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* — Ueber die Beförderung von Wahl- telegrammeu hat da« Reichspostamt an die Tele graphenanstalten «ine Verfügung gerichtet. Darnach werden von den Wahlkommifsarien die Wahlergeb nisse dem Reichsrat des Innern usw. telegraphisch gemeldet werden. Sämtliche Telegraphenanstalten, welche an der Beförderung von Wahltelegrammen beteiligt sind, müssen sowohl am Tage der Wahlen als auch am Tage der Ermittelung des endgültigen Wahlergebnisses bis 10 Uhr abends, erforderlichen falls länger, bis zur erfolgten Abtelegraphierung der Wahltelegramme im Dienst bleiben. * — Im Monat Juni erreicht die Sonne ihren höchsten Stand vom Jahre. Sie steigt bis zum 22. Juni auf 62'/z Grad über den Horizont an und wendet sich dann wieder rückwärts. Der Wende punkt wird nachmittags 3 Uhr 50 Minuten von der Sonne scheinbar passiert, und der Eintritt dieser Zeit bezeichnet astronomisch den Sommersanfang. Wir haben dann den längsten Tag und die kürzeste Nacht. Dieser längste Tag am 22. Juni dauert 16 Stunden 32 Minuten 50,6 Sekunden. Der fol- gende Tag ist schon um 42 Sekunden kürzer, und gegen Ende des Monats verkürzt sich jeder Tag um 3/4 Minute. * — Auch der Keuchhusten ist, nach einer so eben veröffentlichten Verordnung des Kultus- Ministeriums, betr. das Verhalten der Schulbehörden bei dem Auftreten ansteckender Krankheiten, als an steckende Krankheit anzusehen. Das Auftreten des Keuchhustens ist deshalb von dem Schuldirektor be ziehentlich dem Ortsschulinspektor dann dem Bezirks arzte anzuzeigen, wenn gleichzeitig oder bald nach einander mehr als drei Erkrankungen vorkommen. Schüler, welche an Keuchhusten erkrankt sind, sind erst nach völliger Genesung und wenn hierüber ein ärztliches Zeugnis nicht vorgelegt werden kann, erst dann, wenn die krampfartigen Hustenanfälle aufge hört haben, zum Schulbesuche wieder zuzulassen. * — Seltene Talerstücke, sind zur Zeit in großen Mengen im Umlauf. Sieges-, Krönungs sogen. Kanonentaler rc., die jahrelang von einzelnen Interessenten angehalten und gesammelt wurden, werden jetzt, nachdem die Einziehung der älteren Jahrgänge der Münze beschlossen worden ist, von den Sammlern in Verkehr gebracht. Sie befürchten, daß ihnen durch eine spätere Ungültigkeitserklärung dieser Talerstücke Verlust verursacht werden könnte. * — Krebse. Vom 1. Juli ab dürfen Krebse wieder öffentlich feilgeboten und verkauft werden, nachdem für diese schmackhaften Krustentiere die seit 1. November andauernde Schonzeit am 31. Mai ab- läust. Zu berücksichtigen ist aber hierbei, daß nach dem sächsischen Fischeceigesetz, obwohl die Schonzeit beendet ist, eiertragende Krebsweibchen weder feilge- geboten noch verkauft werden dürfen, gleichviel, ob diese aus geschlossenen oder nicht geschlossenen Ge wässern herrühren oder nicht. * — Das diesjährige Pfingstfest brachte den Eisenbahnen einen Verkehr, wie er in den Vor fahren auch nicht annähernd erreicht worden ist, und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch überall in der Provinz. Seine Bewältigung verur sachte große Mühe; obwohl von den Staatsbahn- Verwattungen eine außergewöhnlich große Zahl von Zügen vorbereitet worden war, erwies sie sich doch noch als unzureichend und vielfach mußten noch weitere Züge eingerichtet werden, um dem enormen Andrange zu genügen. * — Nödlitz. Bezüglich der Stempelung der bei der Verkündigung des am 1. Juli 1903 in Kraft tretenden Gesetze- zum Schutze des Genfer Neutrali tätszeichens vom 22. März 1902 (Reichs-Ges.