Volltext Seite (XML)
Amerika. * In einer unheimlichen Klemme befindet sich neuerdings die venezolanische Regierung, nachdem es sich herausgestellt hat, daß von den Bürgern nichts zu holen ist. Die famose Zwangs- anleihe hat sich nämlich als eine verun » glückte Spekulation erwiesen, denn die Kaufleute, auf welche die Regierung ihre ganze Hoffnung setzte, können nicht helfen, da sie selbst nichts haben, sondern, wie sich herausstellte, gänzlich verarmt sind. „Geld, sehr viel Geld!" ist aber die Losung. Präsident Castro weiß sich aber zu helfen, denn er plant jetzt eine Haus st euer gegen dieBefitzerderFremdenkolonie. Davon ist man aber wenig erbaut und fürchtet aus diesem Grunde in Caracas Gewaltmaßregeln; das Leben der Fremden hält man für sicher, ihren Besitz jedoch für gefährdet. Der deutsche Konsul Lenz wurde von einem Kaufmann in Caracas nach der Kontribution telephonisch ange fragt, warum keine Truppen gelandet würden, zum wenigsten sei die Anwesenheit eines starken Landungskorps vor La Guayra erforderlich, damit die Fremden gegenüber Castros Geldforde rungen Rückgrat zeigen können. Aus Stadt und Land Lichtenstein, 19. Januar. *— Vortrag im Kaufmännischen Verein Wie aus dem Inseratenteil der Sonntagsnummer unseres Blattes zu ersehen ist, findet morgen Diens tag, abends8 Uhr im Saale des Rats kellers Rezitationsabend des Herrn Max Laurence, Berlin, statt. Herr Laurence ist uns schon von früher her als erstklassiger Rezitator bekannt und empfehlen wir den Besuch dieses Abends aufs wärmste. *— Rödlitz. Bei der heute hierselbst statt- gefundencn Gemeinderatswahl machten von 198 Wahlberechtigten 68 von ihrem Stimmrechte Gebrauch. Gewählt wurden die Herren Gartenbesitzer Anton Bochmann mit 51 und Hausbesitzer Adolf Schubert mit 25 Stimmen. Da auch auf Herrn Hausbesitzer Adolf Vogel 25 Stimmen abgegeben wurden, mußte das Los entscheiden, und fiel letzteres zugunsten des Herrn Schubert aus. *— Mülsen St. Jakob. Die Anmeldung zur Rekrutierungsstammrolle hat bis mit 1. Februar im hiesigen Gemeindeamte zu erfolgen. — Die letzte Kollekte für die Heidenmission erreichte in unserer Gemeinde die erfreuliche Höhe von 67,92 Mk. Dresden. Aus dem Nachlasse des Königs Albert sind der Arsenal-Sammlung in Dresden dieser Tage alle sächsischen und ausländischen Uniform- und Ausrüstungsgegenstände, sowie die Kriegsorden des Monarchen überwiesen worden. Der Armee- Sammlung wurden bildliche Darstellungen überlassen. Wie man aus Leipzig meldet, ist die im Ver lage von Schneidert in Pößneck erschienene Sensa tionsbroschüre „EhebruchundKönigsth ron", der Liebesroman der Kronprinzessin von Sachsen, beschlagnahmt worden. Leipzig. Am 17. d. M. vormittags fand die Einweihung des neuerbauten Universitäts-Veterinär instituts nebst Klinik und Poliklinik unter Teilnahme der Behörden, sowie von Deputationen der tierärzt lichen Hochschulen Dresden, Berlin, Hannover und Kopenhagen statt. Zum Direktor des Instituts wurde Prof. Dr. Eber ernannt. Die Aufnahme des klinischen Betriebs erfolgt heute Montag. Liebe und Leidenschaft. Roman von L. Jdeler-Derelli. (Nachdruck verboten.) (27. Fortsetzung.) „Wie geht es Ihnen, Herr Oberst?" fragte er mit freundlicher Unbefangenheit, und als der alte Herr nicht gleich antwortete, fuhr er fort: „Als ich meinen Abschied nahm, dachte ich auch nicht, daß wir uns so bald wiedersehen würden. Ich bm aber durch eine bedeutende Erbschaft reich geworden," der Sprechende betonte diese Worte stark, „und will mich nun in Lauterberg als Zioilarzt niederlassen; es ist mir eine große Freude, die mir von früherher be kannten Herren bei