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Die Stellung der Gutsunterthanen in der Oberlausitz zu ihren Gutsherrschaftcn. 17 siebzehnten Jahrhundert der Grundsatz, daß, wer nicht schriftlich nachweisen konnte, daß er nur zu „gemeßneu" oder „gesetzten" Diensten verpflichtet sei, seinem Gutsherrn „die landesüblichen vollen Dienste" zu leisten habe. Die Folge hiervon war, daß nach und nach ebenso in vielen deutschen als in wendischen Dörfern die Bauern jeden Tag der Woche mit ihrem Geschirr und noch einem Knechte die herrschaftlichen Felder bestellen oder sonst be liebige Fuhren für die Herrschaft thun, und die Gärtner sammt ihren Frauen tagtäglich auf dem Felde oder auf dem Hofe Handdienste verrichten mußten. So bildete sich seit dem sechszehnten Jahrhundert ganz besonders in der Oberlausitz für Deutsche wie für Wenden ein Zustand neuer Hörigkeit, der sich von jenem früheren, altflavischen wenig unterschied und um so unerträglicher ward, weil die allgemeinen Kulturverhältnisse der Zeit und die immerhin größere relative Bildung selbst der Bauern, zumal in den deutschen Ortschaften, das Unwürdige solcher Knechtschaft jetzt weit drückender empfinden ließ. II. Der Bauer und seine Hufe. Ueberall, wo eine Landbevölkerung wesentlich vorn Ackerbau lebt, bilden diejenigen, deren Grundstücke groß genug sind, um sie und ihre Familie aus reichend zu ernähren, den vornehmsten Theil der Dorfbewohnerschaft. Ob gleich auch die Uebrigen den Acker bebauen, heißen im Deutschen gerade solche Grundstücksbesitzer „Bauern" im ausschließlichen Sinne des Wortes. Die lateinischen Urkunden des Mittelalters nennen dieselben bald allgemein eoloni oder rnstiai, bald nach dem Zins, den sie von ihren Grundstücken an die Gutsherrschaft zu entrichten haben, ekusuules oder oousiti, bald, wo die Landbevölkerung eine von den gegenwärtigen Herren des Landes einstmals unterjochte war, llo8xit68, von welchem Worte die im Meißnischen und, wie es scheint, auch in der Oberlausitz übliche Bezeichnung für die wendischen Bauern, nämlich A^ti, nur die wendische Uebersetzung ist?) Während die altwendischen Dörfer theils aus Bauergütern, theils aus Gürtnernahrungen bestanden, waren die von deutschen Kolonisten neuangelegten und wohl ebenso auch die meisten nach deutscher Weise umgestalteten sämmt- lich reine Bauerndörfer. Erst allmählich machte sich bei Zunahme der Bevölkerung auch in diesen die Abzweigung oder Neuaussetzung von kleineren Grundstücken, also von Gärtuernahrungen, endlich sogar der Anbau von bloßen Häusern ohne jedes zugehörige Ackerland nöthig?) Ein Grundstück, groß genug, um eineu Bauer nebst seiner Familie zu ernähren, hieß auf deutsch eine Hufe, auf lateinisch ein muu8N8. Nur i) Neber die Entstehung und Bedeutung der Ausdrücke: üo^pite« und Austi siehe Ermisch, Neues Arch. f. sächs. Gesch. IV. 25 ff. 2) In dem doch sicher ursprünglich wendischen Kemnitz bei Bernstadt wurden erst 1590 aus abgebrannten Bauergütcrn eine größere Anzahl von Gärtnernahrungen geschaffen ; Häusler aber gab es 1637 in dem Dorfe noch gar nicht (Peschel, Gesch. von Kemnitz 21). Ebenso entstanden in Fricdersdorf bei der LandcSkrone erst 1593 die ersten Häusler- nahrnngen (Otto, Gesch. von Friedcrsdorf 11).