-Bl. S. 125) mit dem Roten Kreuze bezeichneten Waren betreffend, werden auf Grund ergangener Verord nung alle Gewerbetreibenden, welche mit dem Roten Kreuze bezeichnete Waren vertreiben, gleichzeitig hier mit aufgefordert, die Abstempelung dergleichen Waren baldigst und längstens bis 15. Juni d. I. bei der hiesigen Ortspolizeibehörde zu beantragen. * — Rödlitz Die Wahl eines Abgeordneten zum Deutschen Reichstage für den 17. Wahlkreis des Königr. Sachsen in dem aus dem Orte Rödlitz be stehenden Wahlbezirke findet Dienstag, den 16. Juni 1903 von vormittags 10 Uhr bis nachmittags 7 Uhr im Modes'schen Gasthof — Saal — hierselbst statt. Zum Wahlvorsteher ist der Ge- meindeoorstand und zu seinem Stellvertreter der Schlossermeister Carl Bernhard Decker hier ernannt worden. * — HeinrkchSort. Zu den seltensten Pfingst- gebräuchen gehört eine alte Sitte, die in hiesiger Gegend nicht auszusterben scheint. Im Gasthofe zum Brommnitzer anderLichtenstein-LößnitzerChaussee findet nämlich alljährlich am 2. Pfingstfeiertag von früh4Uhran Ballmusik statt, die Heuer eine ungeheuerliche Frequenz aufzuweisen hatte. Tausenden von Pfingstausflügern der näheren und ferneren Umgebung war infolge der günstigen Witterung dies mal gleichsam der „Brommnitzer" der Zielpunkt einer Massenwallfahrt. Zu Roß, zu Rad, zu Wagen und zu Fuß waren die Wanderer schon von 2 Uhr an unterwegs und kurz vor 9 Uhr morgens war der Saal von Tanzlustigen noch derart überfüllt, daß kaum der Schaulustige Zutritt fand. * — Mülsen St. Jacob. Ein frecher Dieb stahl wurde hier in der Nacht zum Pfingstheiligabend bei Herrn Schlosfermeister Emil Reinhold in der Nähe der „Deutschen Bierhalle" verübt. Die Diebe drangen durch die ins Souterrain führende äußere Tür in das Haus und gelangten so durch die innere Kellertür in den Treppenraum, um verschiedene Möbel im Wohnzimmer nach Beute zu durchwühlen. Als der Hausbesitzer die Einbrecher bemerkte, entfloh einer derselben durchs Dachfenster in eine verschlossene Kammer, wo er bei seiner weiteren Verfolgung der mutigen Frau Meister das Licht aus der Hand schlug und entwischte. Infolge dieser Störung fiel die Beute der Diebe nicht allzureichlich aus. Schmucksachen und alte Münzen fanden besonders Wohlgefallen. Dresden. Der Kronprinz begiebt sich im Auftrag des Königs nach Weimar, um dem Groß herzog Glückwünsche zu seiner Vermählung darzu bringen und den Festlichkeiten aus Anlaß des Ein zuges in Weimar beizuwohnen. Die Rückkehr hier her erfolgt am Sonnabend. Dresden. Eine große Panik entstand am 1. Juni nachmittags im Etablissement Staffelstein in Niederpoyritz. Als gegen 5 Uhr ein Gewitter nieder ging, schlug der Blitz in die inneren Räume dieses Ausflugspunktes, welche dicht mit Publikum besetzt waren. Alles drängte unter Hilferufen ins Freie. Sieben Personen wurden zu Boden gerissen und blieben bewußtlos liegen, andere waren gelähmt und konnten sich minutenlang nicht rühren, während ein junger Mann schwerverletzt wurde und nicht wieder ins Leben zurückgerufen werden konnte. Eine Frau und ein Mädchen erlitten Brandwunden. Dresden. Die Aussperrung der Bauhandwerker I ist nicht in der Weise aufgehoben worden, wie es ver- I einbart war. Nur die Hälfte der Bauhandwerker hat wieder anfangen dürfen. Am Ständehausneubau sind! 20 von 60 Maurern beschäftigt, Zimmerer aber gar nicht. Die Kommission versuchte, im guten die Angele genheit zu regeln; dies scheint jedoch unmöglich zu sein. NeueKämpfe dürften unvermeidlich s rin. Eine von Thalheim nach Jahnsdorf gehende Frau wurde, wie das Chemnitzer Tageblatt meldet, im Stollberger Walde von einem in den 30er Jahren stehenden Unbekannten vergewaltigt. Der Täter, ein Arbeiter, hatte sogar sein Taschenmesser gezogen und gedroht, die Ueberfallene eventuell niederzustechen. Colditz. Als hier der 38 Jahre alte Fabrik schuhmacher Gröber wegen eines hier begangenen Einbruchdiebstahls verhaftet werden sollte, sprang derselbe unterhalb der großen Eiche in die Mulde und ertrank. Bei dem am 1. Juni nachmittag