mittelmeerfahrt. Dieselbe trägt einen durchaus privaten Charakter; es könnte daher auch etwaigen Begegnungen des Kaisers mit fremden Staatsoberhäuptern keine poli tische Bedeutung beigelegt werden. Im Mai ge denkt der Kaiser wieder in Deutschland einzutreffen. — Wünschen wir ihm eine glückliche Reise und frohe Heimkehr! * Aus Deutsch-Süstwestafrika ist nichts wesent lich neues zu berichten; die Expeditionstruppen sind damit beschäftigt, die rebellischen Hereros am Ueber- tritt auf englisches Gebiet zu verhindern. * In erhebender und eindrucksvoller Weise hat am Mitwoch mittag in Hannover die Trauerfeier für den verewigten Generalseldmarschall Grafen Waldersee in Gegenwart einer zahlreichen und distin guierten Trauergesellschast stattgefunden, an deren Spitze sich der deutsche Kronprinz als Vertreter seines erlauchten Vaters befand. "Dem Reichskanzler ist es gelungen, den Widerstand gegen die Gewährung von Reichs- tagsdiäten, welcker an maßgebenden Stellen be stand, zu überwinden. Dem Reichstag wird in nächster Zeit eine entsprechende Vorlage zugehen. * Die Nachricht, daß der preußische Minister des Innern sein Abschiedsgesuch eingereicht habe, wird von der offiziösen „Nordd. Allg. Ztg." als vollstän dig unbegründet bezeichnet. Rußland. * In russischen Militärkreisen gewinnt immer Der Majoratsherr. Roman von L. Jdler-Derelli. (32. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Seit einem Jahre wohnt bei mir der Karl Frei, die Leute nennen ihn ja den Sattlerkarl. Er ist immer ein ganz ordentlicher Mensch ge wesen ; Sie kennen ihn ja auch, Herr Pfarrer. Aber nun ist der junge Mann ganz entsetzlich krank ge worden ; heute scheint er ganz ohne Besinnung; er liegt im heftigsten Fieber und führt solche sonderbare Reden, daß mir ganz angst wird. Er redet lauter Unsinn und weiß sicher nicht, was er spricht. Ich kann allein mit ihm nichts mehr anfangen ; es muß durchaus der Doktor geholt werden I" „Gewiß!" versetzte der Pfarrer, indem er schon bereitwillig neben der alten Frau herschritt. „Da der junge Mann allein steht, muß sich die Gemeinde seiner annehmen. Meine Frau wird auch für Kranken suppen sorgen. Seit wann ist er denn so krank?" „Seit Donnerstag, und heute ist Montag ; es ist schlimmer geworden." Der Pfarrer dachte nach. Donnerstag morgen war er mit den Bauern in die Kirche gegangen und hatte dort die eigentümliche Unordnung vorgefunden. „Aber den Donnerstag-Vormittag habe ich den Frei noch an meinem Hause vorübergehen sehen," erwiderte er, „ich erinnere mich ganz genau daran." „Das nt richtig," bestätigte die Frau. „Er ging fort, wohin, weiß ich nicht. Er kam aber bald wieder und sagte dann zu mir, er fühle sich krank und wolle sich niederlegen. Ich kümmerte mich erst nicht um ihn und dachte, der junge, starte Mann würde den andern Tag wieder gesund sein, aber er lag immer weiter zu Bett und gab mir aus alle i mehr die Ueberzeugung die Oberhand, daß der AuS- f druck eines Krieges zwischen Rußland und England die fast unausbleibliche Folge des ZusammenstoßeS mit Japan sein wird, gu diesem Kriege werden bereits Vorbereitungen getroffen. So hat der Marine- Minister anaeordnet, daß die auf der Insel Kotlin belegenen Sommervillen vor Petersburg für den Sommer nicht vermietet werden düHen, even tuell