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Nilvten unsrer Colonie zur Arbeit mehr herangezogen werden, wenn sie sehen, daß der Anbau anderer Products bei geringerer Arbeit höheren Nutzen abwirsl, als die süßen Kartoffeln, der Maniok, die wenigen Tomaten und die Hirse, dis sie heute bei ihrer großen Trägheit und Bedürfnißlosigkeit bauen. Als das beste Mittel nun der Erziehung der Eingeborenen zur intensiven Arbeit schlug der Vortragende eine einzige directe, etwa alle sechs Monate zu erhebende Kopf-, Haus- oder Feuerstellen-Steuer vor, die der Bevölkerung verständlicher ist, als etwa mehrere indirecte Steuern, bei deren Erhebung er Unruhen befürchtet. Der Neger sowohl, der wie jeder Wilde ein feines Gerechtigkeitsgefühl für Nehmen und Geben besitzt, wie der Araber und der Inder wissen, baß wir ihnen Leben, Freiheit und Besitz schützen, und werden sich solcher Abgabe, die allmählich von der Küste beginnend ins Innere vorrücken muß, nicht entziehen; die Negierung muß sich der Häuptlinge eabei bedienen, sie muß die Inder am höchsten, nächstdem die Araber und am ge ringsten die leichtfertigen, oberflächlichen, bis jetzt gänzlich in den Tag hinein lebenden Neger vorerst besteuern, damit diese letzteren erst zur Arbeit erzogen worden. Die Kopfsteuer könnte von dem Neger entweder in Geld geleistet werden, durch die Erträge seines selb ständigen Plantagenbaues, der so befördert würde, oder in Naturalien; dann müßten sich Aufkäufer dieser Naturalien finden, und dadurch wird der Verkehr und der Handel belebt werben; auch die Vieh zucht, die in Deutsch-Ostafrika sehe wohl möglich ist, allein in der Gegenwart in Folge der furchtbaren Rinderpest gänzlich vernichtet ist, dürfte sich dadurch von neuem Herstellen lasse». Endlich kann die Kopfsteuer durch directe Arbeitsleistung für bas Gouvernement beim Bau von Verkehrsstraßen und der hoffentlich bald entstehenden Bahn ersetzt werden. Die Portugiesen und namentlich die Eng länder haben mit dieser Steuerform Lie besten Resultate erzielt; so hat Sir Johnston längs des Schire und im Süden des Nyassa gute Einnahmen gewonnen, und die Märkte dort haben sich nicht unwesentlich gehoben. Solche Erziehung der Eingeborenen zur nachhaltigen Arbeit, die sie heute in ihrer Leichtfertigkeit und mangelnden Voraussicht scheuen, muß auch auf die Arbeiterfrage im Lande von Einfluß werden und wird die theuren chinesischen und malayifchen Kulis, die heute von den Plantagenbesitzern für die feineren Arbeiten verwendet werden müssen, in kurzer Zeit überflüssig machen. Was nun die Arbeit Ler Europäer in Ostasrika angeht, so sprach sich Ler Redner mit Entschiedenheit gegen neue Ansiedelung deutscher Bauern heute schon aus, besonders weil man noch nicht einen Fuß breit Landes in Deulsch-Ostafrika heute für völlig gesund erklären kann; dagegen ist zu hoffe», daß es weiterer Forschung und rationeller Bearbeitung nach und nach gelingen wird, auch hier bessernd einzuwirken. Plantagenbau, Großhandel, Viehzucht uns Ausnutzung der Boden- producte sind heute für den Europäer die Gebiete, denen sich seine Arbeit in Deutsch-Ostafiika zuwenden muß. Auf den Gebirgen im Delta des Rufidschi ist Plantagenwirthfchaft ergiebig, Zeugniß der Usambarakaffee; der Tabak, der bisher durchfiel, wird indessen doch wohl noch Erträgnisse liefern können, und Wissmann selbst hat eine Versuchsplantage in dem Rusidschibelta angelegt, dessen Boden den Niederungen Java's kaum nachsteht, und wo Tabak und Kaffee ge deihen, können auch andere Plantagen ergiebig werden. Im Klein handel, den die bedürfnißlosen Inder in Händen haben, ist für den Europäer eine Concurrenz mit diesen ausgeschlossen und das Elfenbein geht heute zunächst in den Cvngostaat; nur weniges kommt davon in unser Gebiet, indem der Elephant dort schon selten geworden ist, denn seine Heimath sind die unermeßlich dichten, gewaltigen Urwälder des Congostaates, deren Charakter aus Stauley'S und Graf Götzens Schilderungen bekannt geworden. Die Hoffnung auf Kohlenlager hat sich jüngst durch das Äusfinden der Steinkohle für unsre Colonie erfüllt, und das schöne, dem Termitensraß widerstehende feste Mangrovehvlz aus den Gebirgs- Hochwäldern bildet ein sehr wertbvolles Product. Freilich ist seil 1890 durch die Rinderpest bas Vieh auf ein Tausendstel des ehemaligen Bestandes rebucirt, allein die Thatsache, daß der Vor tragende 1882 und 1885 selbst die großen