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„Gewiß, Sir," sagte der andere, „Sklaven haben wir ja leider — wollte sagen Gott sei Dank nicht mehr I Alle diese Leute hier werden gut bezahlt, gut gehalten und wollen garntcht wieder weg." „Er lügt, Sir, erlügt!" schrie da Dick, der ganz nahe herangekommen war, überlaut, „er hat mich gekauft, nachdem man mich in AlbertSville auf falsches Zeugnis hin verurteilt hatte. Ich bekomme keinen Pfennig, sehr schlechtes Essen, ein Lager für einen Hund zu schlecht nnd unmenschliche Prügel! Seht meinen Rücken — und mit den anderen ist es ge rade so — „Schwarzer Hallunke," knirschte Gibson und hob den Revolver, aber er schrie auf, ehe er ab drücken konnte und ließ den Revolver fallen. Ein furchtbarer Fausthieb des Fremden hatte ihn am Handgelenk getroffen. Dieser zog nun seinerseits einen Revolver und donnerte Gibson an: „Hände hoch, Mr. Gibson — und so wie Ihr eine verdächtige Bewegung macht, seid Ihr ein Kind des Todes. Seht hier mein Zeichen. Ich bin kein Redakteur, ich bin der Polizeiinspektor Hotchkins aus Washington. Die Kunde von Euren Schand taten ist zu uns herauf gedrungen, Ihr Sklaven halter ! 50 Soldaten sind in meinem Gefolge und auch der Redakteur der „Eastern Review", für den ich mich ausgegeben habe und der nun Eure Schand taten der schaudernden Mitwelt beschreiben soll — sie alle werden gleich hier sein." Ein Pfiff und die Soldaten waren da. Nach einer halben Stunde lag Mr. Gibsan's Plantage wie aus gestorben. Ihr Besitzer, der mitten in der Ernte war, fluchte und rauste sich das Haar und die 5 Aufseher forderten drohend von ihm ihren Lohn. 50 Schwarze segneten an diesem Tage Mr. Hotchkins und Dick noch besonders den „edlen Papa Roosevelt." Der Verteidiger. Novellistische Skizze von Kurt Wander. (Nachdruck verboten.) Dr. Delpit war als Advokat weit und breit ge sucht. Wer einen verwickelten Prozeß hatte oder wem der Staatsanwalt an den Kragen wollte — ein jeder nahm den Dr. Delpit. Dr. Delpit verteidigte sie alle. Mörder, Raub mörder, Einbrecher, Betrüger, Wucherer, Erpresser und was cs alles noch für auserwählte Exemplare dieser Gattung Menschen gab, Dr. Delpit verteidigte sie alle und erlangte gar häufig ihre Freisprechung. Daß ihm dabei ab und zu selbst einmal was gestohlen wurde, tat nichts zur Sache, er zeigte einen solchen Fall der Polizei an und damit war derselbe denn auch gewöhnlich für ihn erledigt. Und zu allerletzt hatte man ihm einen Siegelring ge stohlen, das ging ihm über die Hutschnur — und als er an jenem Tage für einen Einbrecher plaidieren sollte, plaidierte er den Mann in's Zuchthaus. Heute war nun ein ganz besonders schwerer Fall — man hatte einen berüchtigten und schweren Jungen erwischt, wie er der lohnenden Beschäftigung sich hingab, eine Speisekammer auszulehren. Aller hand Sächelchen, die aus verschiedenen Einbrüchen herrührten, hatte man bei ihm gefunden und war nun überzeugt, den Faden gefunden zu haben, an dem man verschiedene dunkle Verbrechen der letzten Zeit entwirren zu können hoffte. Kaum war die Verhaftung des Verbrechers, der übrigens Forgeron hieß, bekannt geworden, da begab sich Dr. Delpit zum Gericht und erbat sich, den Mann verteidigen zu dürfen. Der Richter lächelte. „An dem Falle," sagte er, „dürften Sie wenig Freude haben, Herr Doktor, es ist ein halsstarriger Bursche, der wenig Sympathie einflöst, weil er alles, aber auch alles leugnet, selbst was bei seiner