110 Die Stellung der Gutsunterthanen in der Oberlausitz zu ihren Gutsherrschaften. die Stände „nach der jetzigen Landesbeschaffenheit" eine billig-mäßige und christliche Disposition, wie es hinfüro bei dergleichen Vorfallenheiten zu halten, gemacht und dem Kurfürsten zur Confirmation vorgelegt. — In dieser Unterthanenordnung werden nun unter anderem die Unterthanen auch in der Oberlausitz zum ersten Male offiziell als „auf den Grund gewidmet", d. h. Alkbuk aäseripti, als „ein zugehöriges Stück" des betreffenden Ritterguts bezeichnet, desgleichen das Recht der Herrschaften, ihre Unterthanen auch wider deren Willen „auszukaufen", und die Pflicht der letzteren, auch die hierdurch wesentlich vergrößerten Felder der Herrschaften mitzubestellen, ausgesprochen. Alle diese und noch andere Bestimmungen, von denen wir noch im Einzelnen zu handeln haben werden, erhielten hierdurch Gesetzes kraft für das ganze Land. — Wir wundern uns in der That nur darüber, wie der Gerechtigkeits- und Billigkeitssinn der Sechsstädte und der geistlichen Stifter im Gegensatz zu den adligen Gutsbesitzern fast überall stark genug war, um ihre Unterthanen bei den alten, geringen, „gesetzten" Diensten zu belassen und sie auch sonst mit neuen Leistungen und Lasten wenig oder gar nicht zu beschweren. Wir fassen in Folgendem die gesammte Zeit von dem dreißigjährigen Kriege bis gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts zusammen und suchen die während dieser Zeit ausgebildete Theorie von der Stellung der Unterthanen zu ihren Herrschaften möglichst mit den Worten der be treffenden Erlasse oder Schriften darzustellen und durch einzelne Thatsachen zu belegen. Freilich können wir nicht von jeder der seitdem zu allgemeiner Geltung gelangten Rechtsgewohnheiten nachweisen, wann sie auch in der Ober lausitz zuerst geübt, oder aus welchen: Nachbarlande sie etwa auf oberlausitzischen Boden verpflanzt worden sei. Allerdings nämlich bestanden damals die gleichen Rechtsanschauungen über die Unterthanen und daher auch die gleiche Behandlung derselben in fast allen Ländern Deutschlands?) Die allgemeine Neigung der damaligen Zeit für theoretische Behandlung spiegelt sich auch darin, daß die Landstände an die Spitze jener Unterthanen ordnung von 1651 die vollständige Definition eines Unterthanen in der Oberlausitz stellen. „Die Unterthanen auf dem Lande, wie bei diesem Mark grafthum Oberlausitz beständig hergebracht, besitzen nicht nach Art und Weise, wie die Knechte in den römischen Rechten, dienstbar und leibeigen, sondern dergestalt ihren Grund und Boden, daß sie hiervon den Herrschaften i) Wir werden uns lsierbei hünsig auf das oben (S. 267 Anm.) erwähnte Schrift stück: „E. E. Rathcs der Stadt Görlitz Bedenken rc." (citirt als „M. 1") und auf ein anderes, ebenfalls auf der Milichschen Bibliothek befindliches, Fol. No. 62 Bl. 316 sfg. „Von den Pflichten der Herrschaften und Unterthanen", stammend aus der Mitte des acht zehnten Jahrhunderts (nach 1748), von uns citirt als „M. 2", beziehen. Letzteres stellt die sammtlichen damals geltenden Bestimmungen in 8 Kapiteln zusammen und bringt zahl reiche Citatc aus juridischen Werken sowie aus einzelnen Entscheidungen der beiden Aemtcr zu Bautzen und Görlitz und giebt als Anhang „t^uaestiones guaeclam vel observationes wegen derer Obcrlausitzer ttnlerthanen" über etwa noch zweifelhafte Fragen. — Der „Ver such einer Darstellung der im Markgrafthum Oberlausitz zivischeu Erbherrschaften und Erb- unterthanen stattfindenden Rechte nnd Verbindlichkeiten." Dresden 1824 fron Nchrhosf von Holderbergs enthält in 62 Paragraphen eine compcndienartige Uebersicht über den be treffenden Stoff mit zahlreichen Citaten.