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sowie in Holland und Italien während der Eisen- bahnerstretks vorgrschwebt. In Genf forderten di« Sozialdemokraten öffentlich und direkt die Wehr pflichtigen auf, der Einberufungsordre zu trotzen, — in Holland und auch in Italien spielte der „Soldaten- streik" zwar noch keine „akute" Rolle, aber an An regungen hierzu in anarchistischen und sozialrevo- lutionären Organen fehlte es bekanntlich nicht. Daß Dandervelde, einer der radikalsten Sozialrevolutionäre, den Soldatenstreik auf der Brüsseler Versammlung wenigstens akademisch bekämpfte, bleibt immerhin bemerkenswert, weil darin so etwas wie Besorgnis vor der in militärischen Dingen auch in Belgien und in den Niederlanden resoluten Staatsgewalt ge- legen ist. Oesterreich-Ungar«. * In ganz Ungarn richteten Unwetter großen Schaden an. Italien. ' * Rom. In ganz Italien herrscht seit 24 Stunden ein furchtbares Unwetter. Wolkenbrüche richten großen Schaden an. * Rom. Da die Demonstrationen hier wieder aufaehörl haben, konnte die Universität gestern wieder geöffnet werden. * Rom. Die „Tribuna" erklärt, die Be ziehungen zwischen Oesterreich und Italien seien die Lenkbar besten. Was man bessern müsse, das seien die Beziehungen der beiden Völker. Frankreich * In Frankreich erregen die Vorgänge an der marokkanisch-algerischen Grenze die Gemüter der Politiker aller Parteien. Auch nie Kolonialtruppe des Senats besprach gestern mit dem Minister präsidenten Combes die Ereignisse in Südoran. Combes erklärte, die Regierung habe alle nötigen Maßnahmen ergriffen. Drei Kolonnen seien gebildet worden, um von drei verschiedenen Seiten vorzu gehen und eine energische Unterdrückung zu sichern. Im Bedarfsfalls würde man die Streitkräfte in Süd oran noch verstärken und neue Militärposten er richten. Die Regierung beabsichtige, in keiner Form neue Gebietsteile zu gewinnen, aber sie sei gewillt, den 8tatus guo und die Sicherheit der französischen Besitzungen in Algerien zu erhalten. Ungefähr ähn lich sprach man in Pariser Regierungskreisen, ehe man zur militärischen Okkupation des Gebietes von Tunis schritt. Bulgarien. * Sofia. Zwischen dem Ministerpräsidenten Petrow und dem Führer der mazedonischen Bewegung sind Verhandlungen im Gange, die sehr geheim gehalten werden. Jedoch wurde in den letzten Tagen der Re dakteur des mazedonischen Organs, „Bravo", namens Naimo, verhaftet. Türkei * Unter den türkisch-asiatischen Truppen wütet sehr stark die P r nkrankheit. Amerika. * Von 90000 Textilarbeitern, die un mittelbar nach Pfingsten in den Streik eintraten, haben bereits verschiedene tausend wieder die Arbeit ausge nommen. * Die Einwanderung nach Amerika ist neuer dings wieder besonders groß. In dieser Woche trafen an einem Tage 1768 Einwanderer aus Hamburg, 1525 aus Bremen und 707 aus Neapel ein. Die Behörden waren außer Stande, die Papiere aller dieser Einwanderer sofort zu prüfen. Asien * Der Admiral des asiatischen Geschwaders der Vereinigten Staaten von Nordamerika Evans kündigt I« goldenen Ketten Roman von F. Sutau. (Nachdruck verboten.) (48. Fortsetzung.) So blieb Brandhorst sogar jetzt, noch umgeben von dem Nimbus des Wohltuns und der Menschen liebe, denn wer hätte wohl sonst in Altenborn den Verwundeten ausgenommen und ihm solche Pflege angedeiben lassen. Und Leska? Nun deutlicher konnte es ihr ja kaum gesagt werden, als es Adloff ihr zu verstehen gab, daß er nur noch der Kunst lebte, und daß sie nichts zu hoffen hatte, wenn sie wirklich so töricht sein sollte, den alten Liebestraum wieder aufleben zu lassen. So konnte es nach einiger Zeit kommen, daß Brandhorst beinah etwas