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252 r- Schon bloße Verabredungen zur Besserung solcher Zu stande waren bisher als „Conspirationen" erachtet und bestrcl digen Gehorsam zu leisten und sich wie ein getreuer Untci than zu halten, genugsam verbürgt". su m er zusprachen, vermochten dieselben um so ausgiebiger Gebrauch machen, als ihnen ja die Obergerichtsbarkeit auf ihren Güte eigen war. Kein Wunder daher, wenn die Zahl derer imm * * * größer wurde, welche durch „Entweichen" in die sächsisch en Erbländer oder in Nachbarstaaten sich vor solchen Härt en und dem Untergange ihrer Familien zu retten suchten. Au ch hiergegen erlangten die Stände bereits Schutz durch kurfürst liche Mandate von 1656 und 1663, worin nicht allein allem Landesunterthanen geboten wurde, keine (ohne Losbrief) Ent wichenen aufzunehmen, solche vielmehr mit den Ihrigen mW ihrer Habe an die rechtmäßigen „Besitzer" auszuliefern, -t- sondern auch Behörden, Beamtete, Fuhrleute für solche Flüchtige verantwortlich gemacht wurden. Die geforderte Brandmarkurig auf Stirne oder Wange lehnte zwar 1670 der Kurfürst aw, bestimmte aber Festungsbau als Strafe sowol für Entweichende, als für deren Förderer. Im 18. Jahrhunderte galt ''-e Praxis, schon auf den Verdacht hin, daß Jemand entflie a > wolle, „ihn so lange in Haft zu bringen, bis er allen schUl einen Landtagsbeschluß, wonach auf Ungehorsam und Aufstand Leib- und Lebensstrafe gesetzt war, Anderen zum Abscheu und Exempel. Wo aber ein Advocat verdächtig war, die klagend m Bauern gegen ihre Herrschaften noch mehr aufgereizt zu haben, und sich nicht durch Eid reinigen konnte oder wollte, so wurpe derselbe zu öffentlichem Baudienste verurtheilt. Nur ein für Geld erworbener wirklicher Freibrief ver mochte jedes Unterthänigkeitsverhältniß aufzuheben. So gab es denn auf manchen Dörfern mitten unter den Erbuntex- thanen auch einzelne Freibauern, Freigärtner, FreihäusUr, welche lediglich an den Gemeindelasten sich zu betheiligön, auch den Polizeilichen Anordnungen der Gerichtsherrschaft Folge zu leisten hatten; nur mußten sich dieselben einen Schutz herrn erwählen, der sie gegen ein jährliches Schutzgeld in gewissen Fällen rechtlich vertrat. Während dergleichen Frei käufe manchen Edelleuten in Geldverlegenheiten sehr erwünscht sein mochten, so sah die Ritterschaft im Allgemeinen solche doch nicht gern, da hierdurch „das Lehn geschwächt wurde". Noch 1708 erneuerten daher die Landstände den Beschluß, sich mindestens die Gerichtsbarkeit über die Freigekauften und das Recht vorzubehalten, daß, wenn die Rechtsnachfolger der Gutsherrschaft diesen Bauern die Kaufsumme zurückgeben würden, der Kaufcontract selbst rückgängig werde. Auch Ne freie Wahl des Schutzherrn ward mehr und mehr dahin ke- schränkt, daß irgend „ein Anderer von Adel" dazu erkor m werde. worden; als man endlich gar einen allgemeinen Aufstand der Unzufriedenen fürchtete, veröffentlichte 1689 der Landvogt Von allen diesen Rechten, welche die Unterthanenordnuilig von 1651 und deren Erneuerungen den Rittergutsbesitzern Inzwischen hatten von England und Frankreich aus lie Ideen der Aufklärer auch in Deutschland Verbreitung ce- funden; auch bezüglich der Oberlausitz erhoben sich seit Mi te des 18. Jahrhunderts Stimmen, welche auf Abschaffung der „Leibeigenschaft" drangen. Lausitzer selbst allerdings, Jurist m wie Gutsbesitzer, wollten vielmehr in dem Verhältnisse d-r Unterthanen ehrwürdige Uebeibleibscl ursprünglich deutscher Familienangehörigkeit erkennen, wonach ja auch der Gutsherr der beständige Versorger seiner Hörigen sei. Nach den Schädigungen derselben durch den siebenjährigen Krieg waren jedoch auch einzelne Besitzer darauf bedacht, deren Lage zn verbessern, indem Leistungen und Gegenleistungen wenigstens theilweise in feste Geldrenten umgewandelt wurden. Alsbald aber nach Beendigung der Napoleonischen Kriege