alle fallen müssen, da das Marineministerium des Platzes zur Anlage von Befestigungen bedarf. Derartige Warnungen sind auch an dem finnischen und baltischen Strand erlassen. Auch auS dem Turkestangebiet sickern Nachrichten über Rüstungen durch. Das Blatt des Fürsten Uchtomski veröffent licht eine Korrespondenz aus Teheran, in welcher dort die feste Ueberzeugung über einen bevorstehen den Feldzug Rußlands nach Indien vorherrscht, nur zweifelt man noch, ob der Vormarsch durch Persien oder über den Pamir gehen wird. — Wir halten, so schreibt das „B. T.", diese Kriegsbefürchtungen für übertrieben, da weder England noch Rußland ein Interesse daran haben, die KciegSfackel auch nach Europa zu tragen und einen Well krieg zu entfachen. England * London. Die Morgenblätter berichten, daß die Versuche mehrerer Parlamentsmitglieder, einen geheimen Kriegsfond von vier Millionen Pfd. Sterling für den Kriegsminister zu erlangen, gescheitert sind. Es bestand die Absicht, diese Summe dem Krtegsminister für wichtige Vor fälle zur Verfügung zu stellen, damit im Notfälle keine Kredite gefordert zu werden brauchen. Balkanhalbinsel. * Die Säuberung des Belgrader Hofes von den Königsmördern geht weiter. Jüngst wurde der ebenfalls in den Königsmord verwickelte Oberst Popowitsch aus dem Hofdienst entlassen, aber aller dings dafür zum Kommandanten der Belgrader Mili- tärschule ernannt. Die Erhebung der Albanesen- stämme im Bezirk Djakooa scheint im allgemeinen niedergeschlagen zu sein. Zu den mazedonischen Dingen liegt nichts besonders neues vor. Amerika * Völlige Gleichstellung der Geschlechter soll in dem nordamerikanischen Staate Colorado herrschen, wo angeblich die Frauen nicht nur das Wahlrecht besitzen, sondern auch Soldat werden können. Wie berichtet wird, ernannte der Gouverneur seine Tochter zum „Obersten" der Nationalgarde des Staates. Vielen wird aber eine Frau mit dem Kochlöffel lieber sein, als eine mit dem Degen. AuS Stadt und Laad Lichtenstein, 11. März. * — Wegen Reinigung der Geschäftsräume werden bei der Königlichen Kreishauptmannschaft Chemnitz Freitag und Sonnabend, den l8. und 19. d. M., nur dringliche Sachen erledigt. * — Die 4 Klasse der LandeS-Lotterie wird am 23. und 24. März gezogen. Die Erneuerung der Lose ist vor Ablauf des 14. März zu bewirken. * — Der Plan über die Errichtung einer ober irdischen Telegraphenlinie an dem Kommuni kationswege zwischen Callnkerg und Mülsen St. Niclas liegt bei dem Postamt in Lichienstein-Callnberg auf tue Dauer von vier Wochen öffentlich aus. * — Landesverband ehemaliger Schüler der 1. Gemeinde- und Privatbeamtenschule zu Geyer im Königreich Sachsen. Wie wir von zuverlässiger Seite erfahren, soll am 13. März d. I. im Kaufmännischen Vereinshause in Chemnitz eine meine Fragen, wo er sich die Krankheit geholt habe und was ihm eigentlich fehle, keine Antwort. Und gestern abend brach dies furchtbare Fieber aus, daS sich heute noch gesteigert hat; ich weiß nicht, was mit ihm ist, er scheint sich um irgend etwas zu be unruhigen." Die alte Frau schwieg minutenlang, ehe sie leise fortfuhr: „Herr Pfarrer, ich sage es Ihnen noch einmal, ich kenne den Karl Frei nur als einen anständigen, guten Menschen. Aber, während ich ihm jetzt in seinem Elend beistand, räumte ich seine