in der Wur- zener Gegend niedergegangenen Gewitter schlug der Blitz in das Stallgebäude des Gutsbesitzers Kuntzsch in Bortewitz und tötete 3 Kühe und 1 Bullen. Glücklicherweise zündete der Blitz nicht. Freiberg. Wie verlautet, besteht die Absicht, für Freiberg und Umgegend ein neues, täglich er scheinendes Blatt zu gründen. Planitz. Als Geldmännel ist ein Fremder hiesi gen Einwohnern gegenüber ausgetreten. Er hat für echtes Geld den vielfachen Mehrbetrag in gefälschten Banknoten schaffen wollen. Die Beteiligten fielen jedoch auf den Betrug nicht hinein. Wiesenburg Die Schmiedemeistersfrau Ebert von hier Hal in einem Anfall von Schwermut Selbst mord begangen. Kirchberg Ein unbekannter anständig gekleideter Mann erschoß sich am Pfingstmontag abend auf dem hiesigen Geyersberg. Lengenfeld. Beim Feiertagsbraten jählings gestört wurden am 1. Pfingsttag ein Bewohner von Wildenau und sein Sohn, als sie im Begriff stan ken, auf einem unerlaubten Pürschgang in zeitiger Tagesfrühe erlegtes Wild zum Mittagsmahl zurecht zu richten. Vater und Sohn wurden verhaftet und ersterer dem Amtsgericht Auerbach, letzterer dem Amtsgericht Lengenfeld zugeführt. Die Schußwaffe wurde beschlagnahmt, ebenso der bereits bratfertig zugerichtete Meister Lampe. Bockau b. Aue i. E. Der 54jährige Gutsbesitzer Weiß hier, ein allgemein beliebter Mann, stürzte am 1. Psingstfcicrtage beim Ausladen einer Lowry so unglück lich, daß er bald darauf verstarb. Schönefeld. Etwa dreizehn Raubansälle sind in der Nacht zum ersten Pfingstfeiertag auf dem Wege, der durch das Gothische Bad nach Schönefeld führt, von fünf arbeitsscheuen Burschen verübt worden. Es handelt sich um einen Privatweg, auf dem schon des Oefteren verbrecherische Anfälle vorgekommeu sind, so daß die Schutzleute dort niemals einzeln, sondern stets in größerer Anzahl ihre Patrouillengänge ausführen. Die Opfer der Ueberfälle a... gsthciligabend waren meist zuge reiste Pfingstausflü., ^c, die vom Berliner Bahnhof her überkamen. Sie wurden gewöhnlich von einem der Strolche um ein Geschenk angesprochen. Zog der nichts ahnende Passant seinen Geldbeutel, so wurde er ihm aus der Hand geschlagen. Im selben Augenblick er schienen dann die vier anderen und fielen über das Opfer her, dem nichts weiter übrig blieb, als schleunige Flucht. Ein Bahnbeamter.soll so schlimm zugerichtet worden sein, daß er sich nicht allein nach seiner Wohnung begeben konnte. Es gelang schließlich mit Hilfe herbei geholter Schutzleute, einen der Strolche dingfest zu machen. In Grostenhain bewilligten die Stadtver ordneten für ein dort zu errichtendes König Albert- Denkmal zunächst 10 000 Mk. In goldenen Ketten Roman von F. Sutau. (Nachdruck verboten.) (47. Fortsetzung.) Der Doktor kam täglich, eine Krankenpflegerin war Tag und Nacht um ihn beschäftigt. Alles das ging denn doch über den Horizont Fräulein Marthas. Niemand aber fand sich, der ihr irgend eine Aufklärung darüber gegeben hätte. Und als sie ihrem Bruder gegenüber ihre Verwunderung darüber aussprach, einen Fremden im Hause in dieser Weise zu pflegen, erklärte er kurz: „Wir haben die Pflege einmal übernommen und müssen sie auch nun zu Ende führen." Mehr Worte darüber zu verschwenden schien er nicht für nötig zu hallen. Kopfschüttelnd sah sie ihn an. „Ich werde nicht mehr klug aus Dir, was ist nur geschehn, Dich so zu verwandeln. Bist Du den garnicht mehr eifersüchtig, jetzt wo der junge Mann hier im Hause ist!" Es stieg heiß in ihm auf bei diesen Worten der Schwester. War er wirklich nicht mehr eifer süchtig. War es keine Eifersucht, dieses unausgesetzte Beobachten seiner Frau? Aber wie ruhig und sicher sie ihre Wege ging, wie hoch und stolz sie den blonden Kopf trug, als könne kein Schatten der Schuld sie je treffen ! Die Schatten