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das Ergebnis bereits früher angestellter Erwägungen anzusehen sein. *— Mülsen iLt. Jacob. Begünstigt vom schönsten Wetter fand am vergangenen Sonntag die Prüfung der von Herrn Schuldirektor Kittel ge gründeten hiesigen „Freiwilligen Sanitäts-(Kranken- 1räger-)Kolonne vom Roten Kreuz" statt. Die Prüfung nahm in Vertretung des stellv. Landesdele gierten, des Herrn Generalmajor z. D. Preußer, Herr Hauptmann Bäßler-Meerane ab. Vom Armee korps war Herr Oberstabsarzt Dr. Thierbach aus Chemnitz befohlen. In Behinderung des Vorsitzenden des Landcsvereines, des Grafen Vitzthum, übernahm Herr Hauptmann Väßler die neue Kolonne und verpflichtete sie zum Dienste fürs Rote Kreuz. Am Sonntag nachmittag hielten die vereinigten Teschinschützen-Gesellschaften Gersdorf-Hermsdorf- Oberlungwitz in dem an der Stollberger Ltraße gelegenen Garten des Vergnügungs-Etablissements „Waldschlößchen" ihr Bundes-Preisschießen ab. Leider ereignete sich hierbei auch ein Unfall, der leicht schlimmere Folgen Haber konnte. Das 3 Jahre alte Töchterchen des Herrn Geßner aus Oberlung witz tummelte sich in einem unbewachten Augenblick auf dem Wiesenplatz hinter dem Schießstand herum und wurde durch eine übersprungene Kugel am Oberarm verletzt. Das Kind wurde sofort in ärzt liche Behandlung gegeben. In Zwickau ist nunmehr am 29. Juni auch Bataillonstaserne I! in Benutzung genommen worden. Markranstädt. Die Nosenernte in Miltitz, die dies Jahr besonders ertragreich nt, ist jetzt in vollem Gange und sind täglich über 500 Personen beschäftigt, die sog. bulgarische Oelrose (Ccniifolie) zu pflücken, m Körbe zu sammeln, die dann nach der Schimmelschen Fabrik zur weiteren Verarbeitung gebracht werden: cs werden täglich ca. 900—1000 Kilo Rosen gepflückt. Niesa Von einem tiefdedauerlichen rötlichen Unglückssall ist der hiesige Gutsbesitzer Emil Donat betroffen worden. Derselbe war am Sonnabend mit seinem Geschirr nach Pulsitz bei Ostrau gefahren, um aus dem dasigen Kalkwerke Kalk zu holen. Auf dem Rückweg, unweit des Werkes gingen die unruhigen jungen Pferde durch, wobei Donar vom Wagen stürzte, überfahren und schwer verletzt wurde. Er hatte eine Zersplitterung des Schlüsselbeines sowie schwere Wunden am Kopf und am Körper erhalten. Unter allen Vorsichtsmaßregeln wnrde der bedauernswerte Mann, der bewußtlos war, durch ein Geschirr nach hier geholt und ins Krankenhaus gebracht, woselbst er verstorben ist. Borna. Auf der Straße zwischen Lobstädt und Kieritzsch sind die Radfahrer Maurerpolier Wchefritz und Bergarbeiter Küster aus Witznitz beim Ueberhvlen eines Geschirres in einen ihnen entgegenkommenden Landauer hineingesahren. Die beiden Verunglückten wurden nach dem hiesigen Rrankcnhause verbracht, wo Küster, welcher schwere innere Verletzungen im Unter leibe erlitten hatte, verstorben ist. Hartmannsdorf. Am Montag abend ertrank beim Baden im Mühlauer Teiche der 20 Jahre alte Sohn Paul des Strumpfwirkers Herm. Schcßler von hier.« Neudörfchcn bei Mittweida. Einen sonder baren Streich verübte gestern der im hiesigen Armen- Hause wohnhafte Handarbeiter Daum. Er meldete bei der Feuerwehr den Ausbruch eines Brandes in seiner Wohnung und als man hinzueilte, gewahrte man, daß Daum den Versuch gemacht hatte, Feuer anzulegen. Jede Gefahr wurde beseitigt und der Mann in Haft genommen. In Freiberg soll eine jung-nationalliberale Tages zeitung begründet werden. In Plaue« retteten am 28. Juni Kaufmann Hans Hofmann und Dampstraßenwalzenführer Franz Kober gemeinsam einen 11 jährigen Knaben vom Tode des Ertrinkens. Ein gleich rühmliche Tat des Kaufmanns August Hermann Kemnitz daselbst ist jetzt von der Kreishauptmannschaft Zwickau