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»Lieber Strobach", sagte er plötzlich zu dem neben ihm sitzenden Major — „müssen demnächst «inen neuen Eric ersinnen — der, den Sie beim Bajonettieren anwandten, ist zu alt." „Herr General? —" „Ist zu alt — kenne ihn, hab ihn immer als Hauptmann angewandt — unter dem Drähtgestell des Fechthutes kann man die Kerle ja doch nicht erkennen — aber ich habe den einen an der Narbe der rechten Halsseite erkannt. Nun — sehen Sie doch nicht so verhagelt aus. Das ist kein Staats verbrechen. Deshalb kann ich Ihnen doch zum Stern im voraus gratulieren I" Buntes Feuilleton. Ueber dieUnfehlbarkeitderPäpste wird uns geschrieben: In diesen Tagen sind 130 Jahr verflossen, seitdem Papst Clemens XIV. durch seine Bulle „Dominus ao reckemptor noster" vom 21. Juli 1773 den Jesuitenorden, nachdem er 213 Jahre bestanden als unvereinbar mit dem Frieden innerhalb der katholischen Kirche für immer und für alle Zeiten aufgehoben hat. In der genannten Bulle heißt es u. a.: „In Anbetracht, daß es kaum und garnicht möglich ist, daß, solange die Gesellschaft Jesu besteht, der wahre und dauernde Friede der Kirche wiederhergestellt werden kann . . . Wir heben gedachte Gesellschaft nach reifer Ueberlegung und unfehlbaren Einsichten kraft unserer apostolischen Vollmacht auf und unterdrücken dieselbe." Der Papst Pius VII. stellte im Jahre 1814 am 7. August durch die Bulle „8oUioituäo omvium" den Orden jedoch wieder her. — Beide Päpste, sowohl Clemens XIV. als Pius VII., waren unfehlbar, trotz der sich widersprechenden Erlasse. — Wer von beiden war wohl der unfehlbarere? BestraftesKonkurrenz-Man oder.Wenn es schon unanständig ist, in Prospekten Gutachten und Zeugnisse aufzunehmcn, in welchen Firmen der Kon kurrenz angegriffen und mit Namen erwähnt werden, so kann sich derjenige, welcher derartige Zeugnisse und Gut achten gar zu seinen Gunsten verändert, aus eine empfind liche Strafe gefaßt machen. Ern solcher Fall ist kürzlich bei dem Amtsgerichte und der Strafkammer zu M.-Glad- bach zur Aburteilung gekommen. Ein Ösen- und Herd fabrikant in M.-Gladbach hatte in seinen Prospekten «in Gutachten am Reichsgericht und ein Zeugnis eines Kölner Baumeisters zu seinen Gunsten bezw. zum Nach teil der Aachener Gasvfenfabrik H , deren Namen in den Zeugnissen angegeben war, entstellt zum Abdruck ge bracht. Auf die Klage der Aachener Firma wurde der selbe zu Mk. 300 Geldstrafe und in die jedenfalls be deutenden Kosten verurteilt. Der Aachener Firma wurde ferner die Befugnis zugcsprochen, den Urteilstenor zu publizieren. Vor derartigen Manövern kann daher nicht genug gewarnt werden. Einende st ialischenMord hat eine Zigeuner« bande im Orte Maghar-Egres (Ungarn) verübt. Am Abend kam ein junger Zigeuner Michael Baczura zum Stuhlrichter Homba mit der Bitte um Schutz, weil er von der Zigeunerbandc, die er wegen Raubes verraten hatte, zum Tode verurteilt worden sei. Die ins Dorf kommende Bande wurde daraufhin vom Stuhlrichter ver jagt und man wies dem Bedrohten ein verschlossenes Zimmer nn Gemeindehause an. Früh fand der Stuhl richter das Zimmer leer. Die Zigeunerbande hatte das Versteck ausfindig gemacht und den Verurteilten wegge schleppt. Bauern fanden im Feld seine Leiche in schreck lichem Zustande. Sie war in zwei Stücke geschnitten, die an zwei Bäumen hingen. Die Zigeuner halten ihrem Opfer die Augen ausgebrannt, ihm die Zunge ausgeschnitten, um ihn für Ausspähung und Vcrräterei zu strafen, hatten ihm dann sieben Messer in den Leib gestochen, ihn an den Füßen an zwei Akazien aufgehängt und ihn mitten