46 Die Stellung der Gutsunterthanen in der Oberlausitz zu ihren Gutsherrschaften. IV. Das Dorfgericht. Die Gerechtigkeitspflege gilt in monarchischen Staaten stets als ein Ausfluß der landesherrlichen Gewalt. Im Namen des Landesherrn wird Recht gesprochen und zwar nur von Personen, welche von diesem ausdrücklich dazu ermächtigt und berechtigt sind. So war es auch in den einstigen Slavenländern Deutschlands bereits unter deren nationalslavischen Fürsten. Wie das Gerichtsverfahren gegen den slavischen Adel beschaffen gewesen sei, davon giebt es wenigstens für die Länder zwischen Saale und Queiß keine sichere Nachricht. Hier traten für den Adel schon seit dem zehnten Jahrhundert an Stelle der früheren slavischen die deutschen Rechtsformen. Aber die gesammte Landbevölkerung blieb auch unter den neuen deutschen Landes- und Gutsherren slavisch in Sprache, Sitte und Rechtsanschauung. So wurden ihr denn auch ihre altslavischen Gerichtsformen, ihre slavischen Richter und ihr slavisches Recht noch Jahr hunderte lang belasten. Und aus dieser Zeit vom elften bis vierzehnten Jahrhundert liegt nun eine hinreichende Menge urkundlicher Nachrichten vor, aus denen, zwar nicht von dem für die wendische Landbevölkerung geltenden materiellen Rechte, so doch wenigstens von ihren Richtern und deren Stellung sich ein deutliches Bild entwerfen läßt?) Diese Richter hießen auf wendisch Supane und werden auf lateinisch 86niov68, auf deutsch „Aelteste" genannt. Da die wendischen Dörfer ur sprünglich sämmtlich sehr klein waren, hatte nicht jedes einen besonderen Supan; erst mehrere zusammen bildeten einen unter einem Supan stehenden Gerichtsbezirk oder eine Supanie. Diese Supane machten auch noch unter der deutschen Herrschaft die dem Range nach erste Klasse der wendischen Hörigen aus. Sie hatten je ein größeres (Bauer-) Gut inne, an dem aber auch ihnen ursprünglich kein Eigenthumsrecht zustand. Seit der Zeit der deutschen Herrschaft besaßen sie dasselbe, genau ebenso wie wir dies (S. 189) bereits von den Lehnbauern nachgewiesen haben, zu Lehn, standen mit dem selben und mit ihrer Person unter Lehnrecht, dienten davon dem Landesherrn im Kriege zu Roß und erscheinen durch alles dies dein Adel des Landes näher gerückt, als der übrigen Landbevölkerung?) In welcher Weise sie nun innerhalb ihrer Supanie Recht gesprochen haben, wissen wir nicht. Wohl aber lernen wir ihre Pflichten gegen den Landesherrn kennen. Neber gewisse schwerere Vergehen der wendischen Land bevölkerung, welche außerhalb der Kompetenz der Ortssupane lagen, mußte ebenso wie über alle wichtigeren Rechtsangelegenheiten der deutschen Bevölke rung auf den von den Landesherren oder deren Vögten, meist dreimal im Jahre, abgehaltenen Landdingen verhandelt werden. Darum hatten denn die sämmtlichen Supane eines Gaues regelmäßig auf diesen Landdingcn zu er- Den Einzclnachwcis und die urkundlichen Belege siehe bei Ermisch, N. Archiv f. sächs. Geschichte IV. 4 ff. 2) In dem ebenfalls einst slavischen Mecklenburg wurden die Lchnschulzcn, d. h. die ehemaligen Supane, förmlich.zu den Vasallen des Landes gerechnet (Schirrmacher, Beiträge zur Gesch. Mecklenburgs 1878. 109 ff.).