öffentlich anerkannt worden. Rautenkranz. Die Unglücksstätte im stillen Grunde des Zinsbachtales, au der zwei Focst- beamte auseinander gefeuert haben, wird noch jetzt viel von Fremden, die unsern Ort Papiere», besucht. Die Fichte, auf deren Wurzeln der Walüwärter Röder zu Tode getroffen niedersank, ist an zwei Stellen des Stammes von den Hinterbliebenen des Gefallenen mit Flor umschlungen worden. In den Stamm dieser Fichte hinein hat man in etwa Manneshöhc ein Kreuz ge- ichnittc», welches aus dem frisch grünen Walde mit viel sagendem Ernste dem Ankömmling, der diese traurige Stätte sucht, cntgegenleuchtet. Der Boden ringsum ist stark nicdergetreien von den Massen, die in der Zeit nach der Katastrophe ihre Schritte dorthin gelenkt haben. In dem unmittelbar am Waldsaum cmlang fahrenden Bewässerungsgraben, in welcycm Forstassessor Hertel seine schwere Verwundung empfing, hac man in Sen letzten Tagen noch immer Knochenteilchen aufgc- funden. Die Wuwe Hertels wird mit ihren beiden Kindern unsern Ort in den nächsten Tagen verlassen, um nach Leipzig übcrzusiedeln. Bischofswerda. Neichstagsabgeordneter Gräfe hatte im Verein mit seinen Gesinnungsgenossen am Abend des Stichwahltags ein Telegramm an den König Georg nach Dresden gesandt, das fol genden Wortlaut hatte: „Eurer Majestät senden 100 treue Sachsen herzen Gcuß und Treuegelöbuis für alle Zeit aus der vom Feinde ungedcochenen Feste des Lachsen landes. Die Lausitz hält die Treues Heil! Gräfe, Reichstagsabg." Darauf ist am folgenden Tage ein Antwort- T-legramin des Königs eingelausen, welches folgen den Wortlaut hat: „Reichstagsabgeordneter Gräfe, Bischofswerda. Heute früh Ihr Telegramnr erhalten. Freue mich herzlich über Ihren Sieg und den Sieg der guten Sache in Ihrem Wahlbezirk. Georg." LtjW. Ätzung zu Lichtenstein am 30. Juni 1903. Der Vorsitzende, Herr Kaufmann Emil Pampel, eröffnet die Sitzung kurz vor l/zg Uhr. Entschuldigt fehlt Herr Niehus. Auf die übliche Umfrage meldet sich Herr Endes- felder; er möchte wissen, wie es mit der Geschäfts ordnung stehe, ob dieselbe vielleicht schon in Druck oder in einer anderen Weise erschienen sei. Herr Pampel sagt, daß die Geschäftsordnung, bevor die selbe ausgegeben werden kann, erst eingehend durch- zuberaten ist, was in einer der nächsten Sitzungen ge schehen wird. Da keiner der Herren das Wort inehr wünscht, wird zur Tagesordnung übergegangen. 1 Entschließung wegen Anstellung emes neuen Schutzmanns. Dem bisherigen Hilssschutzmann Oettel ist zufolge Natsbeschlusses vom 6. Juni d. I. seine Stellung per 1. Oktober d. I. gekündigt worden. Trotzdem wohldempo.Oettel eine Pension nicht zusteht, schlägt der Nat auf Oettels Gesuch hin vor, ihm eine jährliche Pension von 100 M. zu gewähren. Herr Münch sagt, cs handle sich nun darum, ob Grund dazu da ist, eine volle Schutzmannsstelle auszugebeu. Herr Pampel meint, die Klage liege vor, daß die Schutz mannschaft nicht ausreiche. Unsere Stadt erweitere sich, die Ansprüche nach allen Seiten werden größer und aus diesem Grunde sei jedenfalls der Rat auch willens, die Hilssschutzmaansstelle in eine Vollstelle umzuwandeln. Herr Schubert ist nicht für eine Vollstelle. Daß unsere Schutzmannschaft nicht aus» reiche, liege nur an ab und zu vorkommender Krank» heil unserer Schutzleute. Herr Kultscher führt ein Beispiel vor, aus welchem zu ersehen ist, daß viel Arbeit der Schutzmannschaft obliegt. Es sind jähr lich 15—l600 Zwangsvollstreckungen auszuüben. An Stelle des pp. Oettel muß Ersatz geschafft werden. Es wird aber ohne eine Vollstelle nicht gehen; er hätte gern, wenn es möglich wäre, einen Mann für weniger Gels zu engagieren. Herr Pampel bringt nochmals zur Sprache, daß unserer Schutzmannschaft