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13. Juli 1910. Wirtschaftliche Rundschau. Stahl und Eisen. 1227 firmen, die in Belgien in ganz besonders hohem Grade den Verkehr zwischen Werk und überseeischem Abnehmer vermitteln. Dem Einfluß mancher dieser Firmen ist es auch zuzuschreiben, daß die Ausfuhrnotierungen während der vergangenen drei Monate einen so schnellen Rückzug angetreten haben. Die Preisverschlechterung der Fertig erzeugnisse beträgt von Anfang März bis Ende Juni d. J., obgleich bereits in der zweiten Hälfte des 1. Jahresviertels ein rd. 5 sh betragender Rückgang eingetreten war und obgleich die Halbzeugpreise ab 1. April eine Erhöhung um 8,50 fr. f. d. t erfuhren, für Fluß- und Schweißstab eisen 9 bis 10 sh, für Bleche 3 bis 5 sh f d. t fob Antwerpen. Im Inlandsverkehr behaupteten sich die Preise fester, indessen ließen auch sie um 3 bis 5 fr. f. d. t nach- Der Kohlenmarkt schien sich zu Anfang etwas besser als der Eisenmarkt behaupten zu können. Die im März d. J. stattgefundene Brennstoffverdingung der belgischen Staatsbahn hatte eine durchschnittliche Preis erhöhung von 1,50 fr. f. d. t für Kohlen und 1 fr. für Bri ketts gebracht, indessen ging ein Teil des den Zechen daraus erwachsenden Nutzens durch die Lohnerhöhungen verloren, zu denen die Zechen des Beckens von Charleroi angesichts der drohenden Haltung der Bergarbeiterschaft gezwungen waren; in dem weniger industriereichen Becken von Mons, wo die Lage der Zechen außerdem durch den scharfen nordfranzösischenWettbewerb weniger günstig war und die Arbeiter gleichfalls höhere Lohnforderungen stellten, kam es zu einem Bergarbeiterausstand, der im ganzen über sechs Wochen währte und eine Zeitlang über 18 000 Ausständige umfaßte, für die Arbeiter jedoch ergebnis los verlief. Inzwischen hatte aber der ausländische, nament lich der deutsche und französische Wettbewerb in dem be'gischen Absatzgebiete so stark eingesetzt, daß bei der weiteren Erneuerung der Abschlüsse die erhöhten Preise nicht mehr aufrecht erhalten werden konnten. Vielfach wurde, da auch gleichzeitig der Abruf der industriellen Großverbraucher wegen der geringer werdenden Beschäf tigung nachließ, wieder nahezu zu den früheren Preisen abgeschlossen. Die Mitte Juni stattfindende zweite dies jährige Brennstoffverdingung der belgischen Staatsbahn, bei der die belgischen Zechen in der Mehrzahl die März preise forderten, brachte eine unangenehme Ueberraschung: nahezu 300 000 t Kohlen wurden auf Grund niedrigerer Preise an ausländische, hauptsächlich englische Zechen, vergeben. In Koks hob das Syndikat die bislang den Eisen werken gewährte Ausfuhrvergütung in Höhe von 1 fr. f. d. t auf und kündigte sogar ab 1. Juli eine Preiserhöhung von 2,50 fr. f. d. t an, welche Preispolitik in der Eisen industrie natürlich heftigen Widerspruch hervorrief. Roheisen. Bei wesentlich stärkerer Erzeugung als im Vorjahre, größerem Angebot in deutschem und französischem Roheisen war das Geschäft, zumal da die Nachfrage der inländischen Verbraucher während der letzten drei Monate nachließ, schleppend, und die Preise setzten die Abwärtsbewegung, in die sie bereits Anfang März eingetreten waren, fort. Die Notierungen stellten sich frei Verbrauchs werk des Beckens von Charleroi f. d. t wie folgt: Anfang Mitte Ende April Mai Juni fr. fr. fr. Frischereiroheisen . . 71—72 70—71 70—71 Thomasroheisen . . . 77—78 75 74 Gießereiroheisen . . . 