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Aber beim dritten ging? los! Der hatte die unglückselige Gewohnheit, immer mit den Fingern an den Knöpfen seines Rockes zu spielen und dabei vernichtete er denn natürlich die mühevolle Arbeit seines Putzkameraden, indem er die Knöpfe blind machte. Oder er trieb vielleicht die Pflichtvergessen heit sogar so weit, daß er den Knopf öffnete — und das mußte ihm auch grade jetzt passieren. „Maurer I' fuhr ihn der Sergeant an, denken Sie denn, Sie sind der Apollo von Bellevue, der im Park am Philosophenivege steht? Glauben Sie denn, Sie können sich wieder halbnackt hier hinstellen zum Skandal für die gesamte gebildete Menschheit, Herr Doktor Maurer? Sagen Sie mal, was würden Sie denn Ihren Patienten sagen, wenn die sich so mangelhaft angezogen draußen präsentieren würden?" „Entschuldigen Herr Sergeant, ich bin —" „Ach was — ich entschuldige garnichts — aber Sie sind doch ein Doktor? He?" „Jawohl, Herr Sergeant, das bin ich, aber nicht Doktor der Medizin, sondern Doktor der Philosophie und Kandidat des höheren Schulamts und ich habe keine Patienten zu behandeln, sondern Gymnasiasten." „Hören Sie, Herr Maurer, wenn Sie Volks reden halten wollen, denn warten Sie gefälligst, bis Sie nicht mehr Soldat sind und suchen Sie sich einen andern Ort dazu aus als den Kasernenhof. Hier redet man nur, wcnu man gefragt wird, ver standen?" „Zu Befehl, Herr Sergeant, aber —" „Halten Sie den Mund, wenn Sie mit mir reden! Uud ich bitte mir aus, daß Sie mir bis morgen früh die erste Tugend des Soldaten, die Zugeknöpftheit, gelernt haben!" Schon sehr angeärgert ging er zum nächsten. „Sagen Sie mal, Bicdendorf, Sie sind ja wohl Kaufmann?" „Jawohl, Herr Sergeant!" „Na ja — denn können sie doch auch Ihre Mütze grade setzen! Denken Sie denn, Sie gehen in Zivil die Königstraße Himmler, den Ziehlinder auf einem Ohr, und beliebäugeln die jungen Mäd chen, die daher kommen? So machens ja doch die Herren Ladenschwengel, die die Woche über an der Heringstonne und im Syrupsfaß herumhantiert haben, He? ' „Das weiß ich nicht, Herr Sergeant!" „Nanu? Sie wissen nicht, wie Sie es selber gemacht haben, als Sie noch in Zivil waren? „Herr Sergeant, ich bin kein sogenannter Laden schwengel, ich bin Buchhalter in einem Engros-Ge- schäft und immer nur auf dem Bureau beschäftigt gewesen —" „Ach so, — ein Bureauschreiber sind Sie, na warum sagen Sie das nicht gleich? Da allerdings heißt es in erster Linie Ordnung — alles nach dem Lineal. Bin nämlich auch mal ein Jahr als Ge freiter beim Herrn Feldwebel Bureauschreiber gewesen. Da haben Sie natürlich keinen Ziehlinder getragen und auch ihn wohl einmal in der Eile auf ein Ohr gesetzt. Also Mütze grade ! Kokarde, Nasenspitze und Kragenöffnung müssen eine grade Linie bilden!" Es kamen hiernach zwei andere an die Reihe, an denen er nichts auszusetzen fand: junge Kerlchen, frisch vom Gymnasium. Sie hatten durchblicken lassen, sie würden kapitulieren und Zahlmeister verüen oder zur Intendantur gehen. Deshalb uälten sie sich redlich und rissen sich zum Ergötzen wen Kameraden, mehr als ein Bein aus. Aber beim siebenten Manne ging es weiter los : „Kopf hoch, Eisenberg, Kinn an der Binde, siultern runter! Sagen Sie mal, lieber Freund, « müssen doch Ihre Glotzen besser aufrcißen. Etern haben Sie mal wieder einen Steuerkon- treur gegrüßt. Können Sie denn immer noch keine Uiorm unterscheiden?" „Er war kein dienstlicher Gruß, Herr Sergeant, sonrn ich kannte den Herrn persönlich!" ,Da müssen