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Die Stellung der GutSunterthancn in der Oberlausitz zu ihren Gutsherrschaftcn. 1Z7 eines wohlgeordneten Staatswesens die Freiheit und Gleichheit aller Staats bürger lehrte. Seitdem behandelte auch in Deutschland die Aufklärungs literatur die Frage von der in vielen Ländern noch bestehenden Leibeigen schaft mit besonderer Vorliebe und suchte zu beweisen, wie dieselbe dem all gemeinen Naturrecht und den unveräußerlichen Menschenrechten schlechthin widerspreche. Wie vormals von dem Standpunkte des historischen Rechts aus, so zog man jetzt von dem des Naturrechts die weitgehendsten Schluß folgerungen, und wie vormals die Rechtsgelehrten, so theoretisirten jetzt die Philosophen, Literaten, Schöngeister, kurz die Ideologen aller Art ins Un gemessene über diese schwierige Frage. So sehr sie darin Recht hatten, daß die in manchen Ländern in der That unwürdige Stellung der bäuerlichen Bevölkerung gegenüber ihren Erbherrschaften abgeändert und verbessert werden müsse, so wenig machten sie sich, zumal anfangs, darüber Skrupel, wie eine solche Reform zu ermöglichen sei ohne die offenbarste Beeinträchtigung der Gutsherrschaften in ihren wohlerworbenen Rechten. Erst als sich nach rind nach bei der Mehrzahl der Gebildeten aller Stände lind selbst bei den Re- giernngen der einzelnen Länder die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit, die sümmtlichen Agrarverhältnisse umzugestalten, Bahn gebrochen hatte, erwog mau nun mit mehr Rnhe und Fachkenntniß die Maßregeln, mittels deren die Landbevölkerung von der bisherigen Unterthünigkeit völlig frei und dabei doch auch die Rechte der Herrschaften nach Möglichkeit gewahrt werden könnten. So wurden denn die an letztere zu leistenden Frohnen lind Abgaben aller Art nach und nach in fast allen deutschen Staaten abgelöst und so das Ver hältnis; der Unterthünigkeit, in welchem bisher fast die gestimmte Land bevölkerung zu den Besitzern der einzelnen Dörfer oder Landstädtchen gestanden hatte, zu beiderseitigem Vortheil für immer aufgehoben. Was in Frankreich auf dem Wege der Revolution in durchaus unvermittelter lind ungerechter Weise herbeigeführt worden war, vollzog sich in Deutschland nuk wenige Jahrzehnte später auf durchaus friedlichem Wege: die Schaffung eines freien Bauernstandes. Absichtlich nur in gedrängtester Kürze haben wir vorstehend den Einfluß augedeutet, welchen auch in Deutschland die Epoche und die Literatur der Aufklärung auf die Stellung der Gutsunterthanen zu den Gutsherrschaften überhaupt geübt hat. Jetzt wenden wir uns zu den speziellen Verhältnissen in der Oberlausitz zurück und verzeichnen zunächst eine Reihe von öffent lichen Stimmen, welche seit Mitte des 18. Jahrhunderts theils gegen die daselbst bestehende Erbunterthünigkeit, theils für dieselbe laut wurden. Es sind fast ausschließlich Fremde, das heißt Nichtlausitzer, welche die „Leibeigenschaft" in der Oberlausitz mit grellen Farben schildern und auf Abschaffung derselben dringen. „Es giebt eine Art Menschen", klagt der streng konservative Vertheidiger der Erbnnterthänigkeit Christian Gottfried Meißner der ältere/) Advokat in Görlitz, später Stadtsyndikus in Lauban, Gutsherr auf Posottendorf und Leschwitz, „die schon, wenn sie nur von der Unterthünigkeit in der Oberlausitz hören, von einem Schauer überlaufen Arbeiten einer vereinigte» Gesellschaft in der Oberlausitz zu den Geschichten und der Gelahrtheit. Lauban I7ii2. II I. 280.