wie Zuneigung zu dem jungen Mann mit dem idealen Zug in dem blassen Gesicht in seinem Herzen fühlte. Ihm drängte es förmlich im Herzen, als müsse er Adloff etwas ganz besonderes Gutes erweisen. Der Idealismus Adloffs übte auf Brandhorst, der so ganz anderer Art war, eine eigene Angieyung aus. Daß es noch solche Naturen gab in dieser materiellen Welt, die da über allem Alltagsgetriebe standen, unbeirrt ihre eigenen Wege gingen, der Schönheit, der Kunst und dem Jdialismus dienten, und daß ein solches Menschen kind hier in seinem Hause lag und er darüber nach- sann, ihm Gutes zu erweisen, demselben Menschen, auf den er vor wenigen Wochen die Schußwaffe ge richtet, das war für Brandhorst das größte Rätsel seines Lebens. Brandhorst trat jetzt freundlich näher, es hatte ja keinen vernünftigen Zweck mehr, im Hinterhalle zu stehen und zu lauschen. Ob er irgend einen .Wunsch habe, fragte er in einem Berichte über die Lage erneute Wirren in Thina an, die sich gleich denen vor drei Jahren gegen die Fremden richten würden. Da diese An kündigung von amerikanischer Seite herrührt, so ge bührt ihr weit mehr Glauben als wenn sie von London ausgegangen wäre. Die Unionsregierung hat immer das Bestreben gezeigt, die Lage in China in möglichst rosigem Lichte hinzustellen. Kündigt nun sogar ein Amerikaner ernste Wirren als bevor stehend an, dann kann man sich auf sehr gefährliche Unruhen gefaßt machen. Eine traurige Statistik veröffentlicht der „Lancet" über das Wüten der Pest in Indien während der letzten sechs Jahre. Es zeigt sich in der wiedergegebenen Zahl deutlich das stetige Anwachsen der Epidemie. Im Jahre 1897 wurden aus ganz Indien 56000 Todesfälle ver zeichnet. Im Jahre 1900 waren es schon 93000, und dann erfolgte eine jähe Steigerung, die im Jahre 1901 die Ziffer von 274000 und 1902 von 577000 hervorbrachte. Für das laufende Jahr ist wieder noch eine sehr erhebliche Zunahme zu er warten, denn in den ersten drei Monaten hat die Sterblichkeit an Pest bereits die ungeheure Summe von 334000 erreicht, wovon 136000 allein auf den März entfallen. In der ersten Hälfte des April trat dann eine Besserung ein, die aber nur sehr vorübergehend gewesen ist, denn Ende April hatte die Zahl der Todesfälle bereits wieder die enorme Höhe von über 32000 in einer Woche erreicht. Be sonders schwer hat jetzt das reiche Pundschab, das Fünfstromland in Nordindien zu leiden, wo die Pest stärker wütet als in allen anderen Teilen Indiens zusammen genommen; rund 18500 Menschen sterben im Pundschab jetzt wöchentlich an der Pest. Auf die Vereinigten Provinzen entfallen jetzt fast 4400 in jeder Woche, während die Präsidentschaften Bombad und Bengalen eine Abnahme zu ver zeichnen haben. Von den Großstädten Indiens sind Allahabad, Agra, Benares, Khanpur, Lucknow, Meerutz, Bareilly und Karatschi, der Hafen an der Indus-Mündung, besonders schlimm daran, während die beiden Hafenstädte Kalkutta und Bombay neuer- dings etwas besser gestellt sind. Stadt und Land Lichtenstein, 5 Juni *— Der Wohnort der Staatsbeamten Das Königliche Ministerium des Innern hat sich mit Rücksicht auf das Gesetz, die Gewährung von Wohnungsgeldzuschüssen betreffend, vom 16. Juli 1902, veranlaßt gesehen, für seinen Geschäftsbereich die schon bisher geltende Vorschrift noch besonders zum Ausdruck zu bringen, daß jeder Beamte, der außerhalb seines Stationsortes Wohnung nehmen will, hierzu der Genehmigung seiner Dienstbehörde bedarf. Solche Beamte, die zur Zeit ohne eine solche Genehmigung außerhalb ihres Stationsortes wohnen, haben nachträglich um die Erlaubnis nachzusuchen. * Dte Handelsangestellten kraukenver- fichernngspflichtig! Daß