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27. Juli 1910. Fortschritte in der Gewinnung der Nebenprodukte beim Kokereibetriebe. Stahl und Eisen. 1295 Simon-Carves-Oefen mit wagerechten Zügen f. d. t Kohle von 69 % Koksausbeute zu 49 cbm von 252 cbm =19,4%. Pennock 16 nimmt für Semet-Solvay-Oefen bei amerikanischer (gasreicher) Kohle 88 bis 96cbm Ueberschuß an. Simmersbach 20 gibt als Ueberschuß aus 1 t Saarkohle bei älteren Otto-Unterbrennern 20, neueren 60 cbm, bei Oefen mit Wärmespeicher 120 bis 150 cbm an. Förster 110 schätzt den Ueberschuß bei Ruhrkohlen auf durchschnittlich 85 cbm. Der Heizwert der Gase betrug bei den früheren Einbrenner-Oefen infolge ungleichen Druckes in den Heizzügen und dadurch verursachter Beimischung von 25 bis 45 % Verbrennungsgasen nur 3100 bis 3900 WE (unterer Heizwert). Bei den neuen Vielbrenneröfen (Otto, Koppers, Collin) ist der Heizwert der Gase erheblich höher und beträgt aus Kokskohle 4400 bis 5000 WE u. H., aus Gas kohle etwas mehr. Durch die Benzolgewinnung werden dem Gase 2 bis 10, durchschnittlich 5 % seines Heizwertes entzogen 111 . Der Leuchtwert ist allerdings geringer als der des Retortengases, namentlich bei Benzolentziehung. Indessen ist derselbe infolge der Einführung des Gasglühlichtes auch für die Gasanstalten nebensächlich geworden. Bereits dient die Hälfte des Leuchtgases zur Heizung und Kraftversorgung, und von der anderen Hälfte wird der weitaus größte Teil in Glühlicht brennern verbraucht, so daß nach dem Vorschläge Buntes heute meist nur noch der Heizwert des Gases als Wertmesser gilt und man fast allgemein ein Gas von 5000 WE oberem (= 4500 WE unterem) Heizwert herstellt. Diesen Heizwert besitzt aber auch das heutige Koksofengas, so daß es, von Schwefelwasserstoff gereinigt, als vollkommener Ersatz für Leuchtgas dienen kann, bunte sowohl wie viele andere Gasfachmänner sind überzeugt, daß das Koksofengas eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Industriegebiete mit Gas für Heizung und Beleuchtung spielen wird. Das einzige Bedenken, welches in den Kreisen der Gasfachleute gegen Koksofengas herrscht, richtet sich gegen die Ungleichmäßigkeit der Zusammensetzung und die Unsicherheit der Lieferung. Aber wie H. F a h r e n h e i m 112 dargetan hat, ist es durch laufende Ueberwachung des Heizwertes leicht, aus Kokereien ein außerordentlich gleichmäßiges Gas zu liefern. Das Bedenken wegen der Unsicherheit der Lieferung im Falle eines Streiks halte ich für ganz unbegründet. Auf den städtischen Gasanstalten kann ebensogut ein Ausstand vorkommen, und dann nützen die größten Kohlenlager nichts. Durch Verbindung der Gasleitungen sämtlicher Kokereien eines Bezirks wird die denkbar größte Sicherheit gegen Störungen geboten, und schließlich können, wie ja auch jetzt schon, Wassergasanlagen mit einem Koks- und Benzollager als Reserve dienen. Interessant ist, daß bereits 1817 d’Arcet 106 in Frankreich die Abgase eines Koksofens zum Beheizen von Alauntrockenkammern benutzte, und etwas später G r o u v e 11 e die Münze in Paris mit Koksofengas heizte. Ja, bereits 1786 beleuchtete LordDundonald bei festlichen Gelegen heiten sein Landhaus Culross-Abbey mit Koksofengas. Die Versorgung von Städten mit Koksofengas hat zuerst in den Vereinigten Staaten, wo eine gasreiche Kohle verkokt wird, durch die hervorragende Tätigkeit von F. Schniewind Ausbreitung gefunden. In Everett bei Boston sind seit 1901 400 Otto-Oefen in Betrieb, bei denen das Gas fraktio niert aufgefangen und die erste, bessere Hälfte zur Stadtversorgung, die letzte, schlechtere zum Beheizen der Oefen dient; man kann auch nach der United Coke and Gas Co. (AmP 684 590, 698 063, 728 991) der zweiten Hälfte durch Waschöl das Benzol entziehen und unmittelbar auf die erste übertragen, ohne erst das Benzol zu isolieren. Weitere derartige Anlagen erhielten Glassport, Hamilton, Camden, Duluth, Halifax, Johnstown, Milwaukee, Detroit, Baltimore und Chicago. Im Ruhrgebiet ist bereits eine ganze Reihe von Städten und Gemeinden an Koksöfen angeschlossen; Bochum, Castrop, Essen, Borbeck und Nachbargemeinden, Mülheim a. Ruhr, Velbert, Neviges und Barmen erhalten teils als Zusatz zum Retortengas, teils schon ausschließlich Koksofengas, meist fraktioniertes aus dem ersten Drittel der Entgasung. Im Saarbezirk werden Saarbrücken, Brebach und Heinitz versorgt; in Niederschlesien Hermsdorf, in England Little Hulton, Bargoed und Roy ston ; in Frankreich Montceau-les-Mines (bereits seit 1898 durch 30 Brunck-Oefen). Im Oberberg amtsbezirk Dortmund wurden 1908: 12 Mill., 1909: 25 Mill, cbm abgegeben. Die Ersparnis für die Städte ist eine beträchtliche, denn sie zahlen für das cbm nur 2 bis 4 Pfennige, letzteren Preis frei Gasanstalt. A. J. Martin 113 schlägt sogar schon vor, London statt mit 15 Mill, t Kohle mit 5 Milliarden cbm Gas aus dem 280 km entfernten Süd-Yorkshire-Revier durch 4 Leitungen von 1 bis 2 m Durch messer unter 36 at Anfangsdruck zu versorgen. Er berechnet die Kosten der Leitung nebst Zubehör auf 141 Mill. M, der Kompressoren auf 50 Mill. •/, die Transportkosten für 1 cbm Gas auf 0,43 Pf., während der Transport der entsprechenden Kohlenmenge 2,4 Pf. kostet, so daß eine Jahresersparnis an Transportkosten von 80 Mill. .46 sich ergibt; für 1 t Kohle auf 280 km beträgt dieselbe 5,30 Al. Den verfügbaren Gasüberschuß im Oberbergamtsbezirk Dortmund schätzt Förster 110 für 1908 auf 1800 Mill, cbm, während sämtliche Städte der Rheinprovinz 1907: 230 Mill, cbm Gas ver brauchten. Für Deutschland beträgt der Ueberschuß 2400 Mill, cbm, mehr als alle Gasanstalten erzeugen.