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WchmMÜMLM Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich Zeschasts-Anzeiger für KaDars, KöMtz, Kerus-orf, Misims, St. ßgidie», Leimichsort, Uarienan u. MM Amtsblatt für den Stadlrat zu Lichtenstein. Nr. 119. Aer«sp»ech-«»!chMH Rr. 7. SS. Jahrgang. Dienstag, den 26. Mai Lelegrama»adreü er Lageblatt. 1903. Dieses Blatt erschewt 1 ciplich «außer Sorin- und ^csUaßL) obciids sür den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mk. 25 Pfg., durch die Post bezogen 1 Mk. SO Ps, — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 6, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräber entgegen. Inserate werden die stinsgespaltene KcrpuSzeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. — Im „Amtlichen Teil" wild die -weispaltioe Zeoe oder deren Roum mit 90 Rsennioen berechnet, Bür auswärtige Inserenten kostet die Sgespaltene Zeile 15 Pfennige. — Bekanntmachung. Nachdem der Ratsregistrator Herr Martin Hermann Scheibner heute als I. Stellvertreter des Standesbeamten für den zusammengesetzten Standesamtsbezirk Lichtenstein in Pflicht genommen worden ist, wird dies hier mit bekannt gegeben. Lichte n st ein, am 23. Mai 1903. Der Stadtrat. Steckner, Bürgermeister. Äs MM m Misch wird in den jetzt vorliegenden Berichten sehr an schaulich und zugleich grauenerregend geschildert. „In den Uralgebieten, zu denen auch das Ufa'sche Gouvernement gehört, herrschte in diesem Jahre eine schreckliche wirtschaftliche Krisis; dazu kam Noch, daß die Negierung gerade die schlimmen Zeiten für geeignet hielt, um sür ihre Woffensabriken in Slatoust den Arbeitern neue Gesetze aufzuerlegen, die den Groll noch weiter anschwellen ließen. Danach sollte der Fabrikverwoltung das unbeschränkte Recht ein geräumt sein, die Arbeiter mit L-irafen zu be legen, ferner sollte die Arbeitszeit sämtlicher Arbeiter 1O'/z Stunden betragen, wäbrcnd sie nach dem alten Fabrikreglement sür die große Mehrzahl der Ange stellten auf 8 Stunden fesigcstcUt war. Die Arbeiter weigerten sich, das neue Reglement anzuerkennen. Die Arbeiter wählten eine Deputation, die aus drei Personen bestand. Die Deputation richtete nichts aus, aber die Deputierten wurden in der darauf folgenden Nacht verhaftet. Als sich die Kunde da von unter der Arbeiterschaft verbreitete, kamen Lie Leute in Massen zur Polizcivcrwaltung und forderten die Freilassung ihrer Kameraden. Die Arbeiter wollten den Ort nicht verlassen, bis sie die Frei lassung ihrer Kameraden erwirkt hätten. Es blieb der Polizei nichts anderes übrig, als den Gouverneur von Ufa holen zu lassen. Herr Bogdanowitsch kam, und seine erste Begrüßung war: „Ihr Ruhestörer, ich werde Euch nach Sibirien verschicken!" Er forderte die Arbeiter auf, auseinander zu gehen. Eie leisteten dieser Aufforderung keine Felge und beschlossen, nicht eher auseinander zu gehen, als bis sie ihre Forderungen durchgcsetzt haben würden. Der Gouverneur zog sich in die inneren Gemächer des Hauses zurück, wo er abge- stiegcn war, und schickte nach einiger Zeit gedruckte Papierbogcn hinaus mit folgenden Ankündigungen: Die Arbeiter sollen auseinander gehen, sonst würde er von der Militärgewalt, die anwesend war, Ge brauch machen. Auch diese Drohungen blieben er folglos, und die Arbeiter rührten sich nickt von der Stelle. Ta wurde plötzlich aus dem Hanse des Gouverneurs ein Tuch herausgehängt. Das war ein Signal. Es ertönte eine Salve. Die Ar beiter, die sich ruhig verhalten und nichts Schlimmes vermutet hallen, wurden überrascht. Eie begriffen noch gar nicht, was da vor ging, als dos Pflaster plötzlich mit Toten und Verwundeten bedeckt wurde. Es erfolgte eine zweite, dritte und vierte Salve. Dieses auf Befehl des Gouverneurs on- gerichtete Blutbad ergab gegen 40 Tote und 200 Verwundete, von denen zwanzig