Ver haftung geschehen ist." „Ein Fall für mich, Herr Richter," jubelte Delpit, „ein Fall für mich!" Man g--b ihm den Mann zur Verteidigung und Dr. Delpit besuchte ihn sogleich im Gefängnis. Der Verbrecher, eine Mittelfigur von starken Gliedern, das gedunsene Gesicht mit einem roten Seemannsbart umrahmt, musterte den Advokaten neugierig mit seinen schwarzen Augen. Als nun Dr. Delpit seinen Namen nannte und die Absicht kund tat, ihn zu verteidigen, da huschte ein Lächeln über seine Züge. „Nun Forgeron," sagte Delpit, „Sie lächeln? Ohne Zweifel haben Sie schon so viel von dem be kannten Verteidiger Dr. Delpit gehört, daß es Sie jetzt freut, einen solchen Verteidiger zu bekommen?" sß„Gewiß, Herr Doktor!" antwortete der schwere Junge kalt, „es freut mich ungemein, Sie zum Ver teidiger zu bekommen, aber darum lächelte ich nicht. Sie sahen aber einem Herrn furchtbar ähnlich, von dem man behauptete, er sei von mir bestohlen worden. Natürlich ist das aber alles giftige Verleumdung." „Natürlich, Forgeron — Sie sind ja unschuldig — selbstverständlich! Und nun wollen wir die Sache mal durchgehen." Lange konferierte Dr. Delpit mit dem Kerl und als er dessen Untersuchungszelle verließ, rieb er sich die Hände. „Der Kerl ist selbstverständlich schuldig," mur melte er, „und wenn ich Staatsanwalt wäre, ich wollte ein Plaidoye, worauf alle Geschworenen der Welt ihn schuldig sprechen müßten, nur so aus dem Aermel schütteln. Aber — ah, wenn ich den freikriegte — das wäre ein Erfolg!" Dann begab er sich nach dem Gericht und ließ sich die Gegenstände, die man bei dem Diebe ge funden hatte, vorzeigen. Auch hier nickte er zufrieden. Der Tag der Verhandlung kam heran, der Ver brecher da auf der Anklagebank war ruhig, fast heiter und sein Verteidiger in fast fieberhafter Spannung, auch erst mal das Wort ergreifen zu können. Der Zuschauerraum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Endlich war das nur kurze Zeugenverhör und das Plaidoyer des Staatsanwaltes, der drei Jahre Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust beantragt hatte, zu Ende und Dr. Delpit nahm das Wort. Alles lauschte gespannt den Ausführungen des be kannten Verteidigers. Nach einigen einleitenden Bemerkungen begann er die Beweise zu zerpflücken, die man gegen seinen Klienten vorgebracht und aus den Zeugenaussagen gefolgert hatte. „Und wegen des Deliktes, das seine Verhaftung herbeigeführt hatte, muß Ihr Verdikt, meine Herren Geschworenen, unbedingt auf Freisprechung lauten. Denn daß er die Speisekammer ausgeräumt hat — das war Mundraub. Sehen Sie ihn doch an, ein Bild der Not ist er und des Jammers, ein Opfer unserer sozialen Zustände und der Unbarmherzigkeit seiner Mitmenschen — eigentlich müßten diejenigen, die ihn hungern lassen, hier vor den Schranken des Gerichts erscheinen und nicht er!" Ein Schluchzen durchdrang bei diesen Worten den weiten Raum — der Angeklagte war es, der weinte und wurde von dem Vorsitzenden nach dem Grunde gefragt. „O — Herr Gerichtshof", schluchzte ec — „ich habe gar nicht gewußt, daß ich ein so guter Kerl bin", stammelte er. „Sehen Sie!" nahm da der Verteidiger mit Nachdruck wieder das Wort, „wie zerknirscht er ist, weil er weiß, daß wir Menschen allzumal Sünder sind — und diesem Manne trauen Sie solche Ver brechen zu — und wenn Sie sie ihm wirklich zu trauen, dann halten Sie ihn für fähig, so hartnäckig zu leugnen? Der Herr Staatsanwalt hat ausge führt, es fiele