Volltext Seite (XML)
Orkan, der mit wildem Ungestüm alles was morsch war, hinwegfegte, hat auch den letzten Rest welker Blätter mit fortgerissen. Die Wiesen haben ihren letzten, eigenartigen Blumenschmuck angelegt, und im leuchten Herbstnebel wiegen sich die zart geformten, leingefärbten Blütenkelche der Herbstzeitlose aus den von glitzernden Geweben behangenen kurzen Gras halmen. Die Nächte sind lang und kühl geworden, und die letzten Sommmerblumen haben es recht eilig gehabt, die Köpfchen zu hängen, um zu schlafen, bis sie ein neuer Frühling zum Blühen einladet. Nur die Herbstzeitlose allein scheint nicht zu merken, daß alles um sie herum ausruhen will, und sie sprießt empor, als ginge es dem Lenz, nicht aber dem rauhen Winter entgegen. Täumerisch scheint sie ihre Zeit vergessen zu haben. — Freilich birgt die Herbstzeit lose eine Gefahr in ihrer Giftigkeit in sich, die vielfach schon Unheil angerichtet hat. Es ist deshalb gut, wenn die Eltern ihre Kinder vor dem Pflücken dieser Blume warnen, die durch ihre bleiche Schönheit so verlockend aussieht. *— Frühltttgsbote? Ein etwas vorzeitiger Frühlingsbote in Gestalt eines Maikäfers wurde gestern in unserem Redaktionszimmer vorgezeigt. *— Wie es bei Lubmisfiouen zugeht. Daß der kleine Handwerker bei Submissionsangevoten oft nicht zu rechnen versteht, ist leider nicht selten, daß aber auch von Großindustriellen ganz unglaubliche Angebote erfolgen, beweist ein Aus schreiben wegen Anlieferung der Maschinen und Apparate zur Errichtung einer elektrischen Centrale bei den Redenschächten. Die Angebote der 30 Sub mittenten des ersten Loses gingen um nicht weniger als 52 755 M. auseinander Die Mindestforderung be trug 48 715 M., die Höchstforderung aber 101740 Mk., d. h. mehr als das doppelte der Gesamtsumme des Mindestfordernden. *— Freistelle« im Annastifte zn Schweikers Hain. In dem Annastifte zu Schweikershain bei Waldheim finden konfirmierte Mädchen aus länd lichen Familien Unterricht in Haushaltungsarbeiten, weiblichen Handarbeiten und in Forbildungssächern. Der Unterricht beginnt Ostern und dauert in der Regel ein Jahr. Die Aufzunehmenden dürfen nicht unter 15 und nicht über 22 Jahre zählen, sie müssen gesund und kräftig sein. Blutarme Mädchen pflegen den körperlichen und geistigen Anforderungen der Anstalt nicht gewachsen zu sein. Das Ministerium des Innern, welches die den Zöglingen des Stifts gebotenen Vorteile weiter zugänglich machen und zu gleichem Vorgehen an anderen Orten anrcgen möchte, wird für vier dazu geeignete, würdige und bedürftige Mädchen aus verschiedenen Landesteilen das Unter richts- und Pflegegeld auf ein Jahr von Ostern 1904 ab bezahlen. Bewerbungen um eine dieser Stellen sind bis zum 15. November 1903 „an die Leitung des Annastifts, Herrn Pfarrer Rost in Schweikershain bei Walcheim" schriftlich zu richten und zwar unter Beifügung 1. eines Taufscheines, 2. eines Impfscheines, 3. eines Konfirmations scheines, 4 eines ärztlichen Gesundheitszeugnisses, 5, eines vom Oitsgeistlichen ausgestellten Zeugnisses über das sittliche Wohlverhalten der Bewerberin, 6. eines Zeugnisses der Gemeindebehörde über die Bedürftigkeit der Bewerberin. *— Eine Landkarte für vier Millionen Mark, vielleicht die teuerste der Welt, ist die von der Regierung des Königreichs Sachsens fertiggestRte. die zeigt, wie der Boden in Sachsen in der Tiefe beschaffen ist, aus welchen Gesteinen und Verwitterungen er besteht, ob Lehmboden oder fruchtbare Ackerkrume auflieqt, ob i das Erdreich durchlässig ist oder wie sonst der Unter- I grund beschaffen ist, ob Metallgänge oder Kohlenlager und