später ihren Ver letzungen erlagen. Unter den Opfern befanden sich Kinder und Frauen und unschuldige Zuschauer". Politische Rundschau Deutsches Reich. * In Sachen Prinz Arenberg meldet die „Hann. Allg. Ztg." in ihrer neuesten Nummer, daß der Prinz in eine Heilanstalt gebracht werden soll, obwohl von Geistesgestörtheit oder Unzurech nungsfähigkeit keine Rede sein könne. (?) * Ern st e Tatsachen. Diejenigen, welche in der Wahrnehmung der berechtigten Interessen unserer evangelischen Landeskirche und des deutschen Volkes nichts als eine „plumpe, unwürdige Hetzerei" und eine „politische Charlatanerie niedrigster Sorte" zu erblicken vermögen, möchten wir nachstehende Be trachtungen des „Eächs. Gustav Adols-Botcn" als Memento ins Stammbuch schreiben: In den furcht baren Zeiten der Gegenreformation wurden den Evangelisten in der Provinz Schlesien 1300 Gottes häuser weggenommen, in Ungarn an 800, in der einzigen Stadt Prag an 50. In der blutigen Bartholomäusnacht wurden in Frankreich an 50000 Evangelische um ihres Glaubens willen niederge- mctzelt, und als der Papst in Nom davon Kunde erhielt, ließ er ein Tedeum singen und eine goldene Siegesmünze prägen. Im Elsaß ließ man in der Gegenreformation nach Aufhebung des Edikts von Nantes, das den Protestanten Religionsfreiheit ge währleistet hatte, die Bekenner des Evangeliums so lange durch Dragoner peinigen, bis sie sich wieder unter das knechtische Joch gebeugt hatten. Die jüngst wieder anfgefundenen Akten der Inquisition in Spanien erzählen uns, daß dort 102 000 evange lische Familien durch Kerker and Scheiterhaufen ver nichtet wurden. In Salzburg Hot man viele Tausende, im Zillerthale viele Hunderte um ihres evangelischen Bekenntnisses willen von Haus und Hof vertrieben, und im Thorner Blutgericht wurden 1724 neun der angesehensten Bürger, der Bürgermeister an der Spitze, auf Betrieb der Jesuiten enthauptet. Tas sind nur wenige Blätter aus dem Cchuldbuche Noms. Die Evangelischen sollen und dürfen das nie vergessen, und sie wissen, daß Nom heute noch dasselbe ist, wie vor Jahrhunderten, daß cs noch ge- r au so gegen die Bekenner des Evangeliums handeln wird, wenn cs die Macht dazu erlangt haben wird. * Betrogene Betrüger kann man die maccdonisch bulgarischen Anarchisten nennen, welche ßch unter falschen Vorspiegelungen von Sarafow und Genossen hoben zu ollerhand Gewalttätigkeiten ver- sühren losscn. Besonders charakteristisch nt in dieser Hiuscht die Vernehmung des bulgarischen Anarchisten Etojan in Saloniki, welche Ausllärung über die merkwürdige Tatsache gibt, daß die bulgarischen Anarchisten, sobald sie vertäflet sind, Geständnisse machen, was allem Anarchrstenbicuch Hohn spricht. Stojan erklärte dies folgendermaßen: „Es wäre mir ein leichtes gewesen, zu cntkan mcn, oder mich zu töten, wenn ich das Gehern nis nicht verraten wollte. Ich will cs aber laut hinousschreicn, daß die mace- dvnischcn Führer Lumpen und Betrüger sind. Cie haben uns zu verzweifelten Handlungen unter dem Versprechen versührt, daß, sobald unsere Bomben platzen, europäische Schiffe im Hofen von Saloniki erscheinen, der Tüikcnberrschast ein Ende machen und Maccdcnicn den Macedouiern geben würden. Betrogen haben sie uns !" — Stojan selbst habe die Lunte angezündet, ater es in seiner Hast nicht ganz wirksam getan. — Es wird bestätigt, daß Boris Carasow bis vor wenigen Togen in Saloniki war und als Kawaß verkleidet, entkommen ist. Großbritannien * London. Im Ostende von London sind bereits Zehntau sende der typhösen Lazarettdecken in verschiedenen Warenlagern mit Beschlag belegt worden, und aus den Provinzen weiden täglich ganze Gülerzüge von Decken nach London zurückgeschickt. Eine Desinfektion im großen wird ron den Sanitätsbehörden in eigens dazu be stimmten Schuppen ausgefühlt. Nach hier einge- tiofsinen Meldungen