Sie früher aufstehen, mein Bester, wen Sie mir das weiß machen wollen. Ich habe die Schichte nämlich mit angesehen, ich saß grade im Fister bei Winkelsesser, Sie grüßten so stramm es Jl^en möglich war — 's war freilich sehr mäßig, aber er Herr lächelte und schüttelte den Kopf. Hätte - sie gekannt, so hätte er Ihnen gedankt. Nein, w Herr trug Schleppsäbel und Sporen und da habi Sie ihn für einen Artillerie-Offizier oder Gott wß was gehalten, weil Sie nicht dunkelgrün von durelblau und nicht goldene Achselstücke von silbernenunterscheiden können." „Hirmelmann — Arendt!" rief jetzt der ältere Sergeant, tzloek, ein Zeichen, daß der Herr Leutnant kam. Ma trat an und der Herr Sergeant kam um all sein schönen, väterlichen Ermahnungen, die er sicher «n übrigen neun ihm anvertrauten Kriegskmchui noch g^yalteu hätte. Beim Eerzieren nun war er fürchterlich und beim langsanen Schritt „schliff" er die Aerm'ten fürchterlich. Sie konnten nachher kaum noch gehen, ohne einen eapfindlichen Schmerz in den Knieeu zu verspüren. Die Folg! dieser wenig liebenswürdigen Be handlung war daß Maurer, Bieoendvrf und Eisen berg zusammeltraten und beim Frühstück beschlossen, den Sergeanten „auf den Weg des Heils" zu bringen. Am Nachmittag war dann wie gewöhnlich Turnen und Bajonettieren und als auch das überstanden I war, pflanzte sich Maurer steif wie ein Pfahl vor I dem Gestrengen hin. „Na, was ist los, Maurer?" „Möchten der Herr Sergeant uns einmal heute abend die Ehre erweisen und bei Goebel im Schützen hause unser Gast sein?" „Bei Goebel essen Sie wohl Mittag?" fragte Himmelmann, und in seinen Augen blickte es auf. „Zu Befehl, Herr Sergeant!" „Na schön" — erwiderte er, „es ist mir eigent lich zu viel Ehre, mit so gebildeten Herren zusammen zu sitzen — aber ich will Sie nicht kränken und werde deshalb ganz bestimmt kommen " Am Abend stellte sich Sergeant Himmelmann pünktlich ein, aß sür zwei und trank für drei: Und die Herren Einjährigen hatten es dem Wirt einge- schälft, er solle alles anschreiben, was gegessen und getrunken würde. Am ersten würden sie dessen Part mitbezahlen. Punkt dreiviertel neun Uhr empfahlen sich die Herren Einjährigen in der Hoffnung, Sergeant Himmelmann würde sie entweder auffordern, noch ein Stündchen zu bleiben oder aber mit ihnen gehen. Aber nichts von dem geschah — sagte ihnen freund- lichst Adieu und blieb bei dem Wirt sitzen. Von da ab hatten es die Einjährigen Maurer, Eisenberg und Biedendvrf — schlechter als je und weitere Einladungen lehnte er schroff ab. Am Morgen des 1. November aber hielt Ser geant Himmelmann an die drei folgende Ansprache: „Na meine Herren, Sie denken wohl, ist der Himmelmann ein Schw .... kerl — läßt sich erst von uns freihalten und zwiebelt uns dann, wo er kann! Ja woll! Wenn Sie heute Mittag mit Ihrem Speisewilt abrechnen, dann wird er Ihnen sagen, Laß der Himmelmann alles bezahlt hat, waS er gegessen und getrunken hat. Denken Sie denn, der Himmelmann läßt sich schmieren? Suchen Sie sich einen Andern —verstanden? Vier Wochen sind Sie noch unter meiner Fuchtel und da sollen Sie die Engel im Himmel pfeifen hören, daß sie dagegen ein Sturmmacsch wie der Gesang eines jungen Mädchens klingt. Einen ganzen Monat habe ich nicht ausgehen können, weil ich meiner Braut das Geld wiedergeben mußte, das ich mir von ihr geliehen hatte, um mit Ihnen ausgehen zu können. Und versuchen Sie's ja nicht wieder, mich einzuladen, sonst melde ich Sie wegen versuchter Bestechung eines Vorgesetzten!" Briefkasten