für meinen Klienten erschwerend ins Gewicht, daß es schon hell war, als er dabei erwischt wurde, wie er in die Vorratskammer eindrang — vorher hatte er gesagt, die anderen Einbrüche, die man ihm zur Last lege, seien zur Nachtzeit verübt worden, also heimtückisch, im Schutze der Dunkelheit, das sei besonders verderblich. Nun frage ich Sie, meine Herren, wenn nicht am Hellen Tage, wenn nicht unter dem Schutze der Dunkelheit — wann hatte der Mann dann stehlen sollen? Also wegen der Eßwaren beantrage ich Freisprechung und wegen der anderen Sachen. Eine Uhr ist in seinem Besitz, eine Kette, ein Medaillon und Armband — ja sind denn das Beweise? Ein Anderer kann sie gestohlen und ihm geschenkt haben, wie der Angeklagte es ja auch selbst behauptet —". „Einen Augenblick, Herr Doktor", fiel ihm da der Richter ins Wort, „ein Beweisstück ist noch ver gessen, das sich ebenfalls bei dem Angeklagten be fand". Und dabei hielt er dem eifrigen Verteidiger einen Siegelring vor die Augen. — Der stutzte, be sah ihn und sagte: „Diesen Siegelring fand man bei dem Ange klagten ?" „Allerdings I" „Nun, meine Herren", begann Delpit nun mit Donnerstimme, „da sehen Sie es — mein Siegel ring, der mir bei einem Einbruch gestohlen wurde. Solch eine Verworfenheit I Es ist ein Erbstück, das mein Großvater aus Rußland mitgebracht hat — er hat es da vom König von Neapel geschenkt be kommen. Und bedenken Sie eine solche Pietätlosig keit und Verworfenheit von diesem Menschen, einem Manne, der ihm niemals etwas zu leide getan hat, ein teures Andenken zu stehlen, das noch dazu für den Besitzer unendlichen, für den Dieb gar keinen Wert hat — und dieses Kleinod, dieses Familien erbstück stiehlt er mir, einem Mann, der ihn nachher noch so glänzend verteidigt — ? Meine Herren Ge schworenen, das ist eine Verworfenheit, die es zur Gewißheit macht, daß der Mensch auch alle übrigen ihm zur Last gelegten Straftaten begangen hat Meine Herren, ich beantrage daher das höchste gesetz lich zulässige Strafmaß —". Dr. Delpit sah sich sehr verdutzt um, als sich nach diesen Worten der Gerichtshof erhob und der Staatsanwalt ihm für die freundliche Mitwirkung dankte. Natürlich wurde Forgeron zu der beantragten Strafe verurteilt. Buntes Feuilleton. Was ist überflüssig. Es ist sicher überflüssig, wenn ein Gläubiger einen Studenten, der sich schon die letzten Monate her ohne Erfolg mahnen ließ, am 28. eines Monats (!) auch noch zum Offenbarungseid laden läßt. Solch eine Ge schichte spielte sich dieser Tage vor dem Münchener Manifestationsrichter ab, natürlich da auch ohne Erfolg. Der Studio erklärte auf den Eid, er besitze nichts als seinen Anzug, etwas Wäsche, einen Schirm und einen Couleurstock; Uhr und Ring befänden sich bei einer Tante, an Bargeld besitze er nichts. Auf die eindringlich« Bemerkung deS Richter« hin, «z müsse selbst ein Bettag von Pfennigen angegeben werden, manifestierte der Bruder Studio ohne weitere- auf Eid mit sauersüßem Lächeln, daß er heute, dem 28. Juli, auch nich t einen Pfen- nig sein eigen nenne! Auf barbarische Weise hinge richtet wurde in Peking der chinesische Journalist und Reformpolitiker Schen-Tsching. Er hatte, ob wohl nur geringe Beweise gegen ihn vorlagen, ein gestanden, vor drei Jahren eine Rebellion in Hankau geplant zu haben. Infolgedessen wurde Schen-Tschien im Hofe des Damens deS StrasamtS von Peking zu Tode gemartert. Diese Episode war die schauerlichste in der chinesischen