aus Kapstadt sind dort inner halb des letzten Jahres van den Behörden nahezu 150 000 Decken ohne jede Auswahl oder Reinigung veräußert und durch Londoner Agenten, die enorme Geschäfte damit gemacht haben, in ganz England und vielleicht auch ins Ausland weiterverkoust worden. Wieviel Opfer diese Kronktzeitstroger bereits gefordert haben, läßt sich nicht mehr feslstcllen. Man erinnert sich jetzt hier mysteriöser und heftiger Typhusepide mien an vielen Orten. Man hält es für unmöglich, allen verkauften typhösen Decken auf die Spur zu kommen, sodaß die Gefahr noch lange fortbestehen wird. Vorläufig will niemand für den gigantischen Skandal verantwortlich sein. Die hiesigen Militär behörden erklären, daß der Verkauf gegen ihre aus drücklichen Vorschriften geschehen sei und daß strenge Befehle zur Entdeckung der Schuldigen nach Süd afrika telegraphiert wurden. Im Unterhause wird Sir Thomas Dewar den Kriegsmirüster dahin inter pellieren, „ob er wisse, daß eine Anzahl in Südafrika für unbrauchbar erklärter Armeedecken an das Schiff „Cornwall" verkauft worden sei und dort Typhuser- krankungen veranlaßt habe unddaß dieSariitälsbehörde des Londoner Distriks Stepney 40 Tonnen mit 30 000 Decken derselben Lieferung in einen Güter schuppen in Assam Street in Whitechapel unterge bracht habe, da festgestellt wurde, daß sie Typhus bazillen in großer Menge enthielten; ob derKriegs- ministcr wisse, daß andere in Südafrika verkaufte Decken in Whitechapel gelagert seien und ob der Kriegsministcr sie zurückgcben und vernichten lassen werde". Brodrick antwortete auf eine private An frage schriftlich, daß alle in Stepney liegenden Decken nicht Eigentum der Negierung seien und dieser daher keine Verfügung darüber zustehe. (L.-A.) Rußland * Ter unglückliche russische Gouverneur von Usa, Voydanowitsch, ist von nicht weniger als acht Kugeln durchbohrt worden. Zwei hatten das Herz, vier die Lunge zerrissen, zwei andere haben Leber, Magen und eine Hand durchbohrt. So grausam ist noch kein Attentat gewesen als das auf Boydano- witsch verübte; um so unbegreiflicher ist es, daß die Mörder nicht nur nicht sofort verhaftet wurden, sondern bis auf den heutigen Tag noch nicht ermittelt worden sind. Dieser Umstand beweist, daß weite Kreise des Volkes und der Beamtenschaft den Atten tätern Schutz gewähren; das eröffnet eine grauen hafte Perspektive. Und doch hätte es die russische Negierung in der Hand, sich das gesamte Volk mit eincm Schlage zu gewinnen; sie brauchte nur die Konstitution zu beantragen. Kaiser Nicolaus II. würde sich keinen Augenblick bedenken, einem solchen Anträge seine Zustimmung zu erteilen. Tie Inte ressen Weniger dürfen bei dieser wichtigen Angelegen heit nicht entscheidend sein. Die weitschauenden Tiplcmatcn in Petersburg können sich doch der Erkenntnis nicht mehr verschließen, daß Rußland an innerer Gährung zu Grunde geht, wenn das Reform werk nicht endlich vollzogen wird. (5hina. * China erklärte sich bereit, drei Häfen in der Mcndschurci zu eröffnen, davon den Hafen von Ta- tunka ausschließlich als amerikanischen Bertragshafen. Aus Stadt und Land Lichtenstein, 25. Mai. *— Familicnabcnd. Ter evangelische Arbeiter verein Lichtcnftein-C. und Umgegend beging gestern abend unter zahlreicher Beteiligung seiner Mitglieder, sowie vieler Gäste ans Rödlitz und Hohndorf im Saale des Modes'schen Gasthofes in Nüdlitz einen Familicnabeud. Ter ganze Verlauf der Festlichkeit zeigte so rccht dcn guten Geist der Zusammengehörig keit und der Harmonie, welcher unter dcn evange lischen Arbeitervereinen herrscht. Neben herrlichen gemischten Gesängen vom Gesangverein Rödlitz, unter der trefflichen Leitung des Herrn Kantor Loh mann, kamen noch Musiksatze von den Herren Kauf mann (Holzharfe, Mundharmonika und Zither), sowie von Herrn Lauterlein (Trompete) und eine