traten die Regierungen Preußens und Sachsens nachdrücklich für zeitgemäße Umgestaltung der lausitzischen Agrarverhält nisse ein. Letztere ernannte 1818 zunächst eine ständische Deputation zu genauer Ermittelung dieser rechtlich ge wordenen Verhältnisse und der zu erstrebenden Ziele. Bei sich so widersprechenden Ansichten konnten diese vorbereitenden Arbeiten nur langsam vorschreiten; doch noch vor Eintreten der constitutionellen Verfassung veröffentlichte die Regierung Sachsens (unter dem 19. Februar 1831) nicht nur den „Ent wurf zu einem Gesetze über Ablösungen und Gemeinheits- theilungen", sondern als ein wesentliches Förderungsmittel der selben den Plan zu einer (für andere Staaten mustergiltig gewordenen) „Landrentenbank". Die neue Verfassung berech tigte auch 5 bäuerliche Abgeordnete aus der Oberlausitz für die zweite Kammer und nachdem sowol der bisherige erb ländische Landtag, als der der Oberlausitz mittels ständischer Schriften ihre Bemerkungen über jenen Entwurf eingereicht hatten, war es am 17. März 1832, daß das wirkliche Gesetz in Kraft trat, dessen 8. Abschnitt die besonderen Bestimmungen für die Oberlausitz enthält. Hiernach ward der Wegfall der den Rittergutsbesitzern zustehend gewesenen Rechte durch eine jährliche Rente an die selben ausgeglichen; somit erlangte auch der bisherige Lassit das freie Eigenthum durch eine dem Reinerträge aus seinem Gute entsprechende Rente, welche aber nach den allgemeinen Ablösungsgrundsätzen ebenfalls abgelöst werden kann. Die Ermittelung dieses Reinertrages erfolgt durch Special commissionen, welche jedesmal durch ein juristisches und ein landwirthschaftliches Mitglied gebildet werden. Hiermit endete zugleich die für die Herrschaften bestehende Verpflichtung, ver armten Unterthanen Wohnung und Unterhalt zu verschaffen, indem hierfür nun die Ortsarmenanstalt zu sorgen hat. Nach weniger als 3 Jahrzehnten durfte das umfängliche und schwierige Ablösungsgeschäft als durchgeführt zu erachten sein. Durch segensreiche Folgen sind alle darauf verwendeten Mühen und Kosten reichlich ausgewogen. Sorgsam und rationell bestellte Fluren nicht allein der herrschaftlichen, son dern auch der bäuerlichen Gutsbesitzer, stattliche meist massiv aufgeführte Wohnungen der einzelnen Bauern und Gärtner, der durchschnittlich verhältnißmäßige Wohlstand gerade der vom Betriebe der Landwirthschaft lebenden Ortschaften im Vergleich zu den vorzugsweise mit Handindustrie sich beschäf tigenden Dörfern sind Zeugen von den Vortheilen der neuen gesetzlichen Ordnungen. Der Unterschied der einzelnen Güter beruht fast ausschließlich nur in deren Größe. Gegenwärtig besteht zumal auf den kleineren, Ackerbau treibenden Dörfern zwischen den Besitzern des Rittergutes und den ärmeren Bewohnern das freie Verhältniß von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die einstige strenge Scheidung der gesammten Bewohnerschaft nach verschiedenen Ständen ist aufgegangen in dem einen, früher nicht gekannten, Allen gemeinsamen Stande der Staatsbürger. Bücherbesprechung. —i. Geschichtliche Mittheilungen von der Paroch ie Lastau von W. Lange ssn. in Lastau- Colditz. 1886. -- Der Werth dieser von einem Gutsauszügler der Lastau er Parochie verfaßten Broschüre ruht nicht sowol in der über die dorügeGegend und insbesondere über die Burg Titibutzie n veröffentlichten chronikalischen Notizen — diese sind mehr oder minder zuverlässigen Chroniken von Colditz und Leisnig entnommen — als vielmehr in den aus älteren Kirchenbüchern,, dem Pfarrarchive und Schriften der Gemeindelade zusammen gestellten, die Cultur- und Sittengeschichte der letzten Jahr hunderte zum Theil recht lebhaft illustrirenden Mittheilungen über einzelne Vorgänge und Erlebnisfe der dortigen Gemeinden und sind letztere geeignet, auch das Interesse weiterer Kreise für dies Schristchen zu gewinnen. Druck von B. S >. Teubner in Leipzig.