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21. April 1909. Umschau. Stahl und Eisen. 601 Er legt bei seinem Vergleich für die elektrisch angetriebene Straße die von Riecke* angegebenen Zahlen über die Anlage Trzynietz zugrunde, die, zweifellos wegen sehr großer effektiver Walzarbeit, sehr hoch sind. Die Ergebnisse auf Georgsmarien hütte stellen sich bedeutend günstiger. Direktor Ort mann gibt für eine 8,1 fache Streckung einen Dampf verbrauch von 178 kg/t, für 11,9 fache Streckung 216,77 kg/t und für 17,85fache Streckung 277 kg/t an. Nach den auf Georgsmarienhütte gefundenen Werten würden für die drei genannten Streckungen rund 17 KW.-Std /t, 22 KW.-Std./t und 26 KW.-Std./t verbraucht werden. Würde der Ilgnerumformer von einer modernen Dampfzentrale mit Dampfturbine gespeist, so entspräche diesen Zahlen, ein Dampfverbrauch von etwa 7,5 kg f. d. KW.-Std. vorausgesetzt, als Dampf verbrauchszahlen 127 kg/t, 165 kg/t und 195 kg/t. Wenngleich das von Direktor Ortmann angeführte Dampfumkehrwalzwerk, wie er angibt, auch nicht ganz neu ist, und ein modernes Dampfwalzwerk gün stiger arbeiten würde, so dürfte es doch auch mit einem neuen Walzwerk nicht möglich sein, diese Zahlen, gleiche effektive Walzarbeit vorausgesetzt, zu erreichen. Sehr günstig fällt für die elektrische Umkehr- Straße ins Gewicht, daß sie in den großen Pausen sowie an Sonn- und Feiertagen keine Energie ver braucht, während bei der Dampfumkehrstraße die Leitung und die Antriebsdampfmaschine unter Dampf gehalten werden müssen. Gerade in den Zeiten schlechten Geschäftsganges fällt diese Ersparnis außer ordentlich ins Gewicht. Nach Angabe von Direktor Ortmann ist die von ihm benutzte Dampfumkehrstraße an eine Kessel anlage von 730 qm angeschlossen. Die elektrische Umkehrstraße der Georgsmarienhütte, die jedenfalls nicht kleiner ist als die von Direktor Ortmann er wähnte Dampfstraße, verbraucht bei stärkster In anspruchnahme etwa 800 KW., was bei einem Dampf verbrauch von 7,5 kg/KW.-Std. einem stündlichen Ver brauch von 6000 kg entsprechen würde, wofür eine Kesselanlage von 300 qm sehr gut ausreichen würde. Da die erforderlichen Mengen Brennmaterial wohl ungefähr in gleichem Verhältnis zueinander stehen wie die Kesselheizflächen, so folgt aus diesen Zahlen, daß die Gegenüberstellung der spezifischen Dampf verbrauchszahlen überhaupt kein richtiges Bild gibt, sondern daß lediglich die benötigten Mengen Brenn material verglichen werden können, wenn man ein richtiges Bild über die Wirtschaftlichkeit erhalten will. Um gleichzeitig den Verbrauch in den Pausen zu berücksichtigen, muß für beide Antriebsarten der Jahresverbrauch an Brennmaterial, und zwar für starke and schwache Konjunktur bestimmt und hieraus ein Schluß hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit beider Systeme gezogen werden. Endlich aber ist noch folgender Umstand zu be achten. In der Regel wird die in den Hochofengasen enthaltene Energie mit Hilfe von Großgasmaschinen in elektrische Energie umgesetzt. Zum Antrieb von Umkehrstraßen ist aber eine Großgasmaschine nicht zu verwenden. Es ist daher meistens die Frage zu ent scheiden, ob die Umkehrstraße mit Hilfe des elektri schen Antriebes an die wirtschaftlich arbeitende Gas maschinenzentrale angeschlossen werden soll, oder ob eine besondere Kesselanlage zu betreiben ist, um die Umkehrstraße mit Dampf antreiben zu können. Die Betriebskosten der Gasmaschinenzentrale werden aber durch Anschluß des Umkehrwalzwerkes verhältnis mäßig nur wenig erhöht. Die Erhöhung steht in keinem Verhältnis zu den Betriebskosten der Dampf umkehrstraße mit besonderer Kesselanlage. Wird die Frage von dieser Seite beleuchtet, so dürfte schon * „Stahl und Eisen“ 1908 S. 355. allein aus diesem Grunde in den meisten Fällen der elektrische Antrieb eich als der weitaus günstigere erweisen.“ * * * Die Ausführungen von Ortmann haben folgenden Wortlaut: „Hr. Philippi beschäftigt sich auf S. 162 der „Elektrotechnischen Zeitschrift“ 1909 mit meinen Ver öffentlichungen über den Antrieb von Umkehr- Walzen- Straßen durch Dampf oder durch Elektrizität, und hebt ganz besonders hervor, daß bei dem Versuch in Völk lingen keine effektive Walzarbeit durch Indizieren der Maschine während der Versuche festgestellt worden sei; das heißt, es sei nicht der Energieverbrauch an der Kammwalzenwelle festgestellt, wie er auf der Gute- hoffnungshütte durch Indizieren der Antriebsmaschine nachgewiesen wurde.* Da diese fehlenden Zahlen aber nachträglich in »Stahl und Eisen« 1908 S. 1398 veröffentlicht worden sind, so halte ich mich für verpflichtet, auf diese Er gänzung besonders hinzuweisen. Es ist hier die effektive Walzarbeit in PS in das von Hrn. Koettgen gezeichnete Diagramm über den Kraftverbrauch eingezeichnet, und es geht daraus hervor, daß die aufgewandte Energie durchaus nicht so niedrig gewesen ist, als wie man angenommen hat. Sie übersteigt die in Oberhausen festgestellten und zum Teil auch die auf der Georgs-Marienhütte ge fundenen Zahlen, zum Teil unterschreitet sie letz tere auch. Jedenfalls ist es unrichtig, wenn Hr. Philippi in seinem Aufsatze angibt, daß die in Völklingen ge machten Untersuchungen deshalb nur einen beschränk ten Wert haben, weil die untersuchte Maschine nicht indiziert, das heißt also, die effektive Walzarbeit nicht festgestellt worden sei. Ferner findet es Hr. Philippi nicht richtig, daß ich nur die von Riecke angegebenen Zahlen über die Anlage in Trzynietz zugrunde gelegt habe, weil diese zweifellos wegen zu großer effektiver Walzarbeit sehr hoch sind. Leider standen die Zahlen von Dr. Wendt damals noch nicht zur Verfügung, weshalb ich sie nicht in die Berechnung hineinziehen konnte. Ich will dies aber heute nachholen; vorher möchte ich jedoch be merken, daß es unrichtig ist, wenn man, wie es Herr Philippi tut, die für die Walzarbeit aufgewandte elektrische Energie in KW. in Dampf umrechnet und Schlüsse auf die Größe der Dampfkesselanlage zieht. Sobald der elektrische Antrieb in Frage kommt, ist überhaupt keine Dampfkesselanlage mehr zum Ver gleich heranzuziehen, sondern es sind nur die Kosten für den Strom, also für die KW.-Stunde, wie er von der Walzenzugmaschine aufgenommen und als Arbeit an die Kammwalzenwelle abgegeben wird, zu berück sichtigen. Ob der elektrische Strom von einer Dampf maschine oder Dampfturbine oder von einem Gas motor geliefert wird, ist an und für sich gleichgültig, es werden hierdurch nur die Stromkosten beeinflußt. Ferner ist es schon deshalb unzweckmäßig, die Größe einer Kesselanlage für den elektrischen Antrieb zu bestimmen, weil zwischen Kesselanlage und Walzen zugmaschine eine elektrische Zentrale eingeschaltet ist, während bei der Dampf-Walzenzugmaschine die Kesselanlage zur Erzeugung des direkt zu verbrau chenden Energiemittels, also Dampf, bestimmt ist. Hier sind also die Dampfkosten an der Walzenzug maschine zu bestimmen und in Rechnung zu stellen. Zur Erzeugung der berechneten 6000 kg Dampf sind übrigens nicht, wie Hr. Philippi angibt, 300 qm Heizfläche erforderlich, sondern im Vergleich mit der Völklinger Anlage bei 12facher Verdampfung f. d. qm Heizfläche 6000 : 12 = 500 qm. Die Dampfkosten be- * „Stahl und Eisen“ 1904 S 228. XVI20 7t