auseinandergehackt, so daß an jedem Baume eine Hälfte hing. Ein Edikt für Aerzte hat die Negierung in Shanghai erlassen, dem wir folgende hübsche Stellen entnehmen: „Ihr Aerzte müßt euere Kenntnisse zum Wohl des Volkes verwenden; ihr sollt auch bei schleusen Wetter willig ci..em Rufe folgen und dürft keine Müdig keit vorschützen! Kranke Leute sehnen sich nach dem Arzte, wie sich die Saat nach dem Regen sehnt. Ihr Aerzte denkt oft, ihr seid kolossal gelehrt, während doch viele unter euch unpraktische Giftmischer sind; ihr sollt aber wissen, daß nicht das hohe Honorar die Hauptsache ist, sondern die Hilse! Ihr sollt die Armen, die weniger zu zahlen vermögen, als die Reichen, darum mcht schlechter behandeln und weniger um sie sorgen! Ein Arzt, der nicht sofort erscheint, wenn man seiner bedarf, kann nur das Honorar beanspruchen. Aerzte, die ihre Besuche versäumen, zeigen dadurch, daß sie bösen Gemütes sind." Jedenfalls macht dieser Erlaß der chinesischen Regierung alle Ehre. DasVagabundentumhatin Deutschland, wie ost geklagt wird, ganz erschreckliche Verhältnisse angenommen; indes auch in anderen Ländern ist es ganz erheblich gewachsen, so auch im reichen England. Nach einer im Parlament gegebenen Erklärung wurden im Jahre 1901 in England, ohne Schottland und Irland, 7029000 Arme mit 7 688000 Pfund Sterling oder mit 153 760000 M. unterstützt. Nach einer anderen, ebenfalls offiziellen Statistik befindet sich in England und in Wales der dreiunddreißigste Mensch entweder im Armenhause oder wird in einer Privatwohnung aus öffentlichen Mitteln erhalten. Ein vortreffliches Mittel, um Zu- sammenrottungen zu zerstreuen, und nicht etwa durch Feuerspritzen, die auch gute Dienste zu diesem Zwecke l tun, ist folgendes: Man möge eine Anzahl von Personen mit Büchsen zur Eicksammlung vün Geld beiträgen zu einem wohltätigen Zwecke herumgehen lasten. Bot einiger Zeit ging die Mitteilung durch die Presse, daß in einem füt dtk Tchütßebtauch bestimmten Liederbuche die erste Strophe des Liedes „In einem kühlen Grunde" folgendermaßen ver hunzt war: „In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad, mein Onkel ist verschwunden, der dort gewöhnet hat! Jetzt hat man auch die zu diesem Onkel gehörige Tante ausfindig gemacht. In einem für Kinder und Familie bestimmten Musikwerk befindet sich folgendes umgedichtetes Volkslied: „Kommt ein Bogel geflogen, setzt sich nieder auf mein' Fuß, hat ein Briefchen im Schnabel, von der Tonte 'nen Gruß." Lesefrüchte Die beste Art, sich an jemand zu rächen, fit die, es ihm nicht gleich zu tun. Marc Aurel. Je weniger Verstand einer hat, um so weniger merkt er Mangel. Schottich. Das Glück gibt zu viel, aber keinem genug. Publius Syrus. Humoristisches Scharfblick. Pikkolo (leise zum Kollegen): „Du, an dem runden Tisch gibt's wieder kein Trinkgeld, die Herren reden mich alle mit „Sie" an!" So etwas kommt vor. Kommis: „Da ist ein Bauer, der möchte gern den schwarzen Rock, der mit 30 Mark ausgezeichnet ist, für 18 Mark 50 Pfg. haben." — Prinzipal: „Unverschämter, frecher Kerl — Geben Sie'n ihm!" Naturbc st immun g. Herr: „Trotz der Frauen-Emanzipation werden sich die Damen einem Gebot stets gern unterwerfen." — Dame: „Das wäre?" — Herr: „Dem Aufgebot!" Zeitgemäße Definition. Das Wasser ist eine Helle, durchsichtige Flüssigkeit, deren die Menschen sich in früheren Zeiten als Getränk bedienten. Kasernenhofblüte. Leutnant (dast Geräte-Turnen von Reservisten besichtigend): „Sik woll'n 'n dramatischer Dichter sein und kriegen nicht mal 'nen einzigen Aufzug fertig?" Briefkasten H. in L. Ihr Wunsch ist leicht zu erfüllen; das