Kleider fort und da war der Rock, den er zuletzt an gehabt hat, an einer Seite ganz schwer. Ich faßte in die Tafche, um das Schwere herauszunehmen, aber, denken Sie sich, die Tasche war halbvoll Geld stücke. Wie kommt der arme Handwerker, der solange kaum zu leben hatte, plötzlich zu soviel Geld? Mir kommt es vor, als wenn er um dies Geld etwas getan hätte, was er nicht hätte tun müssen. Nun, Sie werden ja seine Reden selber mit anhören. Aber, bitte, nehmen Sie das Geld, Herr Pfarrer, und heben Sie es ihm auf; es steckt lose in der Rocktasche; wenn nun allerhand fremde Leute bei dem Kranken vor sprechen, dann kommt es am Ende noch fort und er denkt nachher, ich hätte es ihm genommen. Wenn Sie es an sich nehmen ist es sicher; es sind gerade fünfzig Taler." Die Alte war eine ehrliche Frau und der Geist liche sand ihr Verlangen begreiflich. Aber die Er zählung überraschte ihn. Es war ja nicht möglich, daß der blutarme Handwerker auf rechtlichem Wege hier soviel Geld erlangen konnte. Hatte er es ge stohlen und bedrückte ihn nun in der schweren Krank- heit die böse Tat? In einer niedrigen Stube mit einem kleinen Fenster lag der Kranke auf einem reinlichen Lager. Er saß aufrecht im Bett, als der Pfarrer eintrat, I Beratung und Beschlußfassung über Gründung eines I Landesverbands ehemaliger Schüler der 1. Gemeinde, und Pnvat-Beamtenschule zu Geyer im Königreich Sachsen stattfinden. Der Verband beabsichtigt die Wahrung und Förderung der Interessen der 1. Gemeinde- und Privat Beamtenschule zu Geyer und deren ehe maligen Schüler. Zahlreicher Besuch steht zu ermatten durch die Vereinigungen ehemaliger Schüler in Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen, Zwickau, Eibenstock, Aue und nicht zuletzt die Direktion der Bcamienschule, wie über haupt jeder ehemalige Schüler jcyr willkommen sein wird. Wir verfehlen nicht, auf das Institut besonders aufmerksam zu machen. * — Völkerschlacht-Nationaldeukural. Freudig zu be grüßen ist die AuSsührurg der Parkanlagen vor dem Bö:ker)chlacht- oenkmale. Der Rat und die Stadtverordneten Leipzigs bewilligten hierzu die Mittel in Hohe von 310,000 Mart. Die zu bepflanzende Flüche, 40 Acker groß, wird mit den Friedhofsanlagen eine weitere Zierde des Denkmals bilden. Mag es dem deutschen Patrioten bunde recht bald bejchieden sein, auch die Mittel zu seinem natio nalen Werke vollständig auszubringen. Die Ziehung der 4. Geld lotterie beginnt bereits Montag, den 14. März. Lose k 3 Mark sind bei Gebrüder Koch (Tageblatt-Druckerei) zu haben- * — Hohudorf. Der hiesige Kaninchenzüchter verein hält nächsten Sonntag und Montag, den 13. und 14. März u. o. seine 1. große allgemeine Kaninchen-Ausstellung, verbunden mit Prämiierung und Verlosung im Gasthof zum Deutschen Haus (Wasserschänke) hier ab und machen wir auf dieselbe hierdurch besonders aufmerksam. Dresven Sowohl die nationalliberale als auch die kouseroatlve Fraktion der II. Ständekammer hielten gestern vor Beginn der Kammersitzung eine Fraktions- fitzuna ab. Gegenstand war die vom Bundesrat be schlossene Aufhebung des H 2 des Jesuilengesetzes. Aller Wahrscheinlichkeit nach wuo in der Kammer demnächst eine entsprechende Interpellation eingebracht werden. Der Ehrenrat des ärztlichen Bezirksvereins DreSdeu-Land hat den