Bergwerkslager sich unter der Erde hinziehen usw. 123 einzelne Kartenblätter (im Maßstabe 1 : 25 000t gehören nach der „Köln. Ztg." zu diesem einen großen ganzen, deren jede- etwa zwei Geviertmeilen umfaßt und eine etwa einjährige Arbeit eines Geologen erfordert hat. Die Kosten jedes einzelnen Blattes stellen sich im Ganzen auf 30 —40 000 Mark. Aber auch der Nutzen dieses kostspieligen Kartenwerkes ist seiner Her stellung fast unmittelbar gefolgt. Bei Eisenbahnbauten u. s. w. ist diese Uebersicht schon mehrfach von großem Vorteil gewesen. Auch die Wasserbeschaffung für die Großstädte Leipzig und Chemnitz beruht im wesentlichen auf diesen Ermittelungen der geologischen Landesunter suchung, aus denen dieses Kartenwerk hervorging. Damit die Ergebnisse dieses kostspieligen Unternehmens nicht nur wenigen Vorbehalten bleiben, soll noch eine zweite Ausgabe derselben Karten in dem um drei Vierteile kleineren Maßstabe von l : 100 000 folgen. *— Wegebaupflichtige, welche um eine staat liche Beihülfe zu grundhafteren, das Maß der mandat mäßigen Herstellung überschreitenden Wegebauten für nächstes Jahr bitten wollen, haben ihre Gesuche unter Beifügung eines feiten des zuständigen Amtsstraßenmeisters zu bescheinigenden Kostenanschlages spätestens bis 15. November I903 bei der Königlichen Amtshauptmann schaft Glauchau einzureichen. * — Wegen Reinigung der Geschäftsräume werden bei der Königlichen Kreishauptmannschaft Chemnitz Freitag und Sonnabend, den 16. und 17. d. M, nur dringliche Sachen erledigt. * — Die grStzte Calvill Spalierkultur der Welt befindet sich in Merten bei Bonn im Besitz des Herrn Schmitz-Hübsch. In geschützter Gegend mit frucht barem, tiefgründigem Lehmboden hat dieser hervorragende Obstzüchter aus einer Fläche von 120n Hektar ein Mauerspalier von 8 Kilometer Wandlänge errichtet und mit dem edelsten Apfel bepflanzt, dem W c i ße n Wi nt e r- C a l v i l l, der bisher größtenteils aus Frankreich und Tirol nach Deutschland kam. Die Calvill, die hier bei Bonn am Spalier wachsen, sind ausgezeichnet in Schön heit und Güte Jede einzelne Frucht wird am Baume mit einer Papierhülle umgeben. Eine längere Abhand lung über diese großartige Anlage mit Bildern findet sich in der neuesten Nummer des „Praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau", welcher auf Verlangen gratis und franko vom Geschäftsamt desselben in Frankfurt a. Oder versandt wird. * — Callnberg. Das Königliche Ministerium des Innern hat nunmehr dem Stadtgemeinderat von Callnberg zur Ausführung der Vor - arbeiten und Ermittelungen, die zur Aufstellung eines Planes für die Wasserleitung «r- 'orderlich sind und von denen die Flur Rödlitz be troffen wird, Genehmigung erteilt. Mit diesen Ar beiten wird, soweit sie nicht schon erfolgt sind, in den nächsten Tagen begonnen werden. * — Mülsen St Micheln. Zum Kirchweih fest, welches unsere Gemeinde am 11. und 12. dss. Mts. begeht, wird im Wiegandschen Gasthofe nächsten Dienstag die Glauchauer Stadtkapelle konzertieren. * — Mülsen St Jacob. Am Montag beging Herr Postoerwalter Hager hier sein 25jähriges Be- amtenjubiläum im kaiserlichen Postdienste. Dresden Das sog. „blaue Wunder," die Losch- witz-Blasewitzer Elbbrücke, ist neu angestrichen worden. Fast ein Vierteljahr hat die Arbeit gedauert, zu der man nicht weniger wie 50 Zentner Farbe gebraucht hat. Die Kosten betragen gegen 12000 Mark. Einige Teile der Brücke sind diesmal gelb angestrichen worden, so daß man nicht mehr gut von Dem blauen Wander reden kann. I Dresden Die Stadtverordneten beschlossen, de« I städtischen Arbeitern dte Mitgliedschaft in