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Die Stellung der Gutsunielthanen in der Oberlausitz zu ihren GutZherrschaftcn. 123 Nacht zogen sie mit ihrem Vieh und ihrer fahrenden Habe fort aus dein Dorfe und suchten Schutz und Unterkommen auf einem Görlitzer Stadtgute. Allein Hirschberg verlangte vom Rathe Auslieferung der „Abtrünnigen". Er und seine adligen Freunde beriefen sich darauf, daß „es in Böhmen und Schlesien auf dem Lande ebenso gehalten werde, daß ein jeglicher Unterthan seine Kinder dem Erbherrn auf fein Ansuchen müsse dienen lassen"?) Derselbe Barthel Hirschberg hatte bereits früher, als er noch zu Königshain wohnte, eines feiner Bauern Tochter in seinen Dienst haben wollen. Da war das Mädchen vor den Rath zu Görlitz gekommen und hatte gebeten, sie vor ihrem Herrn zu schützen; „sollst werde sie laufen, fo weit ihre Füße sie trügen; denn sie wisse fürwahr, wenn sie zu ihm zöge, daß sie von ihm zu Schanden werden würde". Da Hirschberg die Tochter nicht bekam, so hatte er ihren Vater ins Gefängnis; geworfen und ihm „die Füße abfrieren" lassen. In gerechtem Unmuth ruft der Görlitzer Stadtschreiber Johann Haß?) welcher diese Thatsachen berichtet: „Der Bauersmann ist nicht mächtig, seine Kinder seines Gefallens zu vermietheil oder in Städten ein Handwerk lernen zu lassen; werden gehalten wie unter Heiden und Türken!" „Das ist wahr, daß die Landschaft sd. h. die Ritterschaft) ihrer Unterthailen Kinder zu erblichen Knechten und Mägden haben wollen nach ihrem Gefallen und zu ihrer Nothdurft, und sonst niemandem zu dienen, und dazu vielmehr um Schläge, denn um Geld, oder je mit großer Beschwer des Abzugs, der Ge burtsbriefe rc., nicht gestatten, daß sie in die Städte ziehen, Handwerk, Zucht und Ehre lernen sollen, das ja zu erbarmen!"^ — 1510 kam Balthasar von Gersdorff auf Tauchritz nach Görlitz, um einen seiner Unterthanen, „der sich in Schülerweise eine Zeit lang daselbst verhalten", bei dessen Hauswirth aufzusuchen. Er packt „den jungen Gesellen" bei den Haaren und reißt ihm einen Büschel davon aus. Dennoch entkommt endlich der Schüler und flüchtet in'S Kloster. Alich dahin verfolgt ihn sein Erbherr; allein die Mönche schützen den Verfolgten. Gersdorff hatte denselben mit Gewalt nöthigen wollen, ihm eine zu dessen väterlichem Bauergute gehörige Wiese zu über lassen, ohne welche aber das Gut werthlos geworden sein würde?) — Nach dem Bisherigen war also noch Anfang des fechszehnten Jahrhunderts der Anspruch des Adels auf Dienstzwang seiner Untcrthanenkinder lediglich eine den Nachbarländern nachgeahmtc Neuerung, eine auf keinerlei rechtliche Be stimmung sich stützende individuelle Willkür. Und noch immer, wie zu Kaiser Karls IV. Zeiten (S. 237) bildeten die Sechsstädte mit ihrem rechtlichen Bürgerthum einen gewissen Schlitz für die Unterthanen des Adels gegenüber der Tyrannei ihrer Herrschaften. Allein alsbald gelang es der Ritterschaft, den Dienstzwang auch in der Oberlausitz rechtlich sanktioniren zu lassen. Inder von König Ferdinand I. l) 1528 bestätigte König Ferdinand I. für Schlesien in dem „Landfrieden", das; ein Bauer oder sein Kind nicht wcgziehcn dürfe von seinem Erbhcrrn ohne dessen guten Willen. Wuttke, Entwickelung der vsfentl. Verhältnisse in Schlesien I. 75. In Brandenburg ward der Dicnstzwang 1550 cingeführt. ") H. 8erii>1. rar. Im». IV. 222. ») Ebcnd. IV. 271. ») Ebend. III. 17.