viel Arbeit obliegt, so z. B. mit den Mahnsachen. Im letzten Jahre sind 820 Vollstreckungen wegen Einkommensteuer nötig gewesen. Herr Hauptmann ist zwar kein Freund nener Beamten, ist aver doch zu dec Uebcrzeugung gekommen, daß sich nach den gegenwärtigen hiesigen Verhältnissen die Besetzung einer Vollstelle nötig macht. Herr U üig ist ent- schiesen dafür, daß das Löschen der Nachtlaternen von dem zu dieser Zeit diensthabenden Schutzmann und nicht etwa von einem extra angestellten Lalernen- löscher besorgt wird, um Kosten zu sparen. Auch Herr Pampel unterstützt Herrn Uhligs Antrag. Dec Rat hat beschlossen, die Schutzma msstelle ausznschreiben mit 1000 Mk. Gehalt und 50 Mk. Bekleiöungsgeld. Herr Schubert fragt an, wieviel Schutzmann Oettel Gehalt bezogen, worauf ihm mitgeteill wird, daß derselbe incl. Bekleiduugtzgeld 550 Mk. erhalten habe. Herr Kultscher ist oasür, das besuch des Schutzmanns Oettel (Gewährung einer Pension von 100 Mk. betr.) zu befürworten, ferner die Stelle mit 9 00 Mark auszuschreibeu. Ist der betreffende Bewerber gut, dann kann fpäter noch mehr bewilligt werden. Herr Uhlig ist nicht für Pension, sondern für eine einmalige Abfindungssumme. Dieser An» sicht ist auch Herr Körbs und fügt noch hinzu, daß zwar Schutzmann Oettel jetzt krank ist, jedenfalls aber rühre seine Krankheit nicht nur von seinem Dienste her, er möchte doch die Jnoaliditätskaffe mit heranziehen. Herr Münch ist mit einer Ab findungssumme nicht einverstanden, sondern empfiehlt eine mäßige Rente auszuwerfen. Jevenfalls habe doch der Schutzmann Oettel bei seiner Anstellung die Hoffnung auf eine spätere pensions - berechtigte Anstellung gehabt. Die Abstimmungen ergeben folgendes Resultat: 1. Gewährung eines jährlichen Gnadengehaltes von 100 Mark an pp. Oettel; 2. Anstellung eines neuen Schutzmanns; 3. Ausschreibung der neuen Stelle mir 950 Mark Gehalt und 50 Mark Bekleidungsgelo; 4. daß das Auslöschen der Nachtlalernen vom zuletzt diensthabenden Schutzmann in der bisherigen Weise geschieht. Punkt 2. Beschlußfassung über Herabsetzung der Gebühren bei Abhaltung von Vereinsverguügungen. Der Nat ist mit dem seiner Zeit vom Kollegium gefaßten Beschluß, für jedes Vergnügen Mk. 7 zu fordern, nicht einverstanden. Herr Kultscher hält seinen früher gestellten Antrag (Mk. 7 für jedes Vergnügen) aufrecht. Herr Pampel, wie auch Herr Hauptmann sind für Aufrechterhaltung des s. Z. gefaßten Beschlusses. Herr Baunack führt aus, daß durch die hohe Vergnügungssteuer die Saalbesitzer Das Geheimnis der alten Bettuscha Roman aus Rußlands jüngster Vergangenheit. Von Julius Berger. (Nachdruck verboten.) (13. Fortsetzung.) Mit dem Grafen Oskar verließ auch Graf Renan nach herzlicher Verabschiedung von dem Inspektor dessen Wohnung, in welcher sie heute zur Abwechselung sich zusammen gefunden hatten. Als Wladschinsky allein war, ärgerte er sich darüber, daß es ihm nicht gelang, vorhin, bei der zufälligen Nennung des Namens seiner Geliebten, die Aufregung, die Verlegenheit, zu verbergen. Nun, am Ende hatte es ja auch nicht das Geringste auf sich, wenn die Herren wußten, daß Beziehungen zwischen Gräfin Wanda und ihm beständen; welcher Ari diese Beziehungen seien, wußten sie ja doch nicht. Und schließlich nimmt auch das süßeste Ge heimnis ein Ende, zumal der Inspektor jetzt, nach dem er sich hier eine feste Position geschaffen, in seiner Herzensangelegenheit als Mann kühner vor zugehen sich schon längst entschlossen hatte. Denn feinem damals dem Mädchen seiner Wahl gegebenen Versprechen treu, hatte er in der Zwischenzeit nicht das Mindeste von sich hören lassen und erfuhr auch heute zum ersten Male etwas über seine Geliebte: daß sie im Pensionat sei und dasselbe