78—79 77—78 73 Altmaterial. Obgleich die belgische Staats- bahn Verwaltung im Gegensatz zum ersten Jahresviertel keine besonders großen Mengen mehr auf den Markt warf (etwa 10 0001), stieg infolge der Abschwächung des Eisen marktes das Angebot in erheblichem Maße, so daß die Preise aller Sorten um durchschnittlich 6 bis 7 fr. f. d. t nachgaben. Es kam zu Zusammenbrüchen mehrerer Händlerfirmen. Halbzeug. Der Verbrauch an inländischem Halb zeug bewegte sich, namentlich wegen des Angebotes XXVIII30 deutscher und französischer Werke, in absteigender Linie. Das Stahlwerkskontor sah sich gleichzeitig auch, um den belgischen Werken bei der am 1. Juli eintretenden Erhöhung der deutschen Ausfuhrvergütungen eine Unterstützung zu gewähren, veranlaßt, Anfang Juni eine Ermäßigung seiner Halbzeugpreise um 5,50 fr. f. d. t ab 1. Juli d. J. anzukündigen. Fertigwaren. Die Beschäftigung der Werke wurde in den letzten drei Monaten in allen Betriebszweigen, ausgenommen vielleicht in Schienen und Trägern, merk lich schlechter; dadurch wurden auch die Lieferzeiten wesentlich kürzer als zu Anfang des 2. Vierteljahres. Ueber den langsamen Spezifikationseingang wurde viel geklagt, manche Walzwerke und auch eine Reihe der Konstruktionsanstalten arbeiteten nur an fünf Tagen der Woche. Für die hauptsächlichsten nichtsyndizierten Er zeugnisse, Stabeisen und Bleche, wie für die syndizierten Schienen stellten sich die Preise f. d. ton zu 1016 kg fob Ant werpen während des vergangenen Vierteljahres wie folgt: Anfang Mitte Ende April Mai Juni £££ Flußstabeisen 5. 6/—bis5. 8/— 5. 0/—bis5. 2/— 4.17/ — bis 4.19/— Schweißstab- eisen . . 5. 5/— » 5. 7/— 4.18/— » 5. 0/— 4.15/— » 4.17/— Bleche (flußeis.) . 5.12/- „ 5.15/— 5.10/6 » 5.12/— 5. 9/— » 5.10/— Schienen . . 5. 7/6 , 5.10/— 5. 4/— » 5.10/— 5. 2/6 » 5. 7/6 Auch das Geschäft und der Preis der vom belgischen Stahlwerkskontor verkauften Schienen hat nachgelassen, indessen hielt sich der Auftragsbestand hierin auf be friedigender Höhe. Die Verringerung des Einganges neuer Arbeit war am ausgeprägtesten im Monat Juni. In Band eisen, Röhrenstreifen und Röhren war gleichfalls eine Ab- schwächung der Kauftätigkeit festzustellen, in Draht und Drahterzeugnissen hielt sich der Auftragsbestand im all gemeinen auf der früheren Höhe. Gegen Schluß des Viertel jahres ließ dagegen der Geschäftsgang in Trägern, haupt sächlich zur Ausfuhr, zu wünschen übrig, indessen blieb der (allerdings nur nominelle) Preis von. 5.6/— f. d. ton unverändert. Recht unbefriedigend gestalteten sich die Verhältnisse bei den Lokomotiv- und Waggonfabriken, die sowohl Betriebseinschränkungen wie Arbeiterent lassungen vornehmen mußten. VI. VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA. — Das abgelaufene Vierteljahr war ein für die amerikanische Eisenindustrie wenig günstiges. Herabsetzung der Preise und Einschränkung der Roheisenerzeugung, die vorüber gehend zu einer Belebung des Geschäftes führten, ver mochten nicht, den Rückgang aufzuhalten, und nachdem um Mitte Juni zeitweise stärkerer Begehr für Lieferung im zweiten Halbjahr auftrat, ist zu Ende des Vierteljahres die allgemeine Lage wiederum durchaus unerfreulich. Der Abruf von Roheisen hält nicht gleichen Schritt mit der Erzeugung; hierdurch wachsen die Vorräte an und bedrohen die weitere Entwicklung des Marktes, so daß mit dem Ausblasen noch weiterer Hochöfen gerechnet werden muß. Dies um so mehr, als um die Jahresmitte viele weiter verarbeitende Werke wegen Vornahme von Inventur und Reparaturen stilliegen. Auch dem Erz absatz drohen aus dem Minderverbrauch der Hochöfen Förderungsschwierigkeiten. Die Hütten sind außer stände, die abgeschlossenen Erzmengen abzunehmen, die Lager an den Verschiffungshäfen sind überfüllt, und wenn nicht sehr bald eine Wendung zum Besseren eintritt, muß ein gut Teil des zur Verschiffung in dieser Saison verkauften Erzes bis zum nächsten Jahr in der Grube bleiben. Was Halbzeug anbelangt, so lag der Markt in gewöhnlichen Bessemerknüppeln während der ganzen Berichtszeit recht schwach; günstiger gestaltete sich die Lage für Siemens- Martinmaterial, doch war auch hierin die Nachfrage nicht gerade lebhaft. In Fertigerzeugnissen war für Baueisen, Grobbleche, Drahtfabrikate und Röhren größeren Durchmessers das Geschäft nicht ungünstig, während die Nachfrage nach Feinblechen und den sonstigen Walzerzeugnissen sehr zu wünschen übrig ließ. 12