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20. Juli 1910. Umschau. Stahl und Eisen. 1267 suche, die Härte der Stähle bei sehr niedrigen und hohen Temperaturen zu messen. Robin meint, daß man aus diesen Messungen zweckdienliche Rückschlüsse auf das Verhalten der Legierungen ziehen kann, wenn sie bei ihrer Arbeit nie drigen bezw. hohen Temperaturen ausgesetzt werden. Für niedrige Temperaturen käme z. B. besonders das Gußeisen in Betracht (Kältemaschinen), während die Messungen bei hoher Temperatur fördernd für die Zusammensetzung der Schnelldrehstähle bezw. der Stähle sein können, die für solche Maschinenteile verwendet werden, die starker Rei bung unterworfen sind. Bei seinen Versuchen, die an Gründlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, benutzt Robin eine Kugel von 10 mm Durchmesser, der Druck beträgt gewöhnlich 3000 kg. Bei höheren Temperaturen mußte er ihn aber auf 1500, ja 1000 kg vermindern, allerdings auf Kosten einer genauen Vergleichbarkeit der Resultate. Bei Temperaturen über 1000° mußte sich Verfasser der Schlagprobe bedienen: dies gestattete freilich nur die annähernde Feststellung der Härtekurven (Robin veranschaulicht seine Resultate durch Kurven, die dadurch zustande kommen, daß er in einem Ordinatensystem auf der Abszisse die Temperaturen, die Drücke als Ordinaten dazu eintriigt.) Bei Messung der Plus-Temperaturen bediente sich Robin des Le Chatelier-Pyrometers, Segerkegel, Metall schmelzen und des Quecksilberthermometers, das Messen der Temperaturen unter Null geschah mittels Alkohol- und Toluol-Thermometers. Temperaturen bis—20° stellte man her durch Mischen von Eis mit Chlorkalzium, —80° er reichte man durch Einträgen fester Kohlensäure in Alkohol, —185° entstand beim Mischen flüssigen Sauerstoffs mit flüssigem Stickstoff. Robin macht des weiteren auf verschiedene Fehler quellen aufmerksam: um Irrtümer zu vermeiden, muß die Temperatur der Kugel immer der des Objektes benachbart, wenn nicht vollständig gleich sein. Es ist ferner klar, daß eine Kugel, die durch heißes Material angelassen wurde, später nicht mehr bei Messungen in der Kälte gebraucht werden kann. Der zu untersuchende Stahl muß gleich mäßig im Glühofen erhitzt werden, nach jeder Messung muß man ihn in den Ofen zurückbringen und den Körper nicht während des Erkaltens studieren, denn dann ist seine Oberfläche anders als sein Kern. Die Ergebnisse der Robinschen Versuche sind kurz fol gende : Bei + 15° reihen sich die allgemein üblichen Eisen- und Stahlsorten nach ihrem Gehalt an gewissenElementen, hauptsächlich an Kohlenstoff, bezüglich der Härte anein ander und zwar von der Ferrithärte 100 bis zur Perlithärte 250. Ihre Härte vermindert sich gegen ein gewisses Mini mum hin, das bei +100° liegt. Darauf wächst die Härte, um bei +250° ein Maximum zu erreichen. Dann schwankt sie ein wenig, und bei 850° zeigen alle Kohlenstoffstähle fast dieselbe Härte. Beim Schmiedestahl, wie er vom Hammer wegkommt, hat man manchmal zuallererst einen plötzlichen Härte abfall, den man an demselben Stahl, wenn er ausgeglüht ist, nicht findet. Der Grund davon liegt jedenfalls an dem zuletzt erfolgenden Glattschmieden (Stempeln) der Stan gen, das ihnen eine Art künstliche Härte verleiht. Stähle derselben Herstellungsweise und chemischen Zusammen setzung sind erkennbar an ihren parallelen Härteverschie denheiten. Elektrisch erschmolzene Stähle stellen viel leicht das Härtemaximum dar. Härte in der Kälte. Im Jahre 1905 studierte Hadfield eine Reihe von Stählen bezüglich ihrer Deh nung in flüssiger Luft und stellte auch Kugeldruckversuche bei —182° an denselben Stählen an; diese