Viehheerden gesehen hat, gibt Zeugniß dafür, daß auf den Steppen mit dem seinen, Lünne», gelben Gras eine Viehzucht in großer Ausdehnung zu betreiben ist, wie sie in Südamerika so reichliche Früchte trägt; dagegen hat das afrikanische Schaf keine Wolle, so daß Schafzucht, wie wir sie in Australien sehen, in unserm vstafrikanischen Gebiet nicht möglich ist. Hinsichtlich der Landfrage stellte der Redner als Hauptsache hin den Schutz der Eingeborenen in ihrem Besitz und die Verhinderung Ler Landspeculation im großen; auch hält er es für gerathe», den Landbesitz nicht allzu sehr zu belasten und durch eine solche Belastung den Landerwerb zu erschweren. Da gegen muß mau jedes Unternehmen in dem Colonialgebiet mög lichst erleichtern zum Vortdeil von dessen Gedeihen und Aufschwung. — An die Darlegungen Wissmanns knüpften noch Missionsdirector Merensky und Kammergerichtsrath Or. Kronecker Bemerkungen, während der Vorsitzende den Rednern den Dank der Gesellschaft aussprach. * Berlin. Am Seminar für orientalische Sprachen ist der Zudraug von feiten junger Kaufleute, Bankbeamten und Techniker zu dem russischen Unterricht, der in Abendstunden nach Schluß der Geschäftszeit gehalten wird, so groß, daß eine er hebliche Zahl von Bewerbern abgewiesen werden mußte. Es ist daher jetzt noch eine Parallelclasse für den Anfangsunterricht im Russischen eingerichtet und mit Ler Abhaltung desselben vr. Erich Berneker beauftragt worden. * Wien. Ter Verein für österreichische Volkskunde hat eS sich zur Hauptaufgabe gemacht, in Wien ein umfassendes Museum für österreichische Volkskunde zu begründen, welches dem vergleichenden Studium des Culturbesitzes der österrmchischen Völker schaften dienen soll. Nascher, als bei der Gründung des Vereins verniuthet werden konnte, ist diese Absicht verwirklicht worben. Die Sammlung des Vereins, die schon im vorigen Jahr zu einer Ausstellung im österreichischen Museum führte und sich Ende 1895 auf ungefähr 1000 Nummern belief, ist inzwischen, wie das Organ des Vereins, die „Zeitschrift für österr. Volkskunde", mittheil:, auf nahezu 5000 Nummern gestiegen, eine Ziffer, welche eine Sammlung ankündigt, Lis bereits aus wissenschaftliche Bedeu tung Anspruch hat. Seit dem 1. Mai l. Js. ist ter Verein auch im Besitz eigener, geräumiger und für Ausstel lungszwecke höchst geeigneter Räumlichkeiten. Dieje befinden sich im Börsengebäude und bilden einen großen Theil der Locali- läten, die das nunmehr in ein eigenes Gebäude übergesührte k. k. österreichische Handelsmuseum früher innegehabt Hal. Die Samm lung läßt sich hier vorläufig würdig unterbringen und wird für den Besuch auch in den Abendstunden offen gehalten werden. Die Ausstellung wird nach den ethnographischen Hauptgrnppen der öster reichischen Bevölkerung unternommen, wobei auf das Durchgreifeu der gemeinsamen in den bäuerlichen Lebensverhältnrssen wurzelnden Züge, ebenso wie auf bas Hervortreten der ethnographischen Be sonderheiten das Augenmerk gelenkt werden wird. Durch die Auf stellung und Einrichtung einer Anzahl bäuerlicher WohninrerieulS hofft man der Bevölkerung einen dauerhaften und sympathischen Eindruck aus der Sphäre der heimischen Volkskunde zu vermitteln, Verlag von Grrstav Fischer? in Jetta. Soeben erschien: vr. Rich., Das Zeitalter der Fugger. Geldlapitnl und Krcditverkchr im 16. Jahrhunöcrt. Zweiter Band: Die Weltbörseu und Finanzkriscn des LE. Jahrhunderts. Preis: drosch. 7 M., geb. 8 M. Vr. Richard, o. Professor der politischen Oekonomie an der Universität Graz, Recht und Sitte auf den verschiedenen wirtschaftlichen Kulturstufen. Erster Teil. Preis: 5 M. ÄlveittH, vr. F. PH., Die Lage der englischen Land wirtschaft unter dem Drucke der internationalen Konkurrenz der Gegenwart und Mittel und Wege zur Besserung derselben. Preis: 8 M. vr. Carl Alfred, Thalwcil, Beiträge zur Geschichte der gewerblichen Arbeit in England wah rend der letzten 50 Jahre. Nach den Erhebungen der „Iloxal evmmissiou ou ladvur--. Preis: 4 M. 50 Pf. vr. pütl. Josef, Privatdozent an der Uni versität Greifswald, Die sozialdemokratischen Gewerk schaften in Deutschland seit dem Erlasse des Sozialisten gesetzes. Erster vorbereitender Teil. Preis: 4 M. 50 Pf. Julius, Die Großindustrie eine der Grund lagen nationaler Sozialpolitik. Ein Borlrag, gehalten in der sozial, wissenschaftlichen Stubentenvercinigung in Halle a. D. Zweite Auslage. (15067) Preis: 60 Pf.