die Gesundheitsverhält- nisse der Handelsangestellten nicht günstiger liegen als bieder gewerblichen Arbeiter, ist in medizinischen Kreisen allgemein bekannt, und der Reichstag hat dieser Tatsache durch die jüngst beschlossene Ausdehnung der Krankenversicherungspflicht au, alle Gehilfen und Lehrlinge bis zu 2000 Mk. Gehalt Rechnung ge tragen. Da die Zustimmmung des Bundesrats zu dieser Reform bereits erfolgt ist, so haben die Ange stellten in den nächsten Monaten eine Krankenver- Adloff, vielleicht, daß der Flügel aus dem Salon hierhergeschafft würde? Dankbar sah Adloff zu ihm auf. „Sie sind zu gütig, Herr Brandhorst, ich muß mich aber wohl noch schonen. Wer es doch immer so gut hätte," sagte er lächelnd, „in meinem ganzen Leben ist es mir noch nicht so gut ergangen. Wer fragte sonst nach meinen Wünschen? Niemand! Sie verwöhnen mich alle zu sehr. Wie soll ich da das Leben in meinem einsamen Hause wieder etragen!" „O, Sie haben Ihre Muse, Ihre Kunst, die Ihnen ja alles ist", sagte Lxka und es war, als ob ein leiser Vorwurf durch diese Worte zitterte. Adloff hörte diesen Vorwurf wohl heraus und vermied es, sie anzusehen, er sagte aber dann doch kurz und entschlossen: „Nun, ich denke doch, in acht Tagen wieder Dienst tun zu können und vorher schon siedele ich in meine Dienstwohnung über, ich darf Ihre Güte keinen Tag länger in Anspruch nehmen als es nötig ist." „Vorläufig dürfen Sie überhaupt noch nicht daran denken, uns zu verlassen !" erklärte Brandhorst. „Dazu sind Sie uns ein lieber Gast. Wir werden Sie sehr vermissen, wenn Ihr Amt Sie uns wieder entreißt, aber ich hoffe, Sie werden uns dann recht häufig besuchen." Leska sah ihren Mann verwundert an. Wie warm, wie herzlich seine Stimme klang. Hatte er gelauscht und die Ueberzeugung gewonnen, daß zur Eifersucht kein Grund mehr vorhanden war. Vielleicht wurden die Beiden noch Freunde. Und sie? Sie wußte sich in die neue Stellung, wenn Adloff ihres Mannes Freund wurde, absolut nicht hineinzufinden. Ihr Herz jubelte und trauerte zugleich. Und dann war ihr, als ob ihr Herzschlag plötz sicherung aufzunehmen. Die Ortskrankenkaffen sind hierfür wenig geeignet, da sie keine Freizügigkeit über das ganze Reich gewähren, die für die Hand lungsgehilfen mit ihrem häufigen Stellen- und Wohnungswechsel von größter Bedeutung ist. Der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband, auf dessen umsichtige Agitation der selbst von Einge weihten nicht mehr erwartete Erfolg im Parlament zurückzuführen ist, hat in seiner Krankenkaffe Für sorge getroffen, um die Wohltat des neuen Gesetzes im vollen Umfange den beteiligten Erwerbsschichten zuteil werden zu lassen. Seine Kaffe hat bereits vor dem Inkrafttreten der Krankengesetznovelle die Ge währung von Krankengeld bis zur Dauer von 52 Wochen, von Arzt und Heilmitteln für 26 Wochen, sowie die volle Fürsorge für Geschlechtskranke durch geführt. Die Mitgliedschaft ist nicht an einem be stimmten Platz gebunden, sodaß ein etwaiger Aufent haltswechsel keinen Verlust der durch die Beitrags zahlung erworbenen Rechte im Gefolge hat. — * — Schonzeit ist im Monat Juni für Elch wild, männliches und weibliches Rot- und Damwild, Wildkälber, weibliches Rehwild und Rehkälber, im Königreiche Sachsen auch für Rehböcke, für Dachse, Enten, Trappen und alles andere Sumpf- und Wassergeflügel, mit Ausnahme der wilden Gänse und Fischreiher, ferner für Rebhühner, Auer-, Birk- und Fasanenhennen, Hasewild, Wachteln und Hasen. — Die allgemeine Schonzeit für Fische läuft mit dem 10. Juni ab und es dürfen dann wieder