Streitende, hier. Selbstredend ist die in Ihrem Falle in Betracht kommende Haftpflicht-Versicherung ver pflichtet, den Schaden zu decken, selbst wenn Sie oder ein Druter den „Unfall" in fahUässüge- Weise verschuldet haben. Wer hat nun gewonnen? Besten Gruß! Junger Heringsbändiger. Du scheinst unter den angehenden Kaufherren ein Humorist zu sein. Nun mit Humor holen sich die einstmals so fröh- lichen Meerbewohner auch leichter aus der Salzlake als ohne Humor. Der Onkel gibt Dir folgendes bekannt. Gegen Frostbeulen an den Händen oder auch an anderen Körperteilen gibt es zahlreiche Mittel, unter deren Petroleum, eine Mischung aus gleichen Teilen Zimmtwasser und reiner Salpeter säure, Jodtinktur und Tanninauflösung als die besten zu nennen sind. Die letzte kann man als Hausmittel sich selber bereiten: Zerstoßene Galläpfel 3 Tl. läßt man mit Regenwasser 16 Tl. in einem irdenen Topfe eine Viertelstunde kochen, seiht sie nach dem Erkalten durch Leinewand und legt zwei- bis dreimal im Tage ein in diese Flüssigkeit getauchtes Läppchen auf die Frostbeulen. Zu beachten ist, daß man die Flüssigkeit nicht mit der Wäsche in Berührung bringe, weil sie gelbe, schwer zu vertilgende Flecken verursacht. Schon nach 2—3 Tagen pflegen Ge schwulst und Steifheit sich zu verlieren. Humoristisches Malitiös. „Wo ist denn Ihre Gattin?" „Die maß das Bert hüten!" „Ich dachte immer, das Bett darf nicht gepfändet werden!" („Fl- Bl.") Hyperbel, Sie : „ Moritz, hast De vielleicht e' Stecknadel bei Dir?" Er: „Wie heißt — bin ich e' Warenhaus?" („Fl. Bl") Auf der Jagd nach Sechzigtausend. Von Thorwald Bogsrud. Erzählung pines Privat-Dereklws. Einzig autorisierte Uebersetznng aus dem Norwegischen von Friedrich o. Kähne l. 4. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Ich glaube, wir haben nun genug Beweis material genug, um eine Verhaftung wagen zu dürfen. Der Dieb ist zwar vorsichtig, aber doch nicht vor sichtig genug gewesen. Bei seinen Geldausgaben hat er sich der Vermittler bedient, aber Dank Herrn Rygge's Findigkeit kennen wir die meisten derselben. Weiche Rolle hat denn jener Annoncensammler ge spielt, Rygge, den Sie unter den Zeugen notiert yaben ?" „Ja, der hat als ein einladender und bezahlen der Wirt bei den meisten Bacchanalien des Paares während der vergangenen Woche fungiert, natürlich der Sicherheit wegen, damit Bühring sich den Rücken frei halten konnte. Aber ich kenne den Kerl! Setzen wir ihm mit einem acht- bis vierzehntägigen Unter suchungsarrest zu, so wird er wohl bekennen." „Nun, waS sagen Sie, Herr Bankdirektor- Wollen wir die Verhaftung des Buchhalters be schließen ?" „Ich kann da keinen Rat geben. Handeln Sie nach Gutdünken." Nach beendeter Komtorzeit in der Bank wurde Bührings von zwei Detektivs in Zivil verhaftet, zum großen Erstaunen seiner Kollegen und zum noch größeren Schrecken Bührings selbst. Gleichzeitig erhielt Miß Florina Befehl, die Stadt nicht zu verlassen, sondern jeden Tag auf dem Polizeikomptoir zu erscheinen, bis die Angelegenheit erledigt sei. Die Sache kam bald vor Gericht, das diesmal einen ungewöhnlich harten Stand hatte. Die sonnenklarsten Beweise wurden oorgelegt, aber ver gebens. Miß Florina mußte Auskunft geben, daß sie wiederholt kostbare Geschenke erhalten hatte, die nicht „mit der Post" gekommen waren und nicht bloß „ihrem schönen Gesang" galten; der Annoncen sammler wurde schließlich gezwungen, zu sagen, daß Bühring in Wirklichkeit der Bezahlende war. Der Dienstmann, der das Rubinkollier gekauft hatte, war zur Stelle gebracht worden und erklärte, daß Bühring durch ihn den Schmuck hatte kaufen lassen. Aber alles umsonst! Kein Geständnis, keine Erklärung kam über die Lippen des Angeklagten. Er behauptete nur, eine größere Summe Geld auf erlaubte Weise erworben zu haben, aber auf welche, das wollte er nicht verraten. Man drang auf das Hartnäckigste in ihn, zu gestehen, wo er das Geld verborgen hatte, aber ohne Erfolg. Endlich stellte er sich völlig stumm; er erklärte, daß er nichts mehr zu jagen habe. Als das Gericht sah, daß unter keinen Umständen mehr etwas aus ihm herauszuvringen war, verurteilte es ihn auf die Indizien hin zu 5 Jahren Strafarbeit. Miß Florina wurde des Landes verwiesen, die Anklage gegen den Annoncensammler aus Mangel an Beweisen fallen gelassen. Rygge war wütend. Die Gratifaktion wurde infolge der geringen Resultate kleiner, als er er wartet hatte. Etwa 5 Jahre nach den vorhin erzählten Er eignissen und gleich, nachdem Bühring seine Strafe verbüßt hatte und wieder auf freien Fuß gekommen war, geschah es eines Vormittags, daß ein intelligent aussehender Mann mittleren Alters sich an einen der Beamten der Bank wandte und fragte, ob ihm nicht eine Privatunterredung mit dem Bankdirektor gestattet würde, worauf er sogleich auf das Komp- toir desselben gewiesen wurde. Der Direktor ersuchte ihn, Platz zu nehmen und fragte, womit cc dienen könne. „Herr Bankdirektor — ich weiß nicht, ob Sie mich wieder kennen — mein Name ist Oskar Hell." „Ja, ich erkenne Sie wieder. Sie sind ja der Sohn meires alten Geschäftsfreundes. Sie sind alt geworden, seit ich Sie zuletzt gesehen habe. Wie gesagt, kann ich Ihnen mit etwas dienen " „Umgekehrt, ich komme, um Ihnen meine Dienste anzubieten." „So, Sie wünschen vielleicht eine Stelle." „Nein, nein, das ist nichts für mich. Ich habe Widerwillen vor den Kontorstühlen. Nein, ich möchte versuchen, Ihnen das Geld wieder zu verschaffen, um das Bühring Sie betrogen hat." Der Bankdirektor fuhr vor Erstaunen in die Höhe. Er glaubte wohl, daß der Mann nicht recht bei Verstand sei und antwortete lächelnd: „Diese Mühe können wir uns, wie ich glaube, ersparen. Es hielt zwar schwer genug, den Aktionären das einleuchtend zu machen, aber nun haben wir be schlossen, die Angelegenheit als abgemacht zu be trachten. Die Kosten derffortgesetzten Untersuchungen würden zu große sein, und, aufrichtig gesagt, ich glaube nicht, daß die Herbeischaffung des Geldes gelingen wird." „Um Mißverständnisse zu vermeiden, Herr Direktor, möchte ich Ihnen nur sagen, daß ich auf eigene Rechnung und Gefahr, ohne Ausgaben der Bank zu arbeiten gedenke." Der Direktor sah den Sprecher verwundert an. „Ja, das ist etwas anderes", antwortete er, „aber wie gesagt, ich glaube, daß es eine erfolglose Arbeit ist. Unsere tüchtigsten Detektivs haben ihre Fähig keiten an diesem Kerl erschöpft. Trotzdem es keinem Zweifel unterliegt, daß er den Diebstahl begangen, so ist es doch unmöglich gewesen, zu entdecken, wo er das Geld verborgen hat. Er reiste kurz nach seiner Entlassung angeblich nach Dänemark: er und sein ganzes Gepäck wurden so gründlich, als es sich tun ließ, untersucht, aber von dem Geld fand sich keine Spur. Er war im Besitz von nur 250 Kronen, die er nachweislich von einem Verwandten erhalten hatte, um aus dem Lande zu reisen." „Sagen Sie mir, war nicht eine Dame an dem Verbrechen beteiligt? Wäre es nicht möglich, daß sie diesmal gemeinschaftlich operiert haben und daß sie ich mit dem Gelbe entfernt hat?" (Fortsetzung folgt.)