Hauptstadt seit den Massakers von 1900. Schen-Tschien hatte erklärt, er sei bereit zu sterben und schritt ruhig zum Richtplatz; er wurde auf besonderen Befehl der Kaiserin-Witwe nicht enthauptet, sondern durch Prügeln getötet, da ein Exempel für andere Umstürzler in China statuiert werden sollte. Das Prügeln dauerte zwei Stunden, bis das Fleisch deS Unglücklichen an Armen. Beinen und am Rücken in Fetzen zerrissen war. Als Schen- Tschien leblos schien, schlangen ihm die Henker einen Strick um den Hals, zogen die Schlinge fest zu, um ganz sicher zu sein, den Verurteilten gelötet zu haben und ließen ihn dann liegen. Schen-Tschien war 30 Jahre alt und hatte viele Freunde unter den Ausländern. Lesefrüchte Trägheit vernichtet selbst die besten Naturanlagen, Unterricht dagegen verbessert eine schlechte Anlage, und wie dem Trägen selbst das Leichteste unausführbar wird, so kann der Fleißigste die schwersten Dinge ver richten. Plutarch. Wo Leidenschaft vorhanden ist, da ist auch keine Ruhe anzutreffen: wahre, edle Ruhe ist nichts anderes, als die durch Resignation beschwichtigte Leidenschaft. Wo der Ruhe nicht die Leidenschaft oorangegangen, erkennen wir nur Trägheit. Wer sich selber kennt, ist strenge gegen sich selber, Jedem Schwachen gelind und richtet ungern den Bösen. Laoater. Um große Dinge zu oollführen, muß man leben, als stürbe man nie. Vauoenarugues. „Nicht jede Besserung ist Tugend, Oft ist es nur ein Werk der Zeit; Der wilde Strom der raschen Jugend Wird mit den Jahren Sittsamkeit; Und was Natur und Zeit getan, Das sieht der Mensch als Bess'rung an." Aus einem alten Kirchenliede. Hast du ein Wort ausgesprochen, so beherrscht es dich, vorher beherrschest du das Wort. Arabisch. Humoristisches Verfrühte Frage. „Wieviel kostet Ihnen dieser elegante Sommeranzug?" „Weiß nicht; bin noch nicht d'rauf verklagt!" Immer dienstlich. Sie: Aber Karl, wie kannst Du mich hier küssen! Wenn das jemand gesehen hätte! Karl (Postbeamter): Ach was, das geht niemand etwas an, das ist doch eigene Angelegenheit des Empfängers. („L Bl.") Zeitgemäß. Mann : „Im Nebenhause wird heute eine silberne Hochzeit gefeiert!" Frau: „Ach, wie altmodisch!" Briefkasten Junge Leserin in L. Ihr Wunsch nach einem hübschen Stammbuchoers ist sehr leicht zu erfüllen; wir wählen Gerocks Worte und glauben, daß die selben passen werden: Ein schmuckes Buch, kaum aufgeschlagen, Liegt auch das Leben jetzt vor Dir, Gern sprächst Du zu den künft'gen Tagen: Wie seht ihr aus, was bringt ihr mir? Doch wechseln heit're auch mit trüben, Und bringt nicht jeder Sonnenschein, Durch jeden zeigt Dir Gott sein Lieben: „Ich bin Dir gut und denke Dein!" A. in H. Der betreffende Taler hat keinen besonderen Wert. — Die anderen Anfragen finden Sie im lokalen Teil der vorigen Nummer beant wortet. Gruß! G in M. Im Juliusturm zu Spandau lagert der „Reichskriegsschatz" im Betrage von 120 Mill. Mark. WWT Originalroman von S. Halm. (Nachdruck verboten.) (18. Fortsetzung.) „Zum Geier auch mit dieser Sentimentalität. Läßt Dich treten von diesem hochnäsigen Pack und könntest dem Gewürm doch selbst den Fuß auf den Nacken setzen. Weißt Du übrigens," wandte er sich plötzlich in ganz verändertem lebhaften Tone an die junge Frau, „daß Dein Milchbruder auch hier in der Stadt ist?" Bestürzt sah Marga den Jugendgespielen an. Es schien ihr nachgerade unheimlich, daß dieser alles wußte. Nun bereute sie es dennoch, daß sie wieder hier herge«