Aland, Aesche, Barbe, Barsch, Bleie, Döbel, Elblachse, Finte, Karausche, Maifisch, Rapfen, Rotauge, Rotfeder, Schleie, Schmerle, Stör, Weißfisch, Zander, Zehrt« gefangen und verkauft werden. Auch Karpfen und Hechte, Aale, Aalraupen und Forellen dürfen zum Verkauf kommen. * — Gin hübscher Zug. Welche Anhänglich keit unsere sächsischen Kriegskombattanten 1866 in Oesterreich mit ihren Qnartierwirten hatten, bezeugt der Umstand, daß ein Einwohner Annabergs auS Biedermannsdorf bei Wien von den Kindern seiner damaligen Wirtin, welche jetzt gestorben, die Todes nachricht erhielt. * — St. Egidien Eigenmächtig von der 7. Kompanie des 181. Infanterie-Regiments in Chemnitz am 31 Mai entfernt, hatte sich der Soldat Fritzsche. Da man vermutete, daß er sich bei Verwandten in Niederlungwitz aufhalten könne, war der Gemeinde vorstand benachrichtigt worden. Die Spur führte jedoch von dort nach der hiesigen Messe, woselbst er von dem benachrichtigten Gendarmen ermittelt und festgenommen wurde, sodaß er noch am selben Abend von der telegraphisch benachrichtigten Kompanie durch einen Sergeanten abgeholt werden konnte. Dresden. In der Nähe der Waldschlößchen- brauerei wurde am Mittwoch früh gegen 6 Uhr die Leiche des Soldaten G. von der 8. Kompanie des Königl. Schützenregiments Nr. 108 aus der Elbe gezogen. Da des Toten Uhr noch im Gange war, ist anzunehmen, daß G. erst kurz vor seiner Auf findung Selbstmord begangen hatte. An seine An gehörigen richtete er kurze Worte des Abschieds auf einem Vorgefundenen Zettel. Leipzig. Ueber ein an echt amerikanische Re klame erinnerndes Lotterie-Manöver, welches auswärtige Kollekteure inszenieren, weiß das „Leipziger Tageblatt" folgendes zu berichten : Massen haft werden zur Zeit die Offertenbriefe eines aus wärtigen Kollekteurs hier in Leipzig durch die Post an die verschiedensten Adressen versandt; das Aeußere der Briefe erinnert in nichts an eine Lotteriefirma, lich stockte, als würde in diesem Moment alles Sichere, Feste aus ihrem Leben getilgt, als könnten ihre Füße sie nicht mehr weiter tragen aus dem nun so seltsam vor ihr liegenden Lebenswege. Wie ein Roman hatte ihr Schicksal all die Zeit her noch über ihrem Leben gelegen, ein Hoffen, ein Erwarten auf Ereignisse, die eine Entscheidung bringen konnten, war doch früher bei ihr vorhanden gewesen, wie sie damals zu Martina gesagt, ehe die unselige Tat ihres Gatten geschah, von der nur sie allein wußte. Nichts aber forderte jetzt eine Entscheidung von ihr, der Roman ihres Lebens war wohl zu Ende. Dort lag der Held desselben in dem bequemen Lehn stuhl, so blaß, so interessant, aber kein Blick, kein Wort verriet ihr, daß in seinem Herzen noch etwas.für sie lebte. Die Hand ihres Mannes hielt er in der seinen, voll warmer Dankbarkeit sah er ihn an. Was für eine Welt ist das! dachte Leska. Wieviel Lug und Trug und Verstellung überall. Auch sie war nicht wahr und ließ Adloff in dem Glauben, daß der Schuß auf ihn von den Schmugglern abgefeuert worden war. Wenn sie ihm die Wahrheit kündete, wie würde er sie aufnehmen. Würde er nicht entrüstet die Hand, die er jetzt in der seinen hielt, von sich stoßen. Eln leises Drängen nach der Offenbarung der Wahrheit will in ihr aufsteigen, der Wahrheit, der Ret tung, der Erlösung für sie. Aber damit würde sie ja Brandhorst vernichten, der wohl die Untat begangen, aber im Grunde genommen doch kein elender Schurke, sondern nur damals ein Wahnsinniger gewesen war. Man würde ihr auch Glauben schenken, wo sie doch bei der ersten Vernehmung der Gerichtsbeamten nicht weiter ausgesagt, als daß sie den Verwundeten dort an der Eliasquelle gefunden hatte. Die Wahrheit war e- ja auch, aber nicht die ganze Wahrheit. Fortsetzung folgt.