Konsum- Vereinen zu verbieten. Leipzig. In einem Anfalle geistiger Um» nachtung tötete gestern früh der 35jährige Lithograph Seifert in seiner Wohnung, Katzbachstraße 9, seine 58 Jahre alte Mutter, Frau verw. Seifert, sowie seine Schwester, die Witwe Köppe, durch Erschießen. Nach vollbrachter Tat jagte sich der Mörder zwei Kugeln durch den Kopf, die seinen Tod herbei führten. Ec ist früher schon einmal in einer Nerven heilanstalt interniert gewesen. Leipzig. Die Gedächtnisfeier des 90. Jahres tages der Völkerschlacht am 18. Oktober früh 11 Uhr auf dem Denkmalhügel wird sich zu einer würdigen Feier gestalten. Die Festordnung ist bereits getroffen. 24 Bläser des Posaunenchores des evangelischen Jünglingsoereins werden die Feier mit dem Choräle „Lobet den Herren" einleiten, dann folgt durch den Teutonia-Sängerbund mit 450 Sängern der Vortrag von Abts „Geihegesang" und der,Zuruf an Deutsch land" von Ottto und eine Festansprache. All gemeiner Gesang: „Deutschland, Deutschland, über alles" beschließt die Feier. Da diesmal der Jahres tag aus den Sonntag fällt, haben zahlreiche Vereine ihr Erscheinen bereits zugesagt. Zwickau. Zahlreiche bedeutende Schäden sind durch den in der hiesigen Gegend aufgetretenen Sturm an Fenstern, Dächern usw. angerichtet worden. Auch stacke Bäume hat der Sturm umgelegt, u. a. einen in der oberen Römerstraße, in der Graben« Promenade und an anderen Stellen. In Zwickau-Land (40. ländl. Wahlkreis) er scheint die Wahl des Sozialdemokraten Stolle zum Landtagsabgeordneten gesichert. In Weitzer Hirsch ist Se. Königliche Hoheit Prinz Waldemar von Preußen wieder zu einer drei wöchigen Kur in vr. Lahmanns Sanatorium ein getroffen. Oelsuitz i B. Der Bureaudiener bei der hiesigen König!. Amtshauptmannschaft, Bernhard H , wurde wegen Unterschlagung gefänglich eingezogen. Nvflen. Durch Blitzstrahl wurden in Erlicht bei Niederschöna das Hauboldsche Wohnhaus und zwei andere Gebäude in Brand gesetzt und zerstört. Thum. Ein hiesiger Pllzsucher fand in der Nähe der Gisthütte bei Geyer drei selten gute, wohlerhaltene Steinpilze, die zusammen das respektable Gewicht von 5 Pfund hatten. Crossen bei Zwickau. In dec Mulde ertränkt hat sitz hier ein noch unbekannter, den besseren Ständen angehöcender Mann. Nöth«. Infolge des heftigen Sturmes ereig nete sich im benachbarten Zöpen ein tätlicher Un glücksfall. Der allgemein bekannte Getreidemakler und Agent Ernst Brant aus Rötha, ein Mann in den siebziger Jahren, ging neben einem mit Stroh beladenen Wagen, als plötzlich ein heftiger Wind- toß das Gefährt umwarf und den Unglücklichen inler der Last begrub. Trotz sofortiger Hilfeleistung konnte B. nur als Leiche unter dem Geschirr hervor gezogen werden. Wilsdruff. Ein Kampf unter den Zirkus künstlern. Während der Kirmesfeier entstand unter den „Künstlern" des hier weilenden Zirkus eine iurchtbare Schlägerei. Der Hauptbeteiligte war der Athlet Singer, der mit einer Eisenstange wie rasend um sich schlug und den meisten „Kollegen" blutige Köpfe verschaffte. Er mußte stark gefesselt nach dem Nutsarrestlokate gebracht werden, von wo aus er bereits dem Amtsgerichte zugeführt worden ist. Die Hand des Schicksals. Novelle von A. Peters. (Nachdruck verboten) (21. Fortsetzung.) „Für Dich, mein kleiner Lionel, hoffe ich, immer ein frohes, glückliches Gesicht zu haben", entgegnete Ottokar. „Wirst denn auch Tu lernen, mich lieb zu haben, mein Sohn?" „Ich habe Dich schon lieb", rief der Knabe, „und Tante Nora auch I" „Nun. Deine Mama hast Du doch gewiß auch lieb?" „Ja, ich liebe Mama und Frau Olten und Richard, der meinen kleinen Pony besorgt, — der