so guter Gesundheit anzu treffen." Major von Dornow war schon bei den ersten Worten des ehemaligen Stabsarztes zurückgetreten und sprach mit einem andern Herrn; die Stirn des alten ehrenhaften Obersten färbte sich allmählich immer röter, sodaß die weißen Haare seltsam da gegen abstachen. Er streifte den Sprechenden mit einem Blick der eisigsten Verachtung und wandte ihm den Rücken. Czerwinsk lächelte höhnisch. „Natürlich! Der Alte reflektiert nicht einmal auf mein Geld und wird den jüngeren Offizieren verbieten, mit mir auch in Verbindung zu treten. Mit dem Regiment also wäre es nichts, gehen wir vor eine andere Tür." Nach kurzem Suchen entdeckte er den Hauptmann von Schön, der in der Mitte des Saales stand. Der Dirigent der Musikkapelle blickte von seiner Tribüne gespannt auf den Festordner, um dessen Zeichen seine Musiker sofort beginnen zu lassen. Der Hauptmann aber sprach noch mit einem Herrn, den Czerwinsk nicht kannte. Vertraulich begrüßte Artur Gasch, der frühere Redakteur des „Korre spondent für Deutschlands Buchdrucker", später Redakteur der „Buchdrucker-Wacht", und Vorsitzender der „Gewerkschaft der Buchdrucker", wird, wie die „Papier-Ztg." meldet, von seiner Frau und dem Staatsanwalts gesucht. Als die im Jahre 1896 von Gasch gegründete „Gewerkschaft der Buchdrucker" nicht nach Wunsch gedieh, da nur wenige Buchdrucker dieser neuen Organisation beitraten, eröffnete Gasch in Leipzig eine Buchhandlung, verbunden mit Papierhandlung, Kautschukstempel-Fabrikation usw. Durch flottes Leben vernachlässigte er das ziemlich gutgehende Geschäft und seine Familie. Am 8. Januar, als Gasch zur Leistung des Offenbarungs eides zwangsweise vorgesührt werden sollte, ver schwand er mit einer Geliebten und ließ Frau und Kinder in bitterster Not zurück. Meerane. Zum ersten Male nach Beendigung des großen Weberstreikes erfolgte am Freitag abend in den Fabrikbetrieben erstmalig die Auszahlung der Löhne nach dem nunmehr giltigen neuen Minimal- Lohntarif, der im Durchschnitt eine zehnprozentige Lohnerhöhung gegen die früheren Löhne in sich birgt. Markranstädt. Die Eheleute Hauschild wurden in tiefe Trauer versetzt. Der 19jährige Sohn, der z. Z. beim Karabinier-Reg. in Borno als Soldat dient, war vor einigen Tagen zur silbernen Hochzeit seiner Eltern hier auf Urlaub. Kaum war er wieder in die Garnison zurückgekehrt, so erhielten die Eltern die Trauerkunde, daß ihr Sohn an Gehirnblutung gestorben sei; ein Pferd soll denselben geschlagen haben. Meißen. Eine aufregende Gift geschichte spielte sich kürzlich in einem Restau rant in unmittelbarer Nähe der Stadt ab. Ein dort eingekehrter, dem Wirte fremder Gast, hatte sich zu seinem Mittagessen ein Schüsselchen Apfel mus geben lassen, um dasselbe als Nachtisch zu verzehren. Ehe er dies aber ausführte, nahm er aus seiner Tasche eine Schachtel, in welcher ein mehlartiges, weißes Pulver enthalten war. Der Wirt sah dies geheimnisvolle, eigentümliche Treiben und beobachtete auch, wie der Gast in anscheinend aufgeregter Stimmung zwei Löffel dieses Pulvers auf den Apfelmus streute und mit ihm vermischte. Als er sich nun anschickte, das offenbar mit Arsenik vergiftete Mus zu essen, konnte sich der Wirt nicht mehr halten, er stürzte aus dem Schankraum heraus auf den Gast zu und bat ihn ängstlich, um Gottes willen hier in seinem Restaurant keine Szene zu machen. Er habe alles beobachtet und könne durch aus nicht dulden, daß hier Sachen vorgenommen würden, die seinem Geschäft großen Schaden bringen würden. „Nu, was fällt Sie denn eegentlich ein, Sie närr'sches Huhn? Ich würde mir doch weeß Knebbchen meinen