der Schuld, ach, die lagen ja nur so schwer auf ihm. Niemand aber wußte davon außer Leska, und sie würde ihn nicht verraten. Das war täglich Brandhorsts Trost. Wie aber, wenn sie für ihr Schweigen einen Lohn beanspruchte, vielleicht ihre Freiheit, ihre Scheidung von ihm. — Wie oft war ihm dieser Gedanke schon gekommen, aber immer wieder verscheuchte er ihn. Nein, LeSkaS Natur lag jede schnöde Berechnung, alles Kleinliche fern, sie handelte stets impulsiv, auf Ueberraschungen konnte man bei ihr wohl immer vorbereitet sein, aber nicht auf ein berechnendes Handeln mit schnöden, schlechten Hintergedanken. „Wie lange wirst Du ihm dann noch Gast freundschaft gewähren?" begann Martha heute wieder ihre Ausforschungen dem Bruder gegenüber. „Er soll ja wohl nun nächstens sein Lager verlassen. Dann aber wird die Sache erst gefährlich. Der Ge nesende muß unterhalten werden, das übernimmt dann natürlich Deine aufopfernde Gattin. Sie führt ihn in dem Park herum, zu den Aussichtspunkten, zu all' den lauschigen Plätzen. Willst Du das dulden, Bernhard?" „Schweig," donnerte Brandhorst sie an. Derartige Bilder quälten ihn ohnedies schon genug, es war wahrscheinlich nicht nötig, daß seine liebenswürdige Schwester sie noch herauf beschwor und düster malte. Er wandte sich und ging nach dem Krankenzimmer, Ob Leska wohl dort war? Lauschend blieb er hinter der Portiere stehn. „Wie sie alle meine Wünsche erraten", vernahm er Adloffs Stimme. „Nun, das lag doch diesmal sehr nahe", versetzte Leska. „Sie klagten über die Untätigkeit, schnten sich nach einer Beschäftigung, und nachdem ich Rücksprache mit dem Doktor genommen, ließ ich daS Notenpapier kom men. Ihre Kunst, die schöne Musik, ist ihnen ja doch alles auf der Welt. Nun können Sie ihr wieder dimen. Der Doktor hat nichts gegen solchen Musendienst ein zuwenden, wie er mir sagte." Es lag ein eigener, entsagender Ton in ihren Worten, der Brandhorst ausfiel. War sie in diesen schweren Tagen eines anderen Sinnes geworden, oder hatte sie schon längst innerlich über die alle Liebe gesiegt? Oder wollte sie schließlich in Adloff nur noch den gottbegnadeten Künstler hegen. Der blasse, schöne Kopf Adloffs dort auf dem roten Sammetpolster des Lehnstuhls sah allerdings ganz danach aus, als ob er nur noch idealer Kunstneigung fähig wäre, allem Materialismus der Welt zum Trotz. „Wenn ich sie nur wiederfände, die Melodie, die mich vor diesem Unglück beschäftigte," sagte er, indem er leise vor sich hinsummte, „sie ging mir durch den Kopf grade als die Schmuggler damals auftauchten, und dann fiel der Schuß — ein Helfershelfer der beiden Schmuggler mußte den Schuß irgendwo all dem Hinterhalte abgefeuert haben, und dann nach der andern Seite entwichen sein, anders kann ich mir die Sache nicht erklären. Wären Sie und ihr Gemahl dann nicht gekommen, wer weiß, was aus mir geworden, da allein in der Nacht, mit der Schußwunde in der Brust. Wurde ich durch Gottes Fügung gerettet und dem Leben wiedergegeben, weil meine Bestimmung aus Erden noch nicht erfüllt ist, bin ich doch vielleicht noch zu Höherem aufbewahrt und darf hinauf z- den Lebenshöhen, von meiner Muse geleitet. Es ist ja das Höchste, was ein Erdensohn erreichen kann". Einen Moment ruhte sein Blick auf LeskaS blassem traurigen, und sein Herz gab Antwort auf die Frage: Nein, das höchste Glück ist die Kunst doch nicht für Dich, Dein ganzes Glück märe die Ehe an der Seite dieses schönen, jungen Weibes ae» wesen, das Du schon geliebt, als es noch ein halbe- Kind war. Aber es darf nicht sein und es soll nicht sein. Immer wieder sagte er sich die-, «MN da-Herz sturmHh schlug. Er wollte nicht zum Verräter dem MaiM gegenüber werden, der ihm, den Schwerverwundemu, Hilfe gebracht und ihm sein Hau- gastlich geüffaetz rhm