demnächst verlaffen werde. Er hatte sich vorgenommen, in nicht zu ferner Zeit zu seiner Mutter nach Petersburg zu reisen; nun rvar ihm des Grafen Oskar Auftrag ein nicht unwillkommener Anlaß, Eingang in die Familie, in das Haus des Grafen von Skdkowski zu finden . .. Graf Renan war bis an den Stall mit dem Grafen Oskar gegangen und schritt dann, als fein Freund fortgeritten war, langsam dem Schlöffe zu. Da hörte er unweit seinen Namen rufen. Umwendend, gewahrte er . . . die alte Bettuscha, die aus ihn zugehumpelt kam, offenbar in der Absicht, auch ihrem Zimmerchen im Schlosse zuzustreben. „Nun ist es heute schon das zweite Mal, Bettuscha," ließ sich der junge Graf weiter vernehmen, „daß ich unsere liebe, alte Bettuscha aus Irrwegen ertappe. Damals im Walde so spät und so allein, heute wieder allein und um eine Zeit, da sittsame Frauen zimmer hübsch daheim bleiben sollten." „Renan, sprich nicht so laut," wehrte die Alte ab, „ich muß heute mein Dir gegebenes Versprechen über den Mann im grauen Kittel einlösen und will weiter eine Auskunft von Dir, die Du mir geben kannst." „Ach ja," fiel der junge Graf mit offenbarem Interesse ein, „vom Mann im grauen Kittel. Nun, Bettuscha was ist mit ihm?" „Folge mir erst in jenen dunklen Gang, Renan," bat die Alle flehentlich, dort will ich es Dir erzählen. Uns darf nämlich niemand sehen, niemand hören!" Sie bogen beide von dem Wege nach dem Schlosse ab und traten in einen dunklen Laubgang ein, wo sie auf einer kleinen Bank Platz nahmen. „So, Renan," begann die Alte, „jetzt will ich Dir ein nächtliches Kapitel erzählen aus der Geschichte der Grafen von Saxin. Versprich mir, vorläufig nicht davon zu reden, nicht zum Vater, nicht zur Mutter, zu niemandem in der Welt. Ich muß es Dir erzählen, weil ich Dich dazu brauche, um ein Unheil von unserem Hause abzuwehren, ein Unheil, das ich allein nur verhindern kann. Es handelt sich um mein geliebtes Mädel, Deine Schwester Zeluscha l" „Um Zeluscha?" fragte Renan bestürzt. „Ja, um Zeluscha!" beteuerte die Alte. „Nun höre! Ich mache es kurz. Dein Großvater hatte einen Diener, sagen wir kurz Sekretär, der ihm nicht genehm war. Diesen erschoß er gelegentlich einer Jagd aus Versehen ; aber es hieß allgemein, er hätte ihn aus Absicht erschossen." „Mein Großvater ein Mörder ?" stöhnte Renan und stierte der Alten ungläubig in das Gesicht. „Tröste Dich, Renan," setzte die Alte ihre Er zählung soct, Gott wollte es anders. Der Mann war nicht tot, er kam später wieder zu sich. Nun stellte es sich heraus, daß dieser Mann ein Falsch münzer war; sie machten ihm den Prozeß und schickten ihn noch Sibirien. Er hatte aber eine Tochter hinterlassen, die damals auf dem Gute war. Sie ist nachher von hier verfchwunden, Gott weiß, wohin, Gott weiß, ob sie noch lebt. Dieser Mann nun ist jetzt aus Sibirien entflohen und hat sich hier eingefunden, um von mir zu erfahren, wo seine Tochter hingekommen sei. Dieser Mann ist der Fremde im grauen Kittel. Nun es ihm ge lungen ist, mich zu sprechen, wird ihn Niemand mehr sehen. Er wollte ja auch Niemandem etwas zu Leide tun! Nun ist es mir, als ob auch aus dem Inspektor die Stimme jenes Mädchens . . ." „Wladschinsky meinst Du, Bettuscha?" unterbrach er sie, erregt ihrem Worte lauschend. „Ganz recht!" gab sie ihm zurück. „Als ob die Stimme eines Mädchens, das der Mann im grauen Kittel sucht, das feine leibliche Tochter war, aus der Stimme des Inspektors spräche." „Unmöglich," sprach der junge Graf leidenschaft lich, „das wäre ja ein Zufall, wie man sich ihn gar nicht denken kann." „Und doch nicht so unmöglich, Renan," flüsterte die Alte weiter. „Denn, als Dein Großvater starb, muß es ihm wohl keine Ruhe gelaffen haben, datz