Milchzucker, den mir der Arzt verordnet hat, an meinen Aeppelmus tun können? Ich esse doch das Zeug, damit ich länger läbe, und weil ich üben noch nich' sterben will! Ich bring mich doch nich' etwa nu, wo ich mein Schäfchen ins Trockene habe, um de Ecke? Nu, da müßt' ich dumm sein!" Nach dieser Entgegnung nahm er seinen Apfelmus zu sich, und da auch nicht die geringsten Vergiftungserscheinungen eintraten, so bat der Wut beim Fortgehen des Gastes um Ent schuldigung wegen seines Mißtrauens. Aus Zittau wird gemeldet, daß am 15. Januar der unter dem Verdacht der Brandstiftung gefänglich eingezogene Nonnenfelsenwirt Nemetz aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist. Nerchau. Aus der elterlichen Wohnung heimlich entfernt hat sich der 13jährige Schulknabe Heller der Doktor den Offizier und bat, dem Fremden vor gestellt zu werden, er wolle sich im Städtchen gemüt lich wieder einleben. Herr von Schön starrte ihn an, als sähe er einen Geist vor sich; er wartete das Ende der Anrede gar nicht ab, sondern erhob die Hand, in brausenden Klängen setzte die Musik ein, und Czerwinsk mußte notgedrungen zu sprechen aufhören; es war unmöglich ein Wort zu verstehen, und als endlich eine sanftere Stelle kam, befand sich der Hauptmann an der entgegengesetzten Seite des Saales. Das Gesicht des Doktors verfinsterte sich. „Diese Ablehnungen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig," flüsterte er zornig, „es wird mir unmöglich sein, mich hierzu halten. Halb hatte ich es freilich erwartet!" Er stand in der Fensternische, in welcher vorhin Graf Brunn gestanden hatte, nnd musterte die tanzenden Paare. Dann blickte er auf die Damen, die entweder nicht tanzen wollten oder nicht aufgefordert waren. Da saß als einsames Mauerblümchen FräuleinCäcilie von Lohen und blickte sehr verstimmt darein. Es passierte ihr schon oft, daß niemand sie zum Tanzen holte, und vernünftige Leute begriffen es längst nicht mehr, warum sie immer noch in Balltoilette erschien. Mit rasch ge faßtem Entschluß trat nun aber Doktor Czerwinsk auf sie zu und bat um den Tanz. Fräulein von Lohen zögerte, sie für ihre Person hätte schon den übelangesehenen Mann gern als Tänzer acceptiert, denn das Sitzenbleiben war ihr ganz unerträglich, trotzdem zauderte sie, denn sie wagte es der andern wegen nicht. Czerwinsk bemerkte dies Schwanken, und sich tief zu der Sitzenden niederbeugend, flüstertee er: „Ich rufe Ihr Mitleid an, gnädiges Fräulein, haben Sie Erbarmen mit einem ungerecht Verkannten. Die Welt ist ungerecht." hirrselbst. Die tiefbetrübten Eltern können sich derr Grund hierfür nicht erklären, da der Knab« sich stets als brav und folgsam gezeigt hat. Aus Thüringen Ronneburg. In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag stürzte der Schaffner Heinl aus Chemnitz während der Fahrt zwischen Ronneburg und Nöbdenitz von einem Güterzug. Der Unglückliche trug erhebliche Verstauchungen und bedeutende Hautabschürfungen davon. Der Schaffner, welcher sich in ärztliche Behandlung begeben mußte, klagte besonders über Schmerzen in der rechten Hüfte. Allerlei. -j- Berlin. Von Einbrechern durch Schuß wunden lebensgefährlich verletzt wurde der 34 Jahre alte Inhaber einer Musikalienhandlung Wilhelm Zechlin aus der Belle Alliancestraße 9. Die Täter, jwei jugendliche vorbestrafte Einbrecher namens Schröter und Schönwetter wurden im selben Hause festgenommen und nach dem Moabiter Unter suchungsgefängnis abgeführt. Berlin. Hiesigen Blättern zufolge ist der bei dem Duell im Grunewalde Verwundete der Rechtsanwalt und Oberleutnant der Reserve Aye aus Flensburg. Er ist