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Zuschriften an die Redakticn. 30. Jahrg. Nr. 34. Kenntnis des Betons und seiner Eigenschaften, die auf Grund zahlreicher wissenschaftlicher Versuche, wie durch die jahrzehntelange, weit gehende Anwendung im Bauwesen gewonnen ist, ist heute, wie wir wohl sagen dürfen, so ziemlich Gemeingut aller, die sich mit ihm zu beschäftigen haben. Man weiß heute genau und kann es durch Versuche feststellen, welche Festigkeitseigenschaften des Betons man bei Verwendung bestimmter Rohstoffe und bei einer bestimmten Aufbereitung erreichen kann. Es ist nicht richtig, wenn gesagt wird, daß die Be stimmung der Festigkeitseigenschaften des Betons erst nach Verarbeitung zur Konstruktion mög lich ist. Die vom Deutschen Ausschuß für Eisen beton im Jahre 1908 herausgegebenen „Allge meine Bestimmungen für die Vorbereitung, Aus führung und Prüfung von Bauten aus Stampf beton“ besagen hierüber: Der Unternehmer ist, wenn ihm die freie Wahl der Baustoffe überlassen bleibt, verpflichtet, auf Anfordern des Bauherrn oder der Baupolizeibehörde zur Ergänzung seiner Eingabe, und zwar in der Regel vor Beginn der Bauarbeiten, den Nachweis zu erbringen, daß die vorgesehenen Mischungen mit den vorge sehenen Baustoffen und der vorgesehenen Ver arbeitungsweise die verlangten und gewähr leistenden Druckfestigkeiten ergeben. In der Er läuterung heißt es dann: „Zur Beibringung des Nachweises durch Druckversuche mit 28 Tage alten Probewürfeln aus den vorgesehenen Bau stoffen bedarf es in der Regel einer Zeit von mindestens 5 bis 6 Wochen. Häufig wird eine solche Frist zwischen der Ausschreibung und der Eingabe der Angebote oder der Zuschlags erteilung nicht zur Verfügung stehen. In der artigen Fällen wird unter Umständen schon ein Druckversuch mit 14 Tage alten Betonwürfeln einen Schluß auf die nach 28 Tagen zu erwar tende Festigkeit gestatten; außerdem muß aber der Nachweis mit 28 Tage alten Probewürfeln erbracht werden.“ Außerdem ist während der Ausführung festzustellen, daß mit der verarbeite ten Betonmasse die erforderliche und gewähr leistende Festigkeit erzielt wird. Für die An fertigung und Prüfung der Probekörper gelten die ebenfalls vom Deutschen Ausschuß für Eisen beton aufgestellten „Bestimmungen für Druck versuche bei der Ausführung von Bauten aus Stampfbeton“. Man wird hieraus ersehen, daß die Eigen schaften des Betons nicht dem blinden Zufall überlassen bleiben, wie es manchmal hingestellt wird. Selbstverständlich wird es nie gelingen, einen Beton herzustellen, dessen Festigkeit durch weg gleichmäßig bis auf das kg ist; dies ist aber auch nicht notwendig. Den unvermeidlichen Schwankungen in der Beschaffenheit des Betons wird jetzt schon in weitgehendem Maße Rech nung getragen, indem man nur mit dem sechsten Teil der nachgewiesenen Druckfestigkeit als zu lässige Druckbeanspruchung rechnet. Wir haben in einem Eisenbetonkörper also eine sechsfache Sicherheit gegen Zerdrücken des Betons, wäh rend mit Rücksicht darauf, daß für das Eisen im Eisenbeton ebenso wie für den reinen Eisenbau die Fließ- oder Streckgrenze maßgebend ist, nur eine 21/2- bis 3fache Sicherheit bei der Bean spruchung des Eisens besteht. Sollte sich also, wie Hr. Fischmann als Beispiel anführt, nach 28 Tagen herausstellen, daß die verlangte Festig keit nicht da ist, so wird dies, wenn die Ab weichung nicht sehr groß ist, von keiner wesent lichen Bedeutung sein und, wie eben dargelegt, die Sicherheit des Bauwerkes nicht beeinträchti gen. Es muß übrigens auch hier bemerkt wer den, daß auch bei Eisen- und Stahlproben oft große Abweichungen auftreten, und daß diese auch keineswegs einen unbedingt sicheren Maß stab für die Beurteilung einer größeren Eisen lieferung oder gar einer ganzen Konstruktion abgibt. Wir wollen hierbei nur auf den Aufsatz „Der Wettbewerb des Eisenbetons mit dem reinen Eisenbau“ in Heft IV von „Beton und Eisen“ Jahrgang 1906, verweisen. Außerdem ist beim Beton wohl zu beachten, daß zwischen dem Zeitpunkt seiner Herstellung und dem Zeitpunkt, wo er die ihm rechnungs mäßig zugemutete Belastung tatsächlich erhält, im allgemeinen ein größerer Zeitraum als vier Wochen liegt. Der Beton wird infolge der län geren Erhärtungszeit noch eine größere Festig keit aufweisen, als die 28 Tage alten Würfel. Der Beton ist ein in seinem Wesen und seinen Eigenschaften erkannter und erforschter Baustoff, den heute kein Techniker entbehren möchte. Die Mannigfaltigkeit seiner Eigenschaften ist eher ein Vor- als ein Nachteil. Man sollte daher meinen, daß es unterlassen wird, immer und immer wieder Mißtrauen gegen ihn zu er wecken. Der Vortragende hat offenbar bei seinen vergleichenden Betrachtungen stets ganz schlechte Ausführungen in Eisenbeton im Auge und stellt diesen einwandfreie Eisenbauten gegenüber. Wir können dieses Verfahren nicht als einwand frei bezeichnen. Gewiß gibt es schlechte Aus führungen; Unfälle sind vorgekommen nicht nur in der Zeit, wo die Bauweise noch in den Kinder schuhen steckte, sondern auch in der jüngsten Zeit noch. Dasselbe gilt aber auch noch vom Eisenbau, der auf eine dreimal so lange Lebens zeit zurückblicken kann. Bekanntlich hat ge rade die letzte Zeit eine Reihe von äußerst be denklichen Einstürzen von Eisenbauten aufzu weisen. Wir sind weit entfernt, diese dem Eisen bau als solchem zur Last zu legen, müssen aber anderseits auch verlangen, daß fehlerhafte Pro jekte von unkundigen Ingenieuren und schlechte Ausführung nicht gewissenhafter Unternehmer