dirigierenden Arzt der be kannten Bilzschen Naturheilanstalt zu Radebeul, Dr. Aschke, zu 1500 Mark Geldstrafe, Aberkennung des Wahlrechts und der Wahlfähigkeit zu den vom Bezirksoerein zu bewirkenden Wahlen auf fünf Jahre und zur Tragung der Kosten verurteilt, weil er seinen Vertrag mit dieser Anstalt auf weitere zehn Jahre verlängert hat. (!) Leipzig Die amtliche „Leipz. Ztg." erklärt in einer Besprechung der vom Bundesrat beschlossenen Auf hebung des Par. 2 des Jejuite gesetzes, daß die säch sischen Stimmen im Bundesrat gegen die Aufhebung des Paragraphen abgegeben worden sind. Leipzig. „GlasHütter und Schweizer Uhren zu Originalpreisen " hatte ein Uhrengeschäft in Chemnitz durch regelmäßig erscheinende Inserate in den dortigen Tageblättern empfohlen. Der „Verein gegen Mißbräuche im Handel und Gewerbe" in Chemnitz sah in diesen Inseraten ein unlauteres Gebahren, denn man hatte sich durch een Kauf einer Uhr in jenem Geschäft überzeugt, daß die für 10 Mk. ver kaufte Uhr für 5 Mk. 50 Pf. von der Fabrik be zogen worden war. Der Verein strengte gegen den Inhaber jenes Uhrengeschäfts deshalb Klage beim Landgericht Chemnitz an, dahingehend, Inserate mit solchen unwahren Angaben zu unterlassen. Der Be klagte machte geltend, daß, wenn er zu Original preisen verkaufe, so meine er damit die Preise, welche die Uhrenfabrikanten von Privatpersonen nehmen, wenn diese sich direkt an die Fabrik w:nden. Als Beweis legte der Beklagte eine solche Preisliste aus Glashütte vor. Das Landgericht hat auch die Klage abgewiesen. Auf die von dem Kläger eingelegte Berufung hat aber das Obeclandesgericht Dresden das Urteil aufgehoben und dem Beklagten bei einer Geldstrafe von 300 Mk. sür jeden Fall verboten und sein Gesicht war von der Fieberhitze dunkelrot gefärbt. Er beachtete den Eintretendeu gar nicht. „Guten Tag, Frei," redete Pfarrer Heyder ihn an, „wie geht es Ihnen?" Karl Frei sah den Pfarrer mit großen verständ nislosen Augen an; er erkannte ihn nicht. „Die Schrift," stöhnte er, „die verstectte Schrift !" „Von einer Schrift spricht er immer," flüsterte Frau Schmidt dem Pfarrer zu. „Geld hat sie mir gegeben," fuhr der Kranke fort, „viel Geld! Und so lieblich sah sie mich dabei an. Allein nun ist doch alles vorbei. Ich habe die Schrift nicht gefunden und nun kommt der Teufel und holt meine arme Seele. Aber der Teufel kann doch nicht in die Kirche? Horch, er faßt schon an die Kirchentür und ich kann die Schrift nicht finden. Da — da kommt er! Nun ist er da! Und die Gnädige vom Schloß hat die Schuld ! Sie hat mir das Geld gegeben und nun muß ich sterben!" Mit diesem in höchster Angst hervorgestoßenen Worten sank der Kranke erschöpft zurück und schloß die Augen. Frau Schmidt rang die Hände. „Um Gottes willen, Herr Pfarrer, was ist das eigentlich? Daß die Frau Baronin vom Schloß die Schuld an seinem Unglück hat, sagt er fortwährend, aber er bringt alles durcheinander. Wie kommt Karl Frei überhaupt zu der gnädigen Frau? Was spricht er von der Kirche und was für eine Schrift meint er? Ich weiß ja auch, daß die Leute im Dorf von einer Schrift reden, welche die Frau Baronin zu fürchten haben soll, aber das ist doch alles Un sinn und kann ja besonders den Sattlerkarl nichts angehen. Er kennt ja die Gnädige kaum!" (Fortsetzung folgt.)