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62 Die Stellung der Gutsunterthanen in der Oberlausitz zu ihren Gutsherrschaften, allgemeine Bestimmungen polizeilicher Natur über Instandhaltung der Wege, Stege, Brücken, Zäune, Grenzen, über Vermeidung von Abgötterei, Fluchen, Spielen; ja sie umfassen bisweilen zugleich die gesammten Ortsstatuten mit all den darin festgesetzten Gerichtstaxen und Bußen?) In diesen Ehedingen oder Rügengerichten, welche sich, wie erwähnt, gerade in der Oberlausitz bis Anfang des neunzehnten Jahrhunderts erhalten haben, haben wir nicht bloß ein interessantes Ueberbleibsel altgermanischen öffentlichen Gerichtsverfahrens zu erblicken; sie übten in der That selbst noch in neuerer Zeit einen höchst wohlthätigen Einfluß. Sie zeigten der gesammten Geineinde ihre in sehr vielen Fällen sonst ferne Gutsherrschaft einmal in unmittelbarer Nähe und zwar in ihrer vollen Gerichtsgewalt. Die hierbei beobachteten alterthümlichen, wenn auch kaum mehr allseitig verstandenen Formalitäten gaben auch dem schlichtesten Landmanne doch eine deutliche Vorstellung von der Heiligkeit des Rechts und von der Unparteilichkeit der Rechtssprechung. Die regelmäßige Verlesung der Rügen beugte allerhand Streitigkeiten vor, und selbst das gemeinsame Mahl vermittelte eine erwünschte Annäherung zwischen der Herrschaft und den Vertretern der Gemeinde. Von den jetzt geschilderten Dorf-Rügengerichten sind die zu Görlitz und zu Löbau für die sämmtlichen Weichbildsdörfer abgehaltenen wohl zu unter scheiden. Zufolge der Görlitzer Rügengerichtsordnung von 1418^) mußten von jedem Dorfe des Weichbilds jährlich einmal, und zwar in der Woche Lätare, der Dorfrichter mit zwei Schöppen vor dem königlichen Gericht der Stadt erscheinen und alle in ihrem Dorfe etwa vorgekommenen Verbrechen zur Anzeige bringen, d. h. „rügen". In Löbaus mußten ebenfalls (schon vor 1390) von jedem Weichbildsdorfe, und zwar jährlich zweimal, zu Jakobi und zu Michaelis, gerügt werden „Räuber, Diebe und andere Uebelthäter des Landes". Auch hier fand die Rügung ursprünglich vor dem Bürger meister und den Stadtschöppen statt. Später führte den Vorsitz ein im Weichbild angeseßner Adliger als „Hofrichter". Die in den noch vorhandenen Löbauer Rügenbüchern verzeichneten Rügen der Dorfgemeinden beziehen sich meist auf Wegstreitigkeiten, Wasserschäden durch Teiche von Nachbardörfern, unberechtigt erhobenes Zetergeschrei, verlorene und nicht zurückerhaltene Gegen stände. In der Regel aber heißt es bei den Namen der einzelnen Ortschaften: „Omnin bann", oder: „Wissen nichts denn Freundschaft". Gemeinden aber, welche unterlassen hatten, „die Rügen einzubringen", wurden sofort „ge- heischen". — Auch dies waren Ueberreste der bei den alten deutschen Land gerichten üblichen Bräuche. ft Solche Dorfrügen sind abgedruckt z. B. bei Weinart, Rechte und Gewohnheiten IV. 511 über Quosdorf v. I. 1461; Morawek, Eckartsberg 14 (1642); Richter, Groß schönau 324 (1648); Morawek, Hartau 55 (1674); Korschelt, Oderwitz 143 <1677); Morawek, Drauscndorf 28 (167V); Knothe, Hirschfelde V4 (1718); Korschelt, Olbers dorf 89 (1731); Morawek, Bertsdorf ^27 (1731); Sperrhaken, Königshain 42. — Als sehr instruktiv erwiesen sich auch vic (handschriftlichen) Rügen für die sämmtlichen Dörfer des Domstifts Bautzen (1666) und die für die Dörfer deS Klosters Marienthal (1699). ft Urk.-Verz. I. 219. ft Oock. ckipl. 8ux. II. 7. Vorbericht XXXII.