Versuche ver gewisserten ihn, daß sich bei niedrigen Temperaturen die Härte steigere. Die Versuche von Robin haben ergeben, daß die Härte bei —20° bis —80° ganz allmählich steigt, darauf steigt sie rasch und erreicht den höchsten Wert, wenn die Stähle von flüssiger Luft umgeben sind. Dieses Phänomen gilt im allgemeinen für alle Metalle, nur das Antimon wird in niedriger Temperatur sofort sehr hart. Wenn man das proportionale Ansteigen der Härte auf die XXIX., Härte bei 15° bezieht, so findet man, daß Blei, Zinn und Eisen ihre Härte in flüssiger Luft gleichmäßig verdoppeln. Die Kurven der Kohlenstoffstähle teilen sich genau in zwei Reihen: Stähle ohne freien Zementit und Zementit stähle. Es ist sehr interessant, die Härteverschiedenheiten eines Stahles bei aufsteigenden und abfallenden Tempera turen zu verfolgen. (Abbild. 1). Im allger einen verläuft die Abfallkurve bei Kohlenstoffstählen natürlichen Zu standes oder bei geringer Ausglühtemperatur unter der jenigen Kurve bei aufsteigender Temperatur. In einem ausgeglühten Stahle scheinen die Krümmungen der Kurve ■weniger ausger lägt als bei Stählen naturharten Zustandes. Für die Untersuchung nach vorstehender Richtung bediente sich Robin einer Reihe von Kohlenstoffstählen mit 0,07 bis 0,02 %. In diesen Eisen- bezw. Stahlsorten schwankte Mangan von 0,14 bis 0,72 % Silizium ,, 0,05 ,, 0,34 „ Phosphor Spuren „ 0,077,, Schwefel ,, 0,053,, Die Untersuchungen von Spezialstählen ergaben fol gendes: Die den Stählen absichtlich beigefügten Elemente- vermindern die Härtediffe renzen beim Ausgang der Kurven zwischen 0 und 700°, ja sie machen sie manchmal gleich Null. Sie haben mehr oder weniger die Neigung, die Härte konstant zu er halten bis zu dem charakte ristischen Härteabfall jedes Stahles. Gewisse Elemente unterstützen bei jeder Tem peratur mehr als andere die Härte. So wirkt Molybdän augenscheinlich am günstig sten bezüglich Erhaltung höherer Härte und zwar bis 600°, danach kommt das Wolfram und Vanadium. Bei etwa 1000° wirkt Nickel in größerer Menge (25 bis 30%) am kräftigsten auf die Härte, ebenso größere Mengen Chrom und Wolfram. Bei 1000° ist die Härtezahl letzterer Stähle doppelt so hoch wie die der Kohlenstoffstähle. Mangan und Silizium bringen ähnliche Wirkungen hervor. Bei niedrigen Temperaturen scheint der Chromstahl den größ ten Veränderungen unterworfen zu sein, nicht so sehr Wolfram - Molybdän - Vanadiumstähle, ebenso Schnell- arbeitsstähle. Wie cs der Fall bei Kohlenstoffstählen ist, so wirkt auch bei Spezialstählen das Ausglühen vermindernd auf die Härte in niedriger Temperatur. Bezüglich der Nickel und Manganspezialstähle ist folgendes zu bemerken: Stähle mit hohem Nickelgehalt schwanken bei zu nehmender Temperatur wenig in der Härte. Das magne tische Verhalten ist sehr interessant für von Robin unter suchten Stahl, der bei —80° keine magnetische Umwand lung zeigt; er erfährt diese in flüssiger Luft, seine Härte wächst stark und bei der Erwärmung auf die Lufttempe ratur ist sie immer noch sehr hoch. Man kann konstatieren, daß dieser Stahl martensitisch und magnetisch ist. Bei 650° verliert er diese Konstitution. Ein anderer Stahl mit höherem Nickelgehalt als der vorhergehende wird in flüssi ger Luft nicht umgewandelt. Diese Stähle sind auch geschmiedet worden, um zu sehen, ob die auf diese Weise erzielte Härtung ähnliche Effekte hervorbringt: ihre Kugeldruckhärte hat sich ge steigert und zu derjenigen nach Umwandlung in flüssiger Luft geführt. Die Härtung hat sich aber ohne marten- sitische und magnetische Umwandlung vollzogen. Aehn- liche Erscheinungen zeigen die Spezialmanganstähle. 17