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1458 Stahl und Eisen. Zuschriften an die Redaktion. 30. Jahrg. Nr. 34. scheinlich bringen uns die nächsten Jahre schon Klarheit darüber.. Es kann daher nicht dringend genug darauf hingewiesen werden, daß es durchaus verfehlt ist, alle unsere Bauten gewissermaßen für die Ewigkeit zu errichten; am allerwenigsten ist dies angebracht in einer Zeit, in der überhaupt nichts mehr beständig zu sein scheint wie der Wechsel. Zuschriften an die Redaktion. (Für die unter dieser Rubrik erscheinenden Artikel übernimmt die Redaktion keine Verantwortung.) Die Verwendung von Eisen im Hochbau. Bei der diesjährigen Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute in Düsseldorf hielt Hr. Oberingenieur Fischmann aus Düssel dorf einen Vortrag über das obige Thema. * Der zweite, größere Teil des Vortrages befaßt sich ausschließlich mit dem Eisenbetonbau. Die Be urteilung, welche die Eisenbetonbauweise dabei erfährt, scheint uns keine vorurteilslose zu sein; die Art und Weise, wie die angeblichen kleinen Mängel der Bauweise gewaltsam konstruiert und mit großer Breite veranschaulicht werden, während die Hauptvorzüge gar nicht oder nur ganz neben bei erwähnt werden, muß den Anschein erwecken, als sei der Zweck des Vortrages weniger der gewesen, eine objektive Darstellung des Verhält nisses zwischen dem reinen Eisenbau und dem Eisenbetonbau zu geben, als vielmehr der, unter allen Umständen den letzteren gegenüber dem ersteren ungünstig zu beurteilen. An diesem Ein druck ändert auch nichts die Bemerkung in dem Vortrage, daß er nur dazu helfen soll, eine rich tige Begrenzung beider Bauweisen herbeizuführen und jeder von ihnen dasjenige Anwendungsgebiet zu sichern, auf dem sie auf Grund der ihr eigen tümlichen Vorzüge besonders am Platze erscheint, denn die Verfolgung dieses Zieles hätte notwen digerweise zu einer anderen Behandlung des Gegenstandes führen müssen. Der Umstand, daß der Vortrag auf der Haupt versammlung des Vereins deutscher Eisenhütten leute gehalten wurde, vor einem Forum von Sachverständigen, von denen wir annehmen, daß ihnen in wissenschaftlichem Interesse eine objek tive und unbefangene Darstellung erwünscht ist, veranlaßt den Deutschen Beton-Verein, einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Hrn. Ober ingenieurs Fischmann zu machen. Um den Einfluß zu veranschaulichen, den der Wettbewerb des Eisenbetons auf die Eisenpro duktion ausgeübt hat, führt Hr. Fischmann an, daß der Inlandsabsatz an Formeisen von l’/s Milli onen Tonnen im Jahre 1906 auf 830000 t im Jahre 1908 gesunken sei. Ein Teil dieses Rückganges wird auf die rückläufige Konjunktur geschoben, während ein anderer Teil auf die Entwicklung des Eisenbetons zurückgeführt wird. Diese An gabe ist für die Eisenbetonindustrie äußerst schmeichelhaft, denn sie bedeutet ein geradezu * Vgl. „Stahl und Eisen“ 1910, 11. Mai, S. 782 ff; 8. Mai, S. 847 ff. glänzendes Zeugnis für die Entwicklung der neuen Bauweise. Wir sehen die Verhältnisse etwas nüchterner an und glauben, daß nur ein ver schwindend kleiner Teil des Rückganges auf den Eisenbetonbau zurückzuführen ist, denn bereits im Jahre 1909 betrug der Absatz schon wieder 1045000 t, also annähernd so viel wie im Jahre 1905. Der hohe Wert des Absatzes 1906 dagegen ist auf die außerordentlich günstige, der geringe Betrag des Jahres 1908 auf die außerordentlich ungünstige Konjunktur zurückzuführen. Wie in dem Vortrage ausgeführt wird, ist eine Steigerung des Stabeisenabsatzes unverkennbar, den man einschließlich des durch die ungünstige Kon junktur bedingten Rückganges vollständig, nicht „zum guten Teil“, wie es in dem Vortrage heißt, dem Eisenbeton zu danken hat. Wir sind über zeugt, daß der Gesamtabsatz an Eisen durch den Eisenbetonbau nicht beeinflußt wird, daß höchstens eine Verschiebung in den Mengen der einzelnen Produkte entstehen wird. Man wird dies begreifen, wenn man sich das große Anwendungsgebiet vergegenwärtigt, auf welchem Eisen bisher nicht oder nur in untergeordnetem Maße Verwendung fand, der Eisenbetonbau aber siegreich einge drungen ist: Gründungen aller Art, Pfähle, Platten, Brunnen, Futtermauern, Uferbefestigungen, Silos, Ladebühnen und Laderampen, Außenwände und Decken von Gebäuden, Flüssigkeitsbehälter aller Art, Kanäle und Rohrleitungen, Wehrbauten, Talsperren, Schornsteine, monumentale Türme, Eisenbetonbrücken als Ersatz für massive Brücken aus Mauerwerk oder Stampfbeton u. a. Dabei ist die Anwendung des Eisenbetons auf diesen Ge bieten zum großen Teil noch im Anfangsstadium der Entwicklung begriffen. Angesichts dieses Umstandes können wir nicht begreifen, wie von Seiten der Eisenindustrie der Versuch gemacht werden kann, der Entwicklung der Eisenbeton bauweise bis zu einem gewissen Grade entgegen zuarbeiten. Es mag sein, daß der Stahlwerks verband, der vornehmlich an dem Absatz von Trägern ein Interesse hat, die Steigerung des Stabeisenabsatzes nicht genügend würdigt. Ur sache, dies zu tun, haben aber ohne Zweifel die Hütten- und Walzwerke selbst, die an der Er zeugung des einen oder anderen Produktes meist gleichermaßen interessiert sind. Die Frage, wodurch es dem Eisenbeton ge lungen ist, sich so schnell einzubürgern, beant-