Fremdwort ist zwar wenig gebräuchlich, aber doch dürfte allgemein bekannt sein, daß man unter „Aeronautik" die Kunst, sich in die Luft zu erheben und darin zu bewegen, also „Luftschiffahrt", versteht. A. in 15. Ein kurzer Sinnspruch, wie Sie ihn Ihrem Freund mitteilen könnten, ist der folgende: Glaube nicht alles, was Du hörst; Liebe nicht alles, was Du siehst; Rede nicht alles, was Du weißt. N. in H. Die Angabe der Firma auf Druck sachen (Druck von . . .) entspricht nicht nur einem allgemeinen Gebrauche, sondern ist auch gesetzlich oorgeschrieben. Ausgenommen von dieser Vorschrift sind nach K 6 des Reichs-Preßgesetzes diejenigen Druckschriften, welche „nur zu den Zwecken des Ge werbes und Verkehrs, des häuslichen und geselligen Lebens dienen." Hierzu gehören: Formulare, Preis- zettel, Visitenkarten und dergleichen, sowie Stimm zettel für öffentliche Wahlen, soweit sie nichts weiter als Zweck, Zeit und Ort der Wahl und die Be zeichnung der zu wählenden Personen enthalten. GlüL Originalrom vonan S. Halm. (Nachdruck verboten.) (24. Fortsetzung.) „Ach, was Sie sagen, Liebste! Ich dachte, Ihre kleine Cousine hätte Ihnen zu einer näheren Bekannt schaft mit dem jungen, talentvollen Künstler ver halfen." Andreas Brauen zogen sich leicht zusammen. Ihre schlanke Gestalt richtete sich etwas gerader auf, ein für die Mutter bekanntes, bedrohliches Anzeichen. „Haben Sie bestimmte Gründe zu dieser Ver mutung ?" kam es kühl, ja eisig von Andreas Lippen. Die Majorin kniff die welkenden Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. „Bestimmte Gründe? Wie käme ich dazu? Doch lag in der Frage wirklich etwas Kränkendes für Sie? Schließlich ist es heutigen Tages selbst in unseren Kreisen kein Verstoß gegen den guten Ton, wenn eine junge Dame von Schönheit und Geist ein emor- strebendes Talent protegiert. — Nur " sie zögerte, wie nach Worten suchend „nur darf die Herzensgüle und der Kunstenthusiasmus nicht so weit gehen, den eigenen Ruf zu schädigen." Frau Olsen war bei den letzten Worten so weiß wie ihr Taschentuch, das sie in der Hand hielt, ge worden. Die Majorin war eine schlimme Schwätzerin, doch hatten ihre Angriffe immer einen gewissen greif baren Hintergrund. Sie würde sich zu dieser In famie nicht Herabgelasfen haben, wenn Andrea nicht Anlaß zu solchem Auftreten gegeben hätte. Halb empört und auch wieder ungewiß sah Frau Olsen auf ihre Tochter. Die war nicht weniger em« pört und bleich wie sie. Auguste Olsen kannte genau die Symptckme, die einem AorneSausbruch der Tcchter voraufzugehrn pflegten. Andreas Nasenflügel bebten, thrt feinen Brauen berührten sich in einer haarscharfen Kalte über der Nasenwurzel, die großen Augen flammten drohend. Auguste Olsen füWe sich, wenn die Tochter so auSsah, immer etwas unbehaglich. Erinnerte solcher Anblick sie doch an den Gatten, vor dem sie, wenn auch nur selten, dennoch zu Zeiten hatte zittern können. Eine schwüle Pause entstand zwischen den Dreien. — Endlich sprach Andrea mit völlig verändert klingender Stimme, die obwohl beherrscht, doch den inneren Aufruhr ahnen ließ. „Wir stehen uns Weib zu Weib gegenüber. Wären wir beide Männer, so bei Gott Frau Majorin vergäße ich den zwischen uns herrschenden Alters unterschied. Darf ich nun wenigstens um eine Er klärung Ihres unbegreiflichen Benehmens und Ihrer versteckten Malizen bitten?" Andrea hatte wohl nie unnahbarer und hoch mütiger ausgesehen. Die Majorin zitterte denn auch vor Wut. „So!" zischte sie mit vor Zorn zitternden Lip pen. „Sie glauben wohl, wenn Sie sich nur aufs hohe Pferd setzen, so wagt es niemand, Ihren