100 Sie wird oft in manchem Garten Jahrelang umsonst gepflegt, Lange muß der Gärtner warten, Eh' sie einmal Blüthen trägt. Doch als Königin begrüßet Wird sie von dem Blumenfreund, Wenn sie ihren Kelch aufschließet, Jst's, als wenn die Sonn' erscheint. Sie steht schön wie eine Krone Unter allen Blumen da. Würdevoll, wie auf dem Throne, Preist ein Jeder, der sie sah. Silberweiße Fäden schmücken Diese Blumen, zart und schön. Aus dem innern Kelche blicken Farben, lieblich anzuseh'n. Bald ist ihre Pracht verschwunden, Kurze Zeit darf sie nur blüh'n, Im Verlaufe von zwölf Stunden Sinkt sie schon verwelkt dahin. Mag sie kurze Zeit nur blühen, Blüht sie doch zu Gottes Preis; Für die Arbeit, für die Mühen Lohnt sie doch des Gärtners Fleiß. Wenn des Nachts die Sterne glühen, Blüht die Blume kurze Zeit, So muß oft auch schnell verblühen Alles Menschen Herrlichkeit. 92. Abendlied. Die Glocke ruft zur Abendfeier, Es sank der Sonne letzter Strahl, Bald hüllet sich in Dämm'rungsschleier Ringsum das ganze Schöpfungsall.