inzwischen gestorben. -ff Breslau. Sämtliche in Konitz ansässigen Israeliten haben gegen den Reichstagsabgeordneten Ahlwardt wegen der in einer von ihm in Berlin gehaltenen Rede gegen sie gerichteten Beleidigungen Strafantrag gestellt. Köln a. Rh. In Ohligs tötete vorgestern abend 7 Uhr der Kaufmann v. d. Schulenburg seine Frau auf offener Straße mittelst eines Revolverschusses in den Kopf. Das Motiv zur Tat sind Ehezwistig keiten. Der Mörder entfloh. Um 12 Uhr nachts erschien er auf dem Bahnhof Vohwinkel, um mit dem bereitstehenden Zuge abzufahren und wurde gerade in dem Augenblick verhaftet, in welchem er ein Abteil des Zuges besteigen wollte. — In dem im Umbau befindlichen Hotel Landsberg, wo am 15. d. M. unter dem Fußboden zwei Skelette auf- gefunden wurden, sind tags darauf zwei weitere Leichen ans Licht gefördert worden. Bereits vor Jahren ward ein Schädel anfgefunden, ohne daß man dem Funde besondere Bedeutung beigemessen hätte. Seitens der Staatsanwaltschaft werden die Nachforschungen eifrigst betrieben, um Licht in die mysteriöse Angelegenheit, zu bringen. Arnstadt. Der seit dem 28. September 1897 verschwundene Sohn des Landwirts Risch in Ang stedt bei Gräfinau ist, wie erst jetzt an den Tag kommt, von einem Nebenbuhler erschlagen und in einem nahen Ziegeleiofen verbrannt worden. An dem Morde sollen nach der Aussage einer Frau aus Pennewitz vier Personen von dort beteiligt gewesen sein. Die Untersuchung ist erneut eingeleitet worden. Gerichts-Zeitung. Am Tage der Beisetzung des Königs Albert wurden in Dresden Ansichtspostkarten feilgeboten, die ein Bild der Aufbahrung des Königs in der katholischen Hofkirche wiedergeben sollten. Wenn man sich aber diese Karten genauer ansah, bemerkte man, daß es sich hier nicht um ein Bild der Bei setzung des Königs Albert handelte, sondern um ein solches von der Beisetzung des Kaisers Wilhelm I. im Dom zu Berlin. Man hatte an die Stelle des Kopfes des verstorbenen Kaisers denjenigen des Ein zärtlicher Blick begleitete diese leise und leidenschaftlich gesprochenen Worte, und schon machte das eitle Mädchen eine Bewegung, sich zu erheben, als es ihr Vater, der alte Sanitätsrat von Lohen, noch rechtzeitig bemerkte. Schnell trat er hinzu und sagte scharf: „Meine Tochter dankt für die Ehre, mit Ihnen zu tanzen, Herr Doktor Czerwinsk." Die Röte der Verlegenheit überzog das blasse Gesicht des Mädchens, denn nun war es ihr doch unangenehm, daß ein solches Einschreiten ihres Vaters überhaupt nur erforderlich gewesen war. Was würden dazu die Andern sagen? Sie barg das Antlitz hinter dem Fächer, und Czerwinsk trat wort los zurück, nach einer so vollendeten Niederlage blieb ihm nichts anderes übrig, als das Feld zu räumen. An Fräulein Steinbrink durfte er sich gar nicht wagen, sie saß, umgeben von den Familiengliedern seines Opfers, und den Brunn's ging Herr Czerwisk doch gern aus dem Wege. So hatte er das heiß begehrte Mädchen kaum gesehen. Er schickte sich an, den Saal zu verlassen, als Graf Feodor Brunn und Major von Dornow ihm den Weg vertraten. „Sie werden sich niemals wieder in dieser Ge sellschaft sehen lassen!" begann der Letztere scharf. „Sie sind nicht mehr mein Vorgesetzter wie früher im Regiment, Herr Major," entgegnete der Doktor spöttisch, „und diese Gesellschaft ist mir nicht verschlossen, ich bin Stabsarzt a. D., folglich kann ich kommen wann ich will." „Aber unliebsame Elemente werden wir trotzdem zu entfernen wissen," antwortete der Graf. „Oho, junger Herr!" entgegnete Czerwinsk mit schneidendem Hohn. Gelüstet es einen Grafen Brunn schon wieder nach einem Duell mit mir? Es