Extravakanzen, Ihrer Hintansetzung aller herkömm lichen Sitten den rechten Namen zu geben? Da könnten Sie sich doch irren, meine kluge, schöne An drea. Ihr Hochmut schützt sie nicht vor der Ver urteilung durch unsere Gesellschaft. Sie möchten sich eine Ausnahmestellung sichern. Ihre Klugheit aber sollte Ihnen sagen, daß Ihre Wünsche Utopien bleiben werden. Ihre kleine Kousine, die nicht eigentlich in der Gesellschaft verkehrt, kann es sich wohl gestatten, einem Künstler Modell zu sitzen. Sie aber hätten die Folgen berechnen müssen, die sich für Sie aus einem solchen Benehmen ergeben. Ihnen das freundschaftlich oorzustellen war meine Ansicht, als ich kam. Den Mangel an Verständnis und dankbarer Anerkennung kann ich, die ich bislang mit Ihrer Frau Mutter freundschaftlich verkehrte, nur am meisten in Ihrem eigenen und auch in Ihrer armen Mutter Interesse bedauern." Während Frau Olsen kaum hörbar ächzte: „Andrea, wie konntest Du mir das antun!" schritt Frau von Hemscheidt mit der Miene gekränkten Stolzes und verkannter Nächstenliebe zur Tür. Sie hatte sie bis auf wenige Schritte Abstand erreicht, als Andrea wie elektrisiert aufsprang und ihr in den Weg stellte. Ihre zornsprühenden Augen flammten so wild über die Verläumderin hin, daß diese doch ^etwas betroffen zurücksuhr: „Menagieren Sie sich doch, meine Liebe." Andrea aber schien für diese Mahnung unzu gänglich. „Sie werden nicht eher dieses Zimmer verlassen, ehe Sie mich nicht gehört und mir alles abgebeten haben —". „Andrea, Kind , liebste Frau von Hemmscheidt — , ich flehe Sie an". Andrea schob die Mutter energisch zur Seite. „Liebe Mama, hier gilt es, meine Ehre zu ver teidigen ; bitte, mische Dich nicht hinein". Frau Olsen sank wie vernichtet auf ihren Sitz zurück. All' ihre sonstige Energie hatte sie diesem Auftreten ihrer Einzigen gegenüber verlassen. Auguste Olsen war eine jener Naturen, die sich in ihrer Herrschsucht bis zur Rücksichtslosigkeit gehen lassen, sich jeden schwächeren Willen dem eigenen stärkeren unterzuordnen versteh'n, aber von einer ebenso rücksichtslos - energischen Natur leicht einschüchtern lassen. So kam es, daß Frau Olsen auch jetzt in ihrer Tochter den Meister erblickte. Ergeben saß sie da und folgte mit ängstlicher Spannung dem Verlauf des Auftrittes. Zur vollen Höhe aufgerichtet, den königlichen Wuchs umschlossen vom schlichten, enganschließenden dunklen Hauskleid, im starren, weißen Gesicht nur ein Lebendiges, die flammenden Augen, so stand Andrea, leicht auf die Tischkante gestützt, da und sprach: „Von dem Grad Ihrer menschenfreundlichen Gesinnung will ich hier schweigen, Frau Majorin. Mir liegt schließlich an der Meinung meiner lieben Nächsten sehr wenig. Dennoch will ich eine un gerechtfertigte Beschuldigung nicht auf mir sitzen lassen, denn mein Hochmut lehnt sich dagen auf. Darum gebe ich Ihnen und somit allen, die es in teressieren mag, die Versicherung, daß ich mich nie dazu hergegeben habe, irgend einem Künstler Modell zu sitzen. Dürfte ich Sie nun bitten, mir eine Er klärung für Ihren Irrtum zu geben?" Sie hatte mit der vollendeten Beherrschung einer Weltdame gesprochen und nur am Ausdruck ihrer Augen konnte man den Aufruhr erkennen, der in ihrem Innern tobte. — Frau von Hemscheidt mochte ahnen, daß sie sich habe zu weit Hinreißen lassen, doch auch ihr Hoch mut vertrug kein Einlenken. — Ihre markierten Züge bekamen geradezu etwas Unschönes, während sie mit.beleidigendem Ausdruck erwiderte: „Ich denke, wir geben es auf, uns mit schönen Worten zu bewirten. Halten wir uns doch lieber an die Tatsache, daß sich im Atelier dieses jungen