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Das Walzen von Fein- und Weißblechen. Von W. Krämer, Ingenieur und Betriebsleiter. er Vortrag von Ingenieur Otto Vogel —— über die „Entwicklung und den gegen wärtigen Stand der Weißblecherzeugung“, der im vorigen Jahrgang dieser Zeitschrift zum Abdruck gelangte, * gibt ein zutreffendes Bild von dem Stand der heutigen Weißblechindustrie und zeigt, in welch hohem Maße die englische Weißblech fabrikation die deutsche überflügelt hat und den Weltmarkt beherrscht. Im Jahre 1908 betrug die Einfuhr an englischen Weißblechen nach Deutsch land rund 30 0001. Wenn auch der Preis der eng lischen Weißbleche niedriger ist als der der deutschen — es soll eine Kiste englischen Weiß bleches in Mannheim billiger sein als eine Kiste deutschen Fabrikates —, so darf dies keines falls als Grund für die hohe Einfuhr angesehen werden. Die Ursache ist vielmehr darin zu suchen, daß die deutschen Werke den Bedarf des Landes nicht decken können. Der Verbrau cher ist somit gezwungen, englisches Weißblech zu verarbeiten, obwohl dem deutschen Fabrikat der Vorzug gegeben würde, da das englische Weißblech in bezug auf Güte und Schönheit der Verzinnung weit hinter dem deutschen zurück steht. Um die englische Konkurrenz fernzuhalten, bezw. um den Bedarf des Landes in Deutschland selbst zu decken, müßten noch etwa 20 Blech strecken und vielleicht 40 Zinnherde Aufstellung finden. Das Walzen der Feinbleche für die Weiß blechfabrikation erfolgt ebenso wie das der Stanz oder Geschirrbleche. An das Auswalzen der Platinen zu Schwarzblechen schließt sich das Be schneiden, Schwarzbeizen, Glühen, Dressieren, nochmalige Glühen und Weißbeizen der Bleche. Dann folgt die Verzinnung. Bis nacli der ersten Glühung ist somit die Herstellungsweise beider Blechsorten, der Weiß- und Geschirr bleche, dieselbe. Das Material zu Weißblechen muß entsprechend den hohen Anforderungen, die heute an das Blech gestellt werden, ein besonders gutes sein. Man beurteilt die Güte des Materials nach dessen chemischer Zusammen setzung und seinen mechanischen Eigenschaften. Für das Bördeln, Falzen, Stanzen und Ziehen der Bleche muß ein Material gewählt werden, welches weich und doch sehr zähe ist. Ein Hauptaugenmerk ist auf den Phosphorgehalt der Bleche zu richten, da dieser Sprödig keit und Kaltbruch herbeiführt. Auch der Ge halt an Kohlenstoff, Mangan und Silizium ist be stimmend für die Wahl des Materiales. Für Weißbleche, welche einer starken Bördelung und * Vgl. „Stahl und Eisen“ 1909 S. 1097 u. ff. sonstigen Formgebungen ausgesetzt sind, wählt man Material mit 0,08 °/o Kohlenstoff, 0,02 bis 0,03 °/o Phosphor, 0,4 bis 0,5 °/o Mangan und 0,03 bis 0,04 °/o Silizium. Ist der Gehalt an Kohlenstoff und Mangan zu niedrig, so ist das Material wohl sehr weich, aber seine mecha nischen Eigenechaften vermindern sich derart, daß die Bleche beim Ziehen und Drücken unter der Presse oder auf der Druckbank unganz werden. So hat z. B. das Material mit 0,06 °/o Kohlenstoff, 0,009°/o Phosphorund 0,30°/o Mangan nur 26 bis 28°/0 Dehnung. Ein zu hoher Mangangehalt hin gegen gibt dem Blech eine gewisse Härte und macht es zum Stanzen usw. zu hart. Für dünne Bleche, von 0,16 bis 0,25 mm Stärke, wählt man jedoch gern ein Material mit einem höheren Mangan gehalt zur Vermeidung des Zusammenschweißens der Bleche, „Kleben“ genannt. Für gewöhnliche Weißbleche kann man ein Material nehmen, das bis zu 0,05 °/o Phosphor und 0,7 °/° Mangan besitzt. Ein etwas höherer Siliziumgehalt beugt dem Kleben der Bleche beim Walzen vor, jedoch ist der Siliziumgehalt nicht zu hoch zu wählen, um die Dehnung nicht zu stark zu schmälern bezw. um den durch höheren Siliziumgehalt zu be fürchtenden Kurzbruch zu verhindern. Ein Schwefelgehalt bis zu 0,07 % ist dem Blech un schädlich; erreicht der Schwefelgehalt jedoch eine abnorme Höhe, so kann Rotbruch bei den schweißwarm zu verarbeitenden Blöcken bezw. beim Auswalzen zu Platinen zu befürchten sein. Neben der Analyse sollen auch die Festig- keits- und Dehnungseigenschaften des Materiales zu der Beurteilung herangezogen werden, da sie nicht allein eine Kontrolle der Analyse bil den, sondern auch ohne Bekanntsein der chemi schen Zusammensetzung die Verwendbarkeit des Materiales sicher erkennen lassen. So benutzt man die Dehnungszahl dann besonders zur Beurtei lung, wenn eine Charge für eine gute Zieh oder Druckblechqualität ausgesucht werden soll. Material für Geschirrblech soll eine Festigkeit von 34 bis 38 kg und eine Dehnung von 30 bis 34 °/o haben. Bei besonders guten Chargen sind Festigkeits- und Dehnungszahl gleich, z. B. 34 kg Festigkeit und 34 °/o Dehnung. Es soll damit aber nicht gesagt werden, daß das Ma terial mit höherer Festigkeit für Weiß- und Ge schirrbleche nicht verwendbar ist, denn eine Festigkeit bis 41 kg bei entsprechend hoher Dehnung kann nicht immer die Unverwendbar keit des Eisens anzeigen. Neben der Festigkeits- und Dehnungsprüfung sind noch andere mechanische Proben zur Be urteilung des Materiales in Anwendung. Es