hat so rote Backen! Aber Tante Nora habe ich am liebsten!" Ottokar nickte wie selbstoerloren. In seinem Tiefinnersten hatte er ein Gefühl der Enttäuschung, das er sich selbst nicht zu erklären wußte. Sein Herz war abgekühlt, und doch hätte er nicht sagen können, warum. „Weshalb hat mir Elsbet den Knaben nicht gebracht?" fragte er. Bei diesen Worten trat Lady Lenstone einen Schritt näher, reichte ihrem Schwager die Hand, gratulierte ihm dazu, daß er noch im Lande der Lebendigen weile, und setzte in auffallend gezwungenem Tone hinzu: „Elsbet ist nicht wohl. Ich redete ihr zu, ein wenig zu ruhen, während ich Ihnen den Knaben zuführen wollte." »« „Es tut mir leid, wenn ich sie erschreckte," gab Ottokar zurück, „aber, Klara, kann ich dafür, daß ich noch lebe?" Auf Lady Lenstones Gesicht zeigte sich kein Lächeln der Erwiderung. „Sie hätten sie auf Ihre Rückkehr vorberetten sollen," versetzte sie. „Dieser Vorwurf trifft mich nicht ganz schuld los," versetzte Ottokar, „ich gebe zu, daß ich darin unüberlegt gehandelt habe. Doch das ist nun ein mal geschehen. Bitte, sagen Sie zu Elsbet, sie solle zu uns kommen. Ich möchte sie mit dem Knaben zusammen sehen." „Ich werde Elsbet benachrichtigen," erwiderte Lady Lenstone. „Lionel, willst Du mit zur Mama kommen?" Der Knabe ergriff Ottokars Hand „Nein," sagte er, „ich will hier bei Papa bleiben." Lady Lenstone kehrte allein zu Elsbet zurück, doch erschrak sie heftig, als sie deren bleiche, verstörte Züge sah. Elsbet zog sie in das Zimmer und verschloß die Tür hinter ihr. „Nun rede!" sprach sie. „Spanne mich nicht auf die Folter! Wie ist alles abgelaufen?" „Es könnte nicht besfer sein," lautete die kühle Entgegnuug. „Bade jetzt Dein Gesicht und sieh so freundlich cus als möglich; Ottokar möchte Dich mit dem Knaben sehen." „Klara", fragte Elsbet mit bebenden Lippen, „was — was sagte er über den Knaben?" „Er war ganz entzückt, als er den Knaben sah, und weinte nur, er fände ihn sehr verändert; ich glaube, er ist etwas enttäuscht, daß er ihm gar nicht ähnlich sieht. Ah, jetzt hast Du wieder Farbe I Nun komm!" Die beiden Schwestern schritten dem Platz zu, wo die kleine Gruppe unter den Bäumen sie erwartete. , Er ist ein kleiner Prinz", sagte Leonore. „Jedermann hat ihn lieb; Sie werden bald stolz auf Ihren Erben sein, Ottokar! Aber die Wehmut auf dessen edlen Zügen ward nur größer. „Ich weiß nicht, wie es kommt, Nora," ent gegnete er, „aber mein Herz schlägt dem Kinde nicht warm entgegen." „Sie waren so lange von ihm getrennt", tröstete Leonore ihn, „das wird in wenigen Tagen anders sein." „Ich muß ein eisigkaltes Herz haben," sprach Ottokar, „denn wenn irgend welche Liebe es zu be wegen vermag, so müßte es doch die Liebe zu meinem Kinde sein. Ich habe eine seltsame Em pfindung, die sich nicht in Worte zu kleiden vermag, — ein gewisses Gefühl der Enttäuschung. Ah, da kommt Elsbeth!" „Warum führtest Du mir nicht den Knaben zu ?" fragte er mit leisem Vorwurf. Sie blieb stehen. Das Kind kam herbeige- sprungen, schlang seine kleinen Aermchen um ihren Hals und küßte sie. Sinnend betrachtete Ottokar das hübsche Bild vor sich. Warum ward die Stimme der Natur nicht in ihm laut ? Warum sprach dieselbe nicht für seinen kleinen Sohn? Warum — wie sein Auge so auf ihm ruhte — blieb sein Herz kalt wie Eis? Leonore stand auf, um die beiden Gatten allein zu lassen, die, wie sie erwähnte, nach solch langer Trennung einander viel zu sagen haben mußten. Sie ahnte nicht, mit welch traurigem Blick Ottokars Augen ihr folgten, noch daß Elsbet im Stillen wünschte, sie würde geblieben sem. (Fortsetzung folgt.)