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Die Stellung der Gutsunterthancn in der Oberlausitz zu ihren Gutsherrschaftcn. 63 V. Die Dorfgemeinde. Aller Grund und Boden gehörte in der Oberlausitz seit der Occupation des Landes durch die Deutschen den Landesherren, welche davon natürlich theils sofort, theils im Laufe der Zeit zahlreiche Güter ritterlichen Mannen zu Lehn oder geistlichen Stiftern zu Eigen gegeben hatten. Auch der Adel hatte ursprünglich keinerlei völlig freien AllodialbesitzZ) er besaß seine Güter „aus Fürstenhand" und hatte daher dafür den Lehndienst zu leisten. — Die wendische Landbevölkerung entbehrte jedes Eigenthumsrechts an den ihr über lassenen Grundstücken. Auch die eingewanderten deutschen Kolonisten besaßen an ihren Husen kein „echtes Eigenthum", obwohl sie dieselben für baares Geld von ihren Grundherren zu Erbe erworben hatten; das Obereigenthum daran verblieb den Grundherren. Auch die deutschen Ansiedler standen daher von allem Anfang an in einem Abhängigkeitsverhältniß zu diesen; darum hatten sie denselben sowohl zu zinsen als zu dienen. - Und dennoch durften sie sich in einer Zeit, wo selbst die mächtigsten Fijrsten des Reichs dem König, als ihren: obersten Lehnsherrn, zu Folge und Dienst verpflichtet waren, als frei betrachten und fühlen. Es waren von Haus aus sämmtlich wohlhabende Leute; sonst hätten sie nicht die weite, langdauernde Reise unternehmen, nicht für baares Geld ihre Hufen erkaufen, nicht längere Zeit von ihren: Vermögen leben können, bevor die erst urbar zu machenden Bauergüter irgend welchen Ertrag lieferten. Als freie Leute konnten sie ihre erblich erworbenen Grundstücke auch frei vererben auf ihre männliche wie weibliche Nachkommenschaft oder sie frei an Andere verkaufen und vertauschen; selbst von einem „Abzug" an die Grundherrschaft ist Anfangs nirgend die Rede. Sie konnten ferner frei aus ihrer Dorfgemeinde in eine andere ziehen oder sich in' den Städten Niederlagen, wo sie durch Erlangung des Bürgerrechts sofort aller Freiheiten und Rechte der übrigen Bürger theilhaft wurden. Sie durften in ihren: Dorfe sich ihre Gerichts schöppen aus ihrer eigenen Mitte wählen und nun nach ihrem heimischen Rechte leben; sie durften sich ihre Dorfwillküren oder Ortsstatuten selbst geben. Außer ihren Bauerhufen besaßen sie, ebenso wie dies ii: den alt germanischen Ländern allenthalben der Fall war, die gemeinsame Nutzung der gesammten, noch nicht aufgetheilten Dorfmark, nämlich die Nutzung von Wald, Wasser, Weide. Endlich stand ihnen auch das Recht jedes freien deutschen Mannes, Waffen zu tragen, zu. Sicher würden die einstigen freien Bauern aus Flandern, Franken, Schwaben, Baiern nicht aus ihrer Heimath in das fremde Slaveniand gezogen sein, wären ihnen nicht all jene Rechte auch von den neuen Landes- und Gutsherren als selbstverständlich in: voraus zugesichert worden. Sie befanden sich also wahrlich nicht in der Stellung von nmneipia, oder 8vrvi, wie die hörigen Slaven. Vielmehr wird 1286 (S. 173), als sich hörige slavische Bauern (Aasti) zu Pitswitz für Geld aus ihrer bisherigen „Knechtschaft" loskauften, die Stellung, in welche sie hierdurch eintreten, nämlich die Stellung deutscher Baueri